Wie berät man besser: methodisch sorgfältig geplant oder intuitiv emergent aus der Situation heraus – und kann man nicht beides haben? Klar: Einseitige Methodenfixiertheit kann dazu führen, dass man immer den Nagel trifft, weil man eben nur den Hammer im Kopf hat. (Zwei Wortspiele in nur einem Satz und noch ein Bezug zu Watzlawiks Hammer Zitat, ha!). Hier ein kleiner Einblick meiner Reise vom Methoden Saulus zum Theorie Paulus.

Als Kinder spielten wir vor fünfzig Jahren „Kaiser welche Fahne weht heute?“ Der Kaiser bestimmte eine Farbe und alle die diese Farbe an ihrer Kleidung hatten, hatten „Glück“ und konnten nicht gefangen werden. In den „Mega-Trends“ im Management und der Beratung kam es mir ähnlich vor, wenn jemand eine Super – Antwort auf die aktuell über die Organisations-Welt brausende Problematik hatte. Oft hatten Problem und Lösung auch sehr klingende Bezeichnungen: Vuca? à Scrum!

So habe ich mich jahrelang aus diesem Geschehen versucht mental herauszuhalten. Dann machte ich aber eine erstaunliche Entdeckung, die mir einen neuen Blick auf die von mir abgelehnte Methodenlehre ermöglichte. >Die Methode als feines Hilfsmittel< – überraschend wie eine solche Umbewertung bei einem so eingefleischten „Prediger der Emergenz und Intuition“ von statten ging.

Manch einem wird unser Seminar Agilität mit Sinn – von der Methode zur Haltung im letzten November noch in Erinnerung sein. Gemeinsam mit dem als Scrum Master bei der Telekom gestarteten Kollegen Thomas Zimmermann haben wir als Gruppe die Hintergründe der Agilität untersucht und ausprobiert. Herausgefunden haben wir, dass es tatsächlich auf die Haltung der Beteiligten ankommt, ob das Instrument zu einer Optimierungs-Schimäre degradiert wird oder den Charm eines geradezu spirituell angehauchten Weges für technisch affine Menschen versprüht.

In Folge hatte ich dann ein (für mich) noch radikaleres Experiment gestartet: Ich habe die Vorgehensweisen, die ich am häufigsten gebrauche einmal gesammelt und den verschiedenen „angesagten“ Methodenschulen zugeordnet. Also einmal nicht von der Theorie zur Praxis (deduktiv), sondern von der Erfahrung zur theoretischen Einordnung (induktiv).

Daraus ist dann eine Seminarreihe entstanden, die im März ihre euphorisierende Feuerprobe des ersten Durchganges erlebt hat. Und siehe da: Der Theorierahmen um eine Methode kann ein guter Ausblick sein, um neben dem Erleben auch kognitiv zu verstehen, was der Mechanismus oder die Absicht hinter genau diesem Vorgehen sein kann. So macht es ein Rollenspiel oder ein Planspiel reicher, wenn man dahinter die Ideen und das Menschenbild des Arztes Jacob Moreno betrachtet, der schon vor fast hundert Jahren die Psychodrama Methode erforscht hat.

Festgestellt haben wir mit diesem induktiven Vorgehen, dass das Nach-Lesen von Theorien geradezu lustvoll geschehen kann, wenn ein eigenes Erleben vorausging. Der Bauch also dem Kopf die Motivation zur Verarbeitung ausgibt. Aber noch ein weiterer Punkt war spannend: Der Zusammenhang der einzelnen Vorgehensweisen miteinander. Es war wie in einem Wald. Die Bäume stehen scheinbar unverbunden voneinander entfernt. Aber unterirdisch bilden ihre Wurzeln ein Geflecht mit dem sie (u.a. mittels Pilz-Verbindungen) miteinander eine solidarische Gemeinschaft bilden. Ähnlich verhält es sich mit Methoden-Schulen: Wenn wir die Grundlagen der Gewaltfreien Kommunikation mit den Vorgehensweisen der wertschätzenden Erkundung vergleichen oder auch das Design Thinking mit der Aufstellungsarbeit – dann werden wir gemeinsame Bezüge zu Werten und Menschenbildern finden.

Und wer bis hierher gelesen oder gescrollt hat, darf sich mit drei vergnüglichen Lektüren belohnen.

  1. Zum einen die Zusammenstellung der Grundlagen und Vorgehensweisen des Art of Hosting, also wie kommt ein gutes Gespräch zustande. Art of Hosting ist das Ergebnis einer offenen Zusammenarbeit in einem weltweiten aber doch überschaubaren Netzwerk von an besseren Kommunikations- und Partizipationsstrukturen interessierten Menschen. Das dazugehörige Handbuch wird immer weiter entwickelt, hier eine deutschsprachige Version (automatischer Download) mit 54 Seiten zu Hintergrund und methodischen Vorgehen aus dem Jahre 2017:

Die offizielle Website www.artofhosting.org

  1. Dann ein Kleinod mit hübsch aufgemachten 50 Seiten und 15 kurz beschriebenen Methoden mit theoretischen Hintergrund. Die im Anhang genannten Bücher sind allesamt Klassiker und es sind nicht zuviele, d.h. es ist übersichtlich und kann als Startpunkt für weitere Erkundungen genommen werden. Geschrieben hat es der junge Gründer einer schweizer Beratungseinrichtung für Erlebnispädagogik, Andri Girsberger.

Das Buch ist ein Vergnügen wie auch das offizielle Website Vorstellungs-Bild von Andri andeuten möchte… 

 

Und zu guter Letzt ein schönes kleines Methodensammelsurium – klug beschrieben und ganz nach SOCIUS Geschmack: Vierzehn eng bedruckten Seiten mit 25 Methoden der ungarisch-Schweizerin Katalin Hankovszky. Die Autorin stellt sich vor auf: http://handlungsspielraeume.com/

Hier der Text als PDF in der Verlinkung.

Viel Vergnügen beim Methoden – Theorien sammeln.

Rudi Piwko

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