Design Thinking als Herangehensweise, kreative und innovative Produkte und Prozesse zu entwickeln, war Mittelpunkt des Labors mit Yi-Cong Lu von be able. Cong hat diesen Arbeitsansatz mit Kolleg*innen u.a. in Arbeitsfeldern mit Menschen mit verschiedenen Beeinträchtigungen oder Personen im Strafvollzug angewendet. Ungefähr 12 Teilnehmer*innen waren bei dem sehr anregenden Labor dabei.

Kraft der Kreativität

Herzstück von Design Thinking ist das kreative Arbeiten. In unserem Fall („Wie agieren wir als Berater*innen in unserem Feld?“) haben wir – aufbauend auf Interviews – eine Figur des Gegenübers gestaltet und diese anschließend (in 2er oder 3er Gruppen) in Beziehung zueinander aufgestellt. Dieser zweite Schritt führte teilweise zu einer weitgehenden De- und Rekonstruktion der Einzelbilder oder zu gemeinsamen Grenzziehungen, die aber die Einzelfiguren weitgehend original beließen.

Die Freude am Gestalten war breit spürbar, die Lust – angeregt durch offene Gespräche des Kennenlernens und durch schöne und vielfältige Materialien – auf diese Gestaltungsmöglichkeiten offensichtlich. Hürden, die ich zumindest bei meinen kleinen kreativen Ausflügen in Beratung oder Coaching erlebe, waren nicht zu spüren. Sicherlich lag das auch daran, dass sich hier ein dankbarer Teilnehmer*innenkreis zusammengefunden hatte. Gleichzeitig wurde damit nachvollziehbar, welche Auswirkungen auf gute Zusammenarbeit dieses „händische Tun“ haben kann.

Die anschließenden Interpretationen der Modelle ermöglichten Gespräche über geteilte Interessen, tiefer liegende Wertmaßstäbe oder Motivationen. In den Kleingruppen entspann sich auf diese Weise ein „Dialog“ zwischen Bildergebnissen und -Interpretationen und ihrer möglichen Entsprechung im wirklichen Arbeitsleben. So unterschiedlich der Prozess in den einzelnen Gruppen war, so übereinstimmend war der Eindruck, dass die künstlerische Zusammenarbeit Tiefe und Perspektivenvielfalt der Gespräche (und des parallelen weiteren Gestaltens) deutlich angeregt und beeinflusst hat.   

Weiter mit angeregten Sinnen

Hier waren die vier Stunden gemeinsamen Arbeitens leider bereits wieder vorbei (natürlich gab es vorgeschaltet eine kleine Einführung und als Topping-Up hatte Cong auch noch ein umfangreiches Beispiel seiner Arbeit mit dem Verein be able e.V. aufbereitet). Mögliche Fragestellungen stehen aber im Raum: Auf Basis der Interpretationen könnten beispielsweise Werthaltungen, Vorgehensweisen, Zielgruppen oder strukturelle Verabredungen zu Kooperationen entwickelt und im weiteren Prozess des Design-Thinkings profiliert werden. Angesichts von gerade mal 3×10 Minuten Interview plus ca. 30 Minuten Figurenbau und einer weiteren Stunde kollaborativen Bastelns und Sensemakings ein durchaus reichhaltiges Ergebnis.

Der Überblick

Kernelement des Design-Thinkings sind die aufeinander bezugnehmenden Schrittfolgen:

Wie bei anderen agilen Methoden steht die schnelle prototypische Entwicklung im Vordergrund, noch vor Detailtiefe und Richtigkeit. Das ist jedoch nur dann möglich, wenn ausreichend Schleifen im Prozess vorgesehen sind. Das Vorgehen lebt also vom Lernen kleinschrittiger Prozesse, die wiederholt und angepasst werden. Eine Kunst hier: Soll die Wiederholung und der Lernprozess nur die Beobachtung oder sogar die Problemdefinition einbinden? Die „richtige“ Detailtiefe, bzw. die Wahl des Bezugsrahmens ist hier schon der erste Teilschritt zum „Erfolg“.

Auch an anderen Stellen finden wir Herausforderungen, die auch in anderen Prozessmodellen bzw. agilen Ansätzen beobachten können:

  • Eine abwechselnde und bewusste Setzung der Modi von Divergenz – zur Ideenentwicklung – und Konvergenz – ihrer Priorisierung und Erarbeitung nächster Schritte,
  • Eine möglichst konkrete und handlungsorientierte zentrale Einstiegsfrage,
  • Die intensive Einbindung vieler und verschiedener Personen aufgrund ihrer unterschiedlichen Fähigkeiten und Perspektiven auf die Einstiegsfrage.

Mein Lernen zusammengefasst

    • Wie andere Prozessmodelle benötigt auch hier die Moderation durch einen Design-Thinking Prozess ein gerütteltes Maß an Intuition und Fähigkeit in (Ergebnis-)offenen Prozessen zu denken und gleichzeitig Raum zu halten.
    • Die kreative Arbeit ermöglicht und verbindet einen Zugang auf sehr vielen Ebenen: einerseits stellt er neue Interpretationsmöglichkeiten aus dem intuitiven Arbeiten zur Verfügung. Wesentlich basaler kann er gruppendynamische Prozesse auslösen und „Ownership“ – durch den Prozess des kollektiven Gestaltens – nochmal ganz anders erfahrbar machen.
    • Eine ganzheitliche Herangehensweise in diesem Sinn setzt natürlich voraus, dass die wesentlichen Akteure, diesen offenen Prozess und dem hierarchiefreien Ansatz mittragen, der Voraussetzung für Arbeiten auf Augenhöhe ist.
    • Der Kern aus einer offenen Fragestellung ohne klare Antwort einen Prozess zu gestalten, bei dessen Ende die Antworten (ent-)stehen, ist nachvollziehbar, die Kraft, die diese Möglichkeit bietet, ist deutlich geworden. Nicht durchlaufen haben wir – aus zeitlichen Gründen – den Prozess des Schließens. Hier entsteht für mich die Frage, wie dieser (trotz natürlichem Moduswechsel vom Brainstorming zum Gewichten und Bewerten), Elemente der Kreativität und Offenheit erhalten kann.
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