Erkundungsreise – Was haben wir Neues über uns entdeckt?

Erkundungsreise – Was haben wir Neues über uns entdeckt?

Am 19. August kam eine feine kleine Gruppe zusammen, um sich auf drei Ebenen mit den Wirkungen der Pandemie auf das eigene Leben zu befassen: der Ebene des Individuums, der Ebene der Organisation und schließlich der Ebene der Gesellschaft. Der Ansatz war ressourcenorientiert. Im Fokus standen dabei folgende Fragestellungen:

  • Was hat sich verändert?
  • Welche Erkenntnisse haben wir über uns selbst in unseren privaten und beruflichen Kontexten sowie in Hinblick auf gesellschaftliche Veränderung gewonnen?
  • Welche gesundheitlichen, mentalen und emotionalen Ressourcen haben wir durch die Erfahrungen der Pandemie für uns neu entdeckt oder gestärkt?
  • Was heißt das für unser weiteres Handeln?

Die Reflektionen waren eingebettet in unterschiedliche Methoden aus der Körperarbeit, der Stressbewältigung und der Resilienzforschung. Jana Hornberger und Kerstin Engelhardt als intergenerationelles SOCIUS-Team leiteten das Labor an.

Der Einstieg erfolgte über die Aufgabe: „Nenne ein Erlebnis aus den vergangenen zwei Monaten, für das du dankbar ist“. Anschließend erläuterten Jana Hornberger und Kerstin Engelhardt ihre Perspektiven, in welche sie die Labor-Fragestellungen einordneten. Den größeren Kontext bildeten dabei die schnellen gesellschaftlichen Veränderungen durch Globalisierung, technologische Entwicklungen und Digitalisierung. Den konkreteren, aktuellen Kontext bildeten die Pandemie und der Klimawandel mit ihren Anfragen an das menschliche Handeln.

Weiter ging es mit einer paarweisen Körperübung mit jeweils 1,50 Meter langen schmalen Holzstäben zum Thema: „Einlassen und Kontakt – Nähe und Distanz / Nähe mit Distanz?“ Die Holzstäbe bildeten dabei eine Art Verlängerung der Arme. Die Paare hielten die Stäbe gemeinsam so über ihre Finger, dass zwischen ihnen eine feste Verbindung bestand, und bewegten sich dann im Raum, nonverbal (mit Corona-Abständen). Wie sie das taten und wer jeweils das Tempo und die Figuren vorgab, blieb ihnen überlassen.

Nach dieser Interaktion auf der Paarebene und einer kleinen Reflektion wechselten die Teilnehmenden auf die Individualebene. Nun beschäftigten sie sich einzeln mit der Frage: „Die Pandemie und ich: Wie ging es mir in der Pandemie?“ Dafür erhielten sie jeweils zwei kleine Pappschachteln sowie Papier, beides in zwei unterschiedlichen Farben, ferner jeweils eine Schere. Die Aufgabe lautete, die Schachteln mit Zetteln zu folgenden Fragen zu füllen (pro Zettel ein Aspekt):

  • Was war schwierig / belastend?
  • Was war gut? Und was war mein Beitrag dazu?

Anschließend teilten die Teilnehmenden Aspekte, Eindrücke oder entstandene Fragen der Runde mit. Hier zeigte sich eine große Bandbreite an Erfahrungen sowie Bewertungen der Erfahrungen. Das Spektrum reichte von (sinngemäß) „Ich habe mein Berufsfeld in der Pandemie komplett verloren und es ist unklar, ob es sich wieder aufbauen lässt“ bis „Meine Familie und ich sind dann nach einer ersten schwierigen Phase sehr gut damit klargekommen; wir waren nicht einmal krank und ich stehe sowieso nicht auf so viel körperliche Nähe und Enge – mir gefallen die Abstandsregeln und ich werde auch weiterhin Maske tragen“.

Diskutiert wurde sodann, welche Erkenntnisse und Strategien sich aus den je eigenen Umgangsweisen mit der Pandemie ableiten lassen. Besprochene Aspekte waren hier u. a.: Unsicherheit und Nicht-Planbarkeit erfordern ein hohes Maß an Anpassungsfähigkeit, Flexibilität und Pragmatismus – es ist wie es ist, und irgendwie müssen wir damit umgehen. Hilfreich können, je nach Situation, auch Risikobereitschaft und Mut zur Investition sein, auch und gerade in sich selbst, ganz nach dem Motto: Wenn nicht jetzt, wann dann?

Die Schachteln mit ihrer Pandemie-Bilanz behielten die Teilnehmenden und nahmen sie am Ende mit nach Hause – was ihnen sichtlich Freude bereitete.

Der nächste Schritt vollzog den Übergang zwischen den Ebenen Individuum und Organisation. Die Teilnehmenden befassten sich anhand der Methode „Energietanker“ (s. Abbildung) mit den Kräften, die jeweils Energie ziehen, und den Kräften, die jeweils Energie für das eigene Leben spenden. Bezogen auf die Ebene Gesellschaft – Beruf, Ehrenamt, zivilgesellschaftliches/ politisches Engagement – erarbeiteten die Teilnehmenden schließlich Antworten zu folgenden Fragen:

  • Was ist zurzeit mein größter Einflussbereich?
  • Wieso gerade dieser?
  • Wie übe ich den Einfluss aus?
  • Wo hätte ich gern mehr Einfluss?

Die Einzelnen stellten ihre Ergebnisse in der Runde vor. Wer wollte, erhielt von den anderen Anwesenden eine Resonanz. Alle wollten und es entspannten sich schöne, unterstützende Gespräche.

Die Rückmeldungen der Teilnehmenden zu dem Labor fielen sehr positiv aus, alle äußerten sich motiviert, die erarbeiteten nächsten Schritte in die Praxis umzusetzen. Es hätte noch ein bisschen mehr Körperarbeit sein dürfen, so eine weitere Aussage – hier, so reflektierten Jana Hornberger und Kerstin Engelhardt anschließend, zeigte sich bei ihnen (noch) eine Unsicherheit, welche und wieviel Körperarbeit mit Gruppen in geschlossenen Räumen angesichts der Pandemiesituation schon möglich und sinnvoll ist.

sinnvoll zusammen wirken

Einblicke in das SOCIUS Seminar Feministisch Führen

Einblicke in das SOCIUS Seminar Feministisch Führen

Am Freitag den 8.11.2019 fand bei Socius das Seminar „Feministisch führen“ mit meiner Kollegin Nicola Kriesel statt. Als ich morgens auf dem Fahrrad auf dem Weg zum Seminar war, schoss mir der Gedanke durch den Kopf, dass ich wahrscheinlich den ganzen Tag nur mit Frauen* verbringen würde. Als ich dann ein wenig gehetzt in den Seminarraum kam, nahm ich aus dem Augenwinkel eine der Personen im Raum als Mann wahr. Meine allererste innerliche Reaktion war „komisch, warum will er denn an so einem Seminar teilnehmen?“ Hier stelle ich mir selbst die Frage, warum ich davon ausgehe, bei solch einem Seminar ausschließlich auf Frauen zu treffen? Stelle ich damit in Frage, ob ein Mann überhaupt feministisch sein kann?

Zum Glück herrschte eine offene Stimmung in der Gruppe und ich habe diese Gedanken in einer Kennenlernrunde teilen können. Nach dem Kennenlernen haben wir uns darüber ausgetauscht, was Feminismus zum einen und Führung zum anderen für uns bedeutet. Ich selbst habe mich in den letzten Jahren immer ein wenig davor gescheut, mich als Feministin zu bezeichnen. Zwar habe ich mich mit feministischen Vorbildern auseinandergesetzt, wie beispielsweise der mexikanischen Künstlerin Frida Kahlo und der us-amerikanischen Philosophin Judith Butler oder habe mit Freund*innen intensiv über die Thematik gesprochen, jedoch bin ich immer ein wenig vor dem Label zurückgeschreckt.

Nach diesem Tag nun allerdings nicht mehr! Mir ist in diesem Rahmen klar geworden, dass die Aussage „das Private ist politisch“ überaus wichtig ist und das dies für mich als eine Person, die sich als eine Frau versteht und fühlt, einen Stellenwert haben muss. Darüber hinaus ist dies jedoch längst kein Thema nur für Frauen, sondern ein Thema für alle – egal welchem Geschlecht sie sich zugehörig fühlen. Was bedeutet nun feministisch Führen? Wir machten eine Sammlung von Assoziationen und Überzeugungen die wir zum Thema Feminismus haben und kamen zu dem Ergebnis, dass es beim Feminismus in der Hauptsache um Gleichberechtigung geht und den gerechten Zugang zu Ressourcen. Darüber hinaus fanden wir raus, dass es auch explizit zum die Förderung von Frauen geht, insbesondere wenn es um Führungs-Postionen geht. 
Im Anschluss befassten wir uns mit Erwartungen an Führung(skräfte) und stellten fest, dass das doch ziemlich viel ist.

In der Zusammenfassung einigten wir uns darauf – nach dem wir unsere Erkenntnisse mit unseren eigenen Lebensweg und seine Meilensteine in Sachen Führung und Feminismus abgeglichen hatten, dass feministisch Führen eine verantwortungsbewusste Haltung oder gar eine Fähigkeit ist, den Rahmen zu schaffen und zu halten, in dem Menschen gleichberechtigt arbeiten können. Es ist ein Zutrauen in Eigenverantwortung und das Zutrauen in andere. Dies beinhaltet beispielsweise ein Gespür für die Interessen und Bedürfnisse der diversen Mitglieder eines Teams, sowie Offenheit, Reflektionsfähigkeit und eine gelebte Fehlerfreundlichkeit unter Berücksichtigung gender*diverser Blickwinkel. Meiner Meinung nach divergiert dies kaum von einem grundsätzlichen zeitgemäßen Verständnis von Führung, der Zusatz feministisch führt lediglich vor Augen wie wichtig es ist, die Dinge beim Namen zu nennen und dass es uns alle etwas angeht.

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