Diversitäts-und Diskriminierungsensibilität muss Hand in Hand gehen mit einem machtkritischen Diskurs in Organisation. Darin waren sich die 15 Teilnehmenden des Socius labor online am 16.9.21 weitestgehend einig. Gleichzeitig wurde in der vorwiegend weiß geprägten Bildungsgruppe deutlich, daß der Wunsch nach machtkritischem Umgang für diversität-und diskriminierungsensibles Verhalten immer bei uns selbst anfängt.

So hatte unsere Laborgästin Hannah Gedamu auch die Überschrift: „Diversity is not about them. It’s about you!“ gewählt um von vornherein deutlich zu machen, daß es in diesem Labor nicht um „die anderen“ geht, sondern wir mit uns selbst arbeiten.

Projekt zur diversitätsorientierten Personalarbeit

Hannah Gedamu arbeitet in Berlin bei einem Verein der die berufliche Teilhabe von Menschen mit (familiärer) Migrationsgeschichte und/oder Diskriminierungserfahrungen fördert und Organisationen im öffentlichen und privaten Sektor dabei unterstützt sich diversitätsorientiert auszurichten. Das Projekt „Diversitätsorientierte Personalarbeit in der Berliner Verwaltung und Unternehmen“, in dem sie arbeitet, hat das übergeordnete Ziel, den Anteil von Menschen mit Migrationsgeschichte und Menschen, die von Rassismus betroffen sind in Berliner Verwaltung und Unternehmen zu erhöhen. Hannah und ihr Team unterstützen vier ausgewählte Berliner Behörden und Unternehmen dabei, ihre Kompetenzen im Hinblick auf die neuen Aufgaben und Herausforderungen im Kontext von Vielfalt zu erweitern sowie ihre gesetzlichen Aufträge zu erfüllen. Die Beratung wird im Rahmen der Zusammenarbeit und auf den Bedarf der jeweiligen Organisation abgestimmt und ausgestaltet. Sie umfasst die Beratung und Begleitung der Entwicklung von Verfahren und Strukturen (insbesondere im Bereich Personalarbeit) zur Erhöhung des Anteils von Menschen mit Migrationsgeschichte in den Organisationen, Schulungen, Workshops und Einzelcoachings zu unterschiedlichen Aspekten von diversitätsorientierter Organisationsentwicklung für Führungskräfte und Beschäftigte, und die Vernetzung mit Migrant:innenorganisationen. Die Beratung erfolgt in enger Zusammenarbeit mit Steuerungsgruppen in den einzelnen Behörden, die jeweils für das Projekt gegründet wurden.  

Die Notwendigkeit ihrer Arbeit unterlegte Hannah mit Zahlen: laut repräsentativer Befragung, haben nur 12 Prozent der Beschäftigten in der Bundesverwaltung einen Migrationshintergrund; laut einer Piloterhebung sind in der Berliner Verwaltung nur 3 Prozent der Beschäftigten in Führungsebenen People of Color. Schnell wurde uns klar welche Mammutaufgabe in Sachen Entwicklung und Veränderung noch vor uns liegt.

In ihrem Input wies sie vor allem darauf hin, daß es in ihrer Arbeit nicht so sehr um die Beschäftigung mit der Sensibilisierung einzelner geht, wenn auch ihr Team als Teil der Beratung punktuell und wo notwendig critical-whiteness Schulungen durchführt, sondern um die Verhinderung und Beseitigung von Diskriminierung und die Förderung einer Kultur der Wertschätzung von Vielfalt als durchgängiges Leitprinzip bei ausgewählten Maßnahmen in den vier Behörden. Hannah berichtete von Beratungsprozessen, die z.B. die Verankerung von Diversitätskompetenzen in Anforderungsprofilen und Personalentwicklungsmaßnahmen für Führungskräfte als Schwerpunkte haben, um die sich ständig wiederholende Kreisläufe von “das System reproduziert sich selbst” (weiß, cis, able-bodied,) zu durchbrechen. In dem Zusammenhang nannte sie auch eine Reihe von anderen Maßnahmen, wie zum Beispiel die “Candidate Journey”, die anhand von beispielhaft ausgewählten Stellen den Weg einer Bewerber:in vom ersten Kontaktpunkt mit einer Organisation bis hin zu Abschluss des Bewerbungsverfahrens analysiert und nachfolgend Gutachten erstellt und Empfehlungen ausspricht. Diese Bestandsaufnahme inkludiert die Analyse von Stellenausschreibungen, Anforderungsprofilen, internen Leitfäden zur Stellenbesetungsverfahren, Leitfäden für Auswahlinstrumente und Korrespondenzen mit den Bewerber:innen.  

Allyship

Nachdem wir uns hier mit Fragen und Antworten der Materie genähert hatten, wendeten wir uns dem so genannten „Allyship“ zu: den Allianzen, die Menschen mit mehr Privilegien als Verbündete eingehen können mit Menschen mit weniger Privilegien.

Hierbei ist es vor allem wichtig sich immer bewußt zu bleiben darüber, daß Allyship eine Entscheidung ist, die ich als privilegierte Person auch wieder aufgeben kann (also ist „Ally sein“ an sich schon ein Privileg), während ich wenn ich eine Person bin, die das Ziel von Diskriminierung ist, keine Entscheidung habe, wann ich mich innerhalb der „Diversitätsdimensionen“ bewege. 

Im Labor haben wir uns in Breakoutsession vor allem mit drei Fragen zum Allyship beschäftigt: 

  • Auf welche inneren Widerstände triffst du, wenn du Ally sein willst?
  • welche Entwicklungen hast du gemacht für dein Allyship und was hat dir geholfen?
  • Was können wir tun (um Verbündete zu sein)?

Abschlussrunde

Nach dieser umfangreichen Sammlung war die Zeit im Labor schon fast vorbei und uns blieb glücklicherweise noch ausreichend Zeit für eine Abschlussrunde, in der wir wieder vier Fragen stellten: 

  • Was nimmst du mit?
  • Welche Idee ist heute in dir gekeimt?
  • Wofür setzt du dich in deinem Arbeitskontext ein?
  • Was willst du noch lernen?

Besonderes Highlight hier war der durchgehende Wunsch sich weiter auszutauschen und gemeinsame Treffen zu initiieren, um sich über das was heute gereift ist weiter auszutauschen. Dazu werden wir im November gerne einladen. 

Wir haben uns gefreut, dass alle anwesenden Personen sich so engagiert selbstkritisch weiter begegnen wollen. 

 

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