Eindrücke aus dem online Trauercafé
Bereits Ende Oktober fand die Trauerwoche der TrauerTaskForce statt, in vielen verschiedenen Kulturen wird in dieser Zeit des Jahres den Toten gedacht. Allerheiligen, Allerseelen, Tag der Toten (Día de Muertos), Totensonntag, Ewigkeitssonntag…
Die Trauertaskforce ist ein Netzwerk von Trauerexpert*innen, Unterstützer*innen und Freund*innen, das nun schon zum zweiten Mal unter der Überschrift Eat.Cry.Repeat. die Trauerwoche veranstalteten, bei der ich gemeinsam mit Julia ein Online Trauercafé anbot.
Vor Beginn des Trauercafés hatte ich noch eine Stunde Zeit, die ich im Garten meiner Mutter verbrachte. Sie hatte mich gebeten aus dem Komposthaufen die gute satte Humuserde rauszuholen, um die Rosenstöcke für den Winter noch einmal voll zu nähren.
Und während ich also da so buddelte, dachte ich über die bevorstehende Veranstaltung nach und fand, dass es kaum ein besseres Sinnbild für Leben, Sterben, Transformation und das Wunder der Erneuerung gibt, als den Komposthaufen. In ihm zerfällt, was alt und scheinbar wertlos ist, und wird zur Grundlage für neues Wachstum. Er zeigt, dass Zersetzung kein Ende ist, sondern ein Übergang – ein Kreislauf, in dem alles miteinander verbunden ist. Wie im Leben liegt auch im Komposthaufen die Kraft der Veränderung. Er ist eine kraftvolle Metapher für die Zyklen von Zerfall, Tod, Leben und Erneuerung. Alles ist miteinander verbunden. Der Komposthaufen lehrt uns, den Zerfall nicht zu fürchten, sondern als natürlichen Prozess der Transformation zu begreifen. In ihm liegt die Hoffnung, dass aus Verlust immer auch Neues entstehen kann.
Drei waren angemeldet. Fünf sind gekommen.
Aus Köln, Kiel und Berlin sind wir zusammengekommen und haben aus den Perspektiven von ambulanter Hospizarbeit, Jobcoaching mit langzeitarbeitslosen Menschen, Selbstständigkeit als Trauercoach, Facilitation & Hosting, Beratung und Begleitung auf die verschiedenen Aspekte geschaut, die sich uns zeigen, wenn wir uns bewusst mit Trauer am Arbeitsplatz beschäftigen.
Um an Arbeitsstätten mit Verlust und Trauer umzugehen, ist es essenziell, eine Kultur des Mitgefühls und der Offenheit zu fördern. Verantwortliche können Angebote wie Gesprächsrunden, professionelle Trauerbegleitung oder psychologische Beratung bereitstellen, um den Betroffenen Raum für ihre Gefühle zu geben. Flexible Arbeitszeiten oder temporäre Entlastungen können helfen, mit der Belastung umzugehen. Führungskräfte sollten Vorbild sein, indem sie authentisch und respektvoll mit Trauer umgehen, etwa durch Rituale wie Gedenkminuten oder das Anbieten von Unterstützungsgesprächen. Eine klare Kommunikationskultur, die Sensibilität und Diskretion wahrt, hilft dem Team, den Verlust gemeinsam zu integrieren und zu einer neuen Normalität zurückzufinden.
Alle Anwesenden waren sich einig darüber, dass es immer mehr Organisationen gibt, die in Trauerfällen achtsam reagieren, insbesondere wenn es um den Verlust direkter Kolleg*innen geht und “business as usual” dann nicht verlangt wird.
Und obwohl wir wissen, dass es eine Trauerprävention nicht gibt, waren wir uns einig, dass es sinnvoll sein kann, wenn wir uns frühzeitig mit Verlust und Vergänglichkeit auseinandersetzen und in Gemeinschaft Räume schaffen, in denen Gefühle geteilt werden können. Offenheit im Umgang mit Trauer, Rituale zur Verarbeitung von Verlust und die Förderung von Resilienz stärken die seelische Gesundheit. Wichtig ist auch, bereits in stabilen Zeiten ein Netz aus sozialen Beziehungen zu pflegen, das in Krisen Halt gibt. Bildung über die natürlichen Prozesse von Trauer und die Bedeutung des Abschiednehmens hilft, Ängste abzubauen und das Unausweichliche als Teil des Lebens zu akzeptieren. So entsteht ein Umfeld, das Heilung und Wachstum in schweren Zeiten unterstützt.
Auch ohne konkreten Trauerfall, kann man sich quasi anlasslos, im geschützten Raum eines Trauercafés treffen. Hier kann informell über Verluste aller Arten, Sorgen, Ängste und Befürchtungen gesprochen werden. Ein Impuls, eine kurze Lesung, eine Achtsamkeitsübung oder nur eine offene Frage durch eine:n Trauerbegleiter:in oder eine:n geschulte:n Moderator:in kann anregen ins Gespräch zu kommen. Am Arbeitsplatz kann ein Trauercafé helfen, den Umgang mit Trauer zu enttabuisieren, den Zusammenhalt im Team zu stärken und eine unterstützende Atmosphäre zu schaffen. Es zeigt, dass Trauer ernst genommen wird und Betroffene mit ihren Emotionen nicht allein sind.
Sich anlasslos über Trauer zu unterhalten, kann zunächst ungewohnt oder schwer erscheinen, bietet aber die Chance, ein offenes und unterstützendes Klima zu schaffen, bevor ein konkreter Verlust eintritt. Es ermöglicht, Bewusstsein für die Bedeutung von Trauer zu schaffen und die Hemmschwelle für Gespräche in Krisenzeiten zu senken. Mitarbeitende können ihre Perspektiven, Ängste und Erfahrungen teilen, wodurch Empathie im Team gestärkt wird. Solche Gespräche fördern Resilienz und zeigen, dass es am Arbeitsplatz Raum für menschliche Themen gibt. Sie legen den Grundstein dafür, dass im Fall eines Verlustes einfühlsame und nachhaltige Unterstützung geleistet werden kann.
In dieser Siebener-Runde hätten wir noch lange weiter über die Besonderheiten von Trauer im Team sprechen können, die zwei Stunden kamen uns etwas kurz vor. So verabredeten wir uns weiter in Kontakt zu bleiben, unsere Erfahrungen und Methoden auszutauschen und uns im neuen Jahr wieder zu einem Austausch zu verabreden.
Wer dazu kommen will, ist herzlich willkommen. Alle Infos gibt es im SOCIUS brief.