SOCIUS.Blog

Wenn Kollegen trauern

wahrnehmen verstehen helfen

von Franziska Offermann

Schon vor einigen Jahren hat das Team von SOCIUS Erfahrung mit gleich zwei trauernden Kolleg:innen gemacht, die innerhalb kürzester Zeit geliebte Menschen gehen lassen mussten. Das damals 8 köpfige Team hat quasi intuitiv reagiert: empathisch, verständnisvoll, geduldig. Die vorherigen Trauerfälle im Leben der Teammitglieder betrafen alte Eltern. Hier war es plötzlich anders, mit Geschwistern und Freundinnen. Das machte einen Unterschied.

Mich hat das Thema „Trauer am Arbeitsplatz“ seitdem immer wieder sehr beschäftigt. Und nicht nur dort, sondern auch sonst in unserer Gesellschaft. Oft erlebe ich Sprachlosigkeit, Zögern, Zurückhaltung… als ob Schweigen den Schmerz lindert.

Gleichzeitig beziehen wir uns in unserer Arbeit als Veränderungsbegleitung oft auf Trauerprozesse, wie sie Elisabeth Kübeler-Ross in Ihrer Trauerkurve beschrieben hat. Denn die Phasen der emotionalen Verarbeitung können hier und da ähnlich sein.

Franziska Offermann habe ich im Rahmen des Bohana-Netzwerkes kennengelernt, in dem sich Menschen zusammen finden, die mit den Themen Trauer – Sterben – Bestattung beruflich zu tun haben und das eine Plattform ist, für Menschen, die Begleitung suchen, sich informieren wollen, oder sich um das eigene „vorbereitet sein“ bemühen. 

Ihr Buch hat Franziska schon 2016 veröffentlicht und es beginnt mit ihrer ganz persönlichen Geschichte: wie der Tod eines Kindes ihr Leben für immer veränderte. Sie erzählt wie sie – die promovierte Pharmazeutin – erlebte, dass sich nach diesem Ereignis auch in ihrem Arbeitsleben alles änderte und wie ihr immer klarer wurde, dass sie neue berufliche Wege gehen muss. Sie war lange intensiv engagiert im Bundesverband Verwaister Eltern e.V. und gründete dann ihr Unternehmen Lucera – Integration von Trauer im System.

 

In ihrem Buch führt Franziska Offermann die Leser:innen nach dem sehr persönlichen Einstieg in eine Gedanken- und Handlungswelt, die Führungspersonen, Kolleg:innen und auch Beratenden ebenso wie Lehrer:innen bewusst sein sollte: Dass Menschen sterben, gehört zum Leben und kann jederzeit passieren. Es ist gut wenn wir uns dem Thema stellen.   

Die knapp 200 Seiten plus informativem Anhang sind in 7 Kapitel untergliedert, die sich an Trauernde, Kolleg:innen und Führende wenden und das Prinzip „BEILEID“ in ein Akronym verwandeln, das einen ganzen Prozess beschreiben kann:

B  eziehung gestalten, Bedürfnisse erfragen

E  mpathische Kommunikation, ernst nehmen aller Gefühle

I  ndividualität: jede:r ist anders! Information einholen!

L  ogistik der Organisation und Struktur

E  ntspannung, Entlastung

I  nteresse bekunden, Integration des Geschehenen

D auer beachten, dranbleiben

Franziska nimmt die Leser:innen mit in Erkenntnisse über Trauer und die Möglichkeit von Trauerbegleitung am Arbeitsplatz – welche Chancen bieten sich hier für Gesundheit und Teambuilding bzw. -bonding.

Wie können Trauernde so weiterarbeiten, dass sie einerseits nicht so tun müssen als gäbe es die Trauer nicht, und andererseits nicht darauf reduziert werden? Hier geht die Autorin intensiv auf verschiedene Zeiträume der Trauer ein. Im letzten Drittel des Buches finden sich konkrete Hilfen für Kolleg:innen, u.a. auch wie angemessen kondoliert werden kann, wie Rituale Vertrauen und Sicherheit schaffen (nicht nur für Trauernde) und wie auch am Arbeitsplatz mit Embodiment über den Körper die Seele erreicht werden kann.

Weil Arbeitskontexte heute so viel mehr bedeuten (können) als nur Broterwerb in der Leistungsgesellschaft, erwarten Organisationen und Mitarbeitende zunehmend, sich als ganzer Mensch zeigen zu können, und  nicht mehr nur auf die professionelle Schicht des Seins reduzieren zu werden. Vor diesem Hintergrund ist Franziska Offermanns Buch ein wichtiger Beitrag für alle, die das gesamte Leben in ihren Organisationen willkommen heißen und auch auch vor dem Kontakt mit Menschen nach schmerzhaften Erfahrungen nicht zurückschrecken.

Für mich ist das Buch ein Gewinn. Es schenkt mir Orientierung und Handlungsvorschläge für meine Arbeit und Franziska verliert darin nie ihren zugewandten, achtsame Ton. Dafür Dank ich dir, Franziska. In der Rückschau auf mein Erleben in unserem Team in 2013/14, kann ich dabei bleiben, dass wir damals intuitiv sinnvoll zusammen gewirkt haben. Heute im August 2021 haben nun ganz aktuell leider wieder die Aufgabe das zu tun, und einen trauernden Kollegen in unserer Mitte zu halten. 

 

Sinnvoll zusammen wirken

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