Förderung für INQA Coaching

Förderung für INQA Coaching

Die Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA) ist ein Bundesprogramm für die Förderung kleiner und mittelständischer Unternehmen sowie von Non-Profit-Organisationen. Mit dem INQA Coaching hat ganz aktuell das Nachfolgeprogramm von Unternehmenswert:Mensch gestartet, in dem auch einige Teammitglieder von SOCIUS akkreditiert waren und insgesamt in den vergangenen 5 Jahren um die 80 geförderte Organisationsentwicklungsprozesse begleitet haben.
Für das neue Programm INQA Coaching haben sich Hannah Kalhorn, Joana Ebbinghaus, Andreas Knoth, Nicola Kriesel und Christian Baier als INQA Coach* autorisieren lassen und können ab sofort für von INQA geförderte Prozesse angefragt werden.
Beim INQA Coaching geht es um Agilität und Digitalisierung, Partizipation von Mitarbeitenden und zukunftssichere Personalpolitik.

Für die Autorisierung mussten wir Zeugnisse einreichen, Nachweise über Weiterbildungen zu Agilität und Prozessberatung sowie zahlreiche Referenzen für die unterschiedlichen Gestaltungsfelder des Programms einreichen und zu guter Letzt noch einen Online-Test absolvieren. Die Gestaltungsfelder des Programms sind – immer im Kontext Digitalisierung:

  • Personalpolitik, Beschäftigung & Qualifizierung
  • Sozialbeziehungen & Kultur
  • Führung, berufliche Entwicklung & Karriere
  • Arbeitsplatz der Zukunft, Arbeitszeit- & Leistungspolitik
  • Neue Geschäftsmodele & Innovationsstrategien
  • Produktionsmodelle & Arbeitsorganisation

Bis zu 80% der Beratungskosten können durch das Programm übernommen werden. Dafür ist es notwendig, dass Ihr Euch an eine INQA-Beratungsstelle wendet für ein Erstgespräch, dort wird die Förderfähigkeit geprüft und dann entsprechend ein INQA Coaching Scheck ausgestellt. Hierbei solltet Ihr in Eurem Anliegen auf jeden Fall erwähnen, dass es auch um Digitalisierung Eurer Arbeitsabläufe geht. Das kann auch sehr niedrigschwellig sein.
Das INQA Coaching folgt je nach Größe Eurer Organisation einem gut durchdachten Prozess im Wechsel mit Führung, Prozessgruppe und Mitarbeitenden. Insgesamt sollte er nicht länger als 7 Monate dauern.
Um förderfähig zu sein, muss es mindestens eine sozialversicherungspflichtige Person bei Euch geben und Ihr müsst seit mindestens 2 Jahren als Organisation bestehen.

Wenn Ihr Interesse an der Förderung und unserer Begleitung habt, könnt Ihr Euch auch gerne vor dem Gang zur Erstberatungsstelle schon mit uns in Verbindung setzen.

Wir freuen uns.

🔗 INQA Coaching Flyer

 

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Zwischen Schubkarre und Hängematte

Zwischen Schubkarre und Hängematte

Eindrücke vom oe-tag 2023 zu Regenerativen Kulturen auf der Floating Berlin

Nur weil wir wissen,
wie es nicht mehr sein soll,
wissen wir noch lange nicht,
wie es geht

15 Jahre oe-tag – 25 Jahre SOCIUS

2023 ist für uns ein besonderes Jahr und da sollte auch der oe-tag (mal wieder) besonders werden. Eine geschätzte Kollegin hat vor einigen Jahren gesagt: “der oe-tag ist sowas wie das SOCIUS Weihnachtsfest”; und selbst wenn wir uns von Überhöhungen zu verabschieden versuchen, bleibt der Tag energetisch und emotional aufgeladen und eben das Highlight in unserem Jahres-Kalender. Danach ist es oft auch ein bisschen wie nach Weihnachten: “Was für ein feiner Tag!” “So toll alle mal wieder zu sehen!” “Irgendwie auch anstrengend!“ “Wäre toll wenn wir jetzt eine Pause haben könnten!“ “Aber Ach – schön war’s gewesen!” Und so war es auch dieses Jahr: Mit 85 Teilnehmenden und über 30 Mitgestaltenden und Helfer:innen haben wir ein kleines Festival der Organisationsentwicklung zelebriert.

Regenerative Kulturen

Statt einer Keynote startete der Tag mit gemeinsamem Atmen und Austauschen zur Frage, was Regenerative Kulturen für uns alle ausmacht. Eine kleine inhaltliche Rahmung dazu: Für uns ist das Thema nicht nur als gegenwärtiger Trend relevant, sondern als zunehmend tiefe Notwendigkeit gemeinsamen Wirkens in Teams, Organisationen und in der Gesellschaft. Mit dem Programm des oe-tags haben wir dabei den Fokus auf die stimmige Verbindung von Innen und Außen gerichtet: das auf die Welt gerichtete regenerative Wirken und die Achtsamkeit für seine Verwirklichung im inneren Zusammenspiel gehören untrennbar zusammen. Das Bild der Schubkarre, die „hochgekrempelten Ärmel“ des Aktivismus, und das Bild der Hängematte – oder weniger belastet, die „ins Wasser gestreckten Füße“ des Ausruhens, der Reflexion und des Wieder-Kraft-Schöpfens – sind kein Widerspruch. Kaum etwas verursacht eine so schmerzhafte Spannung, wie das Erleben der Diskrepanz zwischen diesen Ebenen. Und kaum etwas macht Organisationen so wirksam und strahlend, wie wenn Kohärenz und Stimmigkeit von vielen Menschen erlebt wird. 

Wie also können wir „das Große“ im Kleinen vorwegnehmen? Was ist das Bindeglied zwischen den beiden Ebenen der Regeneration? Es könnte eine Haltung sein, in der Verantwortung für das eigene und für das übergeordnete Wohl und Gedeihen zusammenfließen.

Was uns beeindruckt hat

In zwei Workshop-Phasen am Vor- und Nachmittag haben wir uns auf die Suche begeben, wo und wie wir „Regenerative Kulturen“ im beschriebenen Sinn im Alltag wahrnehmen, ihnen mehr Raum geben können und welche Modelle, Theorien und Praktiken uns dabei unterstützen können. Die Breite der Workshops hier wiederzugeben, überfordert den Rahmen (und den Schreiber des Textes), insofern mögen interessierte Leser:innen den kompletten Überblick auf der Website www.oe-tag.de gewinnen.

Die hier genannten Eindrücke und Fragen sind eher kaleidoskopartig: 

Kleine Fragen, die große Wirkung entfalten und Tiefe in den Alltag tragen:

  • Was ist Deine Antwort auf die Sätze  „Ich sollte mich entspannen, aber…“. „Wenn ich es trotzdem tue, dann…“
  • „What is most noisy in my life?“ – “Where do I find silence?“
  •   „Wo bist Du lebendig in Deiner Organisation?“

Metaphern, Bilder und Modelle, Landkarten und Kompasse zur Ausrichtung der eigenen Haltung und Praxis

  •       Inspirationen aus der Natur – Orte, Zyklen oder das Zusammenspiel von Ökosystemen, die Prozesse von Werden und Vergehen repräsentieren (Wir sind Teil der Natur, nicht ihr Gestalter).
  •       Das Dilemma der Wirkung von Räumen zwischen Multifunktionalität (Zweck) und Beheimatung (Seele).
  •       Das körperliche Erleben von Tensegrity, als dynamische Stabilität

Neben den Workshops haben zahlreiche andere zauberhafte Momente den Tag geprägt:  Die vielen Gespräche in der langen Mittagspause oder am Abend an der Bar, mit Menschen, die wir ganz neu kennenlernen durften, ebenso wie unsere alten SOCIUS Freund:innen. Meditation, gemeinsames Atmen und wunderbare Musik mit Gitarre, Balaphon und Jembe von Paraya Diallo & friends. Ein ritueller Abschluss, Happy Birthday Wünsche, Cocktails und Tanz auf dem Rooftop in der Dämmerung. All das war auch konkrete Praxis der Regeneration.

Inspiration auf einem “hidden playground“

Neue Inspirationen und Erkenntnisse bilden die Ernte gelungener Veranstaltungen. Der Zauber kommt dabei oft von Orten, Menschen und ihrem Ineinanderwirken – eine Magie, die nicht orchestriert oder geplant werden kann.

Für uns war die Floating Berlin der Ort,  der „Regeneration“ verkörpert und – bei aller Sonne des Tages – den inhaltlichen Rahmen und die Atmosphäre entscheidend mitprägte. 

Nur – was ist der schönste Ort ohne Menschen, die sich begegnen?  So gab es Teilnehmer:innen, die regelmäßig und wiederholt zum oe-tag kommen, sich am Austausch erfreuen und gleichzeitig dazu beitragen, dass viele und unterschiedliche Perspektiven zusammenkommen. Und  in diesem Jahr besonders viele Menschen, die das erste Mal gekommen sind und so  die bestehende Community anders und individuell bereichert haben. Das hat uns sehr gefreut! 

Geburtstagswünsche und gute Vorsätze  

Wie eigentlich immer kommt ein paar Tage nach dem die Erschöpfung, die die Organisation eines oe-tags auch mit sich bringt, die Begeisterung, Freude, Inspiration wieder und wir freuen uns, dass wir gemeinsam wieder mal so einen tollen Tag auf die Beine gestellt haben. Wir sind genährt von Begegnungen, neuen Ansätzen, frischen Ideen und voller Tatendrang daraus “etwas zu machen”.  Dieses Jahr ist die Idee eine Reihe in unserem aktuell entstehenden SOCIUS podcast zu machen. Außerdem würden wir gerne einige der Workshops in ein SOCIUS labor einladen und so die Möglichkeit haben, nicht nur zwei, sondern vier Stunden in regenerative Praktiken für die Organisationsentwicklung abzutauchen. 

Was hat der oe-tag bei dir hinterlassen, falls du dabei warst? 

Was würdest du noch gerne wissen, falls du nicht dabei warst. 

Wir freuen uns über Deine Kontaktaufnahme! 

Ernte 

Julia Hoffmann hat mit ihrer Poesie besondere Momente des oe-tags festgehalten: 

 

Mein -vorläufiges- Ernte-Gedicht:

Hallo Welt,
was machen wir heute?

Ich fühle
mich
dich
uns
als Teil
des großen Ganzen

– Was, wenn das
normal wäre?

… Nur weil wir wissen,
wie es nicht mehr sein soll,
wissen wir noch lange nicht,
wie es geht …

Renegeration war mal
„verschwendete Zeit“.
2023 sagt:
Es ist Verschwendung,
– Unverantwortung –
uns und diese Welt
nicht zu regenerieren.

… Nur weil wir wissen,
wie es nicht mehr sein soll,
wissen wir noch lange nicht,
wie es geht …

Die Natur: 
die erfolgreichste regenerative Unternehmung,
die je gegründet wurde –
Wie inspiriert sie dich?

„Hinter der Hängematte
neben der Badewanne,
da sind Stühle und da ist der Workshop“.

Im Alten die Geschichten des Neuen entdecken.
Berichten, mit Lust und Kultur,
was wir schon wie tun.

Zwischen Zweck und Seele –
Räume gestalten und halten,
die uns inspirieren zu regenerieren.

Laufen –
Und mich in der Bewegung finden.

Stille –
Nicht nur „nach der Arbeit“
Sondern mittendrin

Power, Macht –
Wie nutzen wir diese regenerativ?


H i e r beginnt die Transformation:

Die Wirkungen des
toxischen (nicht-regenerativen) Systems
in uns erkennen.
Mir erzählen,
dir erzählen –
Bewusst, besprechbar und veränderbar machen.


Leicht  stabil  zerbrechlich  sanft
bewegt sich ein menschliches Tensegrity-Modell
durch die Sonne

Es ist heiß, z u. heiß.
Wir haben vergessen,
Die Erde zu gießen.

tanzen
tanzen tanzen
tanzen tanzen tanzen
tanzen tanzen
tanzen

Mit Seifenblasen geht die Sonne unter,
Schwungvoll zerbrechlich munter.

Happy birthday, SOCIUS.

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BBE Newsletter: Herausforderungen gemeinnütziger Organisationen – und das Potential von Kollaboration in komplexen Zusammenhängen

BBE Newsletter: Herausforderungen gemeinnütziger Organisationen – und das Potential von Kollaboration in komplexen Zusammenhängen

Christian Baier und Nicola Kriesel haben für den Newsletter des Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement einen Artikel geschrieben über die Herausforderungen für (gemeinnützige) Organisationen in der VUKA Welt.

Dabei befassen sie sich u.a. mit Folgendem:

  • Kollaboration fördert Innovationsfähigkeit und Kreativität
  • Kollaboration unterstützt einen offenen Umgang in Momenten von Unsicherheit und Ambivalenz
  • Kollaboration ist die logische Konsequenz aus »flachen Hierarchien«
  • Ressource Zeit und Lust auf Dialog
  • Toleranz für Ambivalenz und Ambiguität
  • Ressource Vertrauen

„Halten wir fest:

  1. Äußere Rahmenbedingungen zeigen weitreichende und komplexe Änderungen, die sich auch auf die Gestaltung gemeinnütziger Organisationen auswirken. Gefragt sind Ansätze, die kreativ und flexibel auf entsprechende Herausforderungen reagieren.
  2. Nach innen wird Führung zunehmend flexibler, soll Diversität und Interessenreichtum der Mitarbeiter*innen aufgreifen und gemeinsam verbindliche Verabredungen einhalten, und innerhalb diesen Rahmens Raum für dezentrale Selbstverantwortungen zulassen.

Bei den beschriebenen Entwicklungen handelt es nicht um Prozesse, die irgendwann enden, sondern um kontinuierliche und iterativ stattfindende Veränderungen. Insofern ist umso bedeutender zu überlegen, wie gemeinnützige Organisationen in volatilen Herausforderungen eine eigene Rhythmisierung zwischen Veränderung, Entwicklungsarbeit, Stabilisierung und »Ernte« entwickeln.“

 

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SOCIUS labor Bericht: Gemeinsam wissen – The Art of Harvesting

SOCIUS labor Bericht: Gemeinsam wissen – The Art of Harvesting

In sicheren Räumen mit zugewandten Menschen zu experimentieren, ist ein Luxus, den wir uns regelmäßig in den Laboren gönnen. So war auch beim Labor im Dezember die Ziele und Hintergründe vielfältig: Julia Hoffmann und ich wollten zusammen Arbeitserfahrung sammeln und teilen – speziell im Hinblick auf den Arbeitsansatz des „Art of Hosting and Harvesting“, in dem Julia  bereits intensiv Erfahrungen gesammelt hat, ich mich als „bescheidenen Anfänger“ bezeichnen würde.

Wie kam es zum Labor?

Wie wahrscheinlich viele empfanden wir das Jahr 2020 als Herausforderung. Unsere Lebens- und Arbeitszusammenhänge haben sich massiv verändert und für viele zu weitreichenden Fragen ihrer Lebensgestaltung, ihrer Tagesabläufe, ihrer Gestaltung der persönlichen und Arbeitsprozesse geführt. Nicht wenige waren mit existenziellen Momenten konfrontiert, deren Tragweite von außen nur schwer nachvollzogen werden kann. Ebenso gab es – vielleicht ungleich verteilt – Momente gemeinsamen Lernens (online und offline), die Entwicklung neuer beruflicher Kompetenzen und reges Experimentieren im beruflichen und privaten Zusammenkommen unter besonderen Situationen.

Gerade angesichts der Unsicherheiten wie selten zuvor, sollten Möglichkeiten der gemeinsamen Reflexion, des Austausches und des Lernens stattfinden. Interessant war hier, wie oft während des Check-Ins bei unserem Labor geäußert wurde, wie selten dieser Rückblick stattfand und wie notwendig ihn auch viele Teilnehmer*innen waren. Die Gründe dafür sind spekulativ: wenig Zeit – auch dieses Jahr stand ein Weihnachten zu organisieren (wenn auch anders) vor der Tür; auch 2020 war das Jahresende besonders „aktiv“ und mussten Projekte abgeschlossen werden; aber vielleicht auch, weil wir uns auch hier noch in neuen Formen einüben müssen?  

Der Arbeitsansatz der „Art of Hosting and Harvesting“ bietet viele kreative Möglichkeiten des Rückblicks, des Austausches und der Reflexion – einander zugewandt und in geteilter Verantwortung. Moderator*innen werden als Gastgeber*innen genannt („Hosts“ oder „Stewards“); es ist nicht nur ein semantisches Ornament, sondern ein Schlaglicht auf das Selbstverständnis von „Art of Hosting“. Gesucht wird das Unbekannte, das entsteht, wenn Menschen in gemeinsamen Austausch darüber treten. Gastgeber*innen sind Beteiligte in dem Kreis und Mitsuchende im Austausch. Es geht um Raum schaffen, gemeinsames Explorieren und tiefes Zuhören und Nachvollziehen und gemeinsames Verstehen als ein gemeinsam verantwortetes „Projekt“.

Was – glauben wir – war anders als üblich?

Bewusst begannen wir mit einem dreiteiligen Check-In – ungewollt hatten wir da bereits unsere Zeitplanung überschritten. Unsere drei Schritte des Einstiegs:

  • Körperliches Ankommen – kurzes eigenes Massieren des Gesichtes (wahlweise bei aus- oder angeschalteter Kamera) und bewusstes mehrfaches Ein- und Ausatmen.
  • Persönliche Vorstellung („Wer bin ich?“, „Was bringt mich hier her?“).
  • Gedicht: „Winternacht“ von Eichendorff mit Resonanzen

Die „Entschleunigung“ verlief deutlich intensiver als gedacht. Die persönliche Vorstellung hatte eine Tiefe, die wir zumindest so nicht erwartet hatten. Deutlich wurden hier schon die teilweise existenziellen Herausforderungen, vor denen wir im letzten Jahr standen. Deutlich wurde hier auch der Wunsch nach tiefen Gesprächen über das, was war; das Nutzen des Jahreswechsels, um in ein eigenes Narrativ des Jahres zu kommen, ein eigenes Verstehen dessen was passiert ist.

Damit waren aber auch unsere Zeitpolster unerwartet aufgebraucht. Wir standen in dem Dilemma, den Austausch zu ermöglichen und zu unterstützen – das war ja auch unser Ziel des Labors – und dem geplanten Verlauf voranzutreiben und diesen Raum eigentlich in den später gedachten Triaden zu erhalten. Ein Thema, bei dem ich merke, wieviel schwieriger „Zeitmanagement“ online einzuhalten ist als offline. Insbesondere wenn der Container genutzt wird, ist seine Reduktion später deutlich schwieriger als in Treffen vor Ort.

Gleichzeitig konnten wir entspannt bleiben, denn wir hatten die vier Stunden (ein Labor geht in der Regel von 16-20 Uhr) nicht ausgeplant. So konnten wir mit überschaubarem Aufwand nachsteuern, gleichzeitig war das eine hilfreiche Lernerfahrung für uns beide.

Die anschließenden Triaden waren für uns das „Herzstück“ des Abends. In Kleingruppen à 3 Personen luden wir die Teilnehmer*innen ein, von ihrem Jahr 2020 zu erzählen. Fragestellung war: „Was hatte für mich im ausgehenden Jahr 2020 Bedeutung und was davon will ich „in die künft’ge Frühlingszeit?“ mitnehmen?“. Triaden sind Gesprächsformate in klar verabredeten Rollen. Durch die Fokussierung auf eine*n Erzähler*in können substantiellere Reflexionsebenen erreicht werden, als in einem „freien Gespräch“. Die Rollen im Einzelnen:

  • Ein*e Erzählerin erzählt und berichtet von eigenen Resonanzen zur Fragestellung. Ihre Assoziationen, Erkenntnisse und Eindrücke sind die richten – es gibt keine „falsche Erzählung“.
  • Ein*e Gesprächspartner*in unterstützt die Erzählung durch zugewandte Rückfragen und empathische Reaktionen. Sie bleibt dabei in der Geschichte des*r Erzähler*in, und kommt nicht in die eigene. Manchmal ist es hilfreich, dass die Gesprächspartner*in die Erzählung sehr aktiv durch unterstützt, manchmal eher in ruhiger Präsenz.
  • Eine*r oder mehrere (wenn es in 3er Runden nicht aufgeht) Zeug*innen hören empathisch dem Nachhall des Gespräches. Diesen Nachhall können sie im Anschluss als die „verborgenen Schätze“ mit dem*der Erzähler*in teilen. Möglichkeiten sind eigene lebendige emotionale Reaktionen auf das Erzählte, Gesten oder andere Eindrücke während der Erzählung, oder Worte, die besonders auf lebendige Aufmerksamkeit gefallen sind. Ihre Resonanz sind für den*die Erzähler*in häufig eine weitere Perspektive und ergänzender Blickwinkel der eigenen Erzählung.

Ein gut vorher definierter Zeitplan unterstützt dieses Setting. In abschließenden fünf Minuten konnten die Kleingruppen ihre Erfahrungen reflektieren.

Rückmeldungen waren vielfältig. Die Zeug*innenschaft wurde als hilfreich und unterstützend erwähnt, ebenso die Möglichkeit, vertieft in eine Geschichte einzudringen und auch das damit manchmal verbundene Schweigen gemeinsam zu erfahren – und nicht eine Vielzahl an Geschichten aufzumachen, die nebeneinander stehen.

In einer Plenumsrunde haben wir nach diesen Erfahrungen nach einer Aussicht für 2020 gefragt: „Wie können wir das nächste Jahr- einzeln oder in Gruppen – mit Zuversicht gestalten?“ Hier sind wir im Plenum zusammen geblieben und haben in sehr ruhigem Tempo zu Assoziationen und Resonanz eingeladen.

Die Fragestellung wurde als sperrig wahrgenommen, vielleicht war sie auch in der ganzen Entschleunigung zu „aktivistisch“. Es ginge eher um „Hoffnung“ statt „Zuversicht“ und das „gestalten“ wäre noch gar nicht dran – so lauteten einige Reaktionen. In Abgrenzung und Zustimmung auf diese Frage kamen aber viele Reaktionen – das Gedicht ist eine Zusammenfassung

Sonnenaufgang in hässlicher Gartenlandschaft

 

2020 ein wesentliches Jahr und hinterher ist nichts mehr wie vorher.

 

es hat für alle gereicht um ordentlich erschöpft zu sein

 

Ich muss Halt bei mir suchen und von dort aus losgehen

 

Wo ist mein Urvertrauen

sei mal ganz still und hör dir mal zu: Zuversicht ist nicht so groß wie Hoffnung

 

Da ist ein Grummeln;

Ist die Frage nicht eher, wie kann ich jeden Tag die Zuversicht nähren?

 

Zuversicht ist die Dinge ein Stück weit laufen zu lassen und mich drauf ein zu lassen

 

Wie kann ich mich und andere mit Zuversicht ausstatten?

 

Die Zuversicht durch das Wir – wir können das zusammen machen

die passive Form der Zuversicht: den Rahmen halten  auch wenn man grad nicht so da ist

 

drei Supervisionen vor Weihnachten weiß ich: Zum Gestalten hört auch Lücken lassen

ein atmender Prozess

ein

und

aus

 

Vielleicht will gar nicht richtig gestalten – drauf vertrauen, dass ich nicht untergehen werde

Ein Jahr lässt sich nicht gestalten – Momente lassen sich gestalten: Welche Entscheidungen treffen wir?

 

Sie werden doch nicht als erstes die Sozialleistungen kürzen – doch. Sie wollen

Und wir werden ihnen beibringen, dass sie das nicht tun.

Als Netzwerk etwas ganz besonderes tun und uns das zurück kämpfen.

 

Wir können versuchen unsere Gegenüber als Sonnenaufgang betrachten

und uns überraschen lassen von Menschen und Situationen

 

Ich möchte mit dem Gestalten in eine neue Beziehung treten

ausatmen dürfen, loslassen können

 

Loslassen

leichter werden: es nimmt sich gerade Raum in mir

 

Wie kann ich, können wir in unsere Momente die Zuversicht einladen? und nicht aus Angst handeln, und Entscheidungen aus Zuversicht treffen damit wir wirklich gestalten und füreinander sorgen?

Was haben wir gelernt?

Leider war zum Ende nicht mehr viel Zeit für methodische Auswertung. Ein paar Stichworte dessen, was ich gelernt habe und welche Erfahrung sich bestätigt hat als pragmatisches Ende.

  • Die „richtige“ Frage gibt es einerseits nicht, sie herauszufinden ist aber doch Teil des Erfolges. Ebensowenig gibt es selten eine komplett falsche Frage, aber es gibt immer das Risiko, die Dynamik deutlich zu verändern.
  • Wenn ein Team / eine Teilnehmer*innengruppe erstmal entschleunigt ist, folgt sie auch hier dem Gesetz der Trägheit: gesteigertes Tempo braucht gesteigerte Energie.
  • „You never host alone“ – „Du kannst nicht einzelner Gastgeber sein“, lautet eine Grundregel im Art of Hosting. Das hat sich für mich erschlossen, nicht nur wegen der besonderen online-Situation. Bei der gewünschten Tiefe offener Gespräche und zuhören auf die leisen Zwischentöne, ist es hilfreich zu zweit zu sein. Das gilt auch und insbesondere schon für die Vorbereitung.

„Art of Hosting“ hat viele Praktiken integriert. So sind die Triaden vielleicht auch aus anderen Zusammenhängen bekannt. Mich reizt hier das konsequente Eindampfen zu Essenzen. Vielleicht haben wir im Experiment übertrieben, aber aufeinander folgende Check-Ins, Kleingruppen, mit deren Essenz in anderen Kleingruppen oder im Plenum weiter gearbeitet wird. Ein Gedicht als Harvesting, das die anderen Sinne anspricht. Der deutliche Fokus auf kollaborative Verantwortung. Das sind die Elemente, die Anregung bringen und weitere Möglichkeiten aufzeigen.

Sally Denham-Vaughan hat 2005 eine Dialektik von „Will“ – der gezielten und geplanten Aktion und Sitzung – und „Grace“ – dem gemeinsam emergent und dialogisch entstehenden – herausgearbeitet. Während das Zielgerichtete angestrebt werden kann, ist „Grace“ etwas fluid entstehendes, das nicht vorgeplant werden kann. Ich denke, dass Ansätze von „The Art of Hosting and Harvesting“ in Wertschätzung für diese Dialektik noch einen Schritt weiter gehen können, „Grace“ zu erreichen.

Literatur: Will and Grace: An Integrative Dialectic Central to Gestalt Psychotherapy. Sally Denham-Vaughan, erschienen im British Gestalt Journal, 14,1, 2005.

Sinnvoll zusammen wirken

Lernräume entdecken: Reflektionen aus der Lernwerkstatt gOe!

Lernräume entdecken: Reflektionen aus der Lernwerkstatt gOe!

gOe! steht für „gemeinnützige Organisationen entwickeln!“ und versteht sich als Lernwerkstatt für interne Entwickler*innen und externe Prozessbegleiter*innen in gemeinnützigen Organisationen. Die Fortbildung besteht aus drei Modulen, die unter den Aspekten Kultur, Struktur und Strategie Veränderungsprozesse betrachten. Hier reflektieren Yi-Cong Lu, Projektleiter bei be able und Design Thinking Coach am Hasso Plattner Institut, und Julia Hoffmann, Programmleiterin bei MitOst, über ihre Teilnahme an dem SOCIUS Werkstattzyklus. 

Julia

Mein Weg zu gOe!

In den letzten zehn Jahren habe ich in verschiedensten Organisationen in Europa gewirkt, die Gutes in die Welt bringen wollen. Nach der Arbeit an Projekten und Initiativen treibt es mich um, tiefer zu verstehen, wie ich als Begleiterin gemeinnützige Organisationen so unterstützen kann, dass sie ihre Vision umsetzen, dabei lebendig bleiben und nachhaltig wirken.

Auf diesem Weg wende ich Ansätze, Praktiken und Modelle an, die gemeinnützige Organisationen und „ihre“ Menschen unterstützen können, um langfristig und erfolgreich ihre Ziele zu erreichen. So kam ich zu gOe!: Um weiter zu lernen, aus Erfahrungen zu schöpfen und um zu reflektieren.

Eintauchen in das Abenteuer Kultur

Was ist Kultur? Welche Rolle spielt sie für die Entwicklung von Organisationen? Mit welchen Ansätzen, Instrumenten und Haltungen kann man ihr begegnen; als Mitglied einer Organisation oder als Beraterin von außen? Welche innere Haltung unterstützt mich dabei mit der Kultur einer Organisation in Kontakt zu treten? Das sind die Fragen, die im ersten Fortbildungsmodul auf der Agenda stehen.

Für mich kann „Kultur“ vieles bedeuten.  Es ist ein Wort, das wie ein Sammelbecken erscheint – jede und jeder kann einmal darin fischen und für sich eine Bedeutung herausgreifen, was für sie oder ihn gemeint ist. Ursprünglich vom Lateinischen “colere” stammend, was so viel wie “bebauen”, “pflegen”, “urbar machen” und “ausbilden“ bedeutete, bezeichnet Kultur im weitesten Sinne alles was der Mensch selbst gestaltend hervorbringt. So zumindest steht es auf Wikipedia.  

Wie Ringe in einem Baumstamm – die Kultur von Organisationen wahrnehmen

Im engeren Sinne versteht die Organisationsentwicklung nach Edgar Schein (1985) unter Kultur geteilte Muster des Denkens, Fühlens und Handelns in Organisationen. Wie „Ringe in einem Baumstamm“ kann ich mich als Beraterin der Organisationskultur nähern, erklärt Joana Ebbinghaus :

Die Ebene der Artefakte bildet die äußersten Ringe des Baumstamms: Wie ist der physische Raum einer Organisation gestaltet? Wie wirken die Büros auf mich? Wie sind die Wände gestaltet? Sind die Türen der Büros offen oder geschlossen? Ist es laut, leise, gemischt oder wild chaotisch? Wenn das Bürogebäude der Organisation eine Seele hätten, was würde es über sie erzählen? Erste Eindrücke, die mir Hinweise darüber geben können, worauf in der Organisation wert gelegt wird, was wichtig oder unwichtig ist.  

Die bekundeten Werte der Organisation bilden die mittleren Ringe im Baumstamm-Modell und beziehen sich auf die Mission, der sich die Organisation verschrieben hat: Wie hat sie sich seit Gründung verändert? Was ist das Leitbild, das die Organisation trägt und antreibt? Was erfahre ich durch die Selbstdarstellung der Organisation über ihr Handeln, Denken und Fühlen?

Ganz im Inneren des Baumstamms finden sich die tief verwurzelten Glaubenssätze und Grundannahmen der Organisation. Selten auf den ersten Blick erkennbar, verstecken sich hier Prämissen auf deren Grundlage Menschen in einer Organisation arbeiten: Welche dieser Paradigmen sind bewusst? Welche sind unbewusst? Wie prägen sie die das Wirken der Organisation?

Das Modell ist eindringlich und klar und zeigt einen Weg auf, auf dem ich mich als Beraterin einer Organisationen und ihrer Kultur nähern kann. Die Fortbildung belässt es nicht allein beim Denken: An einem praktischen Fallbeispiel mit einer Stiftung und einem Verein  üben wir am zweiten Fortbildungstag den Erstbesuch bei einer Organisation samt Kulturanalyse. In zwei Gruppen traben wir los, fahren zu Besuch und Gespräch. Beobachten und Bestaunen die beiden besuchten Organisationen und „ihre“ Menschen. Zurück im Seminarraum folgt die Fallbesprechung samt Auswertung und Analyse. Theorie und erfahrungsbasiertes Lernen greifen hier  immer wieder ineinander.

Im Hier und Jetzt etwas entstehen lassen

Der folgende Tag ist ein grauer Berliner Novembernachmittag. Zu zwölft sitzen wir im Kreuzberger Seminarraum und tauchen weiter in Ansätze und Methoden ein, um die Kultur von Organisationen zu erfassen, zu erspüren. Währenddessen rattert die U-Bahn auf ihrer Hochbahn am Fenster vorbei. Fasziniert und auch verwundert tauchen wir in erste Grundlagen der Gestalt-Philosophie ein: Nach diesem Ansatz versteht sich die Beraterin und der Berater als Instrument und Resonanzkörper der Gruppe und beziehen neben dem Denken auch ihre Körperwahrnehmung in Beratungsprozesse mit ein. Der Gestalt-Ansatz basiert auf einem durchweg positiven Menschenbild, das davon ausgeht, dass wir alles, was wir zu einem erfüllten Leben brauchen, bereits in uns tragen. Vertrauen in die individuellen Selbstheilungskräfte von Menschen bildet eine der Grundannahmen des Ansatzes, der sich darauf fokussiert, im Hier und Jetzt Menschen in wahrhaftige Begegnung und Kontakt zu bringen.

Resonanz.

Körper.

Ich denke an ein Cello mit seinen wohligen Tönen und großen hölzern-geschwungenen Rundungen. Aber auch an ein Saxophon, welches ganz andere Töne hervorbringt. Oder ein Schlagzeug, das sich ausschließlich auf den Rhythmus fokussiert. Wie klingen sie, wenn sie gemeinsam spielen? Wie kann ich als Beraterin meinen Resonanzkörper kennenlernen, vertiefen und ihn für die Arbeit kultivieren?

Mit Zitaten zeichnen Christian und Joana dann die Eingangstür in das Wirkungsverständnis von Gestalt in unsere Mitte:

Der Mensch wird am Du zum Ich”  Martin Buber

„Kontakt findet immer an der Grenze statt.“ Gestalt-Grundsatz 

“Alles was ist, darf sein. Und was sein darf, kann sich verändern.”  Arnold Beisser

Neue Welten warten hinter der Tür, die einen handfesten Spalt geöffnet ist.

Neue Landkarten 

“Ist das eine Landkarte zu einem Land, in das ich hinein möchte?” fragt sich ein Teilnehmer in der abschließenden Reflektionsrunde. Im Stillen antworte ich mir selbst mit einem klaren Ja. Sowohl das Land als auch die Landkarten faszinieren mich. Der Blick auf Organisationen wie wir ihn an diesem Wochenende kennengelernt haben, macht mich neugierig und zeugt von dem Potential, das in Begleitungs- und Beratungsprozessen stecken kann. 

Drin in “Kultur” sind wir alle, die wir  zu Organisationen, Gruppen, Gesellschaften gehören. Ob wir es auch wollen, die Perspektive der Organisationsentwicklung einzunehmen, aus diesem Blick zu schauen, und aktiv in der Rolle als Begleiterin oder Begleiter unsere Organisationen zu gestalten, ist eine Entscheidung und Aufgabe. Inmitten der Vielzahl von Rollen und Vorhaben beim Ringen um eine gute Welt, ist das Begleiten von Organisationen eine unter vielen, die nicht besser oder wichtiger ist als andere. Sie ist eine spezifische, die das Lernen und Entwickeln von Organisationen in den Vordergrund stellt. Eine, die mich neugierig macht und ein neues berufliches Abenteuer ankündigt.

“Ich lerne, wie ich anders gucken kann” ist eine der Aussagen, die mir ebenso im Kopf bleibt. Mit welcher Klarheit diese gOe-Haltung in der Abschlussrunde im Raum steht, spricht für unsere Lernerfahrung an diesem Wochenende.  “gOe!” ist ein Lernraum, eine Erfahrung, ein Kennenlernen von mir im Kontakt mit der Welt, den Menschen und den Organisationen da draußen.

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Verweise

Schein, Edgar H. (1985): Organizational Culture and Leadership. San Francisco: Jossey-Bass Publishers.

Wikipedia (2019): Kultur. Zugriff am 29.12.2019: https://de.wikipedia.org/wiki/Kultur

Wikipedia (2020): VUCA. Zugriff am 02.01.2020: https://de.wikipedia.org/wiki/VUCA

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Einladung

SOCIUS Infoabend zu gOe! – gemeinnützige Organisationen entwickeln!

2. März 2020, 17 – 19 Uhr

 

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SOCIUS labor Bericht: Emotionen im Projektmanagement

SOCIUS labor Bericht: Emotionen im Projektmanagement

Die Herausforderung wurde gleich zu Beginn sichtbar: Projektmanagement verbinden die Teilnehmer*innen mit Planung, Struktur und Ratio. Emotionen haben bei den meisten entwickelten Instrumenten – sehen wir von Grenzbereichen wie der Führungskräfte- und Teamentwicklung ab – nichts verloren. Dem aber widerspricht die Erfahrung: Wie an anderen Stellen zeigen sich auch in Abläufen des Projektmanagements Emotionen als zentraler Einflussfaktor für Prozesse und Entscheidungen und letztlich auch über ihren Erfolg oder Scheitern. Wie also können diese beiden Elemente expliziter verbunden werden als mit den gängigen Mitteln möglich?

Die fünf Wirkkräfte (Holz, Feuer, Erde, Metall, Wasser), entnommen als Beobachtungen und Metaphern aus stattfindenden Naturprozessen, hat Pao Siermann (https://www.wu-de.com) auf Kontexte des Coachings und der Organisationsentwicklung übertragen.

Einblicke aus der Natur

Der Wu-De-Prozess („Wu-De“ kommt aus dem Chinesischen und steht für: Fünf Wirkkräfte) greift zurück auf vor über 2.500 Jahren formulierte evolutionäre Prozesse und Qualitäten der Natur. Es wurden diese fünf Wirkkräfte identifiziert, die den Gesamtprozess von Entstehen und Vergehen beschreiben: „Holz“ (grün) steht für Wachstum, (Neu-)beginn, dynamische Entwicklung; „Feuer“ (rot) für Begeisterung, Kommunikation, Wärme; „Erde“ (gelb) für Reifung und Kontinuität, Miteinander; „Metall“ (weiß) für Fertigstellung, Ernte und Reflexion, Verabschiedung; „Wasser“ (blau) für Ruhe und Ausruhen sowie Speicherung und Erholung. Wie in vielen Modellen werden allen Wirkkräften hilfreiche Qualitäten und hinderliche Pathologien zugeschrieben.

Im Kreis ist ein evolutionäres Wachstums- und Regressionsmodell erkennbar: Aus der Knospe entwickelt sich die Blüte, die Frucht, die als neuer Samen zur Erde fällt (Trennung im Herbst, Metall) und in diesem Schutz (Rückzug) Kraft für den nächsten Frühling sammelt; der Prozess wiederholt sich. Nachvollzogen wurde das Modell auch in gesellschaftshistorischen Prozessen (Ablösungsprozesse fernöstlicher Herrschaftsdynastien, historisch verfolgt vor über 2.000 Jahren). Im Verlauf wurden diesen Wirkkräften weitere unterschiedliche Qualitäten zugeordnet. Beispielsweise wird assoziiert: mit Holz Wachstum, Neuentwicklung aber auch Wut und Mut; mit Feuer Erregung und Energie, Bewusstheit für das Ganze, mit Erde die Reflexion und Kontinuität, Wahrnehmung von Verantwortlichkeit; mit Metall der Abschied und die Kritik, sowie das Lernen und mit Wasser die Pause, das Expertentum, aber auch ein Kontrollbedürfnis und Ängstlichkeit.

Diesem evolutionären Modell steht ein disruptives Modell gegenüber, dass sich aus den Pfeilverbindungen innerhalb des Kreises nachvollziehen lässt: Wasser Löscht Feuer; Feuer biegt Metall; Holz wird zu Erde usw. Das konnte vor allem metaphorisch in gesellschaftlichen Veränderungsprozessen nachvollzogen werden. Interessant ist hier: Aufgrund der ungeraden Zahl an Wirkkräften, bleibt es – unabhängig von einem idealtypischen Verlauf – ein dynamischer Prozess und nicht nur, wie bei vier Qualitäten, ein sich wiederholender Kreislauf.

Praxisbeispiel: Soziogramm nach Wu-De

Wo finden sich nun Anwendungsmöglichkeiten des Modells in der Praxis? Verschiedene Assoziationen zu anderen Modellen liegen auf der Hand und können hier eine hilfreiche Ergänzung erfahren. Anklänge finden sich beispielsweise bei der Teamuhr von Tuckman, aber auch der Gestaltzyklus kann nach meinem Eindruck wieder gespiegelt werden sowie die OE-Phasen von Glas finden eine Entsprechung. Hier könnte man diese oder andere gängige Vorgehensweisen analogisch betrachten und kombinieren.

Wir haben beispielhaft eine konflikthafte Projektsituation durchgesprochen und eine Auslegungsordnung gelegt und die vorherrschenden Wirkkräfte integriert.

Neben den Farben, die dem beschriebenen Modell folgen, haben auch die Formen hier eine Bedeutung: Die Kreise symbolisieren wesentliche beteiligte Personen / Funktionen; die Rechtecke Zuständigkeiten / Prozesse und die Sechsecke Störungen. 

Das Vorgehen selbst hatte eine Vergleichbarkeit mit anderen Konstellationen. Auch hier stand im Vordergrund der Eindruck der Fallgeberin, ihre Bewertung und ihre „Einordnung“ in die jeweiligen Wirkkräfte. Der Fokus auf diese Perspektiven ermöglicht eine interessante Blickweiterung: durch die Wirkkräfte können mit den Prozessen verbundene Emotionen beschrieben und zugeordnet werden. Da in diesem Zugang nicht – wie im westlich geprägten Denken – zwischen emotionalen und gedanklichen Prozessen unterschieden wird („denken“, oder das, was diesem Begriff sprachlich am nächsten kommt, wird mit der erdigen Wirkkraft des Stoffwechsels, der Umwandlungsprozesse im Ackerboden assoziiert), ist eine Reflexion möglich, die Intuition, Kognition und Emotion miteinander verbindet. Diese Möglichkeit eines ganzheitlichen reflektierten Zugangs lässt sich auf andere Kontexte übertragen: Dynamiken und Phasen in Teamprozessen; Anteile und Qualitäten auf persönlicher Ebene; Moderation von Entscheidungsprozessen usw.

Mein Lernen im Labor

  • Mehr und mehr wird deutlich, dass der im westlichen Denken geprägte Spalt zwischen Kognition und anderen Erfahrungswelten hinderlich ist, zunehmende Komplexität zu überwinden. „Ratio“ wird in der chinesischen Denkweise beschrieben als „der Natur folgend“ und bietet damit auch konzeptionell eine Möglichkeit der Integration vermeintlich widersprechender Elemente.
  • Das Modell der fünf Wirkkräfte und ihre Verbindung zu emotionalen, kognitiven und intuitiven Perspektiven bietet als Anreicherung für gängige Modelle ein Potential auf dessen weitere Erschließung ich sehr neugierig geworden bin.
  • Die fünf Wirkkräfte als praktische Anreicherung in Auslegungen bietet der methodischen Darstellung eine neue Qualität und vertiefte Wahrnehmung. Vergleichbare tiefere Zugänge könnte der konsequente Blick auf die inneren Emotionen; körperliche Wahrnehmungen oder anderer Ausdrucksformen sein. Auch hier erschließt sich ein breites Tableau weiterer Möglichkeiten.

Literatur: François Jullien: Über die Wirksamkeit. Übersetzt von Gabriele Ricke und Ronald Voullié. Merve Verlag, Berlin 1999. ISBN: 978-3-88396-156-9.

Sinnvoll zusammen wirken

SOCIUS labor Bericht: Design Thinking – Mit den Händen denken

SOCIUS labor Bericht: Design Thinking – Mit den Händen denken

Design Thinking als Herangehensweise, kreative und innovative Produkte und Prozesse zu entwickeln, war Mittelpunkt des Labors mit Yi-Cong Lu von be able. Cong hat diesen Arbeitsansatz mit Kolleg*innen u.a. in Arbeitsfeldern mit Menschen mit verschiedenen Beeinträchtigungen oder Personen im Strafvollzug angewendet. Ungefähr 12 Teilnehmer*innen waren bei dem sehr anregenden Labor dabei. (mehr …)

Rahmen basteln oder wie interkulturelle Teilhabe gelingt

Kathrin Schrader (Citizen Journalist, Berlin) spricht mit Christian Baier über das erfolgreiche Überwinden von engen Kästchen.

Als ich mich mit Christian Baier für das Interview verabredete, fragte er mich, über welches seiner Arbeitsthemen wir reden möchten. Er begann aufzuzählen. Meine Notizen nach diesem Telefonat füllten ein Blatt in meinem Notizbuch. Da ging es um Stadtteilentwicklung, eine Zukunftswerkstatt, das Quartiersmanagement in Schöneberg, in dem Socius ab 2014 einen Prozess begleiten wird, um Organisationsentwicklung und um Entwicklungszusammenarbeit, das Jahr in Mali als Entwicklungsstipendiat des Deutschen Entwicklungsdienstes, nicht zuletzt auch um die Musik, den Chor. Ich fand das alles spannend und konnte mich nicht entscheiden. Christian ging es genauso.

Meine erste Frage, als wir uns dann trafen, war, wie ein Mensch diese vielen Themen in eine Vita bringt.

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