Liebe Leser:innen
„In diesen Zeiten einen sinnvollen und guten Text zu schreiben ist nicht einfach“, geht mir als erstes durch den Kopf. Und gleich als nächstes: „Was bedeutet eigentlich gut an dieser Stelle?“ Gut könnte sein: interessant, inspirierend, ablenkend, leicht, unterhaltsam. Das macht es gerade nicht leichter! Wo ich hinschaue, nehme ich momentan vor allem Schwere wahr. Überlastung, Verunsicherung, Erschöpfung, Traurigkeit, Schmerz. Manchmal steckt es an, manchmal kostet es Kraft zu fokussieren und sich abzugrenzen, um sich den alltäglichen An- und Herausforderungen zuzuwenden, mit anzupacken, wo es gerade benötigt ist, Teams zu unterstützen, wesentliche Gespräche zu führen, die eigenen Kinder durch diese unsicheren Zeiten zu begleiten. Und wie leicht schleicht sich auch manchmal ein schlechtes Gewissen ein angesichts zu deutlicher Abgrenzung. Urlaubsplanung, die neueste Netflixserie – kann man dem wirklich so viel Raum geben im Angesicht von so viel Leid in der Ukraine, im Jemen, in so vielen Teilen der Welt. „How can we dance when our earth is turning, how do we sleep while our beds are burning?“, hat schon Midnight Oil Ende der 80er gesungen.
Halt. Vor einigen Tagen habe ich etwas gesehen, das mich sehr berührte: Eine kurze Videoaufnahme von einem Paar in einem Ukrainischen Schutzraum, das Tango tanzte. Ganz selbstvergessen. Eine so eindrückliche Demonstration, Mensch zu bleiben in einer entmenschlichten Umgebung. Vielleicht auch ein kleiner Moment der Freude, des Vergessens, des aus-dem-Kopf-und-in-den-Körper-Gehens. Und ich frage mich immer wieder: Was gibt uns eigentlich Orientierung und Kraft in herausfordernden Zeiten? Kraftquellen, die mir dazu einfallen, ist das Spüren von Sinnhaftigkeit und Ausrichtung im eigenen Tun. Die Verbindung mit anderen Menschen zu erleben und sich als Teil einer Community zu fühlen. Eine andere: Spiritualität, Dankbarkeit, den Blick auf das Wesentliche, das Positive in der Welt. Gut und sicher „im eigenen Körper zu stecken“ und sich immer wieder mit ihm zu verbinden, sind Praktiken, die hilfreich sein können. Aber zurück zum Tango tanzenden Paar, dem (sicherlich wohlverdienten Urlaub) und dem Filmabend auf dem Sofa. Wie lässt sich der Anflug von Unwohlsein vertreiben, wie wichtig wir diese Dinge nehmen dürfen?
Karen Walrond, die Autorin des Buches The Lightmaker’s Manifesto: How to Work for Change Without Losing Your Joy, konstatiert in ihrem Podcast mit Brené Brown: Die Grundordnung allen Lebens ist der rhythmische Wandel. Geboren werden und vergehen, das Ansteigen und Abebben der Gezeiten, der Rhythmus der Jahreszeiten, das Ein- und Ausatmen. Jede Form des gesellschaftlichen Einsatzes oder aktivistischen Kampfes kann nicht wirksam werden und nachhaltig sein, wenn es nicht auch Momente der Stille, des Rückzugs, der Regeneration gibt.
Auch der nächste oe-tag folgt diesem Grundgedanken des zirkulären Wandels: Nach dem Wachstum und der Reifung kommt die kreative Zerstörung, nach dem Ende die Erneuerung. In diesem SOCIUS brief findet Ihr ein kleines Update, welche inhaltlichen Formen unser alljährliches Community-Event annimmt. In unser Rubrik SOCIUS hört nimmt uns Julia mit auf eine kleine Hörreise zu dem Thema Resilienz und Embodiment. Und auch unsere nächsten SOCIUS labore haben einiges anzubieten, was in diesen Zeiten vielleicht Orientierung und Inspiration sein kann: In einer ganz konzentrierten Form geht es im Mai um das Kennenlernen des Reflektions- und Auswertungsformat Intense Periods Debrief (mehr darüber erfahrt ihr im Blog Artikel von Andreas). Im Juni geht es um einen Leadership Ansatz aus der Positiven Psychologie (PERMALead) und im Juli um die Praxis des Bullet Journaling. Und wer sich in diesen Zeiten noch eine Community suchen will, wo gemeinsames Lernen, kollegiale Unterstützung und Inspiration erlebt werden kann, dem sei verraten: Im neuen Sommerdurchgang ab Mai der Fortbildungswerkstatt „gOe! – gemeinnützige Organisationen entwickeln“ sind noch 2 Plätze frei!
Sich bewusste Räume für Freude und Inspiration zu schaffen, ist ein Schlüssel für individuelle Resilienz. Karen Walrond gibt uns die 3 Fragen mit auf den Weg, die wir uns tagtäglich stellen können: * Wie kann ich gesund bleiben? * Wie kann ich mich verbunden fühlen? * Und wie kann ich Sinnhaftigkeit erleben?
Vielleicht können wir an der einen oder anderen Ecke dazu einen Beitrag leisten.
Joana Ebbinghaus Christian Baier, Kerstin Engelhardt, Lysan Escher, Julia Hoffmann, Hannah Kalhorn, Andreas Knoth, Nicola Kriesel, Denise Nörenberg und Ralph Piotrowski
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