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Eine Climate Fiction Reportage über Wege aus dem Klimakollaps von Kim Stanley Robinson (2020)

Die Beschäftigung mit „Futures“ scheint eines der Next Big Things im Feld Sozialer Entwicklung zu sein. Ich schätze, das kommt nicht daher, dass sich plötzlich sehr viel neuer Spielraum vor uns öffnet, sondern entspringt der Erkenntnis, dass ein rein adaptives „Kommen lassen“ fatal enden wird. Gerade in schicksalshaften Zeiten kommt es auf das Imaginieren und Gestalten wünschbarer Zukünfte an.

The Ministry for the Future ist schon ein paar Tage alt, hat aber nichts an imaginativer Ideen-Wucht verloren. Der SciFi Meister Kim Stanley Robinsons nutzt darin die gleiche U-Journey, die Frederic Laloux‘ Climate Action Programm „The Week“ nimmt: 1. Teil: We are Fucked. 2. Teil: Es gibt Alternativen! 3. Teil: Was hat das mit mir zu tun? 

Die Rahmenstory des Buches ist schnell erzählt: Im Zuge der internationalen Zielverfehlungen zum Pariser Agreement und eskalierenden Auswirkungen des Klimawandels der wird von der COP in den 2030er Jahren eine UN Agentur gegründet, deren Aufgabe nichts Geringeres als die Abwendung des Klimakollaps ist – das „Ministerium für die Zukunft“. Die Geschichte folgt dem Ministry Team durch diese Sisyphusaufgabe und beschreibt das mühsame Anschieben, das persönliche Hadern, das Scheitern und Neudenken und letztendlich die langsam aufscheinende Früchte ihrer Arbeit.

Die 106 kurzen Kapitel des Buches ranken sich dabei je um einen spezifischen Interventionsansatz, der als Erzählung, Augenzeug:innenbericht oder Meetingprotokoll, mitunter auch als nüchterner Fachartikel oder als poetische Allegorie erfahrbar wird. Vor meinem Facilitator-Leser Auge sortiert sich dieses wilde Kompendium der Ideen in drei Cluster – hier also eine kleine Taxonomie der vorgestellten Strategien: 

  • Staatliche und transnationale Regulierung: Progressive Steuerregimes, nachhaltig ausgerichtete volkswirtschaftliche Bewertungssysteme (schonmal vom Discount Faktor gehört?) oder der fiskale Ansatz der Quantitativen Lockerung anhand einer international  emittierten „Carbon Coin“. 
  • Geoengineering: Maßnahmen wie das Austragen von Schwefelpartikeln in die Atmosphäre zur Begrenzung der Sonneneinstrahlung, die physische Abgrenzung bedrohter Ökosysteme oder das Abpumpen von Schmelzwasser unter Gletschern, um deren Abrutschen in die Ozeane zu verlangsamen. 
  • Soziale Bewegung: Die Ausbreitung und Vernetzung regenerativer Modelle und nachhaltiger Konsummuster (z.B. 2000 Watt Society), die Formierung einer spirituellen Bewegung mit ökoreligiösen Zügen bis hin zu Formen des Ökoterrorismus, der durch Anschläge und  Sabotageakte auf Verhaltensänderungen und brandbeschleunigten Wandel im System abzielt.

Die Erkenntnis, dass systemische Veränderung sich aus einem Zusammenspiel aller drei Ebenen speist, liegt auf der Hand. Die ethische Frage, welche Mittel und Nebenwirkungen zur Rettung der Menschheit und der uns umgebenden Ökosysteme recht sind, bleibt dabei in ebendieser Hand als Stachel hängen. Es gibt keine einfachen Antworten. Klar ist nur: Es braucht nicht nur neue Wege, sondern auch neue Maßstäbe.

Trotz seiner düsteren Hintergrundbeleuchtung ist das Buch für mich ein Upper – ich habe lange nicht mehr eine so spannende Fiktion und ein so hoffnungsvolles Zukunftsbild zu den Krisen unserer Zeit gefunden. Wenn wir uns durch radikale soziale Transformation und beherzte Global Governance von unserem selbstgestrickten Schicksal emanzipieren wollen, dann brauchen wir mehr von dieser Art der Imagination.

Erschienen auf deutsch am 13.09.2023
Originaltitel: Ministry for the Future erschienen am 6.10.2020
Übersetzung: Aus dem Amerikanischen von Paul Bär
ISBN: 978-3-453-32286-8

Autor Andi Knoth

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