Self Compassion von Kristin Neff

Self Compassion von Kristin Neff

Socius liest: “Self-Compassion“

(Selbstmitgefühl) von Kristin Neff

Die Bildungswissenschaftlerin und Universitätsprofessorin Neff hat dieses Standardwerk für Menschen aller Alter und Professionen 2011 veröffentlicht. Mittlerweile in seiner dritten englischsprachigen Auflage, erschien es 2012 auf Deutsch. Ich habe die englischsprachige Ausgabe gelesen.

Das erste Mal hörte ich 2012 von der Arbeit von Kristin Neff, in einem Buch von der mittlerweile weltweit bekannten Brené Brown, die zum Themenkomplex “Verletzlichkeit” forscht. Brown beschrieb Neff’s Arbeit als so wertvolle Ressource für ihre eigene Arbeit, das ich schon damals den Namen im Hinterkopf behielt. 2018 stolperte ich erneut über Neff’s Werk – als Teil der Literaturempfehlungen aus der Socius Fortbildung Bewegte Beratung. Nun ist es mit dem Lesen 2020 geworden – ein Jahr, in dem wir alle viele Erfahrungen mit Unsicherheit, Wandel und Unvorhersehbarkeit machen. Ein Jahr, das verdeutlicht, wie wichtig es ist, die Muskeln unseres Selbstmitgefühls zu trainieren.

Mit einer Mischung aus sachlichen Erläuterungen, teils sehr berührenden Beispielen aus ihrem eigenen Leben und Einblicken in wissenschaftliche Studien liefert Neff eine vielseitige, und zugängliche Grundlage ins Selbstmitgefühl – diesen unsichtbaren Muskel, der uns in unserer Menschlichkeit verwurzelt und uns angesichts aller möglichen Lebenslagen weder in Selbstüberhöhung noch in Verzweiflung verfallen lässt. Neff beschreibt deutlich wie Selbstmitgefühl uns hilft das anzuerkennen, was gerade da ist. Dass es Momente, Tage und Lebensphasen gibt, an denen die innere Sonne scheint und dass es Momente, Wochen oder Phasen gibt, an denen das Innenleben im Schatten liegt. Selbstmitgefühl will keines dieser Gefühle überhöhen, sondern sie einfach wahrnehmen.

Wie Neff weiter schreibt, können wir Menschen in uns aufkommende Gedanken und Gefühle nicht unterdrücken. Wir können allerdings innerlich blind für sie werden, uns verhärten (gegenüber uns selbst und gegenüber anderen) und/oder eines Tages unerwartet und unvermittelt diesen Gedanken und Gefühlen gegenüber stehen.

Laut Neff gibt es drei Gateways (Tore) zum Selbstmitgefühl, die jeweils ihren einen Wege in die Anwendung ermöglichen:

  1. Sich selbst mit Wohlwollen und Wärme gegenübertreten;
  2. Sich daran erinnern, dass es Teil des menschlichen Lebens ist, Schmerz zu erfahren,
  3. Seine eigenen Gedanken und Gefühle bewusst zu benennen und achtsam zu behandeln.

Gespickt mit vielen Übungen und Reflektieren kann man das Buch auch nutzen, um seine eigene “Selbstmitgefühlpraxis” zu beginnen oder zu verstetigen. Immer mal wieder scheint ein US-amerikanischer Stil aus dem Buch hervor, doch ist es mir durch seine vielen Anwendungsbeispiele und sachlichen Erinnerungen an die Bedeutsamkeit dieser unsichtbaren Kraft ein wertvoller Begleiter geworden.

“The only way out is through” sagte mir jemand einmal in einer für schwierigen Situationen – ein Rat, der wirkte. Da uns im Leben immer wieder Momente begegnen, in denen wir nicht weiter wissen oder Kummer leiden, wirkt es auf mich wie eine gut investierte Gesundheitsvorsorge, die Muskeln meines Selbstmitgefühls zu immer wieder trainieren.

Weitere Ressourcen:

Sinnvoll zusammen wirken

Die Kompass-Sammlung “Arbeiten im digitalen Raum “

Die Kompass-Sammlung “Arbeiten im digitalen Raum “

Ich versuche den Kompass zu justieren, der verrückt gespielt hat, und das immer wieder tut. Es dauert, ist eine fast tägliche Praxis geworden: Mich sammeln, mich zentrieren, mich austauschen mit Menschen vor Bildschirmen. Viele, die ich kennen sprechen vom “new normal”, einer neuen Normalität, in der wir nun leben. Ausgelöst durch ein Virus, welches das Leben von Menschen in allen Ecken der Welt gleichzeitig aus den Angeln hebt. Diese Zeit wartet auf uns alle mit neuen Erfahrungen – egal ob als Berater*innen, Eltern, Partner*innen, Arbeitgeber*innen, Krankenpfleger*innen oder als Großeltern. Vieles, sehr vieles ist anders geworden in den letzten Wochen. Und das auf eine Dauer hin, die wir nicht wirklich absehen können.  

Geht es Euch ähnlich wie mir, dann wurdet ihr vielleicht einerseits mit einer Welle an digitalen Meetings überschwappt, die teilweise anders funktionieren als Besprechungen und Austausche in der anlogen Welt. Parallel sprießen Angebote digitaler Meet-Ups, Webinare oder Werkzeuge wie Pilze aus dem Boden, und der Überblick über vieles ging mir schnell verloren.

“You ride the wave between steering and being guided by the landscape” 

Als verlorene Navigatoren, “Lost Navigators”, beschreibt Andreas Knoth diejenigen, die in diesen Situationen forschen – im Inneren wie im Äußeren. Die die Situation annehmen, und zugeben, dass sie nicht genau wissen, wo sie sind. Sie reiten die Wellen wie sie kommen, steuern wo es geht und lassen sich leiten vom Wasser und der Landschaft, in der sie sich befinden. 

Die Sammlung

Dies ist der Versuch, eine lebendige Sammlung für Prozessbegleiter*innen im digitalen Raum zu teilen, die als eine Art Kompass fungieren kann. Ziel diese “lebendigen Dokuments” ist, einen digitalen Ort zu öffnen, der jeder und jedem zugänglich ist und eine Anlaufstelle für Ressourcen rund um das Arbeiten von Prozessbegleiter*innen im digitalen Raum bietet.

https://docs.google.com/document/d/1pEesPZ8-7LB2BMRunW-8e_r3rzxRmBBYcLEWvZsmaU4/edit?pli=1#

Festzuhalten ist auch: Ein Großteil der Ressourcen und bisher gesammelten Ansatzpunkte ist englischsprachig. Das spiegelt die Tatsache wider, dass sich im digitalen Raum vielfach Plattformen etabliert haben, die für die Zusammenarbeit über Sprachgrenzen hinweg, für internationale Teams oder Netzwerke entwickelt wurden, die im Ursprung englischsprachig sind.

Die Einladung: Macht mit und teilt

Die Sammlung lebt, wenn jede*r, der*die sie findet, ein oder zwei seiner bzw. ihrer liebsten Werkzeuge, Instrumente oder Artikel über das Arbeiten im digitalen Raum, hinzufügt. Denn wenn unser Wissen miteinander teilen, profitieren wir zusammen.

Danke

Die Sammlung freut sich auf all Eure Ergänzungen! Vermerkt gerne unter der letzten Tabelle auch Eure Namen, wenn ihr etwas hinzugefügt habt – dann wissen alle, die sie nun, wem sie zu Dank verpflichtet sind. 

Lernräume entdecken: Reflektionen aus der Lernwerkstatt gOe!

Lernräume entdecken: Reflektionen aus der Lernwerkstatt gOe!

gOe! steht für „gemeinnützige Organisationen entwickeln!“ und versteht sich als Lernwerkstatt für interne Entwickler*innen und externe Prozessbegleiter*innen in gemeinnützigen Organisationen. Die Fortbildung besteht aus drei Modulen, die unter den Aspekten Kultur, Struktur und Strategie Veränderungsprozesse betrachten. Hier reflektieren Yi-Cong Lu, Projektleiter bei be able und Design Thinking Coach am Hasso Plattner Institut, und Julia Hoffmann, Programmleiterin bei MitOst, über ihre Teilnahme an dem SOCIUS Werkstattzyklus. 

Julia

Mein Weg zu gOe!

In den letzten zehn Jahren habe ich in verschiedensten Organisationen in Europa gewirkt, die Gutes in die Welt bringen wollen. Nach der Arbeit an Projekten und Initiativen treibt es mich um, tiefer zu verstehen, wie ich als Begleiterin gemeinnützige Organisationen so unterstützen kann, dass sie ihre Vision umsetzen, dabei lebendig bleiben und nachhaltig wirken.

Auf diesem Weg wende ich Ansätze, Praktiken und Modelle an, die gemeinnützige Organisationen und „ihre“ Menschen unterstützen können, um langfristig und erfolgreich ihre Ziele zu erreichen. So kam ich zu gOe!: Um weiter zu lernen, aus Erfahrungen zu schöpfen und um zu reflektieren.

Eintauchen in das Abenteuer Kultur

Was ist Kultur? Welche Rolle spielt sie für die Entwicklung von Organisationen? Mit welchen Ansätzen, Instrumenten und Haltungen kann man ihr begegnen; als Mitglied einer Organisation oder als Beraterin von außen? Welche innere Haltung unterstützt mich dabei mit der Kultur einer Organisation in Kontakt zu treten? Das sind die Fragen, die im ersten Fortbildungsmodul auf der Agenda stehen.

Für mich kann „Kultur“ vieles bedeuten.  Es ist ein Wort, das wie ein Sammelbecken erscheint – jede und jeder kann einmal darin fischen und für sich eine Bedeutung herausgreifen, was für sie oder ihn gemeint ist. Ursprünglich vom Lateinischen “colere” stammend, was so viel wie “bebauen”, “pflegen”, “urbar machen” und “ausbilden“ bedeutete, bezeichnet Kultur im weitesten Sinne alles was der Mensch selbst gestaltend hervorbringt. So zumindest steht es auf Wikipedia.  

Wie Ringe in einem Baumstamm – die Kultur von Organisationen wahrnehmen

Im engeren Sinne versteht die Organisationsentwicklung nach Edgar Schein (1985) unter Kultur geteilte Muster des Denkens, Fühlens und Handelns in Organisationen. Wie „Ringe in einem Baumstamm“ kann ich mich als Beraterin der Organisationskultur nähern, erklärt Joana Ebbinghaus :

Die Ebene der Artefakte bildet die äußersten Ringe des Baumstamms: Wie ist der physische Raum einer Organisation gestaltet? Wie wirken die Büros auf mich? Wie sind die Wände gestaltet? Sind die Türen der Büros offen oder geschlossen? Ist es laut, leise, gemischt oder wild chaotisch? Wenn das Bürogebäude der Organisation eine Seele hätten, was würde es über sie erzählen? Erste Eindrücke, die mir Hinweise darüber geben können, worauf in der Organisation wert gelegt wird, was wichtig oder unwichtig ist.  

Die bekundeten Werte der Organisation bilden die mittleren Ringe im Baumstamm-Modell und beziehen sich auf die Mission, der sich die Organisation verschrieben hat: Wie hat sie sich seit Gründung verändert? Was ist das Leitbild, das die Organisation trägt und antreibt? Was erfahre ich durch die Selbstdarstellung der Organisation über ihr Handeln, Denken und Fühlen?

Ganz im Inneren des Baumstamms finden sich die tief verwurzelten Glaubenssätze und Grundannahmen der Organisation. Selten auf den ersten Blick erkennbar, verstecken sich hier Prämissen auf deren Grundlage Menschen in einer Organisation arbeiten: Welche dieser Paradigmen sind bewusst? Welche sind unbewusst? Wie prägen sie die das Wirken der Organisation?

Das Modell ist eindringlich und klar und zeigt einen Weg auf, auf dem ich mich als Beraterin einer Organisationen und ihrer Kultur nähern kann. Die Fortbildung belässt es nicht allein beim Denken: An einem praktischen Fallbeispiel mit einer Stiftung und einem Verein  üben wir am zweiten Fortbildungstag den Erstbesuch bei einer Organisation samt Kulturanalyse. In zwei Gruppen traben wir los, fahren zu Besuch und Gespräch. Beobachten und Bestaunen die beiden besuchten Organisationen und „ihre“ Menschen. Zurück im Seminarraum folgt die Fallbesprechung samt Auswertung und Analyse. Theorie und erfahrungsbasiertes Lernen greifen hier  immer wieder ineinander.

Im Hier und Jetzt etwas entstehen lassen

Der folgende Tag ist ein grauer Berliner Novembernachmittag. Zu zwölft sitzen wir im Kreuzberger Seminarraum und tauchen weiter in Ansätze und Methoden ein, um die Kultur von Organisationen zu erfassen, zu erspüren. Währenddessen rattert die U-Bahn auf ihrer Hochbahn am Fenster vorbei. Fasziniert und auch verwundert tauchen wir in erste Grundlagen der Gestalt-Philosophie ein: Nach diesem Ansatz versteht sich die Beraterin und der Berater als Instrument und Resonanzkörper der Gruppe und beziehen neben dem Denken auch ihre Körperwahrnehmung in Beratungsprozesse mit ein. Der Gestalt-Ansatz basiert auf einem durchweg positiven Menschenbild, das davon ausgeht, dass wir alles, was wir zu einem erfüllten Leben brauchen, bereits in uns tragen. Vertrauen in die individuellen Selbstheilungskräfte von Menschen bildet eine der Grundannahmen des Ansatzes, der sich darauf fokussiert, im Hier und Jetzt Menschen in wahrhaftige Begegnung und Kontakt zu bringen.

Resonanz.

Körper.

Ich denke an ein Cello mit seinen wohligen Tönen und großen hölzern-geschwungenen Rundungen. Aber auch an ein Saxophon, welches ganz andere Töne hervorbringt. Oder ein Schlagzeug, das sich ausschließlich auf den Rhythmus fokussiert. Wie klingen sie, wenn sie gemeinsam spielen? Wie kann ich als Beraterin meinen Resonanzkörper kennenlernen, vertiefen und ihn für die Arbeit kultivieren?

Mit Zitaten zeichnen Christian und Joana dann die Eingangstür in das Wirkungsverständnis von Gestalt in unsere Mitte:

Der Mensch wird am Du zum Ich”  Martin Buber

„Kontakt findet immer an der Grenze statt.“ Gestalt-Grundsatz 

“Alles was ist, darf sein. Und was sein darf, kann sich verändern.”  Arnold Beisser

Neue Welten warten hinter der Tür, die einen handfesten Spalt geöffnet ist.

Neue Landkarten 

“Ist das eine Landkarte zu einem Land, in das ich hinein möchte?” fragt sich ein Teilnehmer in der abschließenden Reflektionsrunde. Im Stillen antworte ich mir selbst mit einem klaren Ja. Sowohl das Land als auch die Landkarten faszinieren mich. Der Blick auf Organisationen wie wir ihn an diesem Wochenende kennengelernt haben, macht mich neugierig und zeugt von dem Potential, das in Begleitungs- und Beratungsprozessen stecken kann. 

Drin in “Kultur” sind wir alle, die wir  zu Organisationen, Gruppen, Gesellschaften gehören. Ob wir es auch wollen, die Perspektive der Organisationsentwicklung einzunehmen, aus diesem Blick zu schauen, und aktiv in der Rolle als Begleiterin oder Begleiter unsere Organisationen zu gestalten, ist eine Entscheidung und Aufgabe. Inmitten der Vielzahl von Rollen und Vorhaben beim Ringen um eine gute Welt, ist das Begleiten von Organisationen eine unter vielen, die nicht besser oder wichtiger ist als andere. Sie ist eine spezifische, die das Lernen und Entwickeln von Organisationen in den Vordergrund stellt. Eine, die mich neugierig macht und ein neues berufliches Abenteuer ankündigt.

“Ich lerne, wie ich anders gucken kann” ist eine der Aussagen, die mir ebenso im Kopf bleibt. Mit welcher Klarheit diese gOe-Haltung in der Abschlussrunde im Raum steht, spricht für unsere Lernerfahrung an diesem Wochenende.  “gOe!” ist ein Lernraum, eine Erfahrung, ein Kennenlernen von mir im Kontakt mit der Welt, den Menschen und den Organisationen da draußen.

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Verweise

Schein, Edgar H. (1985): Organizational Culture and Leadership. San Francisco: Jossey-Bass Publishers.

Wikipedia (2019): Kultur. Zugriff am 29.12.2019: https://de.wikipedia.org/wiki/Kultur

Wikipedia (2020): VUCA. Zugriff am 02.01.2020: https://de.wikipedia.org/wiki/VUCA

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Einladung

SOCIUS Infoabend zu gOe! – gemeinnützige Organisationen entwickeln!

2. März 2020, 17 – 19 Uhr

 

Sinnvoll zusammen wirken

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