SOCIUS brief: Art of Hosting, Verbindung und Fürsorge

SOCIUS brief: Art of Hosting, Verbindung und Fürsorge

Liebe Leser:innen

Am vergangenen Wochenende fand ein Art of Hosting Training in Berlin statt, das dem Ruf folgender Fragen folgte: “Welche neuen Anfänge könnten durch eine Praxis von Fürsorge und Verbindung entstehen? Wieviel mehr könnten wir sein und als Menschheit erreichen, wenn wir zusammen unseren Potentialen, Unterschieden und Trauma zuhörten?” Julia Hoffmann war Teil des Trainer:innen-Teams und weitere Kolleg:innen aus dem SOCIUS Umfeld waren ebenfalls dabei. Die Idee des „Art of Hosting and Harvesting Meaningful Conversations“ ist ein Führungsansatz, der vom Persönlichen zum Systemischen skaliert, indem er persönliche Praxis, Dialog, Moderation und die gemeinsame Schaffung kollektiver Intelligenz nutzt, um komplexe Herausforderungen anzugehen. Genau deswegen ist er so wirkungsvoll und die Fragen, die dem Berliner Training zu Grunde lagen, beschäftigen uns in der Begleitung von Teams und Organisationen auf die ein oder andere Weise auch immer wieder.

Die Kunst des echten Zuhörens lässt Verbindung zu sich selbst und anderen entstehen, dafür braucht es Zeit, Raum und Geduld. Zuzuhören mit einer neugierigen Haltung, mit einer Entdecker:innenlust an der Realität des Gegenübers macht einen Unterschied zu der üblichen Art des Zuhörens: Warten bis man antworten kann.

Unsere Angebote in den nächsten Wochen und Monaten sind ebenfalls auf Begegnung und Verbindung, Lernen und Entwicklung ausgerichtet.

Sei in den SOCIUS laboren, die wieder vor Ort in Berlin stattfinden: im April hat Nicola Kriesel die beiden Leipzigerinnen Hannah Hummel und Lea Fandrey zum Thema “Leichtigkeit im Team” eingeladen und im Mai werden Ralph Piotrowski, Lysan Escher und Andreas Knoth das Fitnessstudio für das Training der sieben Muskeln der Selbstorganisation eröffnen.

Oder in den SOCIUS Seminaren zu Führung in der Zivilgesellschaft mit Simon Mohn Ende April und zum IKIGAI mit Thomas Dönnebrink Ende Mai.

Ganz zu schweigen von unserer Fortbildung zur Praxis der Organisationsentwicklung “gOe – gemeinnützige Organisationen entwickeln” und dem Jahreskurs “Führen mit Haltung”, die beide im Mai starten. Bevor dann der SOCIUS Höhepunkt des Jahres am 9. Juni mit dem oe-tag zu Regenerativen Kulturen stattfindet.

Wir freuen uns darauf, Dir hier oder dort zu begegnen, dir zuzuhören und mit großer Dankbarkeit für unsere Unterschiedlichkeit sinnvoll zusammen wirken zu können.

Nicola Kriesel

Andreas Knoth, Christian Baier, Denise Nörenberg, Hannah Kalhorn, Joana Ebbinghaus, Julia Hoffmann, Kerstin Engelhardt, Lysan Escher und Ralph Piotrowski

Socius change essentials

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Soziokratie zieht Kreise

Soziokratie zieht Kreise

Wir haben nichts anderes beseitigt als das blinde, irrational autoritäre Gehabe, das sich produktivitätsmindernd auswirkt.

Mit diesem Zitat beschreibt Ricardo Semler, was sein Maschinenbau-Unternehmen SEMCO vor über 50 Jahren dazu bewegte, neue Wege zu gehen. Seitdem wurde in zahlreichen Eigenversuchen die „Technologie der Soziokratie“ weiterentwickelt – und so auch in diesem SOCIUS labor. 

Vivian Breucker (Offene Schule Köln) und Nicola Kriesel (SOCIUS Organisationsberatung) haben zu einem 4-stündigen Labor eingeladen, in dem wir gemeinsam mit 20 anderen Menschen in soziokratische Prinzipien eintauchten und Erfahrungen aus der Praxis teilten. 

Nach einem kurzen Input zum zweiten und dritten soziokratischen Prinzip (semi-autonome Kreise und doppelte Verknüpfung) ging es weiter mit einem Praxisgespräch, in dem Vivian Breucker ihre Erfahrungen soziokratischer Praktiken an der Offenen Schule Köln teilte. Die Offene Schule Köln ist eine anerkannte Ersatzschule in freier Trägerschaft und gibt Schüler:innen vom ersten bis zum dreizehnten Schuljahr die Möglichkeiten im Rahmen des Bildungsplans sich weitgehend selbstständig auf diverse Schulabschlüsse vorzubereiten. Dabei spielen Inklusion und Diversitätssensibilität ebenso eine Rolle wie Eigeninitiative und Bildungsgerechtigkeit in Bezug auf die Bedarfe einzelner. 

Semi-autonome Kreise

  • Jeder Kreis ist eine semi-autonome Einheit, dem ein Teil der Verantwortung und Arbeit delegiert wird, um das gemeinsame Ziel zu erreichen.
  • Kreise haben neben den gemeinsamen Organisationszielen, noch eigene Ziele/Purpose und eine Festlegung, an welcher Stelle die Autonomie endet. (Schnittstellen/Synergien).
  • Kreismitglieder sind gemeinsam für die Erreichung des Zieles und die Umsetzung der Aufgaben verantwortlich.
  • Auch in den Kreisen wird im KonsenT entschieden.
  • Kreismitglieder sind nicht nur in ihrer Fachkompetenz gefragt, sondern lernen organisationale Verantwortung zu übernehmen. 
  • um “Organisation zu produzieren” ist es sinnvoll, z.B. zu lernen, wie schwerwiegende Einwände argumentativ begründet werden (am Ziel ausgerichtet).  Vertrautheit mit dem Verfahren der KonsenT-Entscheidung ist wichtig.
  • wiederholtes Überprüfen von Entscheidungen: Leiten, Tun, Messen und ggf. verändern. Das wird im Logbuch der Entscheidungen festgehalten.

Doppelte Verknüpfung

  • Grundsätzliche Idee: Um die Verbindung zum nächsthöheren Kreis zu halten, nehmen jeweils zwei Menschen aus dem Kreis an den Beschlussfassungen des nächsthöheren Kreises teil. 
  • eine Organisation braucht in der Regel mehrere Kreise, um ihre Komplexität abbilden zu können, sowie Verantwortung und Arbeit zu teilen
  • Gleichzeitig braucht es Wege, um die Dynamik der einzelnen Kreise auf die anderen “übertragen” zu können. 
  • Es wird von “nächst höheren Kreisen” gesprochen, mit denen diese Verbindung (doppelte Verknüpfung) bestehen soll. 
  • Diese Person sind 
    • die leitungsgebende Person
    • eine delegierte (gewählte) Person
  • Hierdurch soll sichergestellt werden, dass der dynamische Prozess nicht unterbrochen wird, sondern Informationen, Spannung und Macht fließen können. 

Zu den inspirierenden Erkenntnissen aus der Praxis, zählen Einsichten wie:

  • Die Qualität des „soziokratischen Zuhören“ führt zu nachhaltigeren Entscheidungen, weil nicht nur die formalen Ergebnisse, sondern auch Sorgen und Perspektiven, die in einem Kreis geäußert werden, durch die Delegierten in den nächsthöheren Kreis mitgenommen werden. 
  • Bei der Einführung soziokratischer Praktiken muss die traditionelle Führung der Organisation mit an Bord sein – sonst hat die Soziokratie keine Chance. Dies gilt interessanterweise insbesondere auch für nicht-hierarchische Organisationen, in denen es auch immer Menschen gibt, die mehr Macht und Einfluss als andere haben. 
  • Sich nicht willenlos an soziokratische Vorgaben binden, sondern den Wechsel von soziokratischem Kreisgespräch und anderen Gesprächformaten zulassen. Formale soziokratische Kreisentscheidung und Konsent, z. B. nur wenn es um zukunftsweisende, essenzielle Entscheidungen geht, die eine hohe Verankerung brauchen.
  • Bei Entscheidungsprozessen immer wieder die Frage ins Bewusstsein holen: „Ist es gut genug für jetzt? Und sicher genug, um es auszuprobieren?“. Sich vor Augen führen, dass Antworten gefunden werden sollen, den nächsten Schritt zu gehen. Nicht Antworten, die 10 Jahre gelten müssen. 
  • Das Format der Entscheidungsrunden will geübt sein, hier ist die knackige und feste Formatierung hilfreich:
  1. Inforunde (1-2 mal)
  2. Meinungsrunde (2-3 mal)
  3. Vorschlag
  4. Einwandrunde
  5. Modifizierung
  6. Konsentrunde
  • Klarheit: Klar festlegen, welche Treffen verpflichtend für wen sind und welche Treffen freiwillig. Z. B. unterscheiden zwischen selbst-organisiertem Arbeitskreis (gibt sich eigene Regeln der Verbindlichkeit) und Leitungskreis (an dem Personen mit Leitungsaufgaben verpflichtend teilnehmen). Eine gute Visualisierungen der Entscheidungsstrukturen sind sehr hilfreich, wie z. B. die folgende Übersicht Offenen Schule Köln:

Neben praktischen Tipps bot das Labor auch Raum für Selbsterfahrung. Es kam unter anderem die Frage auch: “Wie vielen Personen kann ich in einer Kreismoderation zuhören? Was ist meine Obergrenze, bevor ich gedanklich abdrifte?” Die Antwort auf die Frage kann auch davon abhängen, was ich mir und meinen Kolleg:innen im Kreis zutraue. Und das wiederum brachte die Einsicht, dass die Kreisgespräche einen gemeinsamen Lernraum bieten, in dem wir die Praxis einüben, Runden mit 30 Personen ebenso energetisierend zu gestalten, wie mit sieben Personen.

Rückmeldungen aus der Abschlussrunde des Labors waren: 

  • ich habe viel gelernt, vor allem zu erleben, wie toll es ist im Kreis nacheinander zu sprechen, hat deutlich gemacht, dass alle den Raum halten
  • was ich hier lasse: meine Idee, dass Selbstorganisation Leitung überflüssig macht
  • Dass Bedenkenträger:innen in den Kreisen explizit willkommen sind, weil sie auf etwas hinweisen, was noch übersehen wurde, ist ein Mindshift
  • immer wieder: die Kraft des Kreises am eigenen Leib zu erfahren, ist so bereichernd, und auch entspannend. Dadurch kann Neues entstehen.

Insgesamt war die Stimmung nach vier Stunden SOCIUS labor inspiriert und hoffnungsvoll und nicht nur die Teilnehmenden hatten Lust auf mehr Soziokratie bekommen, sondern auch die Einladenden. 

Stay tuned!

Ressourcen

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Socius change essentials

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Crowdfunding für Monia Ben Larbis Buch „Einfach (nur) arbeiten“

Crowdfunding für Monia Ben Larbis Buch „Einfach (nur) arbeiten“

Unsere geschätzte Kollegin und SOCIUS Freundin Monia Ben Larbi will dieses Jahr ihr Buch veröffentlichen.

Sie erzählt darin die Geschichte von Mila, die mit Anfang 30 schwer erkrankt und sowohl von Ärzt*innen als auch Behörden empfohlen bekommt, sich verrenten zu lassen. Das kommt für Mila nicht in Frage. Sie sieht soviel Sinn in ihrer Arbeit als Mediatorin, Organisationsentwicklerin, Dozentin, dass sie ihre Leidenschaft für’s arbeiten auf gar keinen Fall aufgeben will. Sie sucht Wege, wie inklusives Arbeiten möglich ist. Immer wieder denkt – und sagt sie auch:

Ich habe doch meine Erfahrung und Expertise nicht verloren, nur weil ich nicht mehr so belastbar bin, dass ich 40 Stunden in der Woche arbeiten kann!

Monia Ben Larbi beschreibt in Milas Geschichte sehr deutlich, wie Selbstorganisation, die Ideen von New Work und Frederic Laloux‘ „Reinventing Organisations“ ihr Hoffnung und Anhaltspunkte geben, was nötig ist um diversitäts- und diskriminierungssensible Arbeitskontexte zu gestalten und welche Erfahrungen sie damit macht. Dabei nimmt sie uns mit in ihre sehr persönliche Geschichte von Willensstärke, Zuversicht, Überforderung und Mut.

Um das Buch zu veröffentlichen hat Nicola Kriesel eine Crowdfunding Kampagne bei Startnext gestartet, in der bis Ende Mai 4000,00€ gesammelt werden sollen, so dass dieses Buch publiziert werden kann.

Wir freuen uns auch, wenn Du den Link zu Startnext weiterteilst.

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SOCIUS brief: Postpandmische Regeneration

SOCIUS brief: Postpandmische Regeneration

Liebe Leser:innen

am Strand in Portugal machte ich mir während meiner Workation Gedanken über Resilienz und Regeneration. Nach dem offiziellen Ende der Pandemie gilt es nun nicht nur gesellschaftlich, sondern auch in organisationalen Systemen daran zu arbeiten, die Erfahrungen der vergangenen drei Jahre in die Gestaltung unserer Arbeit und unseres Lebens zu integrieren. Burn-out, Erschöpfung und die substantielle Einschränkung von persönlicher Belastbarkeit machen es essentiell nötig, unsere Systeme aus neuen Perspektiven zu betrachten und zu gestalten. Wie kann es gelingen, dass #arbeitenanschönenOrten nicht nur ein lustiger Hashtag bleibt, der für die Privilegierten unter uns dann und wann mit Leben gefüllt wird, sondern eine alltägliche Realität für viele wird?
Was passiert, wenn wir über Burn-out nicht mehr auf einer individuellen Ebene nachdenken, die impliziert, dass engagierte Menschen sich zu sehr einbringen, keine Grenzen kennen und zukünftig besser auf sich selbst aufpassen sollten? Sondern wenn wir anfangen, unsere Organisationen so zu gestalten, dass Menschen mit Leidenschaft, innerem Feuer und großer Motivation zu Anziehungspunkten für andere werden, an denen sie Inspiration finden, Kraft tanken und neue Impulse in die Welt tragen können? 

Diese und viele weitere Fragen wollen wir zum diesjährigen oe-Tag am 9.6.23 unter der Überschrift „Regenerative Kulturen“ stellen.
Die buchstäblichen Räume, in denen wir arbeiten, werden dabei genauso eine Rolle spielen, wie unser Umgang mit Zeit und Erkenntnisse aus der somatischen Arbeit.
Wenn Ihr dazu einen inhaltlichen Beitrag leisten wollt, dann beachtet bitte unseren Call for Workshops in diesem Brief.

Damit Ihr bis zum 9. Juni nicht ohne uns auskommen müsst, haben wir noch einige andere Angebote parat, die Ihr ebenfalls in diesem Brief findet.
Lest genau – denn es sind einige Besonderheiten dabei.

Wie immer freuen wir uns über Resonanzen jeder Art und senden herzliche Grüße zum Frühlingsanfang.

Nicola Kriesel

Andreas Knoth, Christian Baier, Denise Nörenberg, Hannah Kalhorn, Joana Ebbinghaus, Julia Hoffmann, Kerstin Engelhardt, Lysan Escher und Ralph Piotrowski

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Die Schönheit der Differenz von Hadija Haruna-Oelker

Die Schönheit der Differenz von Hadija Haruna-Oelker

Die Schönheit der Differenz

Miteinander anders denken

von Hadija Haruna-Oelker (2022)

Schon vor vielen Jahren lernte ich bei Matthias zur Bonsens Lernforum in Oberursel Ines Boban kennen, eine Expertin in Sachen Inklusion. Damals wirkte sie  mit ihrem Mann Prof. Andreas Hinz in Halle. Im Mai letzten Jahres traf ich die beiden im Urlaub auf Brac, da wo wir auch unsere Workations verbringen. Uns verbindet das Interesse und die Leidenschaft für demokratische und inklusive Lernorte. Wenn wir zufällig gleichzeitig auf Brac sind, dann lassen wir es uns nicht nehmen, mindestens einen Kava zusammen zu trinken und uns über Projekte, Ideen und gute Bücher auszutauschen. 

So kam es, dass mir bei einem Ausflug auf die andere Seite der Insel Hadija Haruna-Oelkers Buch „Die Schönheit der Differenz – Miteinander anders denken“ empfohlen wurde. Andreas und Ines berichteten von der Lektüre, die für sie so lehrreich gewesen sei, dass ich mich schon freute, nach Hause zu fahren, um das Buch selbst zu lesen. 

Tatsächlich: als weiße Akademikerin, Feministin und Aktivistin in Sachen Gleichberechtigung und Selbstbestimmung war die Lektüre lehrreich, tiefgründig und umfassend für mich. Der intersektionale Blick hat mir Einblicke gewährt, die mich berührt haben. 

Einblicke in die Perspektiven der Intersektionalität

Hadija Haruna-Oelker ist Politikwissenschaftlerin, Journalistin und Moderatorin und schafft mit ihrem 560 Seiten starken Werk einen umfangreichen Einblick in die Perspektiven der Intersektionalität und Diskriminierung. Verwoben mit ihrer eigenen Biografie nimmt sie die Leser:innen mit in ein gesellschaftspolitisches Nachdenken. Sie erzählt Geschichten über Zusammenhänge, Empowerment, Solidarität, genauso wie über Ausgrenzung, Schmerz und Perspektivwechsel. Sie selbst sagt „Hab mein Herz hineingelegt und meine Gedanken der vergangenen Jahre in unserer Gesellschaft und meiner Geschichte darin aufgeschrieben“ (Twitter am 14.3.22) 

In neun Kapiteln fächert Haruna-Oelker auf, was es zu wissen gilt über die Verwobenheit der diversen Diskriminierungsformen und ihren gegenseitigen Verstärkungen. 

  • Sozialisation: Wie wir werden? 
  • Bewegung: Was beeinflusst uns?
  • Globalisierung: Wie leben wir?
  • Konstruktion: Was wird aus uns gemacht?
  • Emotion: Wie fühlen wir?
  • Klassifikation: Wie werden wir eingeteilt?
  • Gender, Sexualität und Körper: Wie betrachten wir uns?
  • Geist: Wie nehmen wir wahr?
  • Behinderung. Was blenden wir aus?

heißen die Kapitelüberschriften und Haruna-Oelker beginnt jedes einzelne mit einem Zitat. Ingeborg Bachmann, May Ayim, der Talmud, Michel de Montaigne u.v.a. werden zitiert und den Überschriftsfragen als Intro jeweils weitere hinzugefügt.

Im Kapitel Bewegung z.B. heißt es: 

 „Bewegung ist Körperarbeit. Sie entsteht durch das Zusammenziehen oder Anspannen der Muskeln. In den Sozialwissenschaften ist sie kollektiver Akteur. Politische Bewegung steht für das organisierte Eintreten für politische Ziele, weil Menschen ihre Daseinsbedingungen, ihre Wünsche und Bedürfnisse erfahrbar machen und durchsetzen wollen. Eine Kraft und Strömung um die gesellschaftlichen Verhältnisse zu verändern. Gleiche Rechte für alle. Wo stehe ich?“

Aktivismus und Wissenschaft

Immer wieder bezieht Haruna-Oelker sich auf Wegbegleiter:innen, es ist spürbar, wie sie verbunden ist, mit einer Community, einem Diskurs und es wird  deutlich, wie sie ihre Stimme, ihre Erfahrungen und ihre Schreibkunst zur Verfügung stellen will. 

Ich finde, es gelingt ihr wirklich gut, ihre Leser:innen mitzunehmen: behutsam und gut verständlich geschrieben, erklärt sie Zusammenhänge zwischen den diversen Diskriminierungsformen, lässt Wissenschaftler:innen genauso zu Wort kommen wie Aktivist:innen. Diese Kombination führt dazu, dass alles, was sie schreibt, sehr nachvollziehbar wird. Besonders lehrreich für mich war die wiederkehrende Bezugnahme auf ihre eigene Biografie. 

Die Lektüre des Buches war für mich wie eine Reise durch unterschiedliche Welten, und macht deutlich, wie diese in ihrer je eigenen Komplexität zusammenhängen und nicht mehr unabhängig voneinander betrachtet werden sollten. 

Der Untertitel „Miteinander anders denken“ hält, was er verspricht, denn Haruna-Oelker feiert unterschiedliche Perspektiven und lädt ein zu einem konstruktiven Umgang mit Heterogenität. 

Lektüre, die zur Reflektion anregt

Nach Tupoka Ogettes „Exit racism“ und Alice Hasters’ „Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten“ sowie vielen anderen Veröffentlichungen zu Fragen von Inklusion (z.B. Boban/Hinz, Index für Inklusion), Diversität (z.B. Gümüsay, Sprache und Sein)  und Diskriminierungen (Criado-Perez, Unsichtbare Frauen) ist Haruna-Oelkers Buch eine bereichernde Fortsetzung für alle, die sich nicht nur dem eigenen Alltagsrassismus stellen wollen (dem andere unausweichlich ausgesetzt sind), sondern sich auch für andere gesellschaftliche Ungerechtigkeiten und Diskriminierungen sensibilisieren wollen. 

Das Buch birgt auch für die Arbeit in Organisationen, denen Diskriminierungssensibilität ein aktives Anliegen ist, viele Impulse, im miteinander anders Denken die Schönheit der Differenz zu erkennen. 

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Herzliches Beileid

Herzliches Beileid

Sechs waren angemeldet, fünf sind gekommen. Nach einer Vorstellungsrunde begannen wir mit einer kurzen Spekulation: Wieso sind denn nur so wenige hier? So ein wichtiges und irgendwie unausweichliches Thema: Trauer am Arbeitsplatz. Menschen sterben, es gibt Trennungen, Kündigungen, Krisen – in Arbeitskontexten, im Privaten und Dazwischen, bei Kolleg:innen, Vorständ:innen, Geschäftsführer:innen, Kund:innen, Freund:innen. 

Wieso also möchten sich nur so wenige aktiv mit den (emotionalen) Folgen von Tod, Trennung, Kündigung auseinandersetzen, obwohl doch fast alle sie schon erlebt haben: Trauer, die eigene oder die der anderen?

  • “Es ist eben kein Entwicklerthema”
  • “Da gibt es so wenig konstruktiven Part drin”
  • “Ist halt ein Tabu, man will sich da nicht mit beschäftigen, man drückt es weg”
  • “Es gibt so viel Ungewissheit rund um den Tod”
  • “Wir wissen einfach nicht was nach dem Tod kommt und wir wissen nicht wie wir reagieren wenn Verlust uns trifft, wir widmen uns dem nicht, weil es unvorhersehbar ist.”

Das waren einige der Thesen, die wir zusammengetragen haben. Und natürlich waren wir nicht ganz die Richtigen um die Frage zu beantworten, denn wir waren ja da.

“Trauer ist die normale Reaktion auf einen bedeutenden Verlust” (Kerstin Lammer)

Für Franziska Offermann ist das eine der passendsten Definitionen für Trauer, denn Trauer als Prozess kann dazu führen, den Verlust heilsam zu integrieren, sie  normalisiert die emotionale Reaktion auf ein Geschehen von Bedeutung. Eine andere Beschreibung sagt: “Trauer bezeichnet die natürliche, gesunde und schmerzhafte Reaktion des Organismus mit Abschied, Verlusten und Trennungen umzugehen.” (Aus “In der Mitte der Nacht beginnt ein neuer Tag” von Karina Kopp-Breinlinger und Petra Rechenberg-Winter)

Franziska Offermann war Vorsitzende des Bundesverbandes verwaister Eltern und ist auch heute noch aktiv dort. Nach einem großen Verlust, der ihr Leben änderte, hat sich die promovierte Pharmazeutin mit Lucera selbstständig gemacht, um sich ganz dem begleiteten Umgang von Trauer zu widmen. 

Über die Jahre erlebte sie zunehmend, welche Auswirkungen Verluste auf Unternehmen und Organisationen haben – nicht nur bzgl. der so genannten soft skills, sondern auch knallhart im Umsatz, bei Zahlen, Daten, Fakten. Bedeutsame Verluste sind oft in Bilanzen ablesbar und so fokussierte sich Franziska zunehmend auf die Trauerbegleitung in Unternehmen und Organisationen. Heute arbeitet sie als hauptberufliche Vorständin im Traumahilfezentrum München und verbindet ihre diversen Erfahrungen und Erkenntnisse zu Trauma, Trauer, Yoga, Polyvagaltheorie, Gewaltfreie Kommunikation uvm. unter diesem Dach. 

Sind es nur Todesfälle, die solche Reaktionen auslösen? 

Von was müssen wir uns sonst noch im Leben verabschieden? 

  • aus Liebesbeziehungen
  • von Kindern, die erwachsen werden und ausziehen
  • von anderen Angehörigen oder Freund:innen
  • von Sicherheiten im beruflichen Feld
  • von Ideen und Konzepten
  • von Orten und der Heimat
  • von Idolen und Vorbildern
  • von Gewohnheiten.

Gewiss kommt mit dem Tod ein Verlust, der unwiderbringlich ist. Und dennoch wissen wir, dass auch mit anderen Veränderungen in einer Organisation, mit jeder Transformation ein Trauerprozess in Gang kommt. Aus dem Ecocycle ist uns bekannt, dass wir “kreative Zerstörung” brauchen, bevor wir zur “Erneuerung” kommen. Auf dem Weg zwischen den beiden Stationen liegt der Trauerprozess. Das gilt für Individuen genauso wie für Organisationen. 

An diesem Nachmittag haben wir uns auf die Menschen konzentriert, auf das, was im Körper bei Krisen und Trauerprozessen vorgeht. Franziska hat uns teilhaben lassen an ihrem Wissen und den wissenschaftlichen Erkenntnissen rund um das zentrale und das autonome Nervensystem, das Window Of Tolerance und die Polyvagaltheorie. 

Hierzu kann auf Franziskas Blog einiges nachgelesen werden: Handlungsfähig in der Krise – Stabilität und Zuversicht im System, Handlungsfähig in der Krise – stabil bleiben und Wohl finden und Stabil und zuversichtlich bei Trauer und Krise. Die drei Artikel ergänzen einander.

 

Beileid – im Leid beistehen

Im Anschluss an den umfangreichen Input veranschaulichte Franziska das Wissen anhand verschiedener Modelle,  zu denen ein Teilnehmer bemerkte, wie ansprechend und faszinierend es sei, dass Franziska immer noch etwas Haptisches hervorzauberte, womit sich – sogar im digitalen Raum – eine körperliche Erfahrung machen lasse. 

Anschließend war Zeit für die ganz konkreten Anliegen der Teilnehmenden. Eine Teamleitung berichtete von einer Kolleg:in mit so schwerem Liebeskummer nach einer Trennung, dass sie wochenlang nur noch weinte und kaum arbeiten konnte, aber auch nicht zu Hause bleiben wollte, weil dort “alles noch viel schrecklicher” sei. Was tut man da? Denn als Führungspersonen tragen wir die Verantwortung für viele Menschen – wie lange muss ich also Rücksicht auf so eine spezielle Situation nehmen? Irgendwann hat es auch wirtschaftliche Folgen bzw. strengt die Kolleg:innen an, u. a., weil sie zumindest Teile der Arbeit übernehmen müssen … und als Führungskraft bin ich in der Regel nicht ausgebildet für die Begleitung solcher Krisen. 

Und, anderes Szenario, manchmal sind Führungskräfte in großen Organisationen auch gar nicht so nah an den Mitarbeitenden dran bzw. ist das Vertrauensverhältnis nicht so, dass der Grund der Trauer, der Grund für das veränderte Verhalten von dem jeweiligen Menschen benannt wird. Franziska empfiehlt dann angemessen Kontakt aufzunehmen zu der/dem entsprechenden Kolleg:in, Verbindung zu schaffen, etwas über die Bedürfnisse der trauernden Person zu erfahren. Bei schweren Verlusten brauchen Menschen andere Menschen, die ihnen in ihrem Leid beistehen und nicht im Leid mitversinken.

 

 

Dafür gibt das von ihr entwickelte Akronym zu BEILEID eine hilfreiche Orientierung:

B edürfnisse und Beziehung in den Fokus stellen

E mpathie – aufmerksam zuhören

I ndividualtät – Trauer ist verschieden

L ogistik – Strukturen & Vereinbarungen anbieten

E ntspannung  – dafür sorgen, dass das auch im Arbeitskontext möglich ist

I ntegration – (sozialen) Stress minimieren

D auer – Drandenken, Daten, es dauert so lange wie es dauert. 

Wie eine Klientin sagte: “Ja, ich trauere immer noch, denn xy ist ja auch immer noch tot.” 

Verlust und Trauer, die wir alle auf die ein oder andere Weise erleben, alltäglich machen, indem wir darüber reden,  so lautete das Fazit unseres SOCIUS labors, das mit einem Gedicht von Rainer Maria Rilke beendet wurde: 

 

“Das ist der Sinn von allem, was einst war,

dass es nicht bleibt mit seiner ganzen Schwere,

dass es zu unserm Wesen wiederkehre,

in uns verwoben, tief und wunderbar”

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CLEE – Community Learning für Ehrenamtliche und Entscheidungsträger:innen

CLEE – Community Learning für Ehrenamtliche und Entscheidungsträger:innen

Community Calls / Offener Austausch

Im November und Dezember haben sechs Community Calls und vier Workshops zu den Kernthemen unseres kostenlosen Onlinekurses SOCIUS change essentials – Neue Wege der Organisationsentwicklung stattgefunden. Manche hatten nur eine:n Besucher:in, andere waren mit fünf mit acht Gäst:innen etwas voller. Insgesamt haben  um die 50 Menschen unser Angebot wahrgenommen, manche kamen auch öfter, nicht alle hatten sich schon mit dem Kurs befasst, sondern wollten uns entweder einfach mal (wieder) treffen oder sich Impulse holen zum jeweiligen Thema. 

Die Anliegen, Fragen und Themen variierten und in jeder Session fand ein lebendiger Austausch zu den Bedarfen der Anwesenden statt.

Entscheidungen

Im Community Call “Entscheidungen” fingen wir an mit der Frage des ersten Schrittes – wann komme ich überhaupt in Bewegung etwas zu entscheiden? Wie bekomme ich kognitiv und körperlich den Impuls zum ersten Schritt, der ja schon eine Entscheidung ist? Wann stolpere ich? Und wann machen so viele Menschen gemeinsam einen ersten Schritt, dass wir eine (gesellschaftliche) Veränderung wahrnehmen können? Wie entsteht Bewegung von der individuellen Entscheidung zur gemeinschaftlichen Veränderung in Organisationen? 

Insgesamt wurde uns im Community Call “Entscheidungen” sehr klar, wie eng unser Thema mit den anderen Themen des Kurses verknüpft ist. Wie nachhaltig und wirksam Entscheidungen in Teams und Organisationen sind, ist fast nicht trennbar von der (inneren) Haltung der Führungskräfte und ihrem Verständnis von Führung, genauso wenig wie von der strategischen Ausrichtung der Organisation und den Formen der Zusammenarbeit. Transparenz über die Gründe für eine bestimmte Entscheidungen stärken nicht nur die Resilienz der Teams und der Einzelnen, weil sie Orientierung geben, sondern kann auch ganz grundsätzlich dazu beitragen, das jede:r weiß wieso wer in welchem Bereich Entscheidungen zu treffen hat. 

Hier spielen die Stufen von Partizipation eine Rolle und insbesondere bei Vereinen auch das Verhältnis zwischen Ehrenamt und Hauptamt. 

//Nicola

Strategie

Wer sich mit Strategiearbeit rumschlägt, kommt irgendwann unweigerlich an einen schwierigen Punkt: die Theorie klingt gut, ist klar und mach Sinn. Die Praxis ist irgendwie aber trotzdem messy – vielschichtiger, abgründig-psychologischer und widerspenstig-politischer als das, was im Handbuch steht. Die Antwort darauf ist ein gutes Gespräch mit Leuten, die das kennen und vielleicht sogar einen Umgang damit gefunden haben. So geschehen beim Mini-Workshop „Strategie als Kunsthandwerk“, bei dem wir in klein-feinem Rahmen das Strategie Modul unserer Online Landschaft „Change Essentials“ in die Mitte gelegt haben, um auf diesem Hintergrund gemeinsam harte Nüsse der Strategiearbeit zu knacken:

  • die Formulierung einer Wirkungslogik für einen gerade erst in Erprobung befindlichen Handlungsansatz der Arbeit mit Roma Communities in Niedersachsen;
  • der Bau eines Prozessdesigns zur Strategieentwicklung für ein Medienprojekt im Nahen Osten als Eiertanz zwischen Team- und Chef-Sache;
  • das schwierige Nachhalten strategischer Linien in einem bundesweiten offenen Social Justice-Bündnis

Es gibt natürlich selten schnelle wasserdichte Antworten, aber der Austausch bringt sie näher und das Format passt: kleine engagierte Gruppe, gemeinsamer fachlicher Bezugspunkt und Konzeptrahmen für die Diskussion (schaut Euch bitte die Videos vorher an), viel Raum für Fallarbeit und Austausch. So lässt es sich gut arbeiten!

//Andreas

Rollen und Aufgaben

Der Austausch zu Rollen und Verantwortungsübernahme in Organisationen fokussierte sich um das Rollenboard. Insbesondere die Fragen, inwieweit das Rollenboard geeignet ist, um Mitglieder ehrenamtlichen Organisationen zu motivieren und inwieweit es als flexibles Modell der Verantwortungsübernahme dazu geeignet ist, Formen der Mitarbeit zu ermöglichen, bei denen sich Menschen nicht in der traditionell üblichen Weise langfristig verpflichten und engagieren müssen. Einerseits bietet das Rollenboard viele Möglichkeiten -ist es doch darauf angelegt, Einzelne zum Handeln zu ermächtigen und die zu erledigenden Tätigkeiten auf eine Art und Weise aufzuteilen, dass sich jede Person die Tätigkeiten herauspicken kann, die ihr besonders liegen. Das Rollenboard ist allerdings auch keine Allzweckwaffe – zwar wird durch Prinzipien wie ‚empowered execution‘ – was man vielleicht am besten mit Ermächtigung zur Handeln übersetzen kann – Motivation gefördert. Am Ende des Tages muss jedoch jede Person sein Leben auch selbst so organisieren können, dass ihr auch tatsächlich die zeitlichen Ressourcen zur Verfügung stehen, die Aufgaben auch zu erledigen. Da mit dem Rollenboard auch befristete und kleinere Tätigkeiten gut zu verteilen sind, eignet es sich auch tatsächlich dazu, Arbeitsstrukturen zu etablieren, die attraktiv für junge Generationen mit fluider Lebensplanung sind. Möchte man das Rollenboard einführen, ist es sinnvoll, dass es einen Kern von ein bis zwei Personen gibt, die sich in das Rollenboard-Tutorial einarbeiten, Begeisterung dafür ausströmen und einen kleinen Prozess planen, in dem sich ihr Team das Tutorial gemeinsam erarbeitet.

//Ralph

Kollaboration

Zum Thema Kollaboration hat es im Oktober sogar ein Labor gegeben. Intensiv wurde diskutiert, wie herausforderungsvoll häufig die Ausgangslage ist, verschiedene Interessen (inhaltlich und / oder prozessorientiert) unter einen Hut zu bringen. Gleichzeitig steckt darin doch vielfältig auch der Mehrwert: neue Ideen, andere Zugänge, die “ich alleine” nicht gefunden hätte und auch Lust am Ausprobieren (und gleichzeitig liegt hier auch gleich wieder die nächste Herausforderung: Wer hat wieviel Lust auf ausprobieren? Wer mag lieber einen definitiven Rahmen? Wie so vieles hat auch das hier den Charakter eine unendlichen Geschichte). 

Deutlich wurde die Verbindung zu den Modulen “Entscheidung” und “Strategie”, wenn es um die Frage geht: “Worüber unterhalten wir uns eigentlich?” also: den Bedarf nach einer Klarheit auf welcher Ebene gerade diskutiert wird und dass es hier zumindest Verlässlichkeit gibt: Wie sieht der Prozess aus? Welchen Entscheidungsspielraum gibt es und wird er auch sicher eingehalten? Wo “versteckt sich” die Überforderung und wie wollen wir damit umgehen? 

Um diese Fragestellungen herum haben wir einen Fragebogen und das “Kollaborations-Kontinuum” entwickelt. Während wir hier schreiben, erfährt dieses gerade seine beta- und gamma-Testung wird wird zum Anfang des Jahres nochmal angepasst werden. Hilfreich – so die bisherige Rückmeldung – ist es auf jeden Fall. 

//Christian

Resilienz

Unser Angebot der Change Essentials richtet sich ja explizit an ehrenamtlich Engagierte, die in der Regel weniger Zugang zu Beratungsangeboten haben und mit spezifischen Herausforderungen konfrontiert sind. Dass wir diese Zielgruppe erreichen, zeigte sich dadurch, dass das Thema Ehrenamt-Hauptamt auch im Community Call zum Thema Resilienz eine zentrale Rolle spielte. Hier ging es unter anderem um die frühen Entwicklungsbewegungen einer neu gegründeten Organisation, die noch ganz von der Begeisterung und dem Engagement einer Vielzahl von beteiligten Menschen getragen ist. Wenn erfolgreich erste große Aktivitäten umgesetzt werden, die Zugkraft haben, neue Engagierte und auch Geldgeber anzuziehen, sind die Grenzen dessen, was ehrenamtlich geleistet werden kann, schnell erreicht. So sprachen wir ausgiebig darüber, wie der Übergang gestaltet werden kann, eine stabilere Stellenfinanzierung zu etablieren. Ein zentrales Thema war dabei, wie Kommunikations- und Entscheidungsprozesse gestaltet werden können darüber, auf  welche Stellen in welchem Umfang sich Fundraising Bemühungen konzentrieren sollten. Die Sorge stand hier im Vordergrund, welche Auswirkungen der Impuls, nachhaltigere Strukturen aufzubauen, auf die Motivation der vielen Engagierten haben könnte und was es braucht, den wertebasierten Kern der Organisation zu schützen. Wir landeten sehr schnell in dem Austausch bei der Erkenntnis, wie hilfreich eine moderierende Begleitung ist, mit Fingerspitzengefühl  durch wesentliche Gespräche zu Grundsatztfragen zu leiten, um welches Selbstverständnis und Werte es den Engagierten geht, wie miteinander entschieden werden soll, welche Paradigmen (z.B. im Sinne juristischer Formen) vielleicht auch bewusst herausgefordert und hinterfragt werden, um erst dann Fragen zu bearbeiten wie die Definition von Kernfunktionen und mögliche Fundraising Strategien.

// Joana

Führung

Der Community Call zu Führung glich einer kollegialen Beratungssituation. Die drei Gäst:innen kamen mit Anliegen rund um ihre Führungsfunktion und wir tauschten uns darüber aus, wie Energiefresser minimiert, Blockaden gelöst und Selbstverantwortung gestärkt werden können. Eine wichtige Erkenntnis war, dass Personen die in selbstorganisierten Teams Führung übernehmen, auch die an sie herangetragene Erwartung bestimmte Entscheidungen zu treffen, nicht erfüllen müssen, sondern dies immer wieder gemeinsam mit dem Team besprechen können. Insbesondere in der Phase, in der diese neue Kultur eingeführt wird, kostet das Zeit und oft auch Geduld der Beteiligten, gleichzeitig wird es als Investition hin zu mehr Selbstführung und damit effektive Verantwortungsübernahme erlebt. 

Ebenfalls als hilfreich wurde erkannt, dass die institutionelle Verankerung von Besprechungsräumen – Supervisionen, Teamtage, Dialogforen, Check-ins etc. – nötig ist, um Veränderungen wirksam zu gestalten und auch um eine gemeinsame Sprache zu entwickeln. Den Führung in Selbstorganisation heißt nicht Selbstausbeutung, sondern die effiziente Verantwortungsverteilung von Aufgaben. 

Zum Ende fragten wir, was die Teilnehmenden sich von SOCIUS zu unserem 25. Geburtstag 2023 wünschen würden und wir bekamen einige schöne Impulse: zum Beispiel eine Landkarte unserer Entwicklung zu machen und ein paar mehr Einblicke hinter die Kullissen zu gewähren: Wie habt ihr gelernt? Wie habt ihr euch weiterentwickelt? Was waren eure Meilensteine? 

// Nicola & Julia

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Teamresilienz stärken

Teamresilienz stärken

Anfang November hatten Hannah und ich zusammen das Vergnügen für 16 Personen einen Teamtag zu gestalten zum Thema „Stress, Resilienz und Regeneration“. Im Rahmen unseres durch die Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt geförderten Projektes CLEE (Community Learning für Ehrenamtliche und Entscheidungsträger*innen) war es naheliegend, dass wir  das vierte Modul unseres kostenlosen Onlinekurses SOCIUS change essentials – Neue Wege der Organisationsentwicklung in den Fokus der Vorbereitung setzten. Wir luden die Teilnehmenden ein, die Videos des Moduls Resilienz vorab zu schauen, so dass wir beim Start um 9h schon eine gemeinsame Wissensbasis zum Thema hatten.

Wir starteten den Tag mit einem bewegten Einstieg – aufstehen, räkeln, strecken, schütteln und dann OMG – orient | move | ground –

🔦 orientiere dich: wo bist du im Raum? Wer ist da noch? Wer ist in deiner Nähe? Wer ist weit weg?

💃 beweg dich – das kann eine kleine Mikrobewegung sein, oder ein paar Schritte durch den Raum, du kannst rennen, oder tanzen, schreiten oder schleichen. Beweg dich.

🌳 verbinde dich mit dem Platz auf dem du stehst. Spüre deine Füße auf dem Boden. Nimm ein paar tiefe Atemzüge.

Und dann gerne noch 1 bis 2 mal: OMG!

Im Anschluss an einen verbalen Check-in ist das Team in Triaden spazieren gegangen und hatte von uns den Auftrag darüber zu reden:

  • 🥳 Was gibt es zu feiern?
  • ✅ Was wurde gemeinsam vollbracht?
  • 😁 Was gelingt richtig gut ?

Unsere Idee war im Anschluss aus jeder Gruppe eine (1) Geschichte zu hören und aufzuschreiben, aber das Team hatte so viele Geschichten des Gelingens, des Vollbrachten und des Feierns zu erzählen, dass wir über 20 runde Moderationskarten als Riesenkonfetti an die Wand kleben konnten.

Danach gönnten wir uns eine Pause – die ist ja bekanntermassen wichtig für die Regeneration – und dann eine kleine Auffrischung in Sachen Resilienzfaktoren.

Den Rest des Tages widmeten wir uns in einem Wechsel von Pausen, Bewegung, Plenum und Kleingruppenarbeit zuvor vom Team identifizierten Stressoren mit der Brille 👓 der Resilienzfaktoren.

Statt auf die Entstehung von Problemen und Herausforderungen zu schauen und zu versuchen herauszufinden wie es dazu kommen konnte, arbeite das Team mit den Fragestellungen: Was braucht es für die Zukunft? Woran merkst du, dass es besser geworden ist? Wenn du einen Resilienzfaktor auf das Problem „anwendest“ – wie verändert es sich dann?

Dieser Perspektivwechsel führte zu überraschenden Einsichten und Erkenntnissen und machte Platz für neue Gedanken und Lösungsansätze um mit alten Stressfaktoren einen anderen Umgang zu finden.

Mein Lieblingssatz des Tages von einem Teammitglied war: „Eigentlich ist Stress und Resilienz gar nicht so mein Thema. Ich hab nicht viel Stress und bin ziemlich resilient. Aber dann hab ich die Videos geguckt und gedacht: oh, da kann man doch immer noch was machen und entwickeln. Vor allem auch im Team und in der Organisation. Und das haben wir heute gemacht und ich hab jetzt sogar zwei Buddys für mein Thema.“

Das hat mich berührt und erfreut.

Was macht Ihr in Euren Teams zur Resilienzstärkung und Regeneration?

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SOCIUS bei Sociocracy for all

SOCIUS bei Sociocracy for all

Am 13. Oktober 2022 waren Nicola Kriesel, Lysan Escher und Andreas Knoth bei der „Every voice matters“ online Konferenz von Sociocracy For All und haben über unseren eigenen Transformationsprozess gesprochen:

Wie wir uns in einer anhaltenden Entwicklung von einem heroisch geführten Unternehmen mit großem Herz und dem Willen zur Arbeit im Team über eine post-heroische Phase, in der wir auch viel Unsicherheit erlebt haben und Entscheidungen die im ganzen Team getroffen wurden die scheinbar besten, auf jeden Fall sichersten waren, hin zu einem pan-heroischen Team, in dem wir alle glänzen dürfen und vertrauen in die Fähigkeiten der anderen gute Entscheidungen für alle zu treffen.
Um die Fähigkeit zu vertrauen ging es dann auch in dem anschließenden Gespräch und wie wir hörten, scheint das ein Thema gewesen zu sein, dass sich durch die gesamte Konferenz zog.

Wenn wir Soziokratie als eine Praxis von Selbstorganisation verstehen, dann können KonsenTentscheidungen einen wesentlichen Beitrag zum Aufbau von Vertrauen in der Organisation leisten. Nicht nur ihr ritueller Ablauf, der eine verabredete Vorhersehbarkeit mit sich bringt, sondern auch die Sicherheit auf jeden Fall gehört zu werden mit der eigenen Meinung und sich darauf verlassen zu können, dass es keine Ausgrenzungserfahrungen gibt, wenn ein schwerwiegender Einwand mit Hinblick auf das gemeinsame Ziel vorgebracht wird, trägt zur Vertrauensbildung bei.
Gleichwohl ist es unserer Erfahrung nach nicht damit getan im Kreis zu sprechen (obwohl das auf jeden Fall ein guter Anfang ist!), sondern auch den Mut zu haben für sich, die eigene Meinung, die eigene Erfahrung und die eigenen Argumente einzustehen und sich dem Team damit zu zeigen. Oft klingt das leichter als es in Wirklichkeit ist.
Und auch wenn wir bei SOCIUS seit letztem Jahr die KonsenTentscheidung gemeinsam mit der beratenen Entscheidung in unserer Satzung manifestiert haben, gibt es immer wieder Situationen in den wir uns aktiv gegenseitig an unsere Vereinbarungen erinnern müssen, um sie lebendig zu halten.
Das machen wir dann gerne und in großem Vertrauen auf die verabredeten Vorgehensweisen.

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SOCIUS brief September 2022

SOCIUS brief September 2022

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SOCIUS brief Juni 2022 – oe-tag

SOCIUS brief Juni 2022 – oe-tag

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SOCIUS brief März 2022

SOCIUS brief März 2022

Liebe Leser:innen

März zweitausendzweiundzwanzig – die Hoffnung, dass mit dem Virus auch die pandemischen Auswirkungen auf die Gesellschaft schwächer werden, Todesfälle weniger werden und die Gesundheitsversorgungen doch nicht weiter kollabiert, hat sich gerade ein bißchen breit gemacht und eigentlich wollte ich etwas über den Begriff „Freedom Day“ schreiben, der noch bis vor zweieinhalb Wochen durch die Medien geisterte. Aber plötzlich ist Krieg. In Europa. Die atomare Bedrohung wird wieder realer, Hunderttausende gehen auf die Straße gegen Krieg und die Bundesregierung macht 100 Milliarden Euro Sondervermögen locker um es in die Bundeswehr zu stecken. Manchmal dreht sich die Realität schneller als ein Karussell. Schon vergessen ist der Sturm, der uns vor zwei Wochen in Atem hielt. 
All das beschäftigt  auch uns, in unseren wöchentlichen Check-ins ist es immer wieder Thema und auch die Organisationen, mit denen wir arbeiten, sind mit den aktuellen Ereignissen sehr befasst. 
Was sind sinnvolle Handlungsmöglichkeiten in einer Welt, die uns weiter mit Unbeständigkeit, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguitäten konfrontiert? Wir erinnern uns daran, dass die Orientierung an Visionen und Utopien, gegenseitiges Verständnis, die Herstellung von möglichst viel Klarheit und agiles Denken und Handeln helfen können, mit den vielen Widersprüchlichkeiten zurechtzukommen. Lasst uns gemeinsam durch diesen Aufruhr zu navigieren und unsere geteilten Werte nicht aus den Augen zu verlieren. 

Und auch wenn es nur ein kleiner Beitrag ist: unsere Fortbildungsangebote dienen nicht nur Einzelpersonen, sondern auch ihrem Arbeitsumfeld, um weiter auf Entwicklung und Transformation zu setzen. In allen Kursen sind noch Plätze frei:  
* „Bewegte Beratung“ legt dieses Jahr ihren Fokus auf New Work und Embodiment und beginnt am 21. April in Berlin 
* der Klassiker „gOe! – gemeinnützige Organisationen entwickeln“ startet am 2. Mai in Stolzenhagen/Oder 
* und am 16. Mai legen wir los mit der zweiten Auflage unseres Onlinetrainings „Leadership Compass“, in dem sich Führungspersonen begegnen, um zukunftsfähige Führung in Beziehung zu reflektieren und zu lernen. 

Das Highlight des SOCIUS Jahres wird am 10. Juni  der 15. „oe-tag – Forum für Organisationsentwicklung“ sein. Das Thema wird „Kreative Zerstörung und Erneuerung“ sein – und damit könnte sich die Schleife fast schliessen: Was beginnt, wenn wir uns von Altem verabschieden? 

Wir freuen uns wie immer auf Eure Resonanzen, genauso wie über Euer Interesse an unseren Angeboten und schicken warme Grüße in den aufkeimenden Frühling

Nicola Kriesel
Andreas Knoth, Christian Baier, Denise Nörenberg, Hannah Kalhorn, Joana Ebbinghaus, Julia Hoffmann, Kerstin Engelhardt, Lysan Escher und Ralph Piotrowski

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Die Landkarte ist etwas anderes als das, was tatsächlich da ist

Die Landkarte ist etwas anderes als das, was tatsächlich da ist

Das Enneagramm als Landkarte für Persönlichkeitsmuster

Sich selbst zu erkennen ist oft schwieriger als andere zu erkennen. Das gilt auch für die neun Muster des Enneagramms. Selbst- und Fremdwahrnehmung können hier in spannendem Gegensatz stehen. Und dann sagt Claudia Meimberg “Interessant wird es da, wo der Automatismus greift. Wo du nicht nachdenkst, wo keine (bewusste) Regulation stattfindet, sondern da wo du automatisch reagierst. Der erste Impuls. Der allererste. Der führt dich auf die Spur zu deinem Enneagramm-Muster.”

Das letzte SOCIUS labor 2021

Am 16. Dezember 2021 fand das 10. und letze SOCIUS labor im Jahr 2021 statt. Und wir hatten wirklich eine Vielzahl von Themen: Im Januar machten Rudi Piwko und Raphael Wankelmuth den Auftakt mit der zweiten Auflage ihrer “Virtuellen Tools”, gefolgt von Andreas Knoth und Britta Loschke mit “Positioniert im Dialog”, Christian Baier und Gabor Vazori mit den “Online Aufstellungen”, Ralph Piotrowski und Andreas Knoth mit dem “Rollenboard”, Simon Mohn und Lino Zeddies schauten in die “Zukunft” und Joana Ebbinghaus und Bea Schramm gaben uns kurz vor der Sommerpause noch Einblicke in die Theorie von “Bindung und ihre Auswirkung auf den Arbeitskontext”. Im August luden Kerstin Engelhardt und Jana Hornberger zu einem Live Labor ein und machten sich auf “Erkundungsreise über das was wir in der Pandemie bisher gelernt hatten”, bevor Nicola Kriesel und Hannah Gedamu sich im September der “Diversitätssensibilität in der Personalentwicklung” widmeten. Im Oktober machten wir das wozu Julia Hoffmann und Christa Cocciole im November einluden: “Mut zu Pause”.

Und nun 14 Tage vor Jahresende: (Selbst)Erkenntnis mit Lysan Escher und Claudia Meimberg. 

Die beiden haben ein abwechslungsreiches, kreatives und phantasievolles SOCIUS labor mit und für uns gestaltet und es war vier Stunden lang spürbar, wie viel Spaß den beiden das macht und wie sie es genossen auf 13 interessierte Menschen zu treffen, die das Enneagramm kennenlernen wollten. 

Zunächst starteten wir mit einer kleinen soziometrischen Übung im online-Raum: Mit “Alle, die…” bot Lysan uns verschiedene Aussagen an und alle, auf die diese Aussage zutraf, ließen ihre Kamera an, während diejenigen, die sich nicht damit assoziierten, die Kamera abschalteten. Das war auf jeden Fall schon mal ein gutes kleines Intro, um ein bisschen Gespür für die Menschen im Raum zu bekommen. 

Der Ursprung des Enneagramms

Sodann bekamen wir einen Input in die Genese des Enneagramms – wo kommt es her? Was sagt es aus? Wie ist es aufgebaut? Claudia Meimberg arbeitet seit vielen Jahren mit dem Enneagramm und hat sich umfassend ausgebildet, vor allem bei Katharina Kunze-Neidhardt und Hans Neidhardt. Beide sprechen nicht davon, dass das Enneagramm neun PersönlichkeitsTYPEN vorstellt, sondern sie sprechen von MUSTERN. Ein Muster ist etwas anderes als ein Typ. Das Muster kann verglichen werden mit einer Landkarte, dort kann gesehen werden, wo Straßen, Besiedlungen, Felder, Wälder, Seen, Großstädte sind, sie ergeben ein Muster auf dem Papier, u.a. weil z.B. Städte immer als rote große Punkte dargestellt werden, während Landstraßen gelbe Striche sind, Wälder dunkelgrün, Landstriche mit Feldern eher hellgrün und Wasser blau. Wir erkennen diese Muster wieder, wenn wir auf unterschiedliche Landkarten schauen. Und doch ist das, was wir real in der Welt sehen, viel mehr und differenzierter als eine Landkarte. Abgesehen davon gibt es für unterschiedliche Bewegungsarten auch unterschiedliche Landkarten: Schifffahrtskarten sehen ganz anders aus als Wanderkarten, die sich wiederum von Radkarten und Autokarten unterscheiden. Und dennoch können wir uns, wenn wir die Muster der verschiedenen Karten studiert haben, einerseits auf den Karten und andererseits, vor allem aber, mit ihnen auch in der Welt orientieren. 

So ähnlich geht es mit dem Enneagramm auch, dessen Herkunft nicht ganz geklärt ist. Es scheint Wurzeln in der Antike, im Christentum und im Sufismus zu haben und wird von Wikipedia als esoterisch bezeichnet. Was einigermaßen fest zu stehen scheint, ist dass es sich lange Zeit um eine mündliche Überlieferung von Meistern zu Schülern gehandelt hat und geheim gehalten wurde, bevor es sowohl in Europa als auch in Chile öffentlich gemacht wurde und so von Psycholog:innen der Humanistischen Psychologie als Rahmung für Persönlichkeitsstrukturen genutzt wurde, ebenso wie für Entwicklungsprozesse. 

Claudia weist uns darauf hin, dass es sich um ein sehr komplexes Modell handelt: nicht nur mit den neun Zahlen für die Muster, sondern auch mit noch drei Zentren: Bauch, Herz und Kopf, mit denen bestimmte Qualitäten verbunden werden. Es war von Flügeln, Stress- und Trostpunkten die Rede und dann kam der Satz, der unvermeidbar war: Natürlich ist es am allerschwierigsten dem eigenen Muster auf die Spur zu kommen – zumindest bei den meisten Mustern.

Mit Bewegung lernt’s sich besser 

Bevor wir uns alle dieser Überforderung hingeben konnten, hatten Claudia und Lysan etwas anderes geplant: Musik… wir hörten drei Stücke, die für die drei Zentren standen und waren eingeladen uns dazu zu bewegen. Nach fast einer viertel Stunde Tanz gab es Kleingruppen und die Frage: welche Musik hat dich am meisten berührt, etwas in dir “angeschwungen”, dich bewegt – im wahrsten Sinne des Wortes? War es der Rhythmus des Trommeln, der für das Bauchzentrum steht, oder Vivaldis Sommer aus den Vier Jahreszeiten, der dein Herz berührt hat oder hat dich Liszt mit seiner Musik für das Kopfzentrum erreicht? 

Das war eine sehr spannende Erkundung. Mich haben die Trommeln in Bewegung gebracht, also sinnbildlich körperlich zum tanzen. Vivaldi fürs Herz hat mich etwas ratlos unberührt zurückgelassen und bei Liszt hab ich mich angenehm wohlgefühlt. 

Das Theater der neun Muster

Und dann ging’s los: Das Theater der neun Muster. Lysan und Claudia präsentierten in wechselnden Rollen die neun Muster des Enneagramms, mit den dazugehörigen Leitsätzen, Besonderheiten, Leidenschaften und Rollen.

1 – “Es gibt immer was zu verbessern” – die gewissenhafte Perfektionistin hat die besondere Gabe Dinge zu sehen, die so nicht sein sollten. Sie sieht Fehler und korrigiert sie, auch mit sich selbst ist sie in einem ständigen Verbesserungsprozess. Spontaneität ist nicht so ihr Ding. Sie ist sehr verantwortungsbewusst und hält sich streng an Verabredungen. Ihre Leidenschaft ist der Zorn, die geronnene Wut. Sie neigt dazu cholerisch zu sein. 

2 – “Die Welt braucht mich” – der Helfer hat die Fähigkeit, ganz schnell zu sehen,  was andere brauchen und ihnen das auch einfach zu geben. Dadurch erfährt er Wertschätzung, geht aber auch das Risiko ein, andere einzuengen. Er engagiert sich häufig ehrenamtlich oder auch im eigenen Team für ein gutes Miteinander. Nähe ist ihm wichtig. Seine Grundfrage ist “Werde ich ausreichend geliebt?”, die eigene Bedürftigkeit wird häufig abgelehnt. Seine Leidenschaft ist der Stolz. “Gib alles her, ich schaff das!”

3 – “Hier komme ich!” – die allseits beliebte Macherin setzt Ziele und startet in die Umsetzung. Hat eher selten Stress, ist auf allen Bühnen zu Hause, mag es aber nicht alleine zu sein und nichts zu tun zu haben. Für sie zählen Leistung und Erfolg im Leben am meisten, es ist wichtig bei anderen gut anzukommen. Selbst ein Scheitern wird mindestens als Teilerfolg verkauft. Diese dynamischen Erfolgsmenschen strahlen, haben Charisma und bringen was voran. Sie haben feine Sensoren für Feedback und arbeiten für positive Rückmeldungen. Das kann manchmal wie ein Fähnchen im Winde sein. Ihre Leidenschaft ist die Täuschung. Sie haben eine hohe Anpassungsfähigkeit und wissen manchmal selbst nicht um ihren Kern. 

4 – “Endstation Sehnsucht” – der anspruchsvolle Individualist träumt die Geschichte einer großen Liebe von höchster Euphorie, Enttäuschung, Verlust, Rückzug und Elend bis eine neue große Sehnsucht erwacht und mit der Realität konfrontiert wird. Er ist krisenerprobt, feinfühlig, und spürt, dass er ganz anders ist als die anderen. Er erlebt höhere Höhen und tiefere Tiefen und ist ein sehr guter Krisenbegleiter. Seine Sehnsucht befriedigt er in tiefen Gesprächen, seinem Sinn für Schönes und der Fähigkeit zu gutem Kontakt. Manchmal ist er ein Dramaking und neigt dazu Themen zu emotionalisieren. Seine Leidenschaft ist der Neid. “Allen anderen geht es besser als mir”.

5 – “Wissen ist Macht” – die stille Einzelgängerin analysiert, ist sachlich, neutral, scheint unberührt zu sein. Sie ist Strategin. Sie separiert ihre Lebensbereiche – Arbeit ist Arbeit, Familie Familie, Hobby Hobby. Hier gibt es keine Überschneidung. Die Welt erscheint ihr grundsätzlich feindlich und sie schafft sich Sicherheit in dem sie beobachtet und ihr Wissen vertieft. Oft trägt sie nicht alles bei, was sie könnte und lädt dazu ein, übersehen zu werden. Ihre Leidenschaft ist der Geiz. Vor allem ist sie geizig mit sich selbst.

6 – “Im Zweifel gegen den Angeklagten” – der loyale Skeptiker hat detektivische Fähigkeiten. Ihm kann man nichts vormachen, er hat nicht nur, sondern er ist ein Frühwarnsystem. Leider oft von Angst getrieben, tritt er in zwei Varianten auf: Der Phobische neigt zum Rückzug, während der Kontraphobische zu Übersprungshandlungen neigt. Der loyale Skeptiker ist ein guter Krisenmanager, er hat immer ein Survivalpack dabei. Seine Leidenschaft ist der Zweifel. “Stimmt das wirklich?” Oft traut er seiner eigenen Wahrnehmung nicht. 

7 – “Sieh, das Gute liegt so nah!” – die lebensfrohe Optimistin verbreitet gute Laune, ist eine Abenteurerin, und auch eine Clownin und Jongleurin. Sie versucht Trauriges zu vermeiden und geht Schmerz aus dem Weg, in dem sie es sich gut gehen lässt. Sie hat innovative Ideen, liebt die Freiheit und nach einem Plan A nicht nur einen Plan B, sondern immer auch noch Plan C D E F und G… Sie ist so assoziativ, dass sie immer noch eine Idee hat, wie etwas doch noch gut wird. Ihre Leidenschaft ist die Gier. Sie kann zwanghaft positiv sein. 

8 – “Alles hört auf mein Kommando” – der willensstarke Kämpfer hat ein Gespür für Macht. Konflikte sind ihm vertraut, an ihm kommt man nicht vorbei. Er füllt einen Raum ohne ein Wort, mit seiner hohen Energie ist er extrem präsent, bevor er Schwäche zeigt, wird er aggressiv. Der willensstarke Kämpfer stellt sich vor sein Team, wenn es nötig ist; wenn man sich ihm entgegenstellt, kommt er mit direkter Ansprache klar. Seine Leidenschaft ist die Wollust. Er ist lustvoll intensiv. 

9 – “Ich bin irgendwie unwichtig hier” – die Friedensstifterin glaubt, dass es am besten ist, sich selbst zu vergessen. Sie ist eine friedvolle Vermittlerin mit hoher Hilfsbereitschaft und der Schwierigkeit Prioritäten zu setzen. Bis sie in die Gänge kommt, kann das dauern, aber dann ist sie ausdauernd. Sich zu positionieren ist nicht ihre Stärke; wird sie dazu gedrängt, fällt sie in eine Art Totstellreflex. Ihre Leidenschaft ist die Trägheit. Manchmal führt das zu einer bleiernen Schwere.

Die Muster zwei, drei und vier sind dem Herzzentrum zugeordnet und folgen der Qualität der Liebe. Die Muster fünf, sechs und sieben sind dem Kopfzentrum zugeordnet und folgen der Qualität der Sicherheit. Die Muster acht, neun und eins sind dem Bauchzentrum zugeordnet und folgen der Qualität der Autonomie

In jedem Zentrum gibt es ein Muster, das die Energie nach innen wendet, eines, das sie nach außen wendet  und eines, das die Energie blockiert. Die jeweiligen Muster an der Seite werden Flügel genannt und haben ebenfalls Einfluss auf das eigene Muster. Weitere Ausführungen bedürfen intensiverer Befassung, wer dazu was lesen will, findet hier weitere Einsichten: Maria-Anne Gallen, Hans Neidhardt, Das Enneagramm unserer Beziehungen – Verwicklungen, Wechselwirkungen, Entwicklungen.

In der letzten Stunde unseres Labors gab es neun offene Breakoutrooms in denen die Teilnehmenden sich frei bewegen konnten, um sich noch tiefer mit den einzelnen Mustern zu beschäftigen. Es ergaben sich interessante Gespräche. 

Vom SOCIUS Team haben fünf Personen am Labor teilgenommen und wir haben uns fest vorgenommen das Enneagramm im neuen Jahr auch mal als Feedback-Instrument auszuprobieren. Die Unterschiede zwischen Fremd- und Selbstwahrnehmung sind ja bekanntlich überaus interessant.

Ich bin gespannt!

SOCIUS brief März 2022

SOCIUS brief Dezember 2021

Liebe Leser:innen

nun ist es also soweit, 2021 neigt sich dem Ende und 2022 lugt schon um die Ecke. Für uns bei SOCIUS war es ein sehr bewegtes Jahr und nachdem im Herbst Rudi Piwko SOCIUS nach 23 Jahren verlassen hat, macht sich auch Simon Mohn nach vier Jahren auf zu neuen Ufern. Wir wünschen Simon auf seinen neuen Pfaden in Richtung utopischer Zukunft viele gute Ideen und fröhliche Mitstreiter:innen. Wir freuen uns, dass wir gut verbunden neue Kooperationen für sinnvolles Zusammenwirken eingehen werden. 

Veränderungen sind unser Geschäft – so haben wir es an anderer Stelle mal genannt. Schon im Januar können wir zwei neue Kolleg:innen offiziell willkommen heißen. Nach vielen Jahren Kontinuität im Team tut uns dieser frische Wind gut.

Die Praxis der Veränderung hat uns auch Anfang November bei der transformativen Szenarioplanung in den Uckermärkischen Bühnen in Schwedt beschäftigt: „Was wird aus der kulturellen Bildung bis 2040?“ war die große Frage dieser visionären Zusammenkunft. In der Suche nach möglichen Szenarien machten sich 30 Beteiligte aus Trägern und Stiftungen ans Werk, Geschichten aus der Zukunft auf die Bühne zu bringen. So entstanden kritische, lustige, verstörende und nachdenklich machende Inszenierungen über die Zukunft der kulturellen Bildung, die noch lange im gemeinsamen Gedächtnis bleiben. 

Um Transformation geht es auch bei unserer neuen Jahresfortbildung „Führen mit Haltung“ , die am 7. Februar 2022 beginnt. Anmeldeschluss ist eine Woche vor Weihnachten, am 17.12.21 – es sind nur noch drei Plätze frei. In diesem Fortbildungsjahr werden wir uns an sechsmal drei Tagen mit Themen wie „Persönlichkeit & Führung“, „Agile & werteorientierte Führung“, „Kommunikation & Führung“, „Methoden der oe“ und „Widerstand in (Veränderungs)Prozessen“ befassen. Wir freuen uns, wenn alle Plätze belegt werden. Noch mehr Infos zur Fortbildung findet Ihr unten, genauso wie die Ankündigungen der SOCIUS labore im ersten Quartal 2022. 

Wie immer grüßen wir herzlich und freuen uns über Dialog! 

Und diesmal wünschen wir außerdem noch eine schöne Winterzeit und melden uns wieder im neuen Jahr. 

Nicola Kriesel, Andreas Knoth, Christian Baier, Denise Nörenberg, Joana Ebbinghaus, Julia Hoffmann, Kerstin Engelhardt und Ralph Piotrowski  

Hier gehts zum ganzen SOCIUS brief

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UnternehmensWert: Mensch – weitere Förderzweige bis Dezember 2022

UnternehmensWert: Mensch – weitere Förderzweige bis Dezember 2022

SOCIUS Berater:innen sind im Beratungspool des Förderprogramms unternehmensWert:Mensch (uWM) akkreditiert. uWM ist ein Bundesprogramm, das kleine und mittelständische Unternehmen – auch aus der Sozialwirtschaft und der Zivilgesellschaft – durch Prozessbegleitung bei der Gestaltung einer zukunftsgerechten Personalpolitik unterstützt. Die Beratungsfeder sind Personalführung, Chancengleichheit/Diversity, Gesundheit und Wissen & Kompetenz. Vereine und gemeinnützige Organisationen sind  antragsberechtigt, wenn sie Produkte oder Dienstleistungen direkt am Markt verkaufen. Das Programm bezuschusst Beratungsprozesse von bis zu 10 begleiteten Tagen mit bis zu 80 %.

Bei SOCIUS sind Kerstin Engelhardt, Ralph Piotrowski, Nicola Kriesel und Andreas Knoth ansprechbar.

Nun gibt es neben der schon lange bestehenden Erweiterung Unternehmenswert: Mensch plus, mit der sich Organisationen dem digitalen Wandel stellen können, und dafür Begleitung gefördert bekommen können (die Förderung umfasst zwölf Beratungstage, die Förderung beträgt 80 Prozent), zwei weitere Programmzweige, die bis zum 31.12.2022 laufen:

Im Fokus des neuen Programmzweigs „Gestärkt durch die Krise“ steht der Aufbau und Stärkung organisationaler Resilienz. Mit der geförderten Beratung im Rahmen des neuen Programmzweigs werden Organisationen unterstützt, ihr Krisenmanagement zu verbessern und die durch die Coronapandemie ausgelösten Veränderungen der Arbeitsorganisation und Unternehmenskultur zu identifizieren, mitzugestalten und zu etablieren. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den Chancen der virtuellen Kommunikation, der Personalführung auf Distanz sowie von Home-Office-Lösungen. Die Förderung beträgt 80 Prozent. Es werden maximal fünf Beratungstage gefördert. Dafür kann der Programmzweig bis zu dreimal in Anspruch genommen werden. Ein Beratungszyklus darf nicht länger als drei Monate dauern.

Der vierte Programmzweig heißt „Women in Tech“ und richtet sich an Organisationen der Informations- und Kommunikationstechnik und hat explizit Frauenförderung in dieser Branche im Blick. Im Programmzweig werden Organisationen beraten, wie sie mehr Chancengleichheit gewährleisten und ihr Personalmanagement ganzheitlich diversitätsorientiert aufstellen können. Das beinhaltet explizit auch ein auch LSBTI*-orientiertes HR-Management (LSBTI steht für lesbisch, schwul, bisexuell, trans und inter). Ziel ist die Etablierung einer diversen Unternehmenskultur – im Rahmen eines gemeinsamen Prozesses mit der Belegschaft. Die Förderung beträgt 80 Prozent. Die Beratung im Programmzweig „Women in Tech“ umfasst maximal 15 Beratungstage und kann nur einmal genutzt werden. Hierfür stehen maximal neun Monate zur Verfügung. Es können nur Beratungsleistungen gefördert werden, die dem Aufbau eines gleichstellungs- und ganzheitlich diversitätsorientierten HR-Managements und einer entsprechenden Unternehmenskultur dienen.

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Diversity is not about them. It’s about you!

Diversity is not about them. It’s about you!

Diversitäts-und Diskriminierungsensibilität muss Hand in Hand gehen mit einem machtkritischen Diskurs in Organisation. Darin waren sich die 15 Teilnehmenden des Socius labor online am 16.9.21 weitestgehend einig. Gleichzeitig wurde in der vorwiegend weiß geprägten Bildungsgruppe deutlich, daß der Wunsch nach machtkritischem Umgang für diversität-und diskriminierungsensibles Verhalten immer bei uns selbst anfängt.

So hatte unsere Laborgästin Hannah Gedamu auch die Überschrift: „Diversity is not about them. It’s about you!“ gewählt um von vornherein deutlich zu machen, daß es in diesem Labor nicht um „die anderen“ geht, sondern wir mit uns selbst arbeiten.

Projekt zur diversitätsorientierten Personalarbeit

Hannah Gedamu arbeitet in Berlin bei einem Verein der die berufliche Teilhabe von Menschen mit (familiärer) Migrationsgeschichte und/oder Diskriminierungserfahrungen fördert und Organisationen im öffentlichen und privaten Sektor dabei unterstützt sich diversitätsorientiert auszurichten. Das Projekt „Diversitätsorientierte Personalarbeit in der Berliner Verwaltung und Unternehmen“, in dem sie arbeitet, hat das übergeordnete Ziel, den Anteil von Menschen mit Migrationsgeschichte und Menschen, die von Rassismus betroffen sind in Berliner Verwaltung und Unternehmen zu erhöhen. Hannah und ihr Team unterstützen vier ausgewählte Berliner Behörden und Unternehmen dabei, ihre Kompetenzen im Hinblick auf die neuen Aufgaben und Herausforderungen im Kontext von Vielfalt zu erweitern sowie ihre gesetzlichen Aufträge zu erfüllen. Die Beratung wird im Rahmen der Zusammenarbeit und auf den Bedarf der jeweiligen Organisation abgestimmt und ausgestaltet. Sie umfasst die Beratung und Begleitung der Entwicklung von Verfahren und Strukturen (insbesondere im Bereich Personalarbeit) zur Erhöhung des Anteils von Menschen mit Migrationsgeschichte in den Organisationen, Schulungen, Workshops und Einzelcoachings zu unterschiedlichen Aspekten von diversitätsorientierter Organisationsentwicklung für Führungskräfte und Beschäftigte, und die Vernetzung mit Migrant:innenorganisationen. Die Beratung erfolgt in enger Zusammenarbeit mit Steuerungsgruppen in den einzelnen Behörden, die jeweils für das Projekt gegründet wurden.  

Die Notwendigkeit ihrer Arbeit unterlegte Hannah mit Zahlen: laut repräsentativer Befragung, haben nur 12 Prozent der Beschäftigten in der Bundesverwaltung einen Migrationshintergrund; laut einer Piloterhebung sind in der Berliner Verwaltung nur 3 Prozent der Beschäftigten in Führungsebenen People of Color. Schnell wurde uns klar welche Mammutaufgabe in Sachen Entwicklung und Veränderung noch vor uns liegt.

In ihrem Input wies sie vor allem darauf hin, daß es in ihrer Arbeit nicht so sehr um die Beschäftigung mit der Sensibilisierung einzelner geht, wenn auch ihr Team als Teil der Beratung punktuell und wo notwendig critical-whiteness Schulungen durchführt, sondern um die Verhinderung und Beseitigung von Diskriminierung und die Förderung einer Kultur der Wertschätzung von Vielfalt als durchgängiges Leitprinzip bei ausgewählten Maßnahmen in den vier Behörden. Hannah berichtete von Beratungsprozessen, die z.B. die Verankerung von Diversitätskompetenzen in Anforderungsprofilen und Personalentwicklungsmaßnahmen für Führungskräfte als Schwerpunkte haben, um die sich ständig wiederholende Kreisläufe von “das System reproduziert sich selbst” (weiß, cis, able-bodied,) zu durchbrechen. In dem Zusammenhang nannte sie auch eine Reihe von anderen Maßnahmen, wie zum Beispiel die “Candidate Journey”, die anhand von beispielhaft ausgewählten Stellen den Weg einer Bewerber:in vom ersten Kontaktpunkt mit einer Organisation bis hin zu Abschluss des Bewerbungsverfahrens analysiert und nachfolgend Gutachten erstellt und Empfehlungen ausspricht. Diese Bestandsaufnahme inkludiert die Analyse von Stellenausschreibungen, Anforderungsprofilen, internen Leitfäden zur Stellenbesetungsverfahren, Leitfäden für Auswahlinstrumente und Korrespondenzen mit den Bewerber:innen.  

Allyship

Nachdem wir uns hier mit Fragen und Antworten der Materie genähert hatten, wendeten wir uns dem so genannten „Allyship“ zu: den Allianzen, die Menschen mit mehr Privilegien als Verbündete eingehen können mit Menschen mit weniger Privilegien.

Hierbei ist es vor allem wichtig sich immer bewußt zu bleiben darüber, daß Allyship eine Entscheidung ist, die ich als privilegierte Person auch wieder aufgeben kann (also ist „Ally sein“ an sich schon ein Privileg), während ich wenn ich eine Person bin, die das Ziel von Diskriminierung ist, keine Entscheidung habe, wann ich mich innerhalb der „Diversitätsdimensionen“ bewege. 

Im Labor haben wir uns in Breakoutsession vor allem mit drei Fragen zum Allyship beschäftigt: 

  • Auf welche inneren Widerstände triffst du, wenn du Ally sein willst?
  • welche Entwicklungen hast du gemacht für dein Allyship und was hat dir geholfen?
  • Was können wir tun (um Verbündete zu sein)?

Abschlussrunde

Nach dieser umfangreichen Sammlung war die Zeit im Labor schon fast vorbei und uns blieb glücklicherweise noch ausreichend Zeit für eine Abschlussrunde, in der wir wieder vier Fragen stellten: 

  • Was nimmst du mit?
  • Welche Idee ist heute in dir gekeimt?
  • Wofür setzt du dich in deinem Arbeitskontext ein?
  • Was willst du noch lernen?

Besonderes Highlight hier war der durchgehende Wunsch sich weiter auszutauschen und gemeinsame Treffen zu initiieren, um sich über das was heute gereift ist weiter auszutauschen. Dazu werden wir im November gerne einladen. 

Wir haben uns gefreut, dass alle anwesenden Personen sich so engagiert selbstkritisch weiter begegnen wollen. 

 

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SOCIUS brief März 2022

SOCIUS brief special: Ent-wicklung

Ent-wicklungen

Entwicklung ist unsere Passion. Auch unsere eigene Organisation – SOCIUS – entwickelt sich, logisch! Aber mit großen Schritten sind wir meist recht behutsam, versuchen das Organische zu erspüren. Der große Schritt, vor dem wir jetzt stehen, ist einer, der sich über die letzten Jahre angedeutet hat: Rudi, der SOCIUS 1998 gegründet hat, sucht wieder ein neues Feld und verlässt das SOCIUS Team.

Gemeinsam haben wir über mehr als 20 Jahre SOCIUS aufgebaut und zu dem gemacht, auf das wir zusammen stolz sind. Das Zusammentreffen von unternehmerischem Gestaltungswillen und der Überzeugung, dass Entwicklung gemeinsam getragene Verantwortung braucht, hat SOCIUS immer zu einem spannenden Raum gemacht. Auf unserem Weg haben wir uns dabei zunehmend von Praktiken der Selbstorganisation inspirieren und leiten lassen. Selbstorganisation hat in verschiedenerlei Hinsicht auch mit Entfaltung zu tun.

Rudi begibt sich nun in die Freiheit des Abenteuers einer Neugründung: Geplant ist eine politische Kampagne zu Klimaschutz und Gerechtigkeit, gepaart mit „ultraleichten Methoden“ – inspiriert von seinen Monaten auf Wanderschaft mit ultraleichtem Gepäck.

Auch SOCIUS befindet sich in einer bewussten Bewegung hin zu mehr kollaborativer Entwicklung in Partnerschaften und Ökosystemen. Wir wollen uns darin den großen gesellschaftlichen Herausforderungen dieser Zeit noch fokussierter stellen.

Natürlich ist ein solcher Abschied auch immer emotional und unserer hat ein lachendes und ein weinendes Auge. Uns trägt die Dankbarkeit für das, was wir zusammen erlebt haben und die Freude auf neues Tun mit allen Partner:innen – also mit Ihnen und Euch!

Wir hoffen auf weiterhin guten Austausch und Verbundenheit in alle Richtungen und grüßen herzlich.

Andreas Knoth, Christian Baier, Denise Nörenberg, Joana Ebbinghaus, Julia Hoffmann, Kerstin Engelhardt, Nicola Kriesel, Ralph Piotrowski, Simon Mohn und Rudi Piwko

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SOCIUS brief März 2022

SOCIUS brief September 2021

Liebe Leser:innen

beim Bogenschießen habe ich vor kurzem eine interessante Erfahrung gemacht. Das erste Mal in meinem Leben hielt ich einen echten Langbogen und einen sehr spitzen Pfeil in Händen und folgte den Worten der Workshopleitung, als ich meinen linken Arm streckte, die rechte Hand samt Pfeil in der Sehne bis zum rechten Ohr zog, mich in das von mir fokussierte Ziel fallen ließ, den Pfeil losließ und direkt dort traf, wo ich es vorhatte. Wow! dachte ich, fast ein bisschen erschrocken. Der zweite und dritte Pfeil landete so ungefähr da wo ich wollte, der vierte ging ins Off. Eigentlich würde ich erwarten, dass es mit mehr Übung präziser und leichter wird, genau das Ziel zu treffen, das man sich vorgenommen hat. So war es aber nicht. Nicht die Übung stand im Vordergrund, sondern das Wesentliche war der Fokus: Die innere Verbindung mit dem was erreicht werden soll.
Wir hatten in dem Workshop auch eine Sequenz, in der wir auf eine weiße Wand schossen, statt auf Zielscheiben, da ging es also nicht um Zielerreichung, sondern um’s Üben, um den Ablauf an sich, um die Bewegung, auf die wir uns konzentrierten. Es war experimenteller und spielerischer. 
Das Wechselspiel zwischen Zielfokussierung, Bewegung, Spiel, Übung, Ruhe und Achtsamkeit ist nicht nur im Bogenschießen ein Schlüssel für Gelingenserlebnisse und das Gefühl satter Zufriedenheit über das Erreichte. Wenn wir in OE Prozessen unseren Partner:innen die Werkzeuge reichen, die sie zu ihrer Zielerreichung brauchen, wenn wir sie erinnern, die ganze Bewegung auszukosten und keine Abkürzungen zu nehmen, wenn es gelingt die gesamte Leinwand und nicht nur das eine Ziel zu sehen, dann können wir zusammen in ein sinnvolles Wirken, Handeln und Führen kommen. 

Und darum wird es auch in diesem Herbst bei SOCIUS gehen – intern sowie bei unseren Fortbildungsangeboten, die sich in ganz verschiedenen Formaten an all jene richten, die Leadership sowie Beratung vor allem als die Kunst der  Begleitung verstehen. 

Wie immer freuen wir uns über Eure Rückmeldungen und hoffen mit Euch, dass der Spätsommer uns noch ein paar Sonnenstrahlen beschert. 

Nicola Kriesel für das SOCIUS Team
Andreas Knoth, Christian Baier, Denise Nörenberg, Joana Ebbinghaus, Julia Hoffmann, Kerstin Engelhardt, Ralph Piotrowski, Rudi Piwko und Simon Mohn

 

Hier gehts zum ganzen SOCIUS brief

sinnvoll zusammenwirken

Wenn Kollegen trauern von Franziska Offermann

Wenn Kollegen trauern von Franziska Offermann

Wenn Kollegen trauern

wahrnehmen verstehen helfen

von Franziska Offermann

Schon vor einigen Jahren hat das Team von SOCIUS Erfahrung mit gleich zwei trauernden Kolleg:innen gemacht, die innerhalb kürzester Zeit geliebte Menschen gehen lassen mussten. Das damals 8 köpfige Team hat quasi intuitiv reagiert: empathisch, verständnisvoll, geduldig. Die vorherigen Trauerfälle im Leben der Teammitglieder betrafen alte Eltern. Hier war es plötzlich anders, mit Geschwistern und Freundinnen. Das machte einen Unterschied.

Mich hat das Thema „Trauer am Arbeitsplatz“ seitdem immer wieder sehr beschäftigt. Und nicht nur dort, sondern auch sonst in unserer Gesellschaft. Oft erlebe ich Sprachlosigkeit, Zögern, Zurückhaltung… als ob Schweigen den Schmerz lindert.

Gleichzeitig beziehen wir uns in unserer Arbeit als Veränderungsbegleitung oft auf Trauerprozesse, wie sie Elisabeth Kübeler-Ross in Ihrer Trauerkurve beschrieben hat. Denn die Phasen der emotionalen Verarbeitung können hier und da ähnlich sein.

Franziska Offermann habe ich im Rahmen des Bohana-Netzwerkes kennengelernt, in dem sich Menschen zusammen finden, die mit den Themen Trauer – Sterben – Bestattung beruflich zu tun haben und das eine Plattform ist, für Menschen, die Begleitung suchen, sich informieren wollen, oder sich um das eigene „vorbereitet sein“ bemühen. 

Ihr Buch hat Franziska schon 2016 veröffentlicht und es beginnt mit ihrer ganz persönlichen Geschichte: wie der Tod eines Kindes ihr Leben für immer veränderte. Sie erzählt wie sie – die promovierte Pharmazeutin – erlebte, dass sich nach diesem Ereignis auch in ihrem Arbeitsleben alles änderte und wie ihr immer klarer wurde, dass sie neue berufliche Wege gehen muss. Sie war lange intensiv engagiert im Bundesverband Verwaister Eltern e.V. und gründete dann ihr Unternehmen Lucera – Integration von Trauer im System.

 

In ihrem Buch führt Franziska Offermann die Leser:innen nach dem sehr persönlichen Einstieg in eine Gedanken- und Handlungswelt, die Führungspersonen, Kolleg:innen und auch Beratenden ebenso wie Lehrer:innen bewusst sein sollte: Dass Menschen sterben, gehört zum Leben und kann jederzeit passieren. Es ist gut wenn wir uns dem Thema stellen.   

Die knapp 200 Seiten plus informativem Anhang sind in 7 Kapitel untergliedert, die sich an Trauernde, Kolleg:innen und Führende wenden und das Prinzip „BEILEID“ in ein Akronym verwandeln, das einen ganzen Prozess beschreiben kann:

B  eziehung gestalten, Bedürfnisse erfragen

E  mpathische Kommunikation, ernst nehmen aller Gefühle

I  ndividualität: jede:r ist anders! Information einholen!

L  ogistik der Organisation und Struktur

E  ntspannung, Entlastung

I  nteresse bekunden, Integration des Geschehenen

D auer beachten, dranbleiben

Franziska nimmt die Leser:innen mit in Erkenntnisse über Trauer und die Möglichkeit von Trauerbegleitung am Arbeitsplatz – welche Chancen bieten sich hier für Gesundheit und Teambuilding bzw. -bonding.

Wie können Trauernde so weiterarbeiten, dass sie einerseits nicht so tun müssen als gäbe es die Trauer nicht, und andererseits nicht darauf reduziert werden? Hier geht die Autorin intensiv auf verschiedene Zeiträume der Trauer ein. Im letzten Drittel des Buches finden sich konkrete Hilfen für Kolleg:innen, u.a. auch wie angemessen kondoliert werden kann, wie Rituale Vertrauen und Sicherheit schaffen (nicht nur für Trauernde) und wie auch am Arbeitsplatz mit Embodiment über den Körper die Seele erreicht werden kann.

Weil Arbeitskontexte heute so viel mehr bedeuten (können) als nur Broterwerb in der Leistungsgesellschaft, erwarten Organisationen und Mitarbeitende zunehmend, sich als ganzer Mensch zeigen zu können, und  nicht mehr nur auf die professionelle Schicht des Seins reduzieren zu werden. Vor diesem Hintergrund ist Franziska Offermanns Buch ein wichtiger Beitrag für alle, die das gesamte Leben in ihren Organisationen willkommen heißen und auch auch vor dem Kontakt mit Menschen nach schmerzhaften Erfahrungen nicht zurückschrecken.

Für mich ist das Buch ein Gewinn. Es schenkt mir Orientierung und Handlungsvorschläge für meine Arbeit und Franziska verliert darin nie ihren zugewandten, achtsame Ton. Dafür Dank ich dir, Franziska. In der Rückschau auf mein Erleben in unserem Team in 2013/14, kann ich dabei bleiben, dass wir damals intuitiv sinnvoll zusammen gewirkt haben. Heute im August 2021 haben nun ganz aktuell leider wieder die Aufgabe das zu tun, und einen trauernden Kollegen in unserer Mitte zu halten. 

 

Sinnvoll zusammen wirken

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