SOCIUS.Blog

Über Tabus in Non-Profit-Organisationen und die Bedeutung von Trampelpfaden spricht Andreas Knoth, Organisationsberater und Geschäftsführer von SOCIUS Berlin.

Du bist seit Anfang des Jahres Geschäftsführer von SOCIUS Berlin. Wie hat das deinen Arbeitsalltag verändert?

Andreas Knoth: Es hat sich gar nicht so viel verändert. Davor war ich ja bereits einige Jahre lang gemeinsam mit Rudi Piwko Geschäftsführer. Nun bin ich für die gGmbH zuständig und er für die SOCIUS Genossenschaft.  Ich bin aber immer noch die meiste Zeit als Berater tätig.

Aber du hast als Geschäftsführer die Verantwortung für das Team in Berlin übernommen.

Andreas Knoth: Meine Vision ist das Bild einer Partnerschaft, in der jeder sein Feld bestellt und dabei seine Leidenschaft ausleben kann.  Das, und wie man zeitgemäß leitet, zeitgemäß im Sinne von offen, vernetzt und individualistisch, mit dem Anspruch an eben diese Gleichberechtigung, das beschäftigt mich auch oft in der Beratung. Um das Berliner Team mache ich mir da nicht so viele Gedanken. Da sind die Hüte ganz gut verteilt.

 

Mit welchen Leitungsproblemen wirst du „draußen“ konfrontiert?

Andreas Knoth: Bei vielen Organisationen am flauschigen Ende der Zivilgesellschaft gibt es ja die klassischen Tabus: Hierarchie und Bürokratie. Das ist ein Problem, weil man, wenn man keine Hierarchie haben will, zumindest ein paar feste Regelungen braucht, damit sich nicht immer alles im Kreis dreht. Manche Gruppen haben keine Lust, sich soweit zu disziplinieren, dass sie einen Prozessrahmen festlegen oder die Dinge ein Stück weit formalisieren, weil das impulsives und – zumindest gefühlt – selbstbestimmtes Arbeiten einschränkt.  Da ist dann Kulturarbeit gefragt. Auf der anderen Seite des Spektrums haben wir die Organisationen, die vor Regelungen gar nicht mehr gehen können. Da versuchen wir dann oft, ein bisschen mehr Raum für Erleben und Dialog zu schaffen.  Das braucht andere Arbeitsrahmen: vielleicht auch mal in die Natur zu gehen oder über zu Kunst arbeiten oder einfach gemeinsam zu Kochen. Ein Gespräch am Lagerfeuer geht tiefer als noch ein paar voll geschriebene Kärtchen.

Aber man kann nichts verallgemeinern. Ich bin kein Freund von einem Modell A oder B. Jeder Fall muss individuell entwickelt werden. Und dazu muss man auch die Trampelpfade angucken, die in einer Organisation entstanden sind.

 

Trampelpfade – das klingt nach zerstörerischer Bequemlichkeit.

Andreas Knoth: Mit Trampelpfaden meine ich die eingetretenen Wege und Abkürzungen im Kommunikations – und Arbeitsprozess. Ich mag Trampelpfade, ich finde sie spannend. Sie liegen nicht offen, aber sie haben eine Schlüsselfunktion, weil sie Bedürfnisse aufzeigen. Man begreift: Ach so, hier geht es lang! So macht man das hier. Sie sind gewissermaßen die stillen Gebrauchsanweisungen der Organisation, die wir aufspüren müssen.

Es gibt Stadtplaner, die, bevor sie Straßen und Wege in einem Wohngebiet oder Park anlegen, erst einmal schauen, wo die Leute lang laufen. Sie lassen die Leute ihre eigenen Pfade treten. Das finde ich für die OE interessant.

 

Aber ihr kommt ja in Organisationen, in denen die Wege bereits festgelegt sind. Wie findest du die Trampelpfade?

Andreas Knoth: Das ist eben nicht so einfach, denn zuerst siehst du nur die festen Wege, zum Beispiel in Form eines Organigramms, das dir jemand reicht. Die Trampelpfade finden wir erst durchs dabei sein und durchs Fragen stellen. Ich möchte da unbedingt weiter an unseren Methoden arbeiten, ich glaube da kann man noch einiges entwickeln, was die klassische Organisationsberatung nicht auf dem Schirm hat. Natürlich dürfen die Ziele der Organisation dabei nicht außen vor bleiben – nicht alle Trampelpfade sind automatisch gut – , aber das Wie, die Frage, auf welchem Untergrund einzelne Entwicklungs-Baustellen liegen, ist wichtig.

 

Trampelpfade, Baustellen – hast du eine besondere Affinität zu Stadtplanung und Architektur?

Andreas Knoth: Stadtplanung interessiert mich wirklich. Und ich finde immer wieder Parallelen zur Organisationsentwicklung. Manchmal steigen wir in Prozesse damit ein, dass Teams ihre eigene Struktur als Stadt auslegen. Oder dass sie ihre Organisation als archetypisches Gebäude beschreiben: Sind wir eher ein Leuchtturm oder das Rathaus, eine Burg oder ein Zeltlager? Die zweite Frage ist dann, ob wir das sein wollen, was wir sind und wenn nicht, wo umgebaut werden muss. Die Bilder und Metaphern helfen, eine neue Perspektive und Sprache zu finden. Das ist oft schon viel wert und bringt Dinge in Bewegung.

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