Peter Modler: Mit Ignoranten Sprechen  (Campus 2019)

Es gibt ohnmächtige Momente in Auseinandersetzungen, die bleiben haften. Die Erfahrung wirkungslos in der Luft zu stochern, während ein Gegenüber ständig in die Magengrube trifft, kann Züge eines Mikrotraumas annehmen. Ich habe ein paar solcher Momente in meinem Leben erfahren und nie so recht verstanden, was da genau passiert ist. Wem das nicht fremd ist, der sollte sich dieses kleine Buch an den Nachtisch legen (lange wird es da nicht bleiben, es liest sich in einem Zug).

Peter Modler ist Unternehmensberater und Führungs-Coach mit besonderem Interesse an Geschlechterkommunikation. Im Rückgriff auf die Soziolinguistin Deborah Tannen stellt er hier zwei Kommunikationsstile gegenüber: das horizontale und das vertikale System. Während im vertikalen System Revier- und Rangordnungen eine große Rolle spielen, sind im horizontalen System der inhaltliche Austausch auf Augenhöhe und Signale der Zugehörigkeit zentral. Treffen in einer Auseinandersetzung Vertreter*innen der beiden Kommunikationsstile aufeinander, entstehen Verwerfungen. Ein zentraler Unterschied liegt dabei in der Nutzung unterschiedlicher kommunikativer Ebenen: während die „Horizontalen“ sich vor allem auf der Ebene des „High Talk“ auseinandersetzen, in der Argumente ausgetauscht werden, um zu verstehen und zu überzeugen, wechseln die „Vertikalen“ gerne in die „Basic Talk“ Ebene, in der plakative Sprachformen dominieren, die ohne Nebensätze und inhaltliche Argumentation auskommen: „Zu viel Details!“, „Das glaubst Du doch selbst nicht“, “Das holt mich nicht ab!“, „Wrong“, „Fake News!“. An solchen markigen Provokationen – gerne auch in Dauerschleife wiederholt – prallt jedes noch so gute High Talk Argument ab.

Das Herzstück des Buches ist die eindrückliche Schilderung der Fernsehduelle zwischen Donald Trump und Hillary Clinton im US Wahlkampf 2016. Satz für Satz, Bewegung für Bewegung wird hier seziert, wie es dem eigentlich argumentativ unterlegenen Trump gelingt, die Lufthoheit zu erlangen und am Ende als Sieger vom Platz zu gehen. Eine wesentliche Rolle spielt dabei Trumps Einsatz der dritten Eskalationsstufe des vertikalen Kommunikationsstils: der „Move Talk“ – das Senden von Dominanz- und Rangsignalen durch körperlichen Einsatz. Diese Kapitel tun beim Lesen weh und sind unglaublich lehrreich.

Basic Talk und Move Talk haben zwar mit Trump eine idealtypische Verkörperung gefunden, ist aber weit verbreitet. Modler zeichnet die Muster der vertikalen Kommunikation in zahlreichen parlamentarischen Auftritten der AfD nach und beleuchtet, wie so mancher poltrige Politiker (kein Gender-Sternchen hier!) der Volksparteien das vertikale Instrumentarium erfolgreich in Anschlag bringt, um gut gerüstete Gegner verbal und szenisch kaltzustellen. Neben den politischen Szenen dreht sich das Buch aber auch um Beispiele aus dem betrieblichen Alltag. Dass es sich hier auch um ein nützliches Handbuch für die Mikropolitik in Organisationen handelt, erklärt sich nicht zuletzt durch Modlers langjährige Praxis in der Führungskräfteentwicklung  (u.a. mit seinem „Arroganz-Training“ für weibliche Führungskräfte).

Die einzig wirksame Antwort auf Basic Talk, so Modlers Überzeugung, ist Basic Talk. „Wrong!“ – „Right! And you know it!“. Was erst einmal klingt wie ein potentieller Absturz in die Niveaulosigkeit, ist tatsächlich nur eine taktische Antwort, die Ignoranten mit ihren eigenen Waffen zu schlagen. Modlers eindringlicher Appell an das aufgeklärte Bildungsbürgertum: Kommt runter von Eurem hohen Ross, sonst haut der Basic Talk des Populismus Eurem schönen Pferd die Beine weg! Ganz nebenbei bemerkt er dabei, dass Ignoranz meistens eine zweiseitige Zuschreibung ist.

Das Buch hat manche Wiederholung, manche Trivialisierung (ups…), aber ich kann es sehr empfehlen!

Die „10 Goldenen Regeln“ – hier die Zusammenfassung der Zusammenfassung:

 

  1. Die eigenen Sprachgewohnheiten hinterfragen! – Üben Sie sich im Kommunizieren außerhalb der Komfortzone ihres eigenen Sprachmilieus.
  2. Moralische Empörungsreflexe herunterfahren! – Die innere Abwertung des Gegenübers verhindert einen klaren Blick auf ihn und die Situation.
  3. Kommunikation außerhalb der Argumentation wahrnehmen! – Halten Sie Basic Talk und Move Talk Ihres Gegenübers im Blick.
  4. Das Offensichtliche aussprechen! – Nennen Sie provokatives und übergriffiges Verhalten im Gespräch beim Namen.
  5. Keine Zuhörbereitschaft voraussetzen! – Gehen Sie nicht davon aus, dass Ihr Gegenüber unbedingt an einer respektvollen Auseinandersetzung auf Augenhöhe interessiert ist.
  6. Keine Panik bei Unsachlichkeit! – Beantworten Sie Basic Talk in aller Gelassenheit mit Basic Talk.
  7. Schönheit des Patts wahrnehmen! – Übernehmen Sie nicht die volle Verantwortung dafür, dass jede Auseinandersetzung sofort zu einer Lösung führen muss.
  8. Langsam siegen! – Lassen Sie Ihren Argumenten und Moves im Gespräch genug Zeit, Wirkung zu entfalten.
  9. Höflichkeit relativieren! – Verteidigen Sie die Höflichkeit, indem Sie auf Grobheit auch mal grob reagieren.
  10. Nicht rechtfertigen! – Anstatt Ihr Verhalten defensiv zu rechtfertigen, begründen Sie lieber offensiv Ihre Position.  

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