Vergesst nicht zu fragen: Was macht mir wirklich wirklich Freude?

Vergesst nicht zu fragen: Was macht mir wirklich wirklich Freude?

In unserer neuen Kategorie „SOCIA Ausblicke“ wollen wir versuchen regelmäßig unser Augenmerk auf die Situationen von Frauen* im Arbeitsleben in NGOs, im Beratungsgeschäft und in Führungsverantwortung zu richten.

Zum endenden Jahr gibt Julia Hoffmann Antworten auf unsere Fragen. Wir freuen uns, das wir im nächsten Jahr Einblicke in die Gedanken und Ideen von Hannah Kalhorn und Lysan Escher lesen dürfen. Bevor weitere Kolleginnen aus dem SOCIUS NextWerk uns mitnehmen…

 

 

Was ist deiner Meinung nach der beste Weg, eine Gesellschaft zu verändern? 

Drei wichtige Wege für gesellschaftliche Veränderung sind für mich diese: 

 

  1. Uns die “inneren Geschichten”, in denen wir leben und die unser Handeln prägen, bewusst vor Augen zu führen und kritisch zu hinterfragen – und sie selbst weiterzuschreiben. Mit inneren Geschichten meine ich Narrative oder Erzählungen – das können große gesellschaftliche Erzählungen sein, oder sehr persönliche. So eine innere Geschichte kann heißen “Ich kann das nicht” oder “Ich öffne mich dem Unbekannten”. Je bewusster wir uns dieser Erzählungen sind, die in uns wirken, um so mehr Bewusstheit entsteht in unserem Handeln. Und wir können sie verändern, z.B. in “Ich gehöre dazu”. 
  2. Fragen hinterfragen: Die großen gesellschaftlichen Fragen, die unsere Gesellschaft beschäftigten, hinterfragen. Vor einer Weile las ich auf dem Cover des SPIEGEL die Frage “Gehört der Islam zu Deutschland?” Aus meiner Sicht geht es hier nicht um das ob – es geht um das wie. Wenn die Frage hieße, “Wie gehört der Islam zu Deutschland?” oder “Wie gehört das Christentum zu Deutschland?” sind wir in einem ganz anderen Diskurs. Einem, der von Neugier und Suche geleitet ist, und keinem der mit dem Urteilen beginnt. 
  3. Sehr viele kleine Schritte und Mikro-Veränderungen, die jede:r einzelne von uns bewegen kann. Über Jahre, Jahrzehnte und manchmal Jahrhunderte können daraus Strömungen und massive Veränderungen erwachsen, so wie beim Frauenwahlrecht oder dem Fall der Mauer.

 

Wie bist du zu deinem Job gekommen?

Das Wort “Job” trifft es für mich hier nicht, es ist eher eine Art Wirkungsrolle oder Tätigkeit. Ich bin hier, weil ich schon seit vielen vielen Jahren, eigentlich seit ich denken kann, mit und in Ehrenamt und in Nicht-Regierungs-Organisationen gearbeitet habe. Dazu kam, dass ich nach einer Weile immer öfter in Rollen kam, in deren es darum ging, Menschen zusammenzubringen, zusammen Projekte zu organisieren, zu verantworten. Dabei fand ich mich mehr und mehr mit Flipchart und Stift, den anderen zuhörend und dann die roten Fäden unserer Diskussionen, Besprechungen und Strategien im Blick behaltend. Daraus erwuchs meine Art Prozesse zu begleiten, moderierend und visuell, mit dem Stift das gemeinsame Wissen herauszukitzeln und zu beleuchten . 

 

Was möchtest du mit deinem Job erreichen? 

Ich möchte bewirken, dass die Teams, Gruppen und Personen, die ich begleite mit Klarheit, Kraft und Kreativität das verstehen und gestalten, was ihnen wichtig ist – egal ob es eine Herausforderung, oder ein Hindernis ist, das im Weg steht. Dass Raum für gemeinsames Denken in Tiefe entsteht und jede einzelne Person sich eingeladen fühlt, das beizusteuern, was ihr wichtig für das gemeinsame Vorhaben ist.

 

Welchen Beruf wolltest du lernen, als du ein Mädchen warst? 

Ich wollte richtig, richtig, richtig viele verschiedene Dinge tun: Ballerina, Pferdepflegerin, Designerin und Innenarchitektin. Später dann Botschafterin in Frankreich werden, Europa-Abgeordnete, Psychologin oder Fotografin. Es war ziemlich schwierig mich in all diesen möglichen Richtungen für einen Weg zu entscheiden. Ich hab auch heute noch die Lust am Entdecken von verschiedenen beruflichen Zweigen. Ich würde auch nicht ausschließen, dass ich irgendwann auch nochmal was anderes machen möchte. 

 
Wen oder was bewunderst du gerade? 

Die Natur: Es ist famos wie ein Kompost – also ein Ort auf den man ausschließlich Abfälle sammelt und diese Abfälle dann lange genug pausieren bzw. liegen lässt, die nährstoffreichste Erde – Muttererde – produziert. Diese Form der Regeneration finde ich unglaublich. Da kriegt “Pause” auf einmal eine ganz andere Bedeutung. 

 
Wie sieht ein Traum von einer besseren Welt aus? 

Es ist eine Welt, in der wir mit Blick auf die Natur verhindern kann, dass es noch viel, viel schlimmer wird. Mein Traum ist, dass wir uns alle tief in unserem Inneren darüber bewusst werden, wie wertvoll diese Ressource, dieser Planet ist. Es ist eine Welt, in der wir Menschen dieses Wissen teilen, ausgehend von ihm handeln und wirklich unser Verhalten als Gemeinschaft verändern – rasant, effektiv und mit Verständnis und Mitgefühl einander gegenüber für die Emotionalität, die diese Veränderungen hervorrufen werden. 

 
Was bedeutet Erfolg für dich? 

Erfolg bedeutet für mich hier Wirkung, im besten Falle Tiefenwirkung. Das hat im beruflichen Sinne damit zu tun, was vorhin anklang: Räume zu öffnen und zu halten, in denen Kreativität wieder sprudeln kann; Räume, in denen Teams sich in einer gemeinsamen Vision wiederfinden oder in einem Moment des tiefen Verstehens voneinander.

 

Aus welchem Fehler hast du am meisten gelernt? 

Viel habe ich aus den Gesprächen über Finanzen und Gehälter gelernt, und da lerne ich immer noch weiter. Ich finde Geld generell ein schwieriges Thema – da wirken bei mir und in meiner Erfahrung bei vielen von uns tiefe “innere Geschichten”.

 

Siehst Du Dich als Vorbild? 

Als jemand von den “leiseren Menschen” habe ich oft diejenigen geschätzt, die trotz einer klaren Zurückhaltung in Gruppen oder Gesprächssituationen an einem gewissen Punkt das Wort ergriffen. Meist haben sie zuerst gut zugehört. Aber was dann kam, hatte eine Tiefe und hat mir bewusst gemacht, dass auch wir leiseren Charaktere dazu gehören. Ich hoffe, dass ich Menschen, die von einem ähnlichen Schlag sind, ähnlich inspirieren und zeigen kann, dass es auch für uns in dieser oft lauten Welt einen Platz gibt.  

 
Hast du einen Grundsatz, nach dem du lebst? 

“Alles was ist, darf sein. Und was sein darf, kann sich verändern.” Das ist ein Satz aus der Gestalt-Lehre. Meine Familie zitiert mir das mittlerweile vor, weil ich es ihnen gegenüber so oft in Alltagssituationen verwendet habe. Ob ich komplett danach lebe, weiß ich nicht, und versuche es jedenfalls. 

 
Was bedeutet Feminismus für Dich? 

Für mich ist Feminismus eine politische Haltung, die klare Fragen auf die gesellschaftlichen Strukturen, kulturellen Muster, und persönliche Entwicklungsmöglichkeiten von Individuen, lenkt. Eine Haltung, die im Blick hat, wie unterschiedlich bestimmte Gruppen gesellschaftlich beteiligt, machtvoll oder einflussreich sind – und von einer Welt träumt, in der alle Menschen gleich bedeutsam sind. 

 

Wie lebst du Feminismus in deinem Team (vor)? 

Ich versuche Fragen um Rang und Macht im Blick zu behalten, auch das Thema “Gender” offener anzusprechen und dazu beizutragen, dass es einfacher wird, darüber zu reden. 

 
Wie versuchst du, die Sichtbarkeit in deinem Team von Minderheiten in deinem Team zu verbessern?

Ich versuche Themen und Fragen hineinzutragen, die nicht für alle gleichermaßen virulent sind. Und uns im Bewusstsein zu halten, dass wir hier noch mehr machen und wachsen können. 

 
Welche familienfreundlichen Maßnahmen könntest du? Würdest du gerne in deinem Team umsetzen? 

Ich erlebe SOCIUS als sehr flexibel in Bezug auf familiäre Bedarfe und habe das Vertrauen und die Erfahrung, dass es bei Bedarf Verständnis und Unterstützung der Kolleg:innen gibt. 

 
Was möchtest du jüngeren Frauen und Berufsanfängern mit auf den Weg geben? 

Neben allem Realismus und Fragen der Sicherheit, die die Berufswege bestimmen, vergesst nicht zu fragen: Was macht mir wirklich wirklich Freude? Bei welcher Tätigkeit vergesse ich die Zeit? Wovon träume ich? Was auch immer ihr macht, nehmt einige dieser Zutaten mit ins berufliche Leben und haltet so eure Neugier lebendig.

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Vergesst nicht zu fragen: Was macht mir wirklich wirklich Freude?

Wach sein und mit offenen Augen durchs Leben gehen

In unserer neuen Kategorie „SOCIA Ausblicke“ wollen wir versuchen regelmäßig unser Augenmerk auf die Situationen von Frauen* im Arbeitsleben in NGOs, im Beratungsgeschäft und in Führungsverantwortung zu richten.

Zum Ende der Sommerferien hat Joana Ebbinghaus unsere Fragen beantwortet. Wir freuen uns schon jetzt auf die Antworten von Julia Hoffman und den anderen Frauen aus unserem SOCIUS NextWerk. Bestimmt haben auch einige Kollegen Interesse daran die Fragen zu beantworten. 

 

Was ist deiner Meinung nach der beste Weg, eine Gesellschaft zu verändern? 

Wach sein und mit offenen Augen durchs Leben gehen. Den Mund aufmachen, wenn die eigenen Werte verletzt werden oder man mit strukturellen Ungerechtigkeiten konfrontiert wird. Auf das Verbindende schauen, nicht auf das Trennende und gemeinsam anpacken, da wo sich Chancen ergeben.

Wie bist du zu deinem Job gekommen? 

Irgendwie schicksalhaft. Nach 13 Jahren im Ausland in der Entwicklungszusammenarbeit, ohne nennenswerte Netzwerke in meiner Heimatstadt Berlin und in dem Ringen, mir eine neue berufliche Existenz aufzubauen, haben mich zwei ganz unterschiedliche Kontakte zu SOCIUS geführt. Der eine gab mir die Empfehlung: Ruf doch einfach mal dort an, ich glaube, Du würdest gut zu ihnen passen. Der andere Kontakt mit einem konkreteren Angebot, eine bereits begonnene Planung zur Zusammenarbeit im Bereich Training für internationale NGOs zu übernehmen und weiterzuführen. Ein kurzes Beschnuppern, eine wilde Nikolausfeier, enorm viel Vorschussvertrauen und viel intuitives Bauchgefühl auf beiden Seiten: Wir möchten gern zusammenarbeiten!

Was möchtest du mit deinem Job erreichen?

Menschen berühren. Dadurch, dass sie sich ihrer eigenen Potenziale, Kompetenzen und Handlungsspielräume gewahr werden, dass sie einander neu begegnen, in Kontakt sind, gemeinsam Schätze heben, Wirksamkeit entfalten, unbeleuchtete Ecken erhellen, aufrütteln, die Welt verändern.

Welchen Beruf wolltest du lernen als du ein Mädchen* warst? 

Forscherin und Entdeckerin – das mythische Gold der Inkas finden oder irgendeinen weißen Fleck auf der Landkarte abschreiten.

Wen oder was bewunderst du?

In meiner Arbeit begegne ich immer wieder Menschen, die ich zutiefst bewundere:

In Indonesien die vielen NGO Aktivist:innen, denen ich begegnet bin, die nicht aufgeben, für die Rechte der Marginalisierten, den Schutz der natürlichen Ressourcen oder gegen Korruption und Ausbeutung zu kämpfen – auch wenn der Kampf oft schier aussichtslos erscheint. Also, das Einstehen für die eigene Integrität.

Und die vielen Menschen, die ich in Beratungssituationen erlebt habe und die bereit sind, sich ihren eigenen Dämonen zu stellen, sich leidenschaftlich, wütend, unwissend, verletzlich oder verwundet zu zeigen, um daraus zu lernen und zu wachsen.

Wie sieht dein Traum von einer besseren Welt aus? 

Eine Welt ohne Krieg, Hass, Armut und Hunger, in der die Menschen mit allen Wesen und dieser Welt respektvoll und achtsam umgehen.

Was bedeutet Erfolg für dich? 

Etwas so gut gemacht zu machen, wie ich konnte.

Aus welchem Fehler hast du am meisten gelernt?

Besser auf meine eigenen Grenzen acht zu geben.

Siehst du dich als Vorbild? 

Als Mutter ist es wohl der einzige Weg, meinen Kindern etwas mit auf ihren Lebensweg zu geben.

Hast du einen Grundsatz nach dem du lebst?

Viktor Frankl: „Zwischen Reiz und Reaktion liegt der Raum der inneren Freiheit. Die Größe dieses Raumes wird durch unsere eigene Haltung bestimmt.“ Was für eine Befreiung und auch was für eine Herausforderung!

Was bedeutet Feminismus für dich? 

Sowohl Chancengleichheit als auch Solidarität. Und ganz viel innere Freiheit, die es gilt sich zu nehmen.

Wie lebst du Feminismus in deinem Team vor?

Ich glaube nicht, dass ich es irgendwem vorleben muss, sondern eher leben. Auf Ungerechtigkeiten hinweisen, Frauen bestärken, sich Gehör zu verschaffen und mitzugestalten. Mir selbst Freiheiten nehmen.

Wie versuchst du, die Sichtbarkeit von Minderheiten in deinem Team zu verbessern?

In unserem eigenen Team geht es vor allem darum, dass wir diverser werden wollen. Ansonsten: Verlangsamung ermöglichen, Raum und Gehör für die leisen Stimmen. Zumindest ist das mein Anspruch.

Welche familienfreundlichen Maßnahmen konntest du/würdest du gern in deinem Team umsetzen?

Für mich als alleinerziehende Mutter mit 2 Kindern war es nicht immer einfach, von meinen Kolleg:innen die Selbstverständlichkeit anzunehmen, mit der sie akzeptierten, dass ich nicht immer in gleicher Weise agieren und reagieren kann, wie Andere. Für mich selbst bedeutet es, ebenso einzuspringen, zu ermöglichen und zu unterstützen, wo es um wesentliche Bedürfnisse und Herausforderungen der Kolleg:innen in ihrer Rolle als Teil einer Familie geht: Da sein, sich kümmern, pflegen, feiern, sich verabschieden, trauern.

Was möchtest Du jüngeren Frauen* und Berufsanfängerinnen mit auf den Weg geben?

Der eigenen Neugier, Begeisterung und den eigenen Werten zu folgen und weniger danach zu fragen, wo das genau hinführt oder was das genaue Ziel ist. Mutig mit Nichtwissen umzugehen, das eigene Licht trotz allem nicht unter den Scheffel zu stellen und sich wohlwollende Mentor:innen und beherzte Mitstreiter:innen zu suchen.

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Vergesst nicht zu fragen: Was macht mir wirklich wirklich Freude?

Feminismus ist eine Art das eigene Leben zu gestalten

In unserer neuen Kategorie „SOCIA Ausblicke“ wollen wir versuchen regelmäßig unser Augenmerk auf die Situationen von Frauen* im Arbeitsleben in NGOs, im Beratungsgeschäft und in Führungsverantwortung zu richten.

Schon geht die Interviewreihe weiter mit Nicola Kriesel. In den nächsten Wochen könnt Ihr die Antworten von Joana Ebbinghaus und Julia Hoffmann lesen und dann werden wir die Frauen aus unserem SOCIUS NextWerk fragen. Bestimmt haben auch einige Kollegen Interesse daran die Fragen zu beantworten. 

 

Was ist deiner Meinung nach der beste Weg eine Gesellschaft zu verändern?

Ich denke, Gesellschaftsveränderung gelingt am ehesten mit vielen kleinen Schritten von vielen (kleinen) Leuten an vielen verschiedenen Orten. Sich zusammen zu tun, aktiv zu werden und auch die kleinen Veränderungen zu würdigen, ist, glaube ich, ein guter Weg. Im Einklang mit den eigenen Werten zu handeln und dieses Handeln immer wieder an der gemeinsamen Vision auszurichten, ist mir wichtig.

Wie bist du zu deinem Job gekommen?

Meine Tätigkeit bei SOCIUS ist mehr als ein Job für mich und es gibt eine Seite in mir, die glaubt dass es eine schicksalshafte Fügung war, dass SOCIUS und ich uns gefunden haben. Ich arbeitete mich 2004/05 mühevoll aus einer großen Sinn- und Lebenskrise heraus, wusste dass ich mein Leben nicht als Anwältin/Juristin verbringen wollte, wusste aber auch nicht recht, was mit dem Jurastudium denn sonst noch anzufangen sei. Die Mediationsausbildung hatte ich schon abgeschlossen, aber als Mediatorin alleine Lebensunterhalt zu verdienen, ist quasi unmöglich. In dieser Situation erzählte eine Bekannte mir von einem Freund, der in einer Beratungsfirma arbeite, die eine Juristin mit Kommunikationskompetenzen suchen. Sie hat dort meinen Namen ins Spiel gebracht, der Freund richtete aus ich sollte mich doch mal melden, und das tat ich gerne. So kam es zu einem ersten Treffen zwischen Christian Baier, Andreas Knoth und mir. Das war im Mai 2005. Seit dem arbeite ich mit großer Lust und Begeisterung im Team von SOCIUS.

Was möchtest du mit deinem Job erreichen?

Ich möchte gerne dazu beitragen, dass wir Arbeitskontexte schaffen, in denen Menschen gedeihen und sich entwickeln können. Arbeitskontexte, in denen Teamgeist, Solidarität, Loyalität, Inklusion genauso eine Rolle spielen wie Selbstbestimmung und Selbstverantwortung.

Welche Beruf wolltest du lernen als du ein Mädchen* warst?

Als ich so zehn Jahre alt war, wollte ich Archäologin werden. Tutanchamun hat mich sehr fasziniert.  Einige Jahre später wollte ich dann Bundeskanzlerin werden (die erste. Ist mir nicht gelungen, wie alle wissen). Damit stand dann recht früh der Studiumswunsch Jura fest. Zwischendurch liebäugelte ich mich Pädagogik und/oder Psychologie. Im letzten Schuljahr war ich gezwungen einen familiären Rechtsstreit zu bewältigen, der meinen Studiumswunsch Jura sehr verfestigte. Mein Ziel war es für mehr Gerechtigkeit für Kinder zu sorgen.

Wen oder was bewunderst du?

Ich bewundere meine Kinder für ihre Willensstärke und ihre Unverbogenheit. Ich bewundere meine Mutter, die als alleinstehende Frau, ihren Weg gegangen ist und sich immer treu geblieben ist. Überhaupt bewundere ich alleinstehende Eltern, die mit so viel Liebe und Kraft so wertvolle Dienste leisten, oft nicht nur an ihren Kindern, sondern auch für die Gesellschaft. Ich bewundere Menschen, die friedvoll für das einstehen an was sie glauben.

Wie sieht dein Traum von einer besseren Welt aus?

In einer besseren Welt geht es vor allem gerechter und damit auch freier zu – für alle. Menschenrechte würden überall geachtet und statt großem Reichtum für einige wenige (weiße Männer), gäbe es Wohlstand für alle, Achtung vor allen Lebewesen inklusive.

Was bedeutet Erfolg für dich?

Mit dem Begriff „Erfolg“ kann ich nicht so viel anfangen. Ich ersetze ihn gerne durch „Gelingen“. Dass mir etwas gelingt, für das ich mich einsetze, was mir wichtig ist, was meiner Vision dient und dem nach dem ich strebe – das ist durchaus bedeutungsvoll für mich.

Aus welchem Fehler hast du am meisten gelernt?

Ach – ich bin gar nicht sicher ob wir aus Fehlern tatsächlich so viel lernen können wie immer behauptet wird. Und wenn ich so drüber nachdenke, dann scheint es so zu sein, dass ich mich mit Fehlern nicht sehr lange aufhalte und sie schnell vergesse oder verdränge. Das geht mir auch mit so genannten Fehlern so, die andere machen. Wenn es ein Fehler ist, zu viel zu reden und zu wenig zuzuhören und andere oft zu unterbrechen, dann ist das wohl der Fehler durch den ich am meisten gelernt hab, anderen zu zu hören, sie sprechen zu lassen und präsent zu sein.

Siehst du dich als Vorbild?

Manchmal wäre ich gerne eins. Dann wieder gar nicht. Ich hab schon gehört, dass andere mich als Vorbild sehen. Das macht mir meist ein eher unangenehmes Gefühl, selbst wenn es mir auch ein bisschen schmeichelt. Jedenfalls versuche ich mich so zu benehmen, dass ich eins sein könnte. Die größte Aufgabe hierbei ist wohl Demut.

Hast du einen Grundsatz nach dem du lebst?

Am Küchenschrank meiner Mutter hing jahrelang der Satz „Es gibt nichts Gutes außer man tut es“, gleich neben „Toleranz gegenüber Intoleranten ist keine Tugend, sondern Selbstmord“ und „Im Beruf und in der Liebe kann man immer neu anfangen, bei Kindern ist das unmöglich.“ – alles Sätze, die mich immer wieder begleiten, die mich als Mädchen und junge Frau nachdenklich gemacht haben und denen ich immer noch etwas abgewinnen kann. An meiner Küchentür heute, hängen auch viele Sprüche.

Einer der nicht da hängt, der mich aber immer wieder leitet, ist: „Liebe ist nichts für Feiglinge.“

Was bedeutet Feminismus für dich?

Feminismus ist eine Art das eigene Leben zu gestalten. In meinem Leben hat es Feminismus schon immer gegeben und so ist er quasi integraler Bestandteil meines Seins. Ich kann mich nicht erinnern mich jemals nicht als Feministin identifiziert zu haben. Feminismus ist die Überzeugung dass Gleichberechtigung – unabhängig vom Geschlecht – richtig ist. Feminismus trägt zu Gerechtigkeit und Freiheit für alle bei.

Wie lebst du Feminismus in deinem Team vor?

Ich glaube ich lebe das nicht vor. Was ich tue, ist, da wo ich es kann, dafür zu sorgen, Frauen* zu empowern in Positionen zu gehen, in denen sie Entscheidungen treffen können, auch andere Frauen* zu empowern.

Wie versuchst du die Sichtbarkeit von Minderheiten in deinem Team zu verbessern?

Ich hoffe, dass ich dazu beitrage, dass alle gleichermaßen Gehör finden, und ich trage gerne dazu bei, dass die Diversität in unserem Team noch vergrößert wird. Da haben wir noch Nachholbedarf.

Welche familienfreundlichen Maßnahmen konntest du/würdest du gern in deinem Team umsetzen?

Kinder sind im Büro willkommen. Wenn jemand aufgrund von Pflegetätigkeiten für Familienangehörige (egal welchen Alters) im Job ausfällt, kann die Person sich unserer Unterstützung und Solidarität gewiss sein.

 Was möchtest Du jüngeren Frauen* und Berufsanfängerinnen mit auf den Weg geben?

Traut Euch eigene Wege zu gehen, unangepasst zu sein. Baut Euch früh Netzwerke auf, pflegt Freundschaften und gönnt Euch Begleitung durch Ältere.

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Vergesst nicht zu fragen: Was macht mir wirklich wirklich Freude?

Weiterhin die Welt ein kleines bisschen besser machen

In unserer neuen Kategorie „SOCIA Ausblicke“ wollen wir versuchen regelmäßig unser Augenmerk auf die Situationen von Frauen* im Arbeitsleben in NGOs, im Beratungsgeschäft und in Führungsverantwortung zu richten.

Teil davon wird eine Interviewreihe sein, in der hier Kerstin Engelhardt den Auftakt macht.

 

Kerstin Engelhardt, 59 Jahre; Beraterin, Coach und Supervisorin

  • Was ist deiner Meinung nach der beste Weg eine Gesellschaft zu verändern? Bündnispartner*innen finden; Gespräche und Aktionen
  • Wie bist du zu deinem jetzigen Job gekommen?  Ich bin von socius nach der Teilnahme an einer Fortbildung gefragt, ob ich als Selbstständige einsteigen möchte (war damals auf der Suche nach einer beruflichen Alternative zu meinem Job). Jetzt bin ich außerdem als Beraterin im Ev. Kirchenkreis Spandau: öffentliche Stellenausschreibung, ich kam von Außen.
  • Was möchtest du mit deinem Job erreichen? Weiterhin die Welt ein kleines bisschen besser machen.
  • Welche Beruf wolltest du lernen als du ein Mädchen* warst?  Erst Lehrerin; dann Kriminalkommissarin, die sich mit Verbrechern wilde Verfolgungsjagden liefert.
  • Wen oder was bewunderst du?  Meine Vorbilder, jeweils in spezifischen Punkten: Simone de Beauvoir und Hannah Arendt; Nelson Mandela, Miriam Makeba und Desmond Tutu; Rosa Luxemburg und Clara Zetkin; Frida Kahlo, Hannah Höch und Louise Bourgoise; Angela Merkel in ihrem unaufgeregten Politikstil und ihrer Nicht-Korrumpierbarkeit.
  • Wie sieht dein Traum von einer besseren Welt aus?  Abwesenheit von Gewalt und Armut; Gleichwertigkeit aller Menschen und gleiche Rechte und Möglichkeiten für alle Menschen im Rahmen eines demokratischen Systems; ein gesundes, intaktes Ökosystem
  • Was bedeutet Erfolg für dich?  Im Sinne meiner Zielsetzungen und meines Wertesystems wirksam/ hilfreich zu sein für andere und für die Umwelt; gut für mich zu sorgen, beruflich wie privat.
  • Aus welchem Fehler hast du am meisten gelernt? Nicht dem eigenen Gefühl/ dem eigenen Einschätzungsvermögen zu vertrauen.
  • Siehst du dich als Vorbild?  Manchmal ja, manchmal nein.
  • Hast du einen Grundsatz nach dem du lebst? 1) „Was du nicht willst, dass mensch dir tu‘, das füg auch du niemandem zu“. 2) Reden und Handeln sollten möglichst übereinstimmen.
  • Was bedeutet Feminismus für dich?  Eine – auch mal streitbare – Lebenshaltung und -praxis.
  • Lebst Du Feminismus in Deinem Team/ Arbeitsbereich? Wenn ja, wie? Indem ich für mich und ggf. auch für andere Frauen und für Benachteiligte / Diskriminierte einstehe; indem ich gerecht spreche und handle und ggf. Gerechtigkeit einfordere.
  • Wie versuchst du die Sichtbarkeit von Minderheiten in deinem Team/Deinem Arbeitsbereich zu verbessern? Indem alle gleichermaßen Gehör finden und Raum zum Sprechen bekommen; indem ggf. auch mal ein geschützter Raum zur Verfügung gestellt wird; indem auf Macht- und Einflussebenen sowie auf Sensibilitäten genau geachtet wird.
  • Welche familienfreundliche Maßnahmen konntest du/würdest du gern in deinem Team /Deinem Arbeitsbereich umsetzen? Kinderbetreuung vor Ort; Unterstützung im Fall pflegebedürftiger Angehöriger; Bedingungen und Anreize schaffen, die auch Männer dazu bringen, sich den Frauen vergleichbar / im selben Umfang bei Familienarbeit, Haushalt und Kinderbetreuung zu engagieren bzw. engagieren zu können.
  •  
  • Was möchtest Du jüngeren Frauen und Berufsanfängerinnen mit auf den Weg geben? Sich selbst zu vertrauen; den Mut haben, auch mal unbequem zu sein; sich ggf. Unterstützung suchen – Mentor*innen, ein gleichgesinntes Netzwerk, professionelle Beratung.

 

sinnvoll zusammen wirken

Einblicke in das SOCIUS Seminar Feministisch Führen

Einblicke in das SOCIUS Seminar Feministisch Führen

Am Freitag den 8.11.2019 fand bei Socius das Seminar „Feministisch führen“ mit meiner Kollegin Nicola Kriesel statt. Als ich morgens auf dem Fahrrad auf dem Weg zum Seminar war, schoss mir der Gedanke durch den Kopf, dass ich wahrscheinlich den ganzen Tag nur mit Frauen* verbringen würde. Als ich dann ein wenig gehetzt in den Seminarraum kam, nahm ich aus dem Augenwinkel eine der Personen im Raum als Mann wahr. Meine allererste innerliche Reaktion war „komisch, warum will er denn an so einem Seminar teilnehmen?“ Hier stelle ich mir selbst die Frage, warum ich davon ausgehe, bei solch einem Seminar ausschließlich auf Frauen zu treffen? Stelle ich damit in Frage, ob ein Mann überhaupt feministisch sein kann?

Zum Glück herrschte eine offene Stimmung in der Gruppe und ich habe diese Gedanken in einer Kennenlernrunde teilen können. Nach dem Kennenlernen haben wir uns darüber ausgetauscht, was Feminismus zum einen und Führung zum anderen für uns bedeutet. Ich selbst habe mich in den letzten Jahren immer ein wenig davor gescheut, mich als Feministin zu bezeichnen. Zwar habe ich mich mit feministischen Vorbildern auseinandergesetzt, wie beispielsweise der mexikanischen Künstlerin Frida Kahlo und der us-amerikanischen Philosophin Judith Butler oder habe mit Freund*innen intensiv über die Thematik gesprochen, jedoch bin ich immer ein wenig vor dem Label zurückgeschreckt.

Nach diesem Tag nun allerdings nicht mehr! Mir ist in diesem Rahmen klar geworden, dass die Aussage „das Private ist politisch“ überaus wichtig ist und das dies für mich als eine Person, die sich als eine Frau versteht und fühlt, einen Stellenwert haben muss. Darüber hinaus ist dies jedoch längst kein Thema nur für Frauen, sondern ein Thema für alle – egal welchem Geschlecht sie sich zugehörig fühlen. Was bedeutet nun feministisch Führen? Wir machten eine Sammlung von Assoziationen und Überzeugungen die wir zum Thema Feminismus haben und kamen zu dem Ergebnis, dass es beim Feminismus in der Hauptsache um Gleichberechtigung geht und den gerechten Zugang zu Ressourcen. Darüber hinaus fanden wir raus, dass es auch explizit zum die Förderung von Frauen geht, insbesondere wenn es um Führungs-Postionen geht. 
Im Anschluss befassten wir uns mit Erwartungen an Führung(skräfte) und stellten fest, dass das doch ziemlich viel ist.

In der Zusammenfassung einigten wir uns darauf – nach dem wir unsere Erkenntnisse mit unseren eigenen Lebensweg und seine Meilensteine in Sachen Führung und Feminismus abgeglichen hatten, dass feministisch Führen eine verantwortungsbewusste Haltung oder gar eine Fähigkeit ist, den Rahmen zu schaffen und zu halten, in dem Menschen gleichberechtigt arbeiten können. Es ist ein Zutrauen in Eigenverantwortung und das Zutrauen in andere. Dies beinhaltet beispielsweise ein Gespür für die Interessen und Bedürfnisse der diversen Mitglieder eines Teams, sowie Offenheit, Reflektionsfähigkeit und eine gelebte Fehlerfreundlichkeit unter Berücksichtigung gender*diverser Blickwinkel. Meiner Meinung nach divergiert dies kaum von einem grundsätzlichen zeitgemäßen Verständnis von Führung, der Zusatz feministisch führt lediglich vor Augen wie wichtig es ist, die Dinge beim Namen zu nennen und dass es uns alle etwas angeht.

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