Um was geht es in dem Buch?

Draußen in der Natur zu sein, hat entspannende, beruhigende Wirkungen, es erfreut die Menschen in der Regel. Der 38 jährige Biologe und Therapeut Clemens Arvay geht aber noch weiter und schreibt dem Wald Heilwirkungen zu, die sich auch wissenschaftlich beispielsweise durch ein verbessertes Blutbild nachweisen lassen. Er führt dabei Untersuchungen an, die schon in den siebziger Jahren in Krankenhäusern durchgeführt wurden und Patienten allein schon mit Blick auf Grün schneller genesen sind als diejenigen, die nur auf Wände schauen konnten. Auch neuere Forschungen beispielsweise wie Bäume miteinander kommunizieren (u.a. via Terpene) werden populärwissenschaftlich erläutert. Daneben werden ganz pragmatisch eine Vielzahl von Ansätzen – von Meditation bis Gartengestaltung erläutert, wie man die positiven Kräfte der Natur noch besser zu Heilzwecken nutzen kann. Obwohl die 253 Seiten in vier große Kapitel eingeteilt sind (Wirkung des Waldes, Historische Entwicklung, Medizin, Garten) besticht das Buch weniger mit einem logischen Aufbau als mit einer leichten, flotten Sprache und engagierten Fallbeispielen aus dem eigenen Entwicklungsgang des Autors und geführten Interviews.

Wem kann ich die Lektüre empfehlen?

Das Buch ist vermutlich für diejenigen gut, die sich gerne zu einem intensiveren Kontakt mit der „freien Natur“ ermuntern lassen wollen und neben der eigenen Intuition (emotionale Argumente) auch eine wissenschaftliche Begründbarkeit (rationale Argumente) schätzen. Allerdings Vorsicht: Das Buch ist nicht wirklich ein Forschungsbericht, sondern eher ein für die breite Leser*innenschaft geschriebener Lebensratgeber. Also eher für gutwillige Generalist*innen ein Genuß, die sich von der Masse der schnell dargelegten Fakten bewegen lassen können und weniger für diejenigen, die detaillierte Herleitungen und sachliche Schlüsse schätzen.

Was hat mich persönlich angesprochen?

Ich hatte das Buch als zweites Buch nach einer kommunikativen Auszeit von drei Monaten, gelesen. In diesen drei Monaten war ich mit Hund, Zelt und Kocher in der Natur auf Wanderschaft, ohne zu lesen, zu schreiben oder Gespräche zu führen. Ich war also nach meiner Informations-Abstinenz von der Lektüre sehr angetan und mir hat vieles in dem Buch auch meine eigenen Reaktionen während meiner meditativen Wanderung erklärt. Auch ich habe mir beispielsweise Orte zum Zelten gesucht, die geschützt und mit Ausblick und gern am Wasser waren – das Buch begründet dies mit archaischen Verhalten in der Entwicklungsgeschichte. Eigentlich simpel und man könnte auch selbst darauf kommen. Nicht ganz so klar erklärlich ist die bestärkende Wirkung der Natur. Ich habe mich während der drei Monate ziemlich in Holz verliebt, den Geruch, das Feuer (ich hatte einen Holzvergaserkocher zweimal täglich in Gebrauch), die Haptik. Dass da nun chemische Kommunikationsmittel der Bäume auch auf mich gewirkt haben könnten, wäre eine hübsche These für meine gewachsene Zuneigung. Interessant fand ich, mir heute die Leserrezensionen bei amazon zu dem Buch durchzulesen. Einige der Kritikpunkte kann ich rein sachlich teilen (Redundanzen, eher lässiges Lektorat, ein nicht immer schlüssiger Aufbau) – aber sie haben meinen Lesegenuss und meinen Erkenntnisgewinn nicht eingeschränkt, weil ich die gute Absicht in den Texten mitgelesen habe und in der Zusammenstellung tatsächlich auch ein Benefit liegt. Und: ich kann die Grundbotschaft des Buches sehr teilen: Die Natur hat bestärkende Wirkung.

Was das mit Organisationsentwicklung zu tun hat?

Nun, zum einen fußt die Entwicklung von Organisationen auf den persönlichen Entwicklungsprozessen von Menschen (und nicht nur der Leitenden); zum anderen sind viele Prozesse aus dem persönlichen Erleben auch auf Team- und Organisationsebene übertragbar. Der Begriff der Biophilie (als Liebe zum Leben von Erich Fromm als Gegensatz zur Nekrophilie, dem Hang zum Toten gesehen) ist auch für Organisationen anwendbar. Eine Organisation, die sich die Anregungen der naturgeschenkten Vorgänge als Vorbild nimmt, kann damit ganz erstaunliche Erfolge erzielen. Bislang wurde eher mit Organisationsmodellen aus dem Tierreich gearbeitet (Ameisen, Termiten, Bienen) – ich vermute, dass dies auch deshalb noch nicht wirklich im Pflanzenbereich geschieht, weil dieser Bereich noch nicht als eigenständig kommunizierend gesehen und erforscht wurde. Insofern: Spannendes Neuland! Wer das Buch gern kostenfrei lesen möchte und mir dafür eine Entgegnung auf meine Zeilen hier schreiben will, dem schenke ich gern ein (Rezensions-) Exemplar. Bitte per Mail melden, die erste Rückmeldung nach Erscheinen des SOCIUS Briefes „gewinnt“.

Gelesen hat „Der Biophilia-Effekt: Heilung aus dem Wald“ für Euch Rudi Piwko.

  • Taschenbuch: 256 Seiten
  • Verlag: Ullstein Taschenbuch; Auflage: 5. (14. Oktober 2016)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3548376592
  • ISBN-13: 978-3548376592
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