Opportunity Driven Development

Opportunity Driven Development

Wir haben keine Karte des vor uns liegenden Terrains – aber wir können unser Schiff so ausrüsten, dass wir Wind und Strömungen optimal nutzen.

Strategisches Roadmapping– ich bitte das Drama zu entschuldigen – hat ausgedient. Selbst sein aus der Zukunft blickender Verwandter, das Backcasting, wirkt angesichts heutiger Komplexität und Dynamik zunehmend staubig. Beide Methoden setzen auf lineare Kausalitäten und kontrollierbare Umfelder – Bedingungen, die in der realen Welt kaum noch gegeben sind. Unsere Wirklichkeit ist ein unwegsames Gelände über dem meist Nebel liegt. In solchen Situationen sind flexible Routen, Umwege und lernorientiertes Navigieren keine Schwächen – sie sind strategische Notwendigkeiten.

Opportunity Driven Strategy (ODS) – Chancenorientierte Entwicklung – bietet eine agile und ambitionierte Antwort auf diese Realität. Strategie wird hier nicht um Etappenziele herum geplant, sondern – geleitet von einer klar formulierten Strategischen Absicht – um konkrete, sich entwickelnde Chancen. Unterstützt wird diese Chancenorientierung durch die kontinuierliche Stärkung der organisationalen Zugriffs- und Handlungsfähigkeit. ODS löst damit die klassische Dichotomie von Marktorientierung vs. Ressourcenorientierung auf und verbindet Offenheit nach aussen mit innerem Fokus: aufmerksam für neue Chancen, gleichzeitig gezielt in der Entwicklung der organisatorischen Fähigkeiten, um diese Chancen zu nutzen. Das Ergebnis: ein lernorientierter Strategieansatz, der Vision und Pragmatismus vereint.

Bausteine der chancenorientierten Entwicklung

Im Zentrum des ODS Ansatzes stehen vier eng miteinander verzahnte Elemente:

Strategische Absicht

Die Strategische Absicht ist der Kompass der Organisation – eine ambitionierte Vision des Wandels, zu dem sie in den nächsten (+/-) 5 Jahren beitragen will. Sie ist bodennäher als ein klassisches Vision Statement und schafft Orientierung durch drei Dimensionen (nach Hamel & Prahalad 2005):

  • Direction: eine langfristige, klare Richtung;
  • Discovery: eine offene, erkundende Haltung;
  • Destiny: eine emotionale Resonanz, die Engagement weckt.

Die Strategische Absicht kann als Wirkungsnarrativ formuliert werden, konkretisiert durch 3–5 Wirkungsziele, die den angestrebten gesellschaftlichen Impact konkret fassen.

 

Chancen

Chancen entstehen überall – innerhalb wie außerhalb der Organisation. Sie reichen von neuen Förderlinien, politischen Veränderungen oder Markttrends bis hin zu internen Umstrukturierungen, innovativen Ideen oder neuen Allianzen.

Chancen lassen sich nicht langfristig planen, sondern müssen im Moment erkannt und genutzt werden – immer durch die Linse der strategischen Absicht (nicht jede Kirsche muss vom Baum gepflückt werden!). Typische Chancenfelder sind:

  • Marktchancen: Neue oder unzureichend adressierte Bedarfe
  • Technologische Chancen: Innovationen und Disruptionen
  • Regulatorische Chancen: Gesetzesänderungen und Policies
  • Betriebliche Chancen: Effizienz, Prozesse, Innovationen
  • Strategische Partnerschaften: Kooperationen, Allianzen

In der Strategieentwicklung werden zunächst relevante Chancencluster identifiziert. In den laufenden Strategiezyklen erfolgt dann die gezielte Beobachtung und Erschließung konkreter Gelegenheiten.

 Entwicklungsziele 

Die strategische Absicht ist bewusst so ambitioniert formuliert, dass sie die aktuellen Fähigkeiten der Organisation leicht überfordert (ein geplanter Strategic Stretch, im Gegensatz zum klassischen Strategic Fit, der auf das optimale Zusammenspiel vorhandener Kompetenzen mit bestehenden Marktchancen schaut). Aus dieser bewusst erzeugten Lücke zwischen Anspruch und Realität leiten sich Entwicklungsziele ab: sie beziehen sich auf die internen Kompetenzen, Strukturen und Prozesse, die aufgebaut oder transformiert werden müssen, um Chancen gezielter nutzen zu können – etwa schnelle Entscheidungsroutinen und fluide Ressourcenmodelle oder der Aufbau neuer Kompetenzfelder und Beziehungen. Die Entwicklungsziele bilden einen strukturierten Backlog für die Organisationsentwicklung über die gesamte Strategieperiode. In jedem Strategiezyklus werden dabei (+/-) 3 Entwicklungsziele bearbeitet.

Strategische Zyklen

ODS ersetzt fixe Roadmaps durch agile, rollierende Strategiezyklen. Alle 6–9 Monate reflektiert die Organisation:

  • Welche neuen Chancen zeichnen sich ab?
  • Welche Schritte passen zur strategischen Absicht?
  • Welche Fähigkeiten müssen wir jetzt weiterentwickeln?

So entsteht ein kontinuierlicher Lernprozess mit langfristiger Richtungstreue und kurzfristiger Anpassungsfähigkeit. 

Organisationale Ambidextrie

Während Chancenorientierung den ODS Ansatz prägt, werden Routineaufgaben und stabile Backbone Funktionen natürlich nicht abgeschafft. Viele Programme sind zudem durch langfristige Leistungs- und Förderverträge festgeschrieben und können nicht einfach chancenorientiert über den Haufen geschmissen werden. Organisationen brauchen mithin die als Ambidextrie bekannt gewordene Doppelkompetenz zu Exploration und Exploitation (also der innovativen Entwicklung von Neuem und dem effizienten Management des Bestehenden). Strukturell bieten sich dafür zwei Grundarchitekturen an:

  • Zweigleisige Architektur: Ein Teil des Teams sichert Stabilität im Regelbetrieb (mit klassischer strategischer Planung), ein anderer ist in wechselnden Feldern mit Innovation und der Entwicklung von Chancen betraut (im ODS Modell). Ressourcen werden dabei bedarfsgerecht zwischen den Bereichen verschoben. 
  • Integrierte Architektur: Alle Arbeitsbereiche sind chancenorientiert aufgestellt. Aufgaben mit stärkerem Routinecharakter werden v.a. in der Art und Weise der Umsetzung weiterentwickelt (How). Aufgaben mit flexibler Bindung werden entlang der Strategiezyklen auch inhaltlich neu aufgestellt (What).

 

Was ODS ist – und was nicht

ODS ist kein Freifahrtschein für Ad-Hocismus und planloses Reagieren und keine Absage an langfristige Ausrichtungen. ODS ist ein strukturierter Rahmen, um in einer komplexen, dynamischen Umwelt gezielt und mit strategischem Kompass zu handeln.

  • Exploration und Zielorientierung schließen sich nicht aus: Die Strategische Absicht schafft Fokus.
  • Anpassungsfähigkeit ist kein Kleindenken: ODS ermöglicht auch große Entwicklungssprünge.
  • Chancen zu ergreifen ist kein Umweg – es ist der Weg: Strategie entfaltet sich durch konkretes Handeln im Moment.

Viele Organisationen arbeiten längst chancenorientiert – oft mit gemischten Gefühlen zu den überkommenen Roadmaps in der Schublade und ohne die Stringenz kontinuierlicher Entwicklung. ODS gibt dieser strategischen Praxis eine Sprache und Struktur. 

Ein schlüsselfertiges Paket liefert der Ansatz allerdings nicht. Es braucht Adaptierung und Interpretation der zentralen Bausteine. Nicht zuletzt braucht es auch ein Stück Kulturentwicklung: Dazu gehören Risiko- und Fehlerfreundlichkeit, die Fähigkeit, Neues zu erkennen und die Bereitschaft, Etabliertes aufzugeben. 

Ich halte sehr viel von der Opportunity Driven Strategy, baue an verschiedenen Stellen an ihrer Umsetzung und freue mich immer über gute Gespräche dazu!

Weiterführende Literatur

  • Hamel & Prahalad (1994): Competing for the Future
  • Hamel & Prahalad (2005): Strategic Intent – Harvard Business Review
  • Peter Skat-Rørdam (1999): Changing Strategic Direction
  • Witek-Crabb (2022): Stretch and Strategic Misfit
  • Strategy Works: Strategic Opportunity Management

Dieser und weitere Texte in Englisch: Lost Navigator

Autor Andi Knoth

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Kulturwandel von der Peripherie 

Kulturwandel von der Peripherie 

Organisationskultur ist ein schillerndes Wesen, das die Geister scheidet. Auf der einen Seite herrscht die Überzeugung, dass sich Kultur kaum bis gar nicht verändern lässt. Aus dieser Perspektive müssen wir sie akzeptieren wie die Klimazone, in der wir leben (und wo das unbefriedigend ist, greift die gute alte Hamburger Weisheit „Es gibt kein schlechtes Wetter, nur falsche Kleidung). 

Auf der anderen Seite finden sich ausgefeilte Gestaltungsansätze des Cultural Engineering, das die Veränderung prägender Denk- und Handlungsmuster durch systemische Interventionen verfolgt, und der Transformationalen Führung, die eine Ausrichtung durch Werte und Visionen ins Zentrum stellt. Vielfach wird dabei auf die „transformative Kraft der Symbole“ gesetzt: Hisse neue Flaggen, bring neue Geschichten ins Spiel, Konferenztisch raus, Bällebad rein und siehe da: auf dem Nährboden solcher Artefakte wächst eine neue Kultur. 

So einfach? Die Geschichtsbücher lassen es einfach erscheinen, denn in den 4000 Jahren organisierter Führungspraxis finden wir hunderte von Beispielen solch transformativer Veränderungen – ein beeindruckender Case. Was wir dort nicht finden, sind die Millionen Fälle, in denen Kulturwandel durch die Hintertür kam. Wenn wir den Haupteingang als Bühne der Transformation nutzen, müssen wir einen robusten Auftritt hinlegen. Das Problem mit robusten Auftritten ist, dass sie Sensibilität in gewisser Weise ausschließen. Proklamieren und Zuhören sind nicht gut unter einen Hut zu bringen. Wenn nun aber das Zuhören wichtig ist, um den Untergrund zu verstehen, könnte die Hintertür für den Kulturwandel durchaus eine interessante Alternative sein.

Meine erste Begegnung mit der Metapher des Guerilla Gardening im Kontext der Organisationsentwicklung war 2011 beim „oe-tag“, einer Fachkonferenz, die SOCIUS jährlich in Berlin ausrichtet. Im Fokus der Tagung standen Fragen der Organisationskultur. Zwei Kolleginnen, Anna Krewani und Kerstin Giebel, stellten in ihrem Workshop einen subversiven Ansatz der Kulturentwicklung vor, deren Kernidee lautet: statt Kultur mit großer Geste von oben zu verändern, suche nach den peripheren Räumen der Organisation und etabliere dort praktische Beispiele der gewünschten Zukunft, die ausstrahlen und inspirieren. Schöne kleine Dinge – Blumen im Beton. Ich habe in den letzten Jahren viel mit dieser Idee gespielt und experimentiert, war begeistert und frustriert und bin mittlerweile ein überzeugter Anhänger.

Die Wurzeln des Guerilla Gardenings liegen in der aneignenden Raumentwicklung. Die folgende Anleitung von reset illustriert das einfache Grundprinzip des Ansatzes in der urbanen Praxis:

 

  • Finde ein ungepflegtes peripheres Stück Land, eine Mauer, einen Baum – am besten in Deiner eigenen Nachbarschaft.
  • Entscheide, was Du pflanzen möchtest, und prüfe, ob Deine Wahl sinnvoll ist. Robuste Pflanzen und schnell wachsende Blumen sind ein guter Anfang.
  • Gemeinsam macht es mehr Spaß – finde Partner. Sprich mit Freund:innen und Nachbar:innen.
  • Baue Deinen Garten. Möglicherweise musst Du etwas fruchtbaren Boden mitbringen und die Gewächse nach dem Pflanzen unbedingt gießen.
  • Es kann ratsam sein, Deinen Garten vor den Herausforderungen des Stadtlebens zu schützen, möglicherweise mit einem improvisierten kleinen Zaun gegen Hunde und Füße.
  • Pflege Deinen Garten mit Liebe! Geh regelmäßig und gieße ihn.
  • Wenn die Dinge anders laufen als geplant, lass Dich nicht entmutigen! Sprich mit den Bewohner:innen! Die meisten von ihnen sind auf Deiner Seite und werden Dir zumindest moralische Unterstützung geben. Einige werden sich Dir vielleicht sogar anschließen!
  •  (Quelle: reset.org)

Das Guerilla Gardening Prinzip in der Organisationsentwicklung

Ich glaube nicht, dass ich diese kleine Anleitung in die OE-Sprache übersetzen muss – der Transfer fällt leicht. Und doch ist die Umsetzung in die Praxis der Entwicklung von Organisationen alles andere als trivial. Sie erfordert zunächst einmal viel Geduld.

Eine meiner ersten Erfahrungen mit dem Ansatz war in der Begleitung einer Bildungseinrichtung mit 50 Mitarbeiter:innen. Die Kultur der Organisation war auf allen Ebenen von Misstrauen und Angst geprägt und das Anliegen an uns, im Rahmen einer Leitbildentwicklung eine neue Qualität von Führung und Zusammenarbeit zu etablieren. Wir stellten der Leitungsrunde das Konzept des Guerilla Gardenings vor: Gemeinsamer Auftakt zum Sammeln von Druck- und Leidenspunkten; Erkundung der wiederkehrenden Muster und tieferliegenden Prägungen; und schließlich: Bildung von kleinen Gruppen zur Entwicklung dezentraler Experimente einer neuen Kultur der Zusammenarbeit. Trotz einiger Skepsis wurde der Vorgehensvorschlag angenommen. Wir waren zuversichtlich und bereit für ein kleines Wirkungswunder.

Der Prozess der Entdeckung dysfunktionaler Muster und möglicher Bausteine einer positiven Zukunft kam in Schwung. Doch als es dann an die Entwicklung der Guerilla-Gardening-Initiativen ging, blieb der Prozess ein wenig stecken. Die Leute waren vom Umfang der Dinge enttäuscht: ein regelmäßiges Team-Picknick im Park, eine Arbeitsgruppe, die neue Konfliktlösungsstrategien erkundet, ein Feedback-Fragebogen zu Erfahrungen guter Führungspraxis – die Ideen schienen wie Nadelstiche; einige der Pflanzen verdorrten, einige wurden zertrampelt; und doch überlebten einige. Erst viel später wurde uns klar, wie sehr der Prozess uns alle dazu gebracht hatte, die Muster, die Schwierigkeiten und die Visionen in der Organisation besser zu verstehen. Eine zweite Schleife führte zu noch besseren Ergebnissen, die Initiativen wurden mutiger und erhielten mehr Aufmerksamkeit. Im dritten Jahr formulierte die Organisation ein neues Leitbild, bei dem es nicht darum ging, politisch korrekte Schlagworte zu präsentieren, sondern die inhärenten Probleme zu umreißen, zu deren Bewältigung sich das Team und die Führung in ihrer Zusammenarbeit verpflichteten. Die Kultur hatte sich verändert – nicht durch zentrale Proklamation, sondern durch kleine, harmlose Experimente an der Peripherie.

Was passiert dann? Wie verändert das Experiment das ganze System? 

Die Guerilla Theory of Change gibt es in einer Reihe von Versionen.

Keimform – Lehren aus dem Neomarxismus

Die neomarxistische Theorie hat den Begriff „Keimform“ als eine soziale Praxis geprägt, die innerhalb der funktionalen Logik oder „Grammatik“ des dominanten Systems wirkt, aber dessen soziale Logik und Wertebasis untergräbt. Peer Commons und Share Economies sind Beispiele dafür: Sie funktionieren reibungslos innerhalb der Marktlogik von Angebot und Nachfrage, untergraben jedoch die Idee des Privateigentums an Produktionsmitteln (zumindest war das mal ihr Anspruch). Wenn sie in einer Krise des dominanten Systems aus ihrer Nische kommen, haben sie das Potenzial, sich in dominante Praxis zu verwandeln – der Prozess dazu führt vom Funktionswechsel über den Dominanzwechsel bis hin zur vollständigen Umstrukturierung des Systems. Im Organisations-Kontext lassen sich agile Modelle als solche „Trojanischen Pferde“ beschreiben, da sie unter der Voraussetzung eines schlanken und effizienten Managements funktionieren und dabei zugleich Ansätze von Selbstorganisation und Autonomie einführen (natürlich ist das ein zweischneidiges Schwert: es kann auch sein, dass Agile Methoden mit dem Ziel importiert werden, Selbstmanagement zu stärken und dabei „als Nebenwirkung“ neuen Leistungsdruck aufbauen).

Nischen-Regime-Interaktion – Lehren aus dem Transition Management

Eine zweite Variante den Impact lokaler Experimente zu beschreiben, ist die im Transition Management vorgestellte Nischen-Regime-Interaktion – ein Denk-Rahmen, der im Kontext des Nachhaltigkeitsdiskurses entwickelt wurde, um die Dynamik der „Großen Transformation“ zu beschreiben. Die Multi Level Perspektive des Transition Management Modells umfasst drei aufeinander bezogene Systemebenen:

  • die Landschafts-Ebene (Makro: breitere gesellschaftliche Trends und das relevante Systemumfeld),
  • die Regime-Ebene (Meso: dominante Strukturen, Kulturen und etablierte Praktiken des Systems selbst) und
  • die Nischen-Ebene (Mico: Experimente und innovative alternative Praktiken).

Bild: J. Broerse, VU Universität Amsterdam (https://slideplayer.com/slide/9791473/)

Das Transition Management geht davon aus, dass Regime mit einer evolutionären Logik funktionieren, erfolglose Experimente herausfiltern und nach und nach nützliche Innovationen auswählen und in ihre bestehenden Praktiken integrieren. Nischen sind sichere Umgebungen, in denen solche Innovationen wachsen können, geschützt vor dem Selektionsprozess. Der Druck aus der Landschaft ist der Schlüsselfaktor dafür, wie empfänglich (oder anfällig) das Regime für Nischeninnovationen ist (wird die Innovation das Regime ergänzen, reparieren, kitzeln oder stören?). Momente hoher Aufnahmefähigkeit sind Opportunitäts-Fenster, in denen radikale Innovationen zu Treibern des Wandels werden können. Wenn sie zu einer kritischen Masse akkumuliert und über verschiedene Subsysteme hinweg ausgerichtet werden, können sie das Regime transformieren oder sogar ersetzen (F. W. Geels, J. Schot / Research Policy 36 (2007) 399–417).

Der Guerilla Gardening-Ansatz kann durch die Linse dieses Modells als Nischen-Regime-Interaktion analysiert werden. Um als Veränderungsimpuls wirksamer zu sein, müssen dabei drei Bedingungen erfüllt sein:

  • Das lokale Experiment muss lange genug vor Leistungs- und Kontrolldruck geschützt werden, um eine kohärente neue Modellpraxis mit einem „bewährten“ Anstrich zu werden.
  • Der Moment, in dem die neue Praxis als Modelllösung vorgestellt wird, muss in ein Opportunitäts-Fenster fallen (z.B. eine etablierte Praxis liefert keine Antworten auf eine neue Herausforderung oder einen externen Druck mehr).
  • Die neue Praxis muss mit anderen innovativen Praktiken integriert und akkumuliert werden, um einen kritischen Impuls für die Transformation (zumindest eines Teils) des Systems zu bewirken.

Two Loops – Lehren aus der Living Systems Theorie

Eine weitere Landkarte der Systemveränderung, die zur Guerilla-Gardening-Idee passt, ist das Modell der Two Loops, das von Margaret Wheatley und Deborah Frieze am Berkana Institute entwickelt wurde. Das Modell beschreibt die Dynamik und die Rollen beim Übergang von einem System (in Transition Management-Begriffen: einem „Regime“) zu einem anderen. Wheatley und Frieze gehen davon aus, dass alle Systeme eine Aufbauphase, eine Hoch-Zeit und eine Abstiegsphase durchlaufen – in größeren gesellschaftlichen Systemen mag dies über einen Zeitraum von 250 Jahren geschehen, in Organisationen können Episoden, die von einem bestimmten Paradigma geprägt sind, auch mal nur ein paar Jahre andauern. Ein System am Anfang seines Lebenszyklus wird von „Stewards“ gepflegt. Unter der Decke seiner Hoch-Zeit (in Transition Management Sprache: in den „Nischen“) treten Pioniere auf den Plan, die Innovationen voranbringen. Werden diese Inseln verbunden und gestärkt, bilden sie den Nährboden eines neuen Systems. Dessen Aufstieg kann mit dem Niedergang des alten Systems zusammenfallen (wie in der Nachspielzeit des Römischen Kaiserreiches zu sehen: nicht immer ein schöner Anblick). Um zu vermeiden, dass das alte System einfach in sich zusammenbricht und verschwindet, ist Hospiz- und Kompostierungsarbeit erforderlich. Für den geordneten Übergang vom alten zum neuen Regime müssen die Landeplätze des neuen Systems beleuchtet und der geordnete Umzug gesteuert werden.

Bild: Berkana Institute

In Organisationen erleben wir die Two Loops Dynamik in Zeiten von Umweltstörungen, aber auch in Krisen, die mit Phasenübergängen einhergehen. So entsteht zum Beispiel beim Übergang von der Pionier- zur Kollektivphase der kollektive Impuls als (manchmal rebellische, manchmal reformistische) Subkultur, während das etablierte Führungsmodell möglicherweise noch fest im Sattel ist. Der fortschreitende Niedergang des Alten und die Stärkung des Neuen sind miteinander verflochtene Prozesse, die sich gegenseitig nähren. Irgendwann, wenn das neue Modell stark und kohärent genug ist, um vertrauenswürdig zu sein, ist das System bereit für den Übergang.

Allen drei Modelle gehen davon aus, dass Veränderungsimpulse im Untergrund des Systems entstehen. Sie zeigen auch, dass es sorgsame Praktiken und Adapterstückle braucht, damit diese subversiven Impulse im richtigen Moment ihre transformative Wirkung im System entfalten können.  

Autor Andi Knoth

(Original und mehr auf https://lost-navigator.net)

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Socius change essentials

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Auf die Straße, die Insel oder ins Kloster?

Auf die Straße, die Insel oder ins Kloster?

Strategiediskussionen in Organisationen, die wir begleiten, sind zunehmend von Spannungen gezeichnet. Wo um den „richtigen“ Wirkungsansatz gerungen wird, werden Diskussionen dabei leidenschaftlich und beherzt: Oft ist längst klar wogegen wir sind, aber wofür sind wir eigentlich? Und was genau braucht es, um das zu erreichen?

Während Wirkungsorientierung in den 2010er Jahren vor allem ein von großen Stiftungen getriebenes Thema war, gewinnt die Frage nach sozialen und gesellschaftspolitischen Wirkungen mit der zugespitzten Wahrnehmung der Polykrise neue Wucht. Wenn es fünf vor zwölf ist, sollten wir wissen, was sich durch unser bescheidenes Tun wirklich verändert. Und wenn alles mit allem zusammenknäult, müssen wir uns immer wieder vergewissern, was unsere Rolle und unser Beitrag auf dem Weg zu einer besseren Zukunft ist – wie auch immer wir sie definieren.

Verbinden wir die Linse der Wirkungsorientierung mit der Agenda gesellschaftlicher Transformation, öffnet sich der Blick auf die strategische Praxis sozialer Bewegungen – und damit auch auf das Dilemma ihrer konkurrierenden Komplementarität.

Tiefgreifender gesellschaftlicher Wandel erfordert Veränderung auf drei Ebenen:

  • Auf der Makroebene wird der Wandel des bestehenden Systems – neben der beharrlichen reformatorischen Arbeit in und an Strukturen – durch Widerstand und engagierten Kampf gegen etablierte Verhältnisse erwirkt – die „Straße“.
  • Auf der Mesoebene bieten gesellschaftliche Nischen Raum für ganzheitliche Experimente zur Entwicklung und Erprobung neuer sozialer Praxis – sei es in Conscious Communities, utopischen „Gewächshäusern“ oder Reallaboren – die „Insel“.
  • Auf der Mikroebene braucht es Räume persönlicher Entwicklung, um gesellschaftliche Transformation in neuen Praktiken und Haltungen individuell vorzubereiten und zu verankern – das „Kloster“.

Die drei Ansätze gehören zusammen: die Veränderung des Bestehenden macht ohne erprobte Alternativen keinen Sinn. Eine utopische Insel hat auf Dauer keinen Wert, wenn die Welt um sie herum in Flammen steht. Und eine neue Praxis, die mit überkommenen Gewohnheiten und (Schon)Haltungen ausgelebt wird, bleibt im Alten stecken. 

Das Zusammenspiel von Nischen und etablierten Systemen (Regimes) ist in der Multi-Level Perspektive gut beschreiben (Geels, 2022). Auch, wie Entwicklung auf individueller Ebene gesellschaftliche Entwicklung befruchten kann, liegt auf der Hand: Sowohl der Kampf als auch das Engagement in sozialen Innovationsräumen sind Booster persönlicher Entwicklung. Und: Kampagnen für systemischen Wandel brauchen einen Call to Action, der alle Akteur:innen in die Verantwortung nimmt, die soziale Reproduktion gesellschaftlicher Realität zu unterbrechen.

Die Forschung zu sozialen Bewegungen bestätigt diese Forderung nach integrierten Strategien: Bewegungen, die alle drei Ebenen verbinden, erwirken nachhaltigere Transformationen, als solche, die sich auf nur eine Ebene beschränken.

  • Als positives Beispiel integrierter Transformation lässt sich die von Gandhi geführte Indische Unabhängigkeitsbewegung betrachten. Sie wurzelt in der Grundhaltung der Satyagraha, deren Prinzipien in spirituellen Gemeinschaften (Ashrams) entwickelt und erprobt, dann innerhalb der Bewegung verbreitet und schließlich beharrlich in Kampagnen und Aktionen des gewaltfreien Widerstands ins System getragen wurden. 

  • Ein ähnliches Ineinandergreifen findet sich bei der Brasilianischen Landlosenbewegung (Movimento dos Sem Terra), die sich für radikale Landreformen einsetzt. Im Rahmen von Landbesetzungen werden neue kooperative Arbeits- und Lebensformen erprobt. Zugleich werden Aktivist:innen in Schulungszentren ausgebildet und auf die befreiungstheologisch und marxistisch inspirierten Haltungen der Bewegung orientiert. Mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen tritt die Movimento schließlich landesweit für Agrarreformen, gerechtere ländliche Entwicklung und rechtsstaatliche Prinzipien ein.
  • Auch die globale Umweltbewegung vereint alle drei Ebenen: Protestkontexte wie Fridays for Future auf der Straße, Ökodörfer und Regenerative Gemeinschaften als Inseln der Erprobung neuer Praxis und Nachhaltigkeits- und Umweltbildungsprogramme wie etwa „The Week“ als Ansätze von Bewusstseinsbildung und tiefgreifender Selbsttransformation (dabei sind die Ebenen nicht immer stringent miteinander verbunden: mitunter ist die Substrukturierung der Bewegung so stark, dass die Ansätze eigene Attraktorenbassins für unterschiedliche Zielgruppen bilden).  

In freier Wildbahn geraten die unterschiedlichen Transformations-Ansätze immer wieder in Konkurrenz: Conscious Communities lehnen den Kampf im System oft als verbitterte Selbstzerstörung ab, die in der Anti-Haltung auf das Bestehende fokussiert bleibt und im schlimmsten Fall durch politische Kompromisse von ihm korrumpiert wird. Widerstandsbewegungen beäugen utopische Projekte gerne als Eskapismus und Selbsttransformation als pseudo-aktivistisches Wellness-Programm. Menschen, die sich mit tiefer Transformation befassen, neigen dazu, Inner Work als wesentlicher zu betrachten, als die strukturellen Rahmen, die individuelle Entwicklung prägen. 

Die eingangs genannten Spannungen der Selbstverständigung werden von dieser Konkurrenz befeuert. Der Blick für das systemische Ineinandergreifen der drei Ebenen geht dabei oft verloren. Ja, Strategie ist die Kunst das Unwesentliche wegzulassen und einen klaren Fokus zu finden. Und-aber-auch: Nachhaltige Wirkungen in komplexen Systemen erfordern vielschichtige Interventionsansätze

Und wenn wir schon nicht alles alleine können, brauchen wir zumindest Ökosysteme oder Collective Impact Partnerschaften, in denen die Komplementarität der strategischen Ebenen zum Tragen kommt. Es geht nicht um die Alternative von Protest auf der Straße, Utopie auf der Insel oder Selbstentwicklung im Kloster – sondern um ihre sinnvolle Verbindung.

Autor Andi Knoth

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„Was hat Dich dazu gebracht, heute genau hier in dieser Fortbildung zu sein?“

„Was hat Dich dazu gebracht, heute genau hier in dieser Fortbildung zu sein?“

Claudia Fix ist Beraterin auf Zeit (BaZ) für Fundraising und Kommunikation in der Entwicklungszusammenarbeit, gelegentlich ist sie auch freiberuflich tätig. 2021 hat sie bei unserer Fortbildung „gOe! – gemeinnützige Organisationen entwickeln“ teilgenommen. Drei Jahre später haben wir sie interviewt: 

Was war für Dich ausschlaggebend, dass Du Dich für gOe! entschieden hast?

Ich hatte schon länger eine Weiterbildung in Organisationsentwicklung gesucht, weil ich einerseits ohne viele theoretische Grundlagen bereits in diesem Bereich gearbeitet habe und andererseits an neuen Perspektiven auf meine Arbeit interessiert war. Es gab dazu aber deutlich weniger interessante Fortbildungsangebote als im Bereich Coaching. Empfohlen hat mir Socius dann eine Freundin, deren Kollege an gOe teilgenommen hatte und sehr zufrieden war. Ich fand die Inhalte des Kurses interessant, das Format mit den vier Wochenenden innerhalb eines halben Jahres gut machbar und den Preis sehr fair (mit Frühbucherrabatt und Bildungsgutschein auch noch potentiell reduzierbar). Die beiden Referent*innen, Joana Ebbinghaus und Christian Baier, wirkten sowohl kompetent als auch sympathisch. Joana hat sich vorab noch fast zwei Stunden Zeit für ein persönliches Gespräch genommen, manches genauer erklärt und meine letzten Bedenken ausgeräumt, bei denen es um die Bezüge zur Gestalttherapie ging. Dass wir beide lange in der Entwicklungszusammenarbeit arbeiten, hat natürlich auch gleich eine Verbindung geschaffen.

Was war für Dich „das Highlight“ in der Fortbildung?

Das ist eine schwierige Frage, weil es eigentlich an jedem Wochenende mehrere Highlights gab. Ein echter Aha-Moment war die Einheit zu „Organisationskultur“: Wie sie definiert ist, wie man sie beschreiben kann und eine praktische Übung dazu. Ich hatte schon häufiger die Organisationskultur unterschiedlicher NRO analysiert, ohne jedoch eine klare Vorstellung des theoretischen Rahmens zu haben. Das hat mir sehr geholfen, meine eigenen Erfahrungen nachträglich einzuordnen und die Analysen, die ich nach gOe gemacht habe, zu schärfen.

Ein anderes Highlight war definitiv eine biografische Arbeit unter der Fragestellung „Was hat Dich dazu gebracht, heute genau hier in dieser Fortbildung zu sein?“ Wir haben das mit unterschiedlichen Materialien, mit Figuren, Knete, Stoffen, Fäden und noch einigem mehr, auf einem Brett visualisiert. Faszinierend fand ich nicht nur, dass mein eigener Berufsweg bis zu dem Punkt über diese Methode sehr viel klarer wurde, sondern auch, dass die Bretter sooooo unterschiedlich aussahen. Bis heute, also fast drei Jahre später, kann ich mich an die einzelnen Gestaltungen und viele Einzelheiten erinnern, die andere Teilnehmende zu ihren Lebenswegen erzählt haben.

Wirklich aufregend war natürlich auch das Praxisprojekt, das ich bei einer Berliner NRO gemacht habe, die ich vorher nur dem Namen nach kannte. Das Team gab uns ein sehr positives Feedback und hat mich zwei Jahren später angefragt, um eine Vorstandsklausur zu gestalten und zu moderieren.

Wie profitierst Du – hoffentlich – anschließend davon?

Ich profitiere ganz deutlich bei meiner Arbeit davon, auch wenn diese nur teilweise mit Organisationsentwicklung zu tun hat. Insgesamt ist mir sehr viel klarer, was für Organisationen wichtig ist, wie sie strukturiert sind, welches die häufigsten Fragestellungen und möglichen Konflikte sind.

Rund fünf Monate nach gOe hat ein Netzwerk, das ich schon kannte, mich gebeten, die dreitägige Klausurtagung zur Jahresplanung zu moderieren. Das war ziemlich anspruchsvoll, mit verschiedenen Konflikten auf unterschiedlichen Ebenen, aber am Ende waren wir alle mit dem Ergebnis zufrieden. Diese Gruppe war sehr dankbar für die verschiedenen Methoden, die sie vorher nicht genutzt hatte und die einige festgefahrene Diskussionen auf neue Gleise brachte. Die große Vielfalt an Methoden, die wir bei gOe zusätzlich zu den Inhalten gelernt haben, ist auf jeden Fall eine große Bereicherung für meine Arbeit. Leider habe ich im Moment zu wenig Zeit, um meine neuen Kenntnisse häufiger freiberuflich zu nutzen, aber ich hätte große Lust dazu.

Wem würdest Du gOe! empfehlen und warum?

Ich würde gOe zuallererst allen empfehlen, die in der Organisationsentwicklung arbeiten und auf der Suche nach neuen Erkenntnissen, Methoden und Inspirationen sind. Oder denen, die gerne in diesem Bereich arbeiten möchten, und ein solides Grundwissen brauchen. Ich halte gOe auch für Menschen in Leitungsfunktionen von gemeinnützigen Organisationen für sinnvoll, wenn sie neue Perspektiven auf die betriebliche Situation gewinnen möchten. Nicht zuletzt kann ich mir vorstellen, dass gOe auch für Ehrenamtliche in Vereinen eine gute Sache ist, gerade wenn es um Team-Entwicklung geht.

In unserer Achtergruppe kamen die Teilnehmer*innen aus ganz unterschiedlichen Arbeitssituationen – Freiberuflerinnen mit viel Erfahrung oder bei den ersten Schritten in die Selbstständigkeit, Angestellte mit und ohne Leitungsfunktion, ehemalige Geschäftsführende in einer beruflichen Umorientierung – und soweit ich weiß, waren wir alle sehr zufrieden mit den Inhalten von gOe.

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Desire Path – Das Informelle System als Entwicklungsanker

Desire Path – Das Informelle System als Entwicklungsanker

Für die Organisationsentwicklung sind Anleihen in anderen Disziplinen das Salz in der Sensemaking-Suppe: Sei es das zwischen Karte und Terrain aufgespannte Navigieren in der Nautik, das Geheimnis des kreativen Flows in der Kunst, das Zusammenwirken von Selbstheilung und Behandlung in der Medizin oder die Entwicklung von Betriebssysteme und Apps im Software-Engineering – mit jedem Bild öffnet sich ein anderes Fenster und eine andere Perspektive auf die Organisation. Dabei sind alle Metaphern – das hat Gareth Morgan eindrücklich beschrieben – immer hilfreich und unzulänglich zugleich.

Die Organisation der Stadt 

Für mich liegen einige der spannendsten Inspirationen für die OE in der Stadtentwicklung. Das Zusammenspiel von Design und Eigendynamik einer Stadt ist ein faszinierender Dialog. Städte und Organisationen sind sich vor allem in Bezug auf diese doppelte Natur recht ähnlich: Sie sind strukturierte Systeme von Regeln und Ressourcen und zugleich Organismen, die sich in ihrer eigenen Logik entwickeln und entfalten. 

Aus Sicht der Stadtplanung zeigt sich die Eigendynamik dabei oft von der widerspenstigen Seite: Man kann einen Flächennutzungsplan erstellen und eine Verkehrsinfrastruktur bauen, aber es ist deutlich schwieriger, die tatsächliche Nutzung von Räumen und Flächen zu steuern. Welche Art von Menschen und Unternehmen zuziehen und abwandern und damit Wachstum, Gentrifizierung oder Verfall einzelner Stadtteile bewirken, ist kaum zu kontrollieren. Man kann Wege durch einen Park anlegen, aber welche Pfade die Menschen tatsächlich einschlagen, zeigt sich erst mit der Zeit. Das Gleiche gilt für Organisationen: Man kann jemanden zur Leitung machen, aber wie stellt man sicher, dass er oder sie tatsächlich als Führungskraft akzeptiert wird? Man kann eine Wissens-Datenbank aufbauen, aber wie bringt man Leute dazu, ihr Wissen wirklich einzuspeisen? Man kann ein Qualitätshandbuch schreiben, aber wie wird ein Prozess verbindlich? Allzu oft weicht der tatsächliche Lauf der Dinge vom Formalen ab. Und das hat seinen Grund.

Die Dualität der Struktur

Stell Dir vor, Du gehst durch den Park. Es ist ein sonniger Tag und Du hast nichts weiter vor, als frische Luft zu schnappen. Der gepflasterte Weg, den Du entlangspazierst, mündet in eine Kreuzung mit einem anderen Weg, den Du nehmen willst. Im Normalfall gehst Du bis zur Kreuzung, nimmst die Kurve und spazierst auf dem neuen Weg weiter. 

Stell Dir nun die gleiche Szene an einem kalten Morgen vor, du bist auf dem Weg zur Arbeit. Du näherst Dich der Wegkreuzung und wirst vielleicht schon an der frühestmöglichen Stelle eine Abkürzung über den Rasen nehmen – das ist ökonomisch (was übrigens nicht dasselbe ist wie „menschlich“). Wenn Du die erste und einzige Person bist, die diese Abkürzung wählt, wird das Gras unter Deinen Schritten nachgeben und sich nach einigen Augenblicken wieder aufrichten. Wenn zehn andere am selben Tag diese Abkürzung wählen, wird eine kleine erdige Spur im Gras sichtbar. Diese Linie wirkt als Attraktor, als Einladung für andere, den Weg ebenfalls zu gehen, und sehr bald entsteht ein Trampelpfad.

 Die Mechanismen dieses Zusammenspiels werden von Anthony Giddens in seiner „Theorie der Strukturation“ beschrieben. Giddens verortet soziale Praktiken an der „untrennbaren Schnittstelle von Strukturen und Akteur:innen“. Gemäß der rekursiven Natur sozialen Lebens sind Strukturen dabei sowohl Medium als auch Ergebnis der Reproduktion sozialer Praktiken: Der Weg formt sich, wenn die Akteur:innen ihn gehen. Sie gehen ihn, weil sein struktureller Niederschlag als Attraktor wirkt. Giddens nennt dies die „Dualität der Struktur“.

Das Konzept erklärt, wie soziale Praktiken verstärkt werden, und wie sich dadurch Struktur bildet (die schlussendlich zu formalen Institutionen gerinnt). Es erklärt auch, wie diese Struktur untergraben wird, wenn Akteur:innen beschließen, sie zu ignorieren, zu ersetzen oder in Variation zu reproduzieren. Beide Bewegungen vollziehen sich schrittweise und fließend. Das Modell stellt dabei keinen spezifischen Moment in den Fokus, zu dem eine Regel oder Praxis formalisiert (oder aufgegeben) wird. Alle Ordnungen sind vorläufige Ordnungen. 

Segen und Fluch der Pfadabhängigkeit

Ein interessanter Aspekt der Entstehung von Pfaden ist das Zusammenspiel von individuellen und kollektiven Entscheidungen. In einer Tabula-Raza-Situation, in der ein System keine sinnvolle Substrukturierung, keine relevanten Attraktoren und keine etablierten Interaktionsmuster aufweist, handeln die Mitglieder allein gemäß ihrer individuellen Agenda. Im Jazz ist dies entweder das kakophone Chaos oder der Moment, in der alle darauf warten, mit was die anderen aufwarten. In der Gruppendynamik ist dies die Phase des Forming, in der Unsicherheit und mangelnder gemeinsamer Fokus durch einen klaren äußeren Rahmen ausgeglichen werden muss. Im Laufe der Zeit entwickeln die Akteur:innen dann Interaktionsmuster – im besten Fall „finden“ sie einen dynamischen Groove. Das System bildet dabei Substrukturierungen aus, die seinen Mitgliedern als Kontext gegenübertreten. Einige der entstehenden Muster verstärken sich, andere verschwinden schnell wieder oder werden unterdrückt. In dieser Phase ist das Verhalten sowohl individuell als auch systemisch bestimmt – die Akteur:innen bewegen sich mit ihren individuellen Absichten, werden aber auch von der Anziehungskraft verstärkter Muster beeinflusst. 

Der Moment emergenter Musterentstehung ist so kostbar, weil er nicht ewig andauert. Die auf ihn folgende Entwicklung ist in der Regel von fortschreitender Pfadabhängigkeit gekennzeichnet, bei der sich einzelne Bahnen der Interaktion zunehmend verfestigen. Handlungs- und Denkmuster, die eben noch im dynamischen Groove miteinander standen, bilden stabile, dominante Zonen aus, die Entwicklung nimmt feste Formen an, das System findet sein Flussbett und sein Fließgleichgewicht. Im extremen Fall wird die Homöostase zum „Lock-in“– das System friert ein und erstarrt. Wer schon einmal so ein Lock In auf einer Jam Session erlebt hat, weiß, dass die Fixierung auf eine Harmoniefolge für Spieler:innen und Publikum zum Fluch werden kann, der manchmal nur durch einen fast gewaltsamen modalen Bruch gestört wird, wenn jemand es nicht mehr aushält. 

Wenn wir in einem eingefrorenen System mit den Kräften der Emergenz arbeiten wollen, müssen wir Gruppen und Organisationen an den Punkt der relativen Offenheit und des dynamischen Fließens zurückzuführen (im obigen Bild Phase II). Hierfür stehen uns zwei Wege offen: Entweder wir warten, bis das System in eine Krise gerät, an seiner eigenen Starrheit zerbricht und sich nach kreativer Zerstörung neu zusammensetzt (eine Progression, die im Ecocycle beschrieben ist); oder es gelingt uns, es – in den Worten von Kurt Lewin – im laufenden Betrieb „aufzutauen“. Im Idealfall etablieren wir ein Modus, der es nie zur vollen Erstarrung kommen lässt: Keep the ground soft.

Exkurs: Kollektive Intelligenz (oder Makrointelligenz, die sich aus lokalem Wissen ableitet) lebt vom Zusammentreffen individuell motivierten Verhaltens mit sozialem Feedback. Eine Simulationssequenz veranschaulicht diesen Zusammenhang:

 Bild 1 zeigt eine virtuelle Parkanlage mit gekreuzten Gehwegen. Computergenerierte Avatare (schwarze Punkte), sind so programmiert, dass sie zufälligen individuellen Motiven folgen (z.B. von Ecke A nach C gehen; zur Mitte schlendern, dann zu Ecke B gehen usw.). Sie haben zudem eine Neigung dazu, Wegen zu folgen, die zuvor viel begangen wurden. Eine Nutzung führt zur Vertiefung des jeweiligen Weges, ein nicht genutzter Weg verschwindet mit der Zeit. Die Auswirkungen dieser Programmierung sind in den Bildern 2-4 zu sehen. Das Weg-System wandelt sich mit der Zeit zu einer neuen kompakteren Form. Für die einzelnen Avatare bedingt das resultierende Wegesystem in Abbildung 4 individuell minimale Umwege. Für das Gesamtsystem stellt es gegenüber der Ausgangsform eine verbesserte Variante dar, da es in Bezug auf die Gesamtweglänge optimiert ist. 

Die Simulation illustriert, wie individuelle Handlungen, die durch direkte oder indirekte Rückkopplung verbunden sind, ein kollektiv intelligentes System hervorbringen können. 

Weiterführende Einblicke hierzu finden sich in Steven Johnsons „Emergence – The Connected Lives of Ants, Brains, Cities, and Software“.

Der Pfad als Ausdruck von Bedürfnissen

Das deutsche Wort „Trampelpfad“ ist als Bezeichnung für einen informellen Fußweg eine etwas hässliche Erscheinung. Mir gefällt der poetische Begriff „Desire Path“ im Englischen deutlich besser. Er transportiert die Idee, dass jede Subversion ein Motiv markiert, das das formale System noch nicht berücksichtigt hat. Ein Desire Path deutet nicht auf Widerstand gegen das formale System an sich hin, sondern auf ein noch unentdecktes Potential des Systems. Ein Pfad sollte mithin kein Ärgernis, sondern eine wertvolle und willkommene Informationsquelle für Systemdesigner:innen sein. 

Zurück in den Park: Es kann sein, dass es dem Parkservice nicht recht ist, dass Du die Abkürzung über die Wiese nimmst. Man stellt also ein Schild oder eine Barriere auf. Das mag den einen oder die andere vom Rasen fernhalten, aber Schilder und Barrieren funktionieren nicht wirklich, wenn eine Abkürzung oder eine Attraktion stark genug ist. Also geht es einen Schritt weiter: man zieht einen Zaun oder stellt Park Security ein und verstärkt die Regulierungsmaßnahmen durch Sanktionen. Regulierung hat einen relativ geringen Wirkungsgrad, wenn es darum geht, intrinsische Motivation und kreative Dynamik in sozialen Systemen freizusetzen. Sie ist zudem auch psychologisch kostspielig, weil sie signalisiert, dass dies hier nicht wirklich Dein Park ist. Warum also solltest Du ihn pfleglich behandeln? 

Bilder: Applause for Design, Rienk Mebius

Alternativ lässt sich die Logik umdrehen: So wie in der Bionik technische Entwicklungen von der Natur inspiriert werden, lässt sich auch eine „Strukturbionik“ denken, bei der Entwickler:innen von in Pfaden abgebildetem Verhalten lernen. Wenn über eine unbefestigte Abkürzung zum Hauseingang immer wieder Dreck ins Treppenhaus gebracht wird, verlangt das eine Antwort. Die Antwort muss aber nicht darin bestehen, die Leute dazu zu bringen, die unpraktisch asphaltierte Zuwegung zu benutzen. Wir können ebenso gut die Abkürzung pflastern, um sie funktional zu machen.  Das informelle System wird so zum Anker der formalen Strukturierung. 

Dieser Design Ansatz lässt sich auch im größerem Maßstab denken: Wenn Du ein System von Gehwegen entwerfen willst, warte einige Zeit, um herauszufinden, wo die Menschen tatsächlich gehen, und lege aufgrund dieser Bewegungen das formale Wegsystem fest. Große Campusanlagen wie die Ohio State University oder die University of Toledo, Teile des Central Park New York sowie einige Wohnsiedlungen in Moskau wurden auf diese Weise gestaltet (letztere, indem man auf den ersten Schnee wartete, um festzustellen, wo die Bewohner:innen tatsächlich zwischen den Gebäuden und Zugängen laufen). Trampelfade als Ausdruck von Bedürfnissen ernst zu nehmen, kann durchaus sinnvolle Ergebnisse liefern.

Allerdings können wir dabei auch immer über das Ziel hinaus schießen. Ungeregelte Emergenz ist vor allem in interessenspluralen Systemen problematisch: nicht jede Entwicklung ist für alle Mitglieder der Organisation gleichermaßen vorteilhaft und nicht jeder Impuls mit dem Gesamtbild vereinbar. Nicht jeder ökonomische Trampelpfad ist dem übergeordneten Ziel dienlich, vor allem dann nicht wenn er eine Abkürzung darstellt, deren Kosten andere im System ausgleichen müssen. Insofern ist Emergenz nicht die alleinige Antwort, wir müssen die Aufgabe der Kuratierung ernst nehmen. Dies kann bedeuten, übergreifende Rahmen und Container zu schaffen, in dem die verschiedenen Impulse zu einem sinnvollen Ganzen zusammenfließen. Es kann auch bedeuten, transparente Wege zu finden, Optionen gegeneinander abzuwägen und auszuhandeln. 

Desire Path Praxis in der OE

Wie lässt sich das Desire Path Prinzip auf den Bereich der Organisationsentwicklung übertragen? Was können wir konkret tun, um diesem Ansatz Raum zu geben?

In der einfachsten Version einer Strukturentwicklung geht es darum, den Prozess für eine bestimmte Aufgabe (neu) zu gestalten. Der Desire Path Ansatzes so einer Prozessentwicklung läßt sich in fünf Schritten beschreiben:

1. Mapping der Formalstruktur: Identifiziere die bestehenden Regelungen (oder auch die Standard Operating Procedures) für die spezifische Funktion oder den fokussierten Prozess (Prozessbeschreibungen, Manuals, Regelungen zu Abläufen und Verantwortlichkeiten).

2. Mapping der Informellen Abläufe: Führe ethnographische und teilnehmende Beobachtungen durch, um zu erfassen, wie der fokussierte Prozess tatsächlich im Alltag ausgeführt wird.  

3. Interpretation: Identifiziere Faktoren, die die informellen Praktiken motivieren. Erkläre die Abweichungen zwischen formellen Regelungen und informellen Praktiken (z.B. in Bezug auf Attraktoren und Bedürfnislagen).

4. Bewertung: Unterscheide zwischen funktionalen und dysfunktionalen informellen Praktiken. Wo handelt es sich um eine Abweichung von der Formalstruktur, die das Ergebnis besser macht? Wo unterlaufen Akteur:innen mit den informellen Praktiken die übergeordneten Ziele des Systems? Wie kann damit umgegangen werden?

5. Integration: Etabliere einer neue Formalstruktur, die die funktionalen informellen Praktiken einbezieht und praktikable Alternativen zu den dysfunktionalen Praktiken bietet, bei denen die zugrundeliegenden Motive berücksichtigt werden.

Dieses Vorgehen muss dabei nicht auf Prozesse beschränkt bleiben, sondern kann in ähnlicher Weise auf mikropolitische Felder und Rollengefüge (wer sind die tatsächlich Führenden?) oder emergente Strategien (was „tut“ die Organisation wirklich?) angewandt werden. 

In jedem Fall wird dabei das klassische Vorgehen auf den Kopf gestellt: Es geht nicht mehr darum, wie wir Strukturen durch Verhaltensregulierung festigen können, sondern wie wir durch Beobachtung von Verhalten sinnvolle Strukturen gestalten und etablieren.

Während eine so gefundene neue Formalstruktur das kollektive Handeln hoffentlich besser und reibungsloser kanalisiert, ist auch sie vorerst auch nur ein zartes Pflänzchen und zugleich nur eine vorläufige Ordnung. Die klassische Organisationsentwicklung fokussiert den Akt der pointierten Formalisierung. Irgendwann fällt die Entscheidung über erin Modell und damit ist es besiegelt. Es ist durchaus denkbar, dass diese Faszination mit formaler Strukturierung am Kern der Sache vorbei geht: Eine Struktur kommt nicht dadurch ins Leben, dass wir sie in einem Organigramm festhalten. Eine Struktur existiert, wenn sie durch wiederholte Praxis reproduziert wird. 

Meiner Erfahrung nach sind die meisten Organisationen, die Unterstützung in der Organisationsentwicklung suchen, bereit, in die Entwicklung neuer Strukturen zu investieren, gehen aber davon aus, dass der Umsetzungsprozess quasi von alleine funktioniert. Die Annahme dahinter lautet: Wenn die Mitarbeitenden in den Gestaltungsprozess eingebunden sind, haben sie Ownership und werden bei der Umsetzung mit voller Kraft mitziehen. Zwar ist die Einbeziehung der von einer Entwicklung Betroffenen sicher alternativlos, aber Beteiligung allein garantiert nicht die reibungslose Umsetzung. Es braucht einen unterstützten Prozess der Einübung neuer Praktiken. Neue Pfade müssen sich eintreten und können sich dabei auch noch verändern.

Autor Andi Knoth

 

 

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Was hilft beim Abbau von Hierarchien?

Was hilft beim Abbau von Hierarchien?

Ob wir Teams und Organisationen auf dem Weg zur Selbstorganisation begleiten oder unseren eigenen Prozess bei Socius reflektieren: Macht ist dabei immer wieder ein Thema, das einerseits dringlich besprochen werden will, andererseits oft auch viel Unbehagen mit sich bringt. 

Macht haben meistens „die anderen“, bei uns selbst nennen wir es lieber „Verantwortung“. Macht hat etwas mit Hierarchien zu tun, und die wollen wir mindestens verringern, wenn nicht gar gleich ganz abbauen; viele von uns verbinden mit dem Begriff der Macht vor allem Machtmissbrauch.

Zwar gibt es schon viele Beiträge, in denen Macht positiv besetzt wird: Gestaltungsmacht, geteilte Macht, Entscheidungsmacht, Macht mit anderen zu haben, statt Macht über sie (“power with instead of power over”). Macht bringt Freiheit mit sich (und kann Freiheit einschränken). Oder wie Hannah Arendt es sagt: „Macht entspringt der menschlichen Fähigkeit, nicht nur zu handeln oder etwas zu tun, sondern sich mit anderen zusammenzuschließen und im Einvernehmen mit ihnen zu handeln. Über Macht verfügt niemals ein Einzelner; sie ist im Besitz einer Gruppe und bleibt nur solange existent, als die Gruppe zusammenhält“ und sie führt weiter aus, dass die Macht von Einzelnen, ihnen stets von einer Gruppe verliehen wurde. 

Uns mit unserer eigenen Macht auseinanderzusetzen ist Teil der #innerwork, die in der Selbstorganisation so wesentlich ist. 

Mit der eigenen Macht gilt es verantwortungsvoll umzugehen. Für jede*n einzelne*n ist das wahrscheinlich klar und in selbstorganisierten Teams bedienen wir uns gerne der Arbeit mit Rollen und dem Rollenboard um sowohl Macht als auch Verantwortung im Team gleichmäßiger zu verteilen. 

Wir haben also eine ganze Menge an Instrumenten, die uns im Team helfen können, Macht zu verteilen, über Machtunterschiede zu reflektieren und einen bewussten Umgang damit zu finden. 

Und gleichzeitig erleben wir sowohl bei uns bei SOCIUS als auch bei den Organisationen und Teams, die wir begleiten, dass der Umgang mit und der Austausch über persönliche Macht immer wieder eine große Herausforderung ist. 

Strukturelle Machtverhältnisse ansprechen

Mir z.B. fällt es immer noch schwer, die strukturellen Machtverhältnisse und -ungleichgewichte z.B. zwischen Männern* und Frauen* anzusprechen, wenn doch die Männer* mit denen ich das besprechen müsste, so feine, aufgeschlossene Menschen sind, und ich Sorgen habe, dass sie sich angegriffen fühlen, wenn ich “einfach nur” eine Dynamik reflektieren will. 

Dass mir das so schwer fällt, liegt in der Regel daran, dass es nicht um eine (1) Dynamik geht, sondern meist um eine Vielzahl. Und während wir über strukturelle Machtverteilung zwischen Männern* und Frauen* sprechen, spielen gleichzeitig vielleicht das Lebensalter, die Ausbildungssituation, biografische (Diskriminierungs-)Erfahrungen und etliche andere Dimensionen, die uns strukturell mit Macht ausstatten (oder nicht), eine Rolle.
In Organisationen sind das neben den persönlichen und gesellschaftlich strukturellen, oft auch Funktionen/Positionen, die betitelt sind und gesellschaftlich mit einem angesehenen Status einhergehen.
In unserem Team haben wir uns vor einige Jahren von den Begriffen Geschäftsführung und Vorständ*innen getrennt, weil wir gemerkt haben, dass diese nicht nur Außenwirkung haben, sondern auch nach innen wirken. Heute sind alle Berater*innen, die Genossenschaftsmitglieder sind, *vertretungsberechtigt* für die Genossenschaft, und haben damit einerseits rechtlich dieselben Rechte und andererseits dieselbe Verantwortung. Auf der formalen/strukturellen Ebene haben wir die Macht in unserer Organisation geteilt. 

Gleichwohl bleibt die Herausforderung die gesellschafts-strukturellen Dimensionen, die uns so persönlich betreffen, auch besprechbar zu machen.
Um diese Herausforderung leichter meistern zu können, ist die Arbeit zum Thema Rang von Arnold und Amy Mindell von großem Nutzen. 

Rangdynamik aus der Prozessarbeit

In der Prozessarbeit nach Arnold und Amy Mindell bezieht sich der Begriff „Rang“ auf eine dynamische Position oder Rolle, die Menschen innerhalb eines Systems oder einer Gruppe einnehmen. Das Konzept des Rangs ist eng mit der Idee der Macht verbunden, aber es bezieht sich nicht nur auf formelle Autorität oder Hierarchie, sondern auch auf informelle Einflüsse und Dynamiken.

In einer Gruppe oder einem System können Personen unterschiedliche Ränge einnehmen, die sich aus verschiedenen Faktoren ergeben, wie zum Beispiel persönliche Eigenschaften, soziale Positionen, Fachkenntnisse, biografische Erfahrungen oder emotionale Ausdrucksfähigkeit. 

Personen mit höherem Rang haben oft mehr Einfluss oder Autorität in einer Gruppe, während Personen mit niedrigerem Rang möglicherweise weniger Einfluss haben oder von anderen dominiert werden.

Ein wichtiger Aspekt von Rang in der Prozessarbeit ist die Anerkennung und das Bewusstsein für die verschiedenen Ränge innerhalb einer Gruppe. Hierbei geht es nicht darum, dass höhere Ränge von niedrigeren still gewürdigt werden, zumal es eine Reinfom von hoch-/niedrigrangig ohnehin nicht gibt, sondern darum, dass wir anerkennen, dass wir uns je nach Kontext in unterschiedlichen Ränge begegnen. 

Probleme können auftreten, wenn Rangunterschiede nicht erkannt oder nicht reflektiert werden, was zu Konflikten, Unterdrückung oder Ausgrenzung führen kann. Die Wahrnehmung von Rangunterschieden ist für Menschen in niedrigen Rängen deutlich klarer spürbar als für solche in höheren. Besonders “verwirrend” wird es, wenn die Ränge in unterschiedlichen Dimensionen dynamisch miteinander „spielen“. 

Wenn Ränge miteinander spielen

Als Juristin mache ich seit vielen Jahrzehnten die Erfahrung von umfangreicher Anerkennung, sobald ich äußere, dass ich zwei Staatsexamen gemacht habe und im familienrechtlichen Kontext gearbeitet habe. Mit einer solchen Äußerung kann ich mich (z.B in unbekannten Settings) umgehend in eine höhere Rangposition bringen, in der ich mich sicherer fühle.

Im Team von SOCIUS habe ich den Eindruck, dass mein Studium im Alltag überhaupt keine Rolle spielt und in *meiner* Rangwahrnehmung ist die Kollegin mit dem Master in Organisationsentwicklung ausbildungsmäßig deutlich höherrangig als ich. Weil ich aber schon viel länger bei SOCIUS bin und schon länger lebe als sie, also neben Lebenserfahrung auch mehr Erfahrung in der Begleitung von Organisationsentwicklungsprozessen habe, nimmt sie mich als deutlich höherrangig wahr, währenddessen ich denke, dass sie im Gegensatz zu mir jahrelang in einer großen staatlichen Organisation als Leitungskraft gearbeitet hat und hier eine Berufserfahrung mitbringt, auf die ich nicht zurückgreifen kann. 

Wir sind also oft beide darum bemüht, den niedrigeren Rang gegenüber der anderen wahrzunehmen. Mit dieser Dynamik stehen wir uns im Zweifel selbst und gegenseitig im Weg. 

Ziel der Prozessarbeit

Ein Ziel der Prozessarbeit ist es, die Dynamiken von Rang in einer Gruppe bewusst und damit besprechbar zu machen und Möglichkeiten zu schaffen, wie Menschen mit unterschiedlichen Rängen respektvoll und konstruktiv miteinander interagieren können. Dies kann dazu beitragen, ein unterstützendes und gleichberechtigtes Umfeld zu schaffen, in dem alle Mitglieder der Gruppe ihre Fähigkeiten und Perspektiven einbringen können.

Besonders wichtig ist hier der Aspekt der dynamischen Position, was in lebendigen Systemen dazu führt, dass viele von uns gleichzeitig unterschiedliche Ränge haben und diese eben miteinander „spielen“. 

Die Prozessarbeit schenkt uns mit ihren Betrachtungen zum Thema „Rang“ eine gute Möglichkeit Macht und Hierarchien – die außerhalb des Formellen liegen – bewusst und besprechbar zu machen, und damit insbesondere in selbstorganisierten Settings eine Sprache zu finden dafür, dass Ränge auch noch wirksam sind, wenn wir formal gleichgestellt sind.

Rangtypenbeschreibung

Soziale Identität (sozialer Rang)

Sozio-ökonomischer Status, Herkunft und Familie: Status, Region, Sprache, Land und seine Geschichte, soziale Integration, Ausbildung, Beruf und Ausübung des Berufs; Einkommenssituation; Geschlechtsidentität, sexuelle Orientierung; Familienstand; Erscheinungsbild (Größe, Gewicht …), Hautfarbe, Gesundheitsstatus usw.

Persönliche Kraft

(Kombination aus psychologischem und spirituellem Rang)

Gelernte und erworbene persönliche Eigenschaften und Ressourcen; Kreativität; Durchhaltevermögen; Selbstbewusstsein; Reflektionsfähigkeit; Introvertiertheit-Extrovertiertheit; Fähigkeiten, Freund*innen zu finden und sich in Gruppen „zu bewegen

Strukturell-informeller Rang

Stellung / Position in der Gruppe; Zugehörigkeit; Anerkennung und Wertschätzung; Einbindung im Netzwerk, Besondere Fähigkeiten und Verhaltensweisen in der Gruppe

Quelle für die Übersicht der Rangtypen: Institut für Prozessarbeit

Autorin Nicola Kriesel

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Minimum Viable Structure

Minimum Viable Structure

Wieviel Struktur braucht gelingende Selbstorganisation?

Jazz ist eine in vieler Hinsicht faszinierende Angelegenheit: Als Gegenstück zum symphonischen Korsett gefügter Partituren und dem Streben nach standardisierter Präzision ist er Sinnbild für den emergenten Fluss gemeinsamer Entwicklung. Die schillernde Jazz-Metapher hat Arbeiten von Karl Weick, Mary Jo Hatch und anderen inspiriert und den rationalistischen Managementdiskurs des letzten Jahrhunderts nachhaltig aufgemischt. Aktuell wird Jazz gerne als Bild gelingender spontaner Interaktion im Diskurs der Selbstorganisation bemüht. Wo Freiheitsgrade dabei in Antithese zur Struktur gestellt werden, schießt die Metapher manchmal auch über ihr Ziel hinaus.

Dass Jazz in besonderer Weise auf freien Formen des Zusammenwirkens und Improvisation basiert, trifft in jedem Fall zu. Aber natürlich hat er Strukturen – wenn auch manchmal nur in minimaler Form. Zu ihnen gehören Rhythmen, Tonarten und Akkordfolgen mit ihren Skalen als Bezugsrahmen der Improvisation. Jenseits des Free Jazz stellt dabei der Fundus an Jazz-Standards, den die meisten erfahrenen Jazzmusiker:innen zumindest teilweise inhaliert haben, eine gemeinsame Spielfläche dar. Die Interaktions- und Impulsdynamik regelt schließlich ein Codex, der beschreibt, wie in einer Session individueller Lead (Solo) und Background-Support (Comping) sequenziert werden, und wie sich Präsenz auf der Bühne flüssig und gleichgewichtig verteilt. Wenn sich alle dieser Spielregeln und Bezugspunkte bewusst sind (oder zumindest für sie sensibilisiert sind) und auch im experimentellen Modus auf sie zurückgreifen können, fließt Jazz. Wenn die Spielenden diese Konventionen nicht kennen oder ignorieren, wenn die strukturelle Offenheit für Ego-Shooting, exzessive Musterunterbrechungen oder Stimmen-Konkurrenz missbraucht wird, bricht der Flow schnell zusammen.

DIE TYRANNEI DER STRUKTURLOSIGKEIT 

Abgesehen von solchen Rahmungen und Soft Structures gibt es in jedem System informelle Strukturen. In den frühen 1970er Jahren brachte Jo Freeman eine kontroverse Kritik am Modell der „strukturlosen Gruppe“ innerhalb der feministischen Bewegung vor. In ihrem Aufsatz The Tyranny of Structurelessness argumentiert sie, dass das Fehlen formaler Strukturen und Hierarchien die unvermeidliche informelle Machtdynamik nur verschleiert.

 „Eine ‚laissez faire‘-Gruppe ist ungefähr so realistisch wie eine ‚laissez faire‘-Gesellschaft; die Idee wird zum Deckmantel für die Starken oder die Glücklichen, um eine unangefochtene Hegemonie über andere zu etablieren. Diese Hegemonie lässt sich so leicht errichten, weil die Idee der ‚Strukturlosigkeit‘ die nicht Bildung informeller Strukturen, sondern nur die formeller Strukturen verhindert. (…) Solange die Struktur der Gruppe informell ist, sind die Regeln, nach denen Entscheidungen getroffen werden, nur einigen wenigen bekannt, und das Herrschaftswissen ist auf diejenigen beschränkt, die die Regeln kennen“. (Freeman, 1971)

Das Hauptargument von Freeman ist klar und bestechend: Während informelle Macht keine Verpflichtung zur Verantwortung gegenüber der Gruppe als Ganzes beinhaltet, geht formalisierte Autorität immer mit ihrer Kehrseite einher – der Rechenschaftspflicht. Insofern ist es vorzuziehen, eine transparente formale Hierarchie zu etablieren (gerne auch themenbezogen oder in Rotation), als eine intransparente informelle Hierarchie entstehen zu lassen. Ein ähnliches Argument hat Max Weber in Bezug auf die Bürokratie gemacht: Der Fortschritt der Bürokratie besteht darin, dass sie willkürliche Herrschaft aufhebt und durch rationale Macht ersetzt, wodurch der Missbrauch von Macht, Privilegien und Diskriminierung eingeschränkt wird. Im besten Fall verbindet ein gut strukturiertes System also Macht mit Verantwortlichkeit.

In weiten Kreisen des liberalen und linken Spektrums herrscht trotz dieser Erkenntnis ein Misstrauen gegenüber formalisierten Strukturen: Struktur engt Freiheit ein, erstickt Initiative und erscheint generell als Gegenteil von Selbstbestimmtheit. Diese Position kommt prägnant in einem Artikel zum Ausdruck, der als Reaktion auf Freemans Position in der Anarchistischen Bibliothek unter der Überschrift Die Tyrannei der Tyrannei veröffentlicht wurde:

„Was wir definitiv nicht brauchen, sind noch mehr Strukturen und Regeln, die uns einfache Antworten und vorgefertigte Alternativen liefern, aber keinen Raum bieten, in dem wir unser Leben selbst gestalten können“ (Levine, 1979).

So sehr sich hier Resonanz zur Klaustrophobie der symphonischen Welt einstellt, so deutlich klingt die wichtige Rolle der minimalen Strukturen im Jazz nach. Gelingende Interaktion – auch im Kontext von Selbstorganisation – erfordert strukturelle Rahmen und Rollengerüste. Ralph Stacey stellt hierzu treffend fest: 

„Die Bedeutung von Selbstorganisation und der daraus entstehenden kollektiven Ordnung wird leicht missverstanden. Im Kontext von Organisationen neigen wir dazu, Selbstorganisation mit Selbstermächtigung oder schlimmer noch mit Regellosigkeit gleichzusetzen, in der jeder alles tun kann – was zu Anarchie führt… Selbstorganisation ist keine Regellosigkeit, sie ist genau das Gegenteil davon“. (Stacey, 2010)

ATTRAKTOREN IN SELBSTORGANISIERENDEN SYSTEMEN

Systemdynamisch gesehen hat Struktur zwei Gesichter: Strukturen stabilisieren ein System und machen es resilient gegen Umweltstörungen; gleichzeitig hemmen sie als stetig wachsende Betondecke (Struktur brütet mehr Struktur) zunehmend seine Anpassungs- und Entwicklungsfähigkeit. Als emergente Muster sind sie das Ergebnis von Selbstorganisation, als sedimentierte Konfigurationen sind sie ihr Feind. Was genau passiert dazwischen? Ein kleiner Ausflug in die Systemdynamik.

Selbstorganisation ist der Prozess, durch den Ordnung aus lokalen Wechselwirkungen zwischen Teilen eines ursprünglich ungeordneten offenen Systems entsteht. Wie diese Definition zeigt, geht es hier weder um einen absichtlichen oder gar zielgerichteten Gestaltungsakt noch um eine bestimmte resultierende Konstellation. Egal, ob im Kontext natürlicher oder sozialer Phänomene, der Prozess der Selbstorganisation folgt den Mechanismen der Systemdynamik: In dem Maße, wie ein offenes System Energie mit seiner Umwelt austauscht, erhält es Impulse, die seine Ordnung in Frage stellen und stören. Interne Rückkopplungsschleifen des Systems wirken sich dabei auf unterschiedliche Weise auf diese Störungen aus: Während negative Rückkopplungsschleifen das Gleichgewicht des Systems schützen (indem sie äußere Impulse dämpfen), verstärken positive Rückkopplungsschleifen sie und laden so zu einer eskalierenden Systemveränderung ein. Es kann dabei entweder zur systemweiten Transformation oder zur internen Differenzierung kommen.

Die Wirksamkeit dieser Gesetzmäßigkeiten in Systemen bedeutet nicht, dass sie nicht von außen manipuliert werden können: So wie die angewandte Physik Selbstorganisation in Energie- und Materiesystemen zu lenken sucht (z. B. um Laserstrahlen zu erzeugen), ist die Biologie bemüht, die Musterbildung in Bakterienkolonien zu steuern, während ein Teil der angewandten Sozialwissenschaft nach Wegen sucht, Diskurse und kollektives Handeln in Gruppen und Gesellschaften zu beeinflussen. Wenn wir gelingende Selbstorganisation befördern wollen, müssen wir in ähnlicher Weise die Musterbildung im System moderieren.

Um die Entstehung von Verhaltensmustern in offenen nichtlinearen Systemen zu verstehen, ist es hilfreich, sich mit dem Konzept von Attraktoren vertraut zu machen. Ein Attraktor markiert einen bestimmten Bereich in der Karte möglicher Systemzustände. Die vollständige Karte wird als „Zustandsraum“ bezeichnet. Der Attraktor beschreibt die Menge der Zustände innerhalb dieses Raums, zu denen das System auf natürliche Weise tendiert. Dabei kann es sich um einen einzelnen Gleichgewichtspunkt (z.B. den tiefsten Punkt eines Wasserbasins), eine Linie (z.B. die Umlaufbahn eines Planeten um die Sonne) oder sogar um einen sich ständig ändernden Pfad handeln (z.B. ein Eiswagen, der sich durch ein Stadtviertel bewegt – in der Systemtheorie poetisch Strange Attractor genannt).

Je nach Stärke der Attraktoren weist das System mehr oder weniger „Rauschen“ auf, also Systemzustände, die nicht zum Attraktorensatz gehören und somit das „Mainstream“-Verhaltensmuster verwischen (nebenbei bemerkt: dieses Rauschen ist eine der Voraussetzungen für Innovation). Im Jazz ist einer der Hauptattraktoren die verwendete Akkordfolge – sie definiert eine Reihe von Skalen mit Tönen, die das Rückgrat der Musik bilden. Die Spieler:innen können von diesem Pfad abweichen und Töne außerhalb der Skala verwenden, um kreative Spannung aufzubauen. Wenn dies überstrapaziert wird, schlägt die Spannung in dissonantes Chaos um. Womit wir wieder bei den minimalen Strukturen sind…

STÜTZSTRUKTUREN

Die Idee der Minimum Viability geht auf Eric Ries‘ Konzept des Minimum Viable Product (MVP) zurück, das „nur die Merkmale aufweist, die den Release des Produkts ermöglichen, und nicht mehr“. Eine Übertragung auf die Gestaltung sozialer Systeme wurde im Rahmen des Agilitätsdiskurses etwa mit der Idee der Minimum Viable Bureaucracy (MVB) vorgestellt. Hierbei geht es darum, genau so viele Prozesse zu etablieren, dass Systeme funktionieren, aber nicht so viele, dass sie schwerfällig werden.  Das Konzept der Minimum Viable Structures bezieht sich nicht auf Produktfeatures oder Prozesse, sondern auf stabile Konfigurationen überhaupt. Es fragt, mit wie viel Fluidität wir leben können und wollen und wo Rankgitter nötig sind, um eine bestimmte Ordnung oder ein bestimmtes Handlungspotenzial aufrechtzuerhalten. 

So wie Tonleitern nicht vorschreiben, welche Note zu welchem Zeitpunkt zu spielen ist, schreiben Rankgitter nicht vor, wie Pflanzen wachsen – sie bieten lediglich einen unterstützenden Rahmen für fruchtbares und produktives Wachstum. Sie sind Stützstrukturen (Scaffolding Structures), die sich in den Worten der Forschungsgruppe MD als „Design höherer Ordnung bezeichnen lassen.

Sie ermöglichen es, „Emergenz zu nutzen, anstatt zu versuchen, sie entweder wegzuplanen oder sie als Unvollkommenheit unserer Vorhersagetechniken zu betrachten. Wir sind mit Emergenz konfrontiert, also sollten wir herausfinden, wie wir sie nutzen können! Die Idee ist, das Design auf die Strukturen auszurichten, die die Dynamik des Systems steuern, und nicht auf die Ergebnisse selbst: Wir bezeichnen solche Strukturen als Stützstrukturen“. (MD-Manifest/Emergencebydesign, 2018)

Ich stelle im Folgenden zwei relevante Arten solcher Stützstrukturen vor: Gestaltungsprinzipien, die die Grundlage für Praktiken im Einklang mit der gemeinsamen Wertebasis bilden; und Adapterpraktiken, die auf Vereinbarungen und Standards beruhen, mit denen Kompatibilität und reibungslose Zusammenarbeit innerhalb des Systems gewährleistet wird.

GESTALTUNGSPRINZIPIEN

Die erste Art von Stützstrukturen sichert die Integrität der kollektiven Wertebasis und die Abgrenzung zur Umwelt, mithin die Identität des Systems. 

Attraktoren sind nicht notwendigerweise das Ergebnis bewusster Organisationsgestaltung. Sie ergeben sich häufig auch aus der Einbettung in Systeme höherer Ordnung. So können beispielsweise kulturelle Normen oder auf einem Markt vorherrschende Strategien die Verhaltensdynamik auf Organisationsebene prägen. Bewusst gestaltete Strukturen schirmen Organisationen vor solchen Umwelteinflüssen ab und schaffen neue Attraktoren, die eine gewünschte interne Entwicklung fördern. Ein praktisches Handwerkszeug für diese Gestaltungsarbeit findet sich in der Operating System Canvas, die von The Ready entwickelt wurde. Sie fußt auf folgender Logik: Für jede Funktion, die wir nicht bewusst gestalten, werden wir höchstwahrscheinlich die dominante Lösung unserer Umwelt „erben“. Wenn wir unser Vergütungsmodell nicht bewusst (zum Beispiel bedarfsorientiert) gestalten, werden wir wahrscheinlich auf die „normalen“ leistungsbezogenen Vergütungsmodelle zurückgreifen. Wenn wir nicht bewusst eine rotierende oder verteilte Machtstruktur etablieren, werden wir höchstwahrscheinlich die klassischen Führungskonstellationen (und mit ihnen die bekannten Verantwortungsengpässe und Machtkonflikte) erben. Gleiches gilt für Entscheidungsmodelle und vieles mehr. Es ist dabei sinnvoll, sich auf die Aspekte zu konzentrieren, die für unseren Purpose und unsere Wertebasis von besonderer Bedeutung sind. Die Grundlagen dieser Aspekte werden in den Gestaltungsprinzipien (Core Principles) kodifiziert.

ADAPTERPRAKTIKEN

Die zweite Gruppe relevanter Stützstrukturen in selbstorganisierten Systemen ist eher funktional: Sie bezieht sich auf die Kompatibilität der Beiträge innerhalb des Systems. Da eine der Kerneigenschaften der Selbstorganisation ein hohes Maß an Autonomie der Untereinheiten ist, sind Standards und Prozesse, die das Zusammenspiel dieser Einheiten strukturieren, unabdingbar

  • Wo werden Informationen gespeichert?
  • Was sind Koordinationspunkte und Gefäße der gemeinsamen Abstimmung?
  • Wie werden die Einheiten und Rollen beauftragt und wie werden sie für ihre Aufgabenerfüllung zur Rechenschaft gezogen?
  • Welche Standards muss ein interner Service oder ein internes Produkt erfüllen, um nutzbar zu sein?
  • Wie sehen Entscheidungsprozesse aus, wenn mehr als eine Einheit beteiligt ist?
  • Wie definieren wir gemeinsame Schlüsselkonzepte und Metriken?

Diese und weitere Fragen wollen beantwortet werden, damit ein lose gekoppeltes System von Einheiten synergetisch und reibungslos zusammenarbeiten kann. Auch hier geht es nicht darum, alles zu standardisieren, sondern die kritischen Punkte herauszuarbeiten, die das Zusammenwirken befördern. Methodisch findet sich für diese Arbeit einiges im Handwerkskasten der Prozessentwicklung, z.B. im Bereich der Smart Structured Workflows, die ad hoc dezentral getriebene und verbindlich strukturierte Prozesselemente verbinden.

Wo landen wir nun? Strukturlosigkeit ist eigentlich nicht denkbar – Struktur ist einfach immer da, in der Musik wie in der Organisation. Wir können uns lediglich bewusst zu machen, wie wir Strukturen hilfreich gestalten und wie wir uns souverän in ihnen bewegen. Dass dabei nicht möglichst viel, sondern möglichst wenig regulierte Verbindlichkeit ins Spiel kommt – gerade genug, um das strategisches Zusammenwirken zu garantieren, aber so wenig, dass Improvisation und Emergenz ihre Magie entfalten können – dies ist der Grundgedanke von Minimal Viable Structures. 

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Civil Society Toolbox – DE!

Civil Society Toolbox – DE!

Die Toolbox hat eine magische Story: begonnen 2018 zur Unterstützung von Bürger- und Menschenrechtsorganisationen in der Türkei und Griechenland ist diese Sammlung von Werkzeugen zur Do It Yourself Organisationsentwicklung heute in mehr als 10 Sprachen übersetzt und wird von einer internationalen Community genutzt und weiterentwickelt. SOCIUS hat diese Geschichte zusammen mit MitOst und weiteren Partner:innen seit Beginn inhaltlich mitgeprägt. Seit kurzem nun liegt die Toolbox dank einer Kooperation mit dem Programm „Engagierte Stadt“ auch in Deutsch vor. 

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Förderung für INQA Coaching

Förderung für INQA Coaching

Die Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA) ist ein Bundesprogramm für die Förderung kleiner und mittelständischer Unternehmen sowie von Non-Profit-Organisationen. Mit dem INQA Coaching hat ganz aktuell das Nachfolgeprogramm von Unternehmenswert:Mensch gestartet, in dem auch einige Teammitglieder von SOCIUS akkreditiert waren und insgesamt in den vergangenen 5 Jahren um die 80 geförderte Organisationsentwicklungsprozesse begleitet haben.
Für das neue Programm INQA Coaching haben sich Hannah Kalhorn, Joana Ebbinghaus, Andreas Knoth, Nicola Kriesel und Christian Baier als INQA Coach* autorisieren lassen und können ab sofort für von INQA geförderte Prozesse angefragt werden.
Beim INQA Coaching geht es um Agilität und Digitalisierung, Partizipation von Mitarbeitenden und zukunftssichere Personalpolitik.

Für die Autorisierung mussten wir Zeugnisse einreichen, Nachweise über Weiterbildungen zu Agilität und Prozessberatung sowie zahlreiche Referenzen für die unterschiedlichen Gestaltungsfelder des Programms einreichen und zu guter Letzt noch einen Online-Test absolvieren. Die Gestaltungsfelder des Programms sind – immer im Kontext Digitalisierung:

  • Personalpolitik, Beschäftigung & Qualifizierung
  • Sozialbeziehungen & Kultur
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Bis zu 80% der Beratungskosten können durch das Programm übernommen werden. Dafür ist es notwendig, dass Ihr Euch an eine INQA-Beratungsstelle wendet für ein Erstgespräch, dort wird die Förderfähigkeit geprüft und dann entsprechend ein INQA Coaching Scheck ausgestellt. Hierbei solltet Ihr in Eurem Anliegen auf jeden Fall erwähnen, dass es auch um Digitalisierung Eurer Arbeitsabläufe geht. Das kann auch sehr niedrigschwellig sein.
Das INQA Coaching folgt je nach Größe Eurer Organisation einem gut durchdachten Prozess im Wechsel mit Führung, Prozessgruppe und Mitarbeitenden. Insgesamt sollte er nicht länger als 7 Monate dauern.
Um förderfähig zu sein, muss es mindestens eine sozialversicherungspflichtige Person bei Euch geben und Ihr müsst seit mindestens 2 Jahren als Organisation bestehen.

Wenn Ihr Interesse an der Förderung und unserer Begleitung habt, könnt Ihr Euch auch gerne vor dem Gang zur Erstberatungsstelle schon mit uns in Verbindung setzen.

Wir freuen uns.

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Die sieben Muskeln der Selbstorganisation

Die sieben Muskeln der Selbstorganisation

Selbstorganisation ist eher eine Praxis als ein Strukturmodell. Und während Modelle einfach übernommen werden können, ist der Weg zur Beherrschung einer Praxis die Praxis selbst: Studien gehen von 10.000 Stunden aus, um auf einem Feld Exzellenz zu erreichen (Malcom Gladwell (2009): Outliers). Um etwa ein „exzellenter“ Pianist zu werden, muss ich 10 Jahre lang täglich drei Stunden Klavier üben. Wie kommen wir also darauf, dass wir, um Selbstorganisation zu meistern, lediglich enthusiastisch Laloux lesen und unser Organigramm von Kästchen auf Kreise umstellen müssen? Nein, meine Freund:innen, wir müssen trainieren, und abhängig von unseren früheren Verstrickungen, ordentlich trainieren.

In einer der inspirierenden Break-Out-Sessions der großen Covid Networking Wolke hatte ich das Vergnügen, auf Trine Demant von „Democracy Fitness zu treffen. Mit ihrem Team hat sie eine Reihe von Kurzprogrammen entwickelt, in denen „Demokratie-Muskeln“ trainiert werden – im Alltag oft verschüttete persönliche Kompetenzen, die entscheidend für die aktive Gestaltung und Beteiligung an einer lebendigen Demokratie sind. Zu den Kompetenzen gehören etwa „Verbales Selbstvertrauen“, „Empathie“ oder „Mobilisierung“.

Die Trainings sind aktivierend und machen Spaß, sollen aber auch herausfordern: „Wenn es ein bisschen weh tut, ist das ein gutes Zeichen dafür, dass Du die Übungen richtig ausführst“, heißt es dazu im Einführungshandbuch. Erstaunlich ist dabei: Jedes Training dauert nur 30 Minuten. Hey, was ist mit den 10.000 Stunden? Nun ja, irgendwo muss man ja anfangen – das Training ist lediglich die Einführung in einen ungenutzten Teil unseres Potenzials. Mit den Worten von democracy fitness: „Wenn Du fertig bist, wirst Du Dich immer daran erinnern, dass Du und andere diesen Muskel haben“. 

Fasziniert von diesem Ansatz frage ich mich natürlich, wie er sich auf die Entwicklung von Selbstorganisation übertragen lässt? Wenn wir davon ausgehen, dass wir trainieren müssen, um erfolgreich neue Wege der Zusammenarbeit zu gehen, welche Teile unserer Fähigkeiten sollten wir dann kultivieren? Meine Vermutung ist, dass die Muskeln der Selbstorganisation nicht so weit von den Muskeln der Demokratie-Fitness entfernt sind. 

Wir haben über diese Frage bei unserer letzten SOCIUS Klausur an der Adriaküste nachgedacht. Die folgende Liste der Sieben Muskeln der Selbstorganisation ist ein erstes Ergebnis dieser Gespräche:

  1. Kultivierung von Vertrauen 
  2. Präsenz (im Führen und Folgen)
  3. Selbstnavigation 
  4. Souveränität in Rauen Gewässern
  5. Resonanz in Beziehungen
  6. Bewusstheit für Lebende Systeme 
  7. Einbindung im Groove 

Natürlich gibt es andere Versionen, sicher braucht es auch noch einige Überarbeitungsschleifen – aber es ist erstmal ein solider Ausgangspunkt. Schauen wir uns die Muskeln, ihre Bedeutung im Kontext von Selbstorganisation und die Möglichkeiten des Trainings etwas genauer an:

Kultivierung von Vertrauen 

(Dem Prozess vertrauen; Sich selbst und anderen vertrauen, dem Universum vertrauen, Geduld haben, optimistisch bleiben)

Einer der hartnäckigsten Vorbehalte gegenüber Praktiken der Selbstorganisation ist, dass sie zu zeitaufwändig sind. „In ruhigen Gewässern können wir uns den Luxus dezentralisierter Kontrolle leisten, aber wenn das Wetter rau wird und viel auf dem Spiel steht, sollten wir besser auf etwas Strafferes und Effizienteres zurückgreifen“. Sehen wir da mal etwas genauer hin: Selbstorganisation wird vor allem da langsam, wo Vertrauen fehlt. Wenn ich davon ausgehe, dass meine Teammitglieder inkompetent sind oder ihre Macht missbrauchen und in einer Weise handeln, die eher ihren eigenen Interessen als unserer gemeinsamen Sache dient, werde ich versuchen, sie zu kontrollieren. Ich sorge dafür, dass Reports und Entscheidungen im Plenum erfolgen und dass Genehmigungsschleifen und dreifache Kontrollsysteme installiert sind. All das macht Prozesse langsam und uninspirierend. Wenn ich dagegen darauf vertraue, dass meine Mitstreiter:innen die gemeinsame Sache im Blick haben und kompetent (oder zumindest nach bestem Wissen und Gewissen) handeln, kann ich mich auf ein handhabbares Minimum an Kontrolle einlassen und so ein Maximum an Dynamik ermöglichen. Die Zone dessen, was „sicher genug ist, um es zu versuchen“, wächst.

Kann man diese Art von Vertrauen trainieren? Ein grundlegender Baustein dazu ist ein Phänomen, das der Psychoanalytiker Erik Erikson „Urvertrauen“ nennt – eine tiefe und grundlegende Überzeugung, dass die Welt ein guter Ort ist, der mich nährt. Nach Eriksons Entwicklungstheorie wird Urvertrauen idealerweise in den ersten 1,5 Lebensjahren eines Kindes aufgebaut und bildet die Grundlage für spätere Vertrauenserfahrungen und eine zuversichtliche und optimistische Lebenseinstellung. Ein Aspekt dieses Optimismus ist „People Positivity“ – die Überzeugung, dass Menschen kompetent, fähig und – wenn nicht anders sozialisiert – bereit sind, zum Gemeinwohl beizutragen. 

Die Stärkung der Fähigkeit zu vertrauen beginnt bei der Frage: „Wann und wie fühle ich mich sicher“? Und dann konkreter: „Wann fühle ich mich sicher genug, um es zu wagen, meinen Kolleg:innen in ihren Rollen und Verantwortlichkeiten zu vertrauen?“. Je bewusster wir uns unserer Grundbedürfnisse sind, desto besser verstehen wir, wo sich das Handeln anderer an ihnen reibt, und können dem auf produktive Weise begegnen. 

Neben der individuellen Dimension hat Vertrauen auch eine soziale Qualität, die von selbstverstärkenden Feedbackschleifen geprägt ist: Vertrauen erzeugt Vertrauen; es beruht auf Commitments die eingelöst und auf Versprechen, die gehalten werden. Ohne solche Commitments gibt es keine Basis für den positiven Kreislauf des Vertrauens. Und ohne Vertrauensvorschüsse gibt es keine Initialzündung, die die Spirale positiver Erfahrungen in Gang setzt. Beides lässt sich kultvieren.

Präsenz (im Führen und Folgen)

(Dem Impuls folgen. Spüren, was passieren will. Unerschrocken voran gehen. Führen. Und: Folgen: eine gute Idee erkennen und unterstützen. Selbstlos mitgehen, Ja Sagen!)

Führen ist ein Balanceakt zwischen inneren und äußeren Impulsen. Die Bewusstheit fürs Innere, das Spüren und Vertrauen in unsere Intuition, steht dabei der Wahrnehmung und Deutung des sozialen Feldes gegenüber. Wenn wir den Kontakt zu einer der beiden Seiten verlieren, wenn die beiden Welten sich vermischen oder eine das Handeln dominiert, wird Führung schwierig. In selbstorganisierten Teams ist Führungsenergie zwar verteilter und dynamischer als in klassischen hierarchischen Organisationen, aber der Balanceakt zwischen inneren und äußeren Impulsen ist genauso delikat. Führungshandeln erfordert einen souveränen Umgang mit diesen Impulsen und die Fähigkeit, darin sinnvoll und unerschrocken zu handeln. 

Wie Führung beruht auch Gefolgschaft (Followership) im Kontext von Selbstorganisation auf beherztem Handeln. Es geht nicht darum, einer Person zu folgen, sondern darum, ihren Impuls zu verstärken. Die Kunst des Folgens besteht nicht darin, widerspruchslos jedes Spiel mitzuspielen, sondern darin, einen Impuls aufzunehmen und kreativ damit zu arbeiten. Derek Sievers bringt es auf den Punkt: „Uns wird gesagt, dass wir alle Führung übernehmen  sollen, aber das wäre extrem ineffektiv. Die beste Art, Bewegung in etwas zu bringen, was uns wirklich am Herzen liegt, ist, mutig zu folgen und anderen zu zeigen, wie das geht“.

Wie können wir diesen Muskel trainieren? Zunächst wollten wir uns daran erinnern, dass wir alle tiefgreifende Erfahrung im Führen und Folgen haben. Spielen ist ein fließender Tanz aus impulsieren und mitgehen. Kinder sind im Allgemeinen ebenso in der Lage, spontan eine Idee vorzubringen und umzusetzen, wie freudig einem Handlungsangebot zu folgen: „Hey, lass uns…“ – „Komm, wir…“. „Ja, und…“. Es gibt eine Reihe von Gründen, warum diese angeborene Fähigkeit, einem Impuls (oder vielleicht besser: uns selbst) zu folgen, im Jugend- und Erwachsenenalter oft verschüttet wird: Wir verbringen prägende Jahre in Bildungssystemen, die Impulskontrolle gegenüber Impulsivität bevorzugen; wir verbringen Zeit an mehr oder weniger regulierten Arbeitsplätzen, an denen impulsives Handeln mit Skepsis begegnet wird; und wir leben in einem sozialen Umfeld, das Führung glorifiziert und gleichzeitig Versagensängste und Gefühle von Hochstapelei nährt, sobald wir den Rahmen unseres formalen Rollenhaushalts überschreiten. Es ist, gelinde gesagt, verwirrend. Das Training der Fähigkeit, impulsiv zu handeln, beginnt damit, uns mit unserem spielerischen Selbst zu verbinden und die verinnerlichten Stimmen und Zwängen abzubauen, die den impulsiven Prozess unseres inneren Kindes begrenzen.

Selbstnavigation 

(Bereit sein, zu lernen und zu verlernen; Die Selbstwahrnehmung kultivieren. Reflexion zur Routine machen; die eigenen Grenzen kennen und respektieren)

Der Weg zur Selbstorganisation erfordert eine schrittweise Verlagerung von äußeren Strukturen hin zu innerer Kompetenz und persönlicher Entwicklung als Quellen von Stabilität. Der Muskel der Selbstnavigation ist dabei zugleich Voraussetzung und Produkt dieses Prozesses. Er fußt auf der Ortskenntnis unserer inneren Landschaft und bedingt die Fähigkeit, sich einzulassen und dabei zugleich die eigenen Grenzen zu respektieren. Während hierarchische Organisationen oft Belastungen durch Entfremdung und Fremdsteuerung mit sich bringen, besteht die Belastung im Kontext von Selbstorganisation häufig darin, ein gesundes Maß an Engagement zu finden, da wir nicht nur für uns selbst, sondern für das Große Ganze mitverantwortlich sind. 

Selbstnavigation lässt sich nicht aus dem Lehrbuch erlernen. Bücher können Ideen und Inspirationen liefern, neue Dinge auszuprobieren oder Altes loszulassen, aber die Karte ist nicht das Gebiet: Das wirkliche Wachstum geschieht im reflektierten Handeln. Mikropraktiken und Reflexionsroutinen sind dafür gute Container. Strukturelle Unterstützung für den Muskel der Selbstnavigation erfordert, ihnen Raum und Zeit zu widmen und sie gegen die gierigen Wellen des Tagesgeschäfts zu verteidigen.

Resonanz in Beziehungen

(Tief zuhören. Empathie und Neugierde kultivieren. Mit dem Herzen hören)

Die Bedeutung von Resonanz für jegliche soziale Praxis liegt auf der Hand. Für die Praxis der Selbstorganisation ist sie besonders relevant: Die adaptive Qualität von selbstorganisierenden Systemen zielt auf die laufende Anpassung an ihrer Umwelt. Zur Umwelt gehört dabei das externe Feld, aber auch die interne Dynamik, die die Mitglieder einbringen. Die wirklich spannenden Dinge in diesen beiden Bezugswelten liegen unsichtbar unterhalb der Wasserlinie. Auf kollektiver Ebene bedeutet Resonanz, solch verborgene Dynamiken zu erspüren.

Auf der Beziehungsebene liegt Resonanz nahe bei Empathie. Empathie ist die Fähigkeit, sich in eine andere Person einzufühlen und ihre emotionale Situation zu erleben. Sie kann zum Beispiel durch Perspektivenübernahme kultiviert werden: in die Schuhe des Gegenübers schlüpfen, Austausch und Feedback üben. Ein weiterer Weg ist das tiefe Zuhören, das etwa in der dialogischen Praxis und in der gewaltfreien Kommunikation verankert ist.

Souveränität in rauhen Gewässern

(Abweichende Meinungen vertreten; Die produktive Kraft von Spannungen genießen; Entschlossen verhandeln; Wo nötig Nein-Sagen)

Teams mit einem ausgeprägten Wertehintergrund der „People Positivity“ kultivieren oft ein Dogma der Harmonie: „Ich stelle deine Idee nicht in Frage und du stellst meine nicht in Frage“. Eine solche Harmonie verringert das Potenzial kollektiver Kreativität und führt zu Schwächen in der Entscheidungsfindung: Ideen und Beiträge werden einfach unter einem breiten Dach zusammengefasst, anstatt kritisch geprüft und ausgewählt oder zusammengeführt zu werden. Unterschiede in den Standpunkten und Interessen werden mit einer Decke der Wertschätzung überdeckt. Diese Art von Harmonie wird oft mit Alignment verwechselt: „Wenn wir uns nicht reiben, müssen wir wohl eine gemeinsame Ausrichtung haben“. 

Die Praxis der Selbstorganisation betrachtet Spannungen dagegen als notwendigen Treibstoff für Entwicklung. Holacracy definiert sie etwa als „Lücke zwischen der aktuellen Realität und einem wahrgenommenen Potenzial“. Die regelmäßige Bearbeitung von Spannungen hilft dabei auch, zu verhindern, dass sie zu manifesten Problemen und Konflikten eskalieren. 

Souveränität in Rauen Gewässern erfordert ein fruchtbares Maß der Einlassung auf solche Spannungen. Stell Dir vor, Du gehst spazieren und finden einen Haufen Schutt auf deinem Weg. Bei einem einmaligen Ausflug wirst Du den Haufen wahrscheinlich weder wegschaufeln noch über ihn hinwegklettern. Je nach Stimmung bleibst Du vielleicht kurz verwundert oder verärgert stehen und umrundest dann das Hindernis, um zu Deinem Ziel zu kommen. Handelt es sich hingegen um einen Weg, den Du täglich gehst, liegt es nahe, dass Du den Haufen wegräumst, um dauerhaft Zeit und Energie zu sparen. Mit Konflikten und Spannungen verhält es sich ähnlich: Die einmaligen Kleinigkeiten wie auch einige Spezial-Dramen können wir einfach umschiffen. Warum Energie auf etwas verschwenden, das uns von unserem Ziel ablenkt? Die Spannungen, die uns dagegen immer wieder in die Quere kommen, sollten wir angehen, ganz gleich, wie unbedeutend oder massiv sie sind. 

Der Weg zur Souveränität in Rauen Gewässern, ist schlicht, aber nicht einfach: Übe, mit Spannungen umzugehen, ohne Dich von ihnen verrückt machen zu lassen. Initiiere Spannung in einem sicheren sozialen Umfeld und bleib bei ihr, ohne sie zu entschärfen. Sei kritisch, sei wütend, sei unhöflich, wenn es sein muss. Übe Einspruch, sag Nein. Achte auf Deine Empfindungen, Deine körperlichen und geistigen Reaktionen. Mach Dir Notizen über Deine täglichen Workarounds und entscheide Dich, welchen dieser Umwege Du loswerden willst.  Und dann tu es einfach und sieh, wie das Leben danach weitergeht.

Bewusstheit fürs lebendige System 

(Muster erkennen und Dynamiken beobachten. Vereinfachungen misstrauen. Das große Ganze im Blick behalten. Verstehen, wie auch kleine Dinge den Purpose nähren. Aufmerksam sein für emergente Ordnungen)

Komplexitätsbewusstsein (Complexity Consciousness) ist eine der Metakompetenzen unserer Zeit. Sie bezeichnet die Anerkennung der nicht-linearen dynamischen Qualität sozialer Prozesse und die Fähigkeit, mit dieser Dynamik umzugehen, was wiederum Flexibilität, Geduld und Ambiguitätstoleranz erfordert. Die besondere Relevanz dieses Muskels für die Navigation selbstorganisierender Systeme hat mit deren spezifischer Mischung aus formellen und informellen Settings zu tun.

Bemühen wir hier eine weitere Analogie: Beim Autofahren steuern wir ein kompliziertes System, das auf einer Mechanik erster Ordnung mit einigen selbstregulierenden Rückkopplungsschleifen aufbaut. Natürlich braucht es eine gewisse Ausbildung, um Start- und Steuervorrichtungen zu bedienen, um den Unterschied zwischen Kupplung und Bremse zu kennen und um zu wissen, welche Anzeigen im Auge zu behalten sind. Wenn das Auto eine Panne hat, ist es gut zu wissen, welcher Mechaniker weiterhelfen kann. Das war’s eigentlich schon. Der wirklich knifflige Part ist nicht das Auto, sondern der Verkehr. Sich souverän durch dichten Verkehr zu bewegen, erfordert mehr als nur ein bisschen Training. Verkehr ist ein komplexes System, er ist lebendig und unberechenbar. Er besteht aus dynamischen Interferenzen und selbst-verstärkenden Rückkopplungsschleifen, die plötzliche Veränderungen bewirken können. Sich in diesem Umfeld zurechtzufinden, erfordert Erfahrung, Achtsamkeit und mitunter beherztes Handeln.

Organisationen vereinen diese beiden Qualitäten: Während Strukturen und Prozesse kompliziert sind, bilden die sozialen Interaktionen in ihnen eine komplexe zweite Realität ab. Je mehr wir den Schwerpunkt auf informelle Dynamik statt auf formale Strukturen und Prozesse legen, desto mehr müssen wir uns auf diese komplexe Natur der Organisation einstellen. Selbstorganisierende Systeme beruhen auf einem hohen Maß emergenter Dynamik – in dem Sinne ist in ihnen die Qualität des Verkehrs prägender, als die des Autos.

Wie lässt sich eine Bewusstheit fürs Lebende System aufbauen? Das Einlassen auf Komplexität erfordert zunächst eine spezielle Art des Sehens: Sie lebt vom fließenden Wechsel zwischen der konzentrierten Beobachtung von Details und der offenen Wahrnehmung von Mustern. Was gestern geschehen ist und was jetzt gerade geschieht, ist relevant. Seine Bedeutung erhält es aber vor allem durch dem Kontext dessen, was immer wieder geschieht. 

Schließlich ist es auch hilfreich, Klarheit über unsere Modelle zu bewahren. Der Komplexität unserer sozialen Welt gerecht zu werden, ist praktisch unmöglich: wir brauchen Modelle und Abkürzungen, um handlungsfähig zu bleiben. Wenn wir vergessen, dass wir diese kognitiven Hilfsmittel nutzen, verwechseln wir unsere Vereinfachungen mit der Realität.

Einbindung im Groove 

(Alignment entstehen lassen. Die kollektive Dynamik und die eigene Rolle darin spüren. Sich synchronisieren. Swing ins Spiel bringen)

Der letzte Muskel ist der kniffligste und umfassendste. „Groove“ ist ein nebulöses Konzept das schwer zu operationalisieren ist (können Algorithmen miteinander grooven?). Die erste Zutat zum Groove ist „Alignment“ – eine Qualität, die sich vielleicht am besten mit „gemeinsamer Ausrichtung“ übersetzen lässt; die zweite ist lebendige Dynamik, oder auch „Swing“.

Eine Lebendige Ausrichtung bedeutet nicht, dass alle in dieselbe Richtung schwimmen oder ein gemeinsames Ziel haben – es geht darum, dass das übergeordnete Ziel mit dem Ziel jedes Einzelnen zusammenpasst. Was genau ist der Unterschied? In manchen Kollektiven herrscht Nivellierung vor: Alle folgen einer gemeinsamen Richtung, denken, gleich, fühlen gleich – es gibt keine individuellen Absichten, da jede:r Einzelne seine/ihre Agenda ins Kollektiv projiziert. Im Gegensatz dazu müssen für gelingende Selbstorganisation die individuellen Agenden aufgeladen sein und dynamisch auf das gemeinsame Ziel ausgerichtet werden (Spotify hat hierfür den Begriff der „Aligned Autonomy“ geprägt). Die leichten Divergenzen zwischen der individuellen und der kollektiven Zielebene und die daraus entstehenden Spannungen sind Motor von Entwicklung. Wenn sie keinen Raum haben und nicht zelebriert werden, ist das System zwar ausgerichtet, aber nicht lebendig. 

Eine dynamische Einbindung in den Groove zu entwickeln, ist so anspruchsvoll, wie ein guter Jazzmusiker zu werden. Es erfordert ein feines Gehör, einen offenen Geist und eine Beherrschung den eigenen Rollen; in gewissem Sinne baut dieser Muskel auf den Vorhergehenden auf: auf der Fähigkeit zu Vertrauen, der Präsenz, der Selbstnavigation und allen anderen. Und wie alle Muskel wächst er vor allem mit der Erfahrung der Praxis.

Die Liste zeigt: Es gibt Dinge, zu denen wir fähig sind, die wir aber in unserem sozialen Alltag nicht praktizieren, so dass die entsprechenden Fähigkeiten verkümmern. Wenn wir diese Muskeln wieder entdecken, können wir sie trainieren und zurückerobern. Jeder Muskel hat dabei eine individuelle und eine kollektive Qualität. Ich muss lernen präsent zu sein und Impulsen zu folgen, und wir als Team müssen lernen, das Beste aus diesen Impulsen zu machen. Ich muss Praktiken der Selbstnavigation entwickeln, und wir als Team müssen Räume schaffen, die diese Praktiken unterstützen. Sowohl die individuelle als auch die kollektive Qualität kann durch ein Training initiiert werden, das die entsprechenden Muskeln anregt. SOCIUS arbeitet an der ersten Serie solcher Trainingseinheiten.

In diesem Sinne: Stay tuned, wir sehen uns im Fitnessstudio!

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Socius change essentials

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SOCIUS change essentials – Neue Wege der Organisationsentwicklung

SOCIUS change essentials – Neue Wege der Organisationsentwicklung

We proudly present:  Die SOCIUS change essentials – Neue Wege der Organisationsentwicklung gehen online.  Zum 1. Juli 2022 könnt Ihr Euch auf Memberspot anmelden.  

„Wie haltet Ihr es mit der strategischen Entwicklung Eures Vereins?“ „Warum eigentlich sollen wir immer wieder über Führung nachdenken?“ „Wie bleiben wir handlungsfähig und was macht uns als Team resilient gegen die Krisen, die immer häufiger anbranden?“ “Wie geht das mit den Rollen in Organisationen?” 

SOCIUS wird 2023 seinen 25. Geburtstag feiern und wir haben schon jetzt ein erstes Geburtstagsgeschenk: die SOCIUS change essentials .

Die change essentials sind ein Onlinekurs in sieben Modulen. Darin behandeln wir, was wir, zum Thema Organisationsentwicklung essentiell finden. Wir haben die Perspektiven von acht Berater:innen einfließen lassen und so bilden die change essentials auch einen Pool unserer  gesammelten Erfahrungen. Sie bilden ab was uns besonders  wesentlich ist, wenn wir Veränderungsprozesse in Organisationen begleiten, unterstützen und moderieren. Jedes Modul kann selbständig und einzeln durchwandert werden.  Im „Spielleitungsmodul“ kann Euch eine kleine Analyse helfen, herauszufinden welche Themen obenauf liegen, so dass  sie in Eurer Organisation, in Eurem Team oder für Dich als Führungskraft individuell mal intensiver bearbeitet werden sollten. Wenn Ihr selbst bereits wisst, was Euch ganz besonders interessiert oder wo Euch der Schuh drückt, dann seid Ihr natürlich herzlich eingeladen, selbst durch das Flussdelta zu mäandern und die Euch passenden Themen auswählen. 

Inhaltlich haben wir unseren Fokus auf folgende Themen gelegt, die je ein Modul mit drei bis fünf Videos zu den verschiedenen Aspekten, beinhalten: 

  • Führung – aus den vier Perspektiven von Ich, ich & du, Wir und Umwelt
  • Rollen und Aufgaben – das Rollenboard für Selbstorganisation
  • Entscheidungen – Alltag in Organisationen
  • Resilienz – Widerstandskraft für Teams
  • Strategie – Möglichkeiten erkennen und nutzen
  • Kollaboration – Kooperation statt Konkurrenz

 

In jedem Modul gibt einführende und vertiefende Videos und ergänzendes Material mit praktischen Methoden, Checklisten und manchmal auch einen ergänzenden Artikel. 

Die Arbeit an den SOCIUS change essentials war intensiv und hat uns Spaß gemacht, die Filmaufnahmen waren aufregend und die ganze post production auch eine neue Erfahrung und gewisse Anstrengung. Aber nun sind wir nicht nur froh, sondern auch stolz, dass wir es geschafft haben und merken wie erst jetzt die echte Aufregung kommt, wenn wir die change essentials live schalten und Ihr sie sehen und damit arbeiten könnt. Wir sind so gespannt auf Eure Reaktionen.. 

Unser besonderer Dank gilt hier der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt, die mit einer Förderung die Entstehung dieses Kurses möglich gemacht hat – so konnten wir uns nicht nur die professionelle Unterstützung beim Dreh durch Filming For Change erlauben, sondern hatten auch Zeit für konzeptionellen Austausch, die Entwicklung von Inhalten und die Erstellung des neuen Logos durch unsere Kolleg:innen bei wigwam. Herzlichen Dank!
…und dabei soll nicht bleiben. Denn wir sind auf den Geschmack gekommen und mögen die Kamera auch ein bißchen: Über den Herbst wollen wir aus diesem Selbstlern-Angebotsbuffet begleitete Kurse entwickeln, die zielgerichtet einzelne Aspekte des Gesamten aufgreifen. Wir sind sehr neugierig darauf, wie sich unsere und Eure Erfahrungen in Präsenzworkshops nun noch stärker in online-basierten Workshops umsetzen lassen.
Wenn du auf dem Laufenden bleiben willst, dann abonniere am besten den SOCIUS brief und folge uns auf dem Social Media Kanal deiner Wahl: wir spielen regelmäßig auf Facebook, LinkedIn und Instagram. Und etwas seltener auf Xing, Twitter und Youtube.  Wir freuen uns sehr über das was wir geschafft haben und Euch schenken können , hoffen dass es von großem Nutzen für dich und dein Engagement (ob haupt- oder ehrenamtlich) ist und sind natürlich sehr gespannt auf Feedback. 

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UnternehmensWert: Mensch – weitere Förderzweige bis Dezember 2022

UnternehmensWert: Mensch – weitere Förderzweige bis Dezember 2022

SOCIUS Berater:innen sind im Beratungspool des Förderprogramms unternehmensWert:Mensch (uWM) akkreditiert. uWM ist ein Bundesprogramm, das kleine und mittelständische Unternehmen – auch aus der Sozialwirtschaft und der Zivilgesellschaft – durch Prozessbegleitung bei der Gestaltung einer zukunftsgerechten Personalpolitik unterstützt. Die Beratungsfeder sind Personalführung, Chancengleichheit/Diversity, Gesundheit und Wissen & Kompetenz. Vereine und gemeinnützige Organisationen sind  antragsberechtigt, wenn sie Produkte oder Dienstleistungen direkt am Markt verkaufen. Das Programm bezuschusst Beratungsprozesse von bis zu 10 begleiteten Tagen mit bis zu 80 %.

Bei SOCIUS sind Kerstin Engelhardt, Ralph Piotrowski, Nicola Kriesel und Andreas Knoth ansprechbar.

Nun gibt es neben der schon lange bestehenden Erweiterung Unternehmenswert: Mensch plus, mit der sich Organisationen dem digitalen Wandel stellen können, und dafür Begleitung gefördert bekommen können (die Förderung umfasst zwölf Beratungstage, die Förderung beträgt 80 Prozent), zwei weitere Programmzweige, die bis zum 31.12.2022 laufen:

Im Fokus des neuen Programmzweigs „Gestärkt durch die Krise“ steht der Aufbau und Stärkung organisationaler Resilienz. Mit der geförderten Beratung im Rahmen des neuen Programmzweigs werden Organisationen unterstützt, ihr Krisenmanagement zu verbessern und die durch die Coronapandemie ausgelösten Veränderungen der Arbeitsorganisation und Unternehmenskultur zu identifizieren, mitzugestalten und zu etablieren. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den Chancen der virtuellen Kommunikation, der Personalführung auf Distanz sowie von Home-Office-Lösungen. Die Förderung beträgt 80 Prozent. Es werden maximal fünf Beratungstage gefördert. Dafür kann der Programmzweig bis zu dreimal in Anspruch genommen werden. Ein Beratungszyklus darf nicht länger als drei Monate dauern.

Der vierte Programmzweig heißt „Women in Tech“ und richtet sich an Organisationen der Informations- und Kommunikationstechnik und hat explizit Frauenförderung in dieser Branche im Blick. Im Programmzweig werden Organisationen beraten, wie sie mehr Chancengleichheit gewährleisten und ihr Personalmanagement ganzheitlich diversitätsorientiert aufstellen können. Das beinhaltet explizit auch ein auch LSBTI*-orientiertes HR-Management (LSBTI steht für lesbisch, schwul, bisexuell, trans und inter). Ziel ist die Etablierung einer diversen Unternehmenskultur – im Rahmen eines gemeinsamen Prozesses mit der Belegschaft. Die Förderung beträgt 80 Prozent. Die Beratung im Programmzweig „Women in Tech“ umfasst maximal 15 Beratungstage und kann nur einmal genutzt werden. Hierfür stehen maximal neun Monate zur Verfügung. Es können nur Beratungsleistungen gefördert werden, die dem Aufbau eines gleichstellungs- und ganzheitlich diversitätsorientierten HR-Managements und einer entsprechenden Unternehmenskultur dienen.

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„Ich entschied: Ich engagiere mich im Prozess.“

„Ich entschied: Ich engagiere mich im Prozess.“

Dokumentation des OE-Prozesses bei pro familia Landesverband Berlin e.V.

 

„Nicht alle haben sich an den Gruppenprozessen, die dann zu den Entscheidungen führten, beteiligt, aber ein relevanter Teil. Von dem anderen Teil gab es die Erlaubnis, die Entscheidungen zu treffen.“ (2018)

„Die Probleme sind teilweise gelöst.“ (2019)

„Wir sind gerade dran … Bereich Digitalisierung. Mit allem anderen bin ich rund zufrieden.“ (2021) –

So lauten einige Stellungnahmen von Prozessbeteiligten für diese Dokumentation. Eine Dokumentation, die zugleich eine Evaluation darstellt und aufzeigt, was die Beteiligten als gelungen und als schwierig beurteilen.

Der Anlass

Große Unzufriedenheit, vielfältige Konflikte bis hin zu Mobbingvorwürfen und Arbeitsgerichtsprozessen und schließlich ein hoher Krankenstand unter den Mitarbeitenden – das war die Ausgangslage, als Rudi Piwko und ich für den OE-Prozess engagiert wurden. Der Prozess, teilweise gefördert von unternehmens-wert:Mensch, begann 2017 und endete mit einer Überprüfung 2019. 2021 erfolgte ein kurzer Rückblick seitens der Geschäftsführung.

Es war ein schwieriger, alle Beteiligte herausfordernder Prozess, der von Beginn an stark auf Partizipation und Gestaltung durch die Mitarbeitenden setzte. Sämtliche Beschäftigte inklusive der Leitungskräfte sowie der komplette ehrenamtliche Vorstand waren eingebunden. Nicht alle konnten dem Prozess und dem Ergebnis etwas abgewinnen; aber die große Mehrheit nutzte die Möglichkeiten und engagierte sich bei der Entwicklung einer neuen Leitungs- und Kommunikationsstruktur. Am Ende entschieden sich die Beteiligten deutlich für das Modell von Shared Leadership und verlagerten die zentralen Entscheidungskompetenzen in eine Steuerungsgruppe. Die Geschäftsführung ist fester Bestandteil der Steuerungsgruppe, die übrigen Mitglieder können wechseln und repräsentieren verschiedene Bereiche der Organisation, die ebenfalls wechseln können. Das Modell lebt vom Engagement der Beschäftigten, ihrer Kompetenz im Aushandeln auch schwieriger Fragen und Situationen sowie ihrer Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen.

Die Leitungsebene

Besonders viel abverlangt wurde den vormaligen Leitungskräften: Die mittlere Leitungsebene wurde komplett abgeschafft und zahlreiche alleinige Entscheidungsbefugnisse der Geschäftsführung eingeschränkt. Das bedeutete Macht- und Einflussverlust, zum Teil auch Statusverlust gegenüber Außenstehenden. Aber auch andere Machtpositionen, die sich einzelne im informellen Rahmen erobert hatten, wurden durch das neue Modell in Frage gestellt bzw. minimiert. Und schließlich können und mögen sich nicht alle Mitarbeitenden bei der internen Organisation engagieren oder Verantwortung dafür übernehmen. Während des gesamten Prozesses gab es daher immer wieder Widerstand und Rückzug, offen oder verdeckt. Dieser Widerstand, auch Rückzüge, konnten manchmal aufgelöst, manchmal aber auch schlicht nur akzeptiert werden.

Erfolgsfaktoren

Insgesamt war der Prozess erfolgreich. Folgende Faktoren haben wesentlich dazu beigetragen:

* Geschäftsführung und ehrenamtlicher Vorstand unterstützten den Prozess über den gesamten Zeitraum, die Vorständ*innen nahmen an allen wesentlichen Klausuren und Gruppentreffen teil, sofern es ihnen beruflich möglich war. Auch gegenwärtig ist jemand vom Vorstand an der Steuerungsgruppe beteiligt, wenn es beruflich machbar ist.

* Wir Berater*innen arbeiteten zu zweit und gemischtgeschlechtlich, verfügten dadurch über viel Kraft und boten den Beteiligten durch unsere verschiedenen Persönlichkeiten und manchmal auch differierenden Herangehensweisen unterschiedliche Andockflächen.

* Der Leidensdruck der Beschäftigten einerseits und die Bereitschaft zur Mitgestaltung andererseits war so hoch, dass von Beginn an wesentliche Teile der Beschäftigten ein großes Engagement zeigten.

* Die Beteiligten erarbeiteten sich das neue Leitungs- und Kommunikationsmodell selbst und entschieden sich dafür im Konsentverfahren – dadurch besteht eine hohe Identifikation mit dem Modell.

* Die meisten Beteiligten verfügen über das Bewusstsein, dass das gewählte Modell immer wieder zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen ist.

* Und schließlich nimmt die Geschäftsführung Supervision in Anspruch, wenn sie eine distanzierende Reflexion benötigt.

Die gesamte Dokumentation

Wer mehr über den Prozess mit seinen Höhen und Tiefen erfahren und mehr über die verschiedenen Einschätzungen der Befragten wissen möchte, kann hier die gesamte autorisierte Dokumentation lesen.

Für mich und meinen Kollegen Rudi Piwko war es jedenfalls ein spannender und sehr lehrreicher Prozess, der uns so manches Mal Kopfschmerzen bereitete, aber auch immer wieder große Freude.

Kerstin Engelhardt

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BBE Newsletter: Herausforderungen gemeinnütziger Organisationen – und das Potential von Kollaboration in komplexen Zusammenhängen

BBE Newsletter: Herausforderungen gemeinnütziger Organisationen – und das Potential von Kollaboration in komplexen Zusammenhängen

Christian Baier und Nicola Kriesel haben für den Newsletter des Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement einen Artikel geschrieben über die Herausforderungen für (gemeinnützige) Organisationen in der VUKA Welt.

Dabei befassen sie sich u.a. mit Folgendem:

  • Kollaboration fördert Innovationsfähigkeit und Kreativität
  • Kollaboration unterstützt einen offenen Umgang in Momenten von Unsicherheit und Ambivalenz
  • Kollaboration ist die logische Konsequenz aus »flachen Hierarchien«
  • Ressource Zeit und Lust auf Dialog
  • Toleranz für Ambivalenz und Ambiguität
  • Ressource Vertrauen

„Halten wir fest:

  1. Äußere Rahmenbedingungen zeigen weitreichende und komplexe Änderungen, die sich auch auf die Gestaltung gemeinnütziger Organisationen auswirken. Gefragt sind Ansätze, die kreativ und flexibel auf entsprechende Herausforderungen reagieren.
  2. Nach innen wird Führung zunehmend flexibler, soll Diversität und Interessenreichtum der Mitarbeiter*innen aufgreifen und gemeinsam verbindliche Verabredungen einhalten, und innerhalb diesen Rahmens Raum für dezentrale Selbstverantwortungen zulassen.

Bei den beschriebenen Entwicklungen handelt es nicht um Prozesse, die irgendwann enden, sondern um kontinuierliche und iterativ stattfindende Veränderungen. Insofern ist umso bedeutender zu überlegen, wie gemeinnützige Organisationen in volatilen Herausforderungen eine eigene Rhythmisierung zwischen Veränderung, Entwicklungsarbeit, Stabilisierung und »Ernte« entwickeln.“

 

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New Work Essentials

New Work Essentials

Die New Work Essentials zeigen sich am Horizont!

Für alle, die sich mehr Selbstorganisation und Eigenverantwortung in ihrem Team wünschen.

Mit den New Work Essentials startet SOCIUS einen kleinen Kanon von Tutorials, der es Organisationen und Teams ermöglicht, eigenständig in Richtung Selbstorganisation zu reisen. Zudem können die einzelnen Module Organisationsentwicklungsprozesse unterstützen, indem sie asynchrones Lernen ermöglichen. Teamtage können effizienter gestaltet werden, indem mehr Zeit für gemeinsamen Austausch zu Verfügung steht und kollektive Wissens-Inputs ins Vorfeld verlagert werden. Und natürlich stehen die Kurse auch einzelnen Personen offen, die sich im Bereich Selbstorganisation fit machen und ihre professionellen Fähigkeiten ausweiten wollen.

Mit dem Ganzen experimentieren wir noch etwas. Was ihr sehen werdet, ist ein erster Prototyp. Weder haben wir uns für eine Preisstruktur entschieden, noch ist das Tutorial bereits mit allen Videos angereichert. Ihr erhaltet eine kostenlose Preview  unseres Work-in-Progress und wenn ihr euch erkenntlich zeigen möchtet, freuen wir uns sehr über – gerne auch kritische – Rückmeldungen.

 Was hat euch gefallen? Ist der Kurs übersichtlich? Was hat euch gefehlt? Am einfachsten an piotrowski@socius.de oder kriesel@socius.de.

Die Hauptseite der New Work Essentials lautet:

https://newwork.socius.de/

Die einzelnen Tutorials finden sich auf Unterseiten. Das Rollenboard Tutorial aktuell unter: https://newwork.socius.de/courses/rollenboard-tutorial/

 

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Strategische Schachzüge in unsicheren Zeiten

Strategische Schachzüge in unsicheren Zeiten

Strategy Pocket Lab

Komplexität ist nicht erst gestern in die Welt gekommen: Soziale Systeme sind ja quasi per Definition vielschichtig und dynamisch, also komplex. Die Grenzerfahrung zwischen Dynamik und Chaos im Corona-Universum macht allerdings das, was im zeitgenössischen Managementdiskurs als „VUCA Welt“ besungen wird (Volatility, Uncertainty, Complexity, Ambiguity), aktuell sehr greifbar. Das Erleben von Unsicherheit löst dabei widersprüchliche Reaktionen aus – auf der einen Seite Kontrollwahn, auf der anderen Schicksalsergebenheit. Beides scheint in der derzeitigen Situation nicht besonders hilfreich: Wir müssen offen nach vorne schauen, und zugleich leidenschaftlich die Zukunft gestalten. Wir müssen einen Plan haben, aber radikal offen dafür sein, ihn anzupassen. Insbesondere zivilgesellschaftliche Organisationen sind in diesem Spagat gefragt, ihre Prioritäten und Handlungsformen auf die neuen Herausforderungen hin zu kalibrieren.

Das Strategy Pocket Lab stellt ein kompaktes Strategieformat vor, das Elemente der Liberating Structures (K. McCandless und H. Lipmanowicz), der Transformativen Scenario Planung (A. Kahane) und der Chancenorientierten Entwicklung (P. Skat-Rørdam) kombiniert. In einem halbtägigen Workshop werden Entwicklungsbedarfe umrissen, kritische Unsicherheiten und relevante Umweltszenarien untersucht und der nächste strategische „Schachzug“ abgeleitet. Das Lab kann als Live-Workshop oder als Online-Sitzung durchgeführt werden.

Der Ansatz baut auf drei Grundgedanken auf:

1. Strategische Schritte statt Masterplan

Das Lab ist bewusst nicht als einmaliger Bauplatz für den Großen Strategischen Wurf  konzipiert, sondern als wiederkehrendes Element eines kontinuierlichen Strategie-Prozesses  („Strategizing“). In Anlehnung an den agilen Strategieansatz stellt jede Lab-Sitzung (die quartalsmäßig oder häufiger durchgeführt werden) eine Bewegung hin zu einer günstigeren strategischen Position dar. Es geht um ein Herantasten, nicht um ein langfristiges  Vorausplanen. Ein gemeinsamer Kompass – eine Vision oder ein Purpose Statement-  ist dabei Voraussetzung, um agiles „Mission Drift“ zu vermeiden, also das opportunistische Wegdriften vom übergeordneten Daseinszweck. Was dieser Kompass nicht festlegt, ist die Roadmap, also die Wegführung der großen Strategischen Linien. Wie bei einer Schachpartie orientieren sich die strategischen Züge am übergeordneten Sinn, werden aber im Abgleich mit internen und externen Entwicklungen geführt. Das strategische Gesamtbild entwickelt sich erst als dynamisches Muster in der Abfolge der Züge. Dem Ansatz legt damit das Prinzip zugrunde, das Henry Mintzberg in seiner post-funktionalistischen Strategie-Definition beschreibt: „Strategy is a pattern in a stream of decisions“.

2. Adaption und Transformation

Traditionell erforscht die Szenarioplanung mögliche zukünftige Entwicklungen unter der Fragestellung, wie wir uns erfolgreich an diese unterschiedlichen Zukünfte anpassen können. Adaptive Planung ist zweifelsohne zeitgemäßer als ein „Long Range Plan“ alter Schule; sie vernachlässigt jedoch die Möglichkeit, die Zukunft aktiv zu beeinflussen und damit zu verändern. In Anlehnung an Adam Kahanes Ideen zur transformativen Szenarioplanung stellt das Strategy Pocket Lab die Frage, wie wir die Faktoren, die die Szenarien hervorbringen, beeinflussen und so zu einer möglichst positiven Zukunft beitragen können. Da ein transformativer Ansatz Zeit braucht und mit der Entwicklung unserer eigenen Haltung und Beziehungsweisen beginnt, scheint ein Taschenformat für den Anspruch kaum angemessen. Die transformative Haltung muss mithin im gesamten Strategieansatz zum Tragen kommen: Wenn sie neben der adaptiven Fragestellung ihren Platz findet und das strategische Handeln insgesamt mit prägt, wird sie ihre Kraft entfalten. Konkret bedeutet dies, auch die Dinge, die wir für gesetzt halten, in der Strategiearbeit grundsätzlich als gestaltbar zu denken: Ob wir es dann mit unserer Organisation alleine schaffen, sie zu verändern oder nur in breiten Allianzen, ob wir die Rahmen verschieben können oder nur einen kleinen Beitrag dazu leisten, das sie sich weiten, muss sich zeigen.

3. Chancen- und Aktionsorientierung

Der Lab-Prozess umfasst mehrere schnelle Zyklen von Erkundung (Divergenz) und Zuspitzung (Konvergenz) und ist auf ein Commitment zum gemeinsamen Handeln ausgerichtet. Jede Sitzung endet mit einer klaren Entscheidung über den nächsten strategischen Schritt innerhalb eines definierten Fokusbereichs. Der Kern des Labs baut dabei auf der Critical Uncertainties-Methode aus dem Liberating Structures Ansatz auf. Dabei wurde vor alle die oft nicht ganz einfache Verbindung zwischen Szenario-Erkundung und strategischem Handeln im Sinne des chancenorientierten Ansatzes weiterentwickelt: Leitende Fragen sind hier: Welche Chancen bieten sich im Lichte der Szenarien? Welche Handlungsfenster sehen wir, in denen wir Gelegenheiten im Sinne unserer strategischen Ziele ergreifen können? Strategisches Denken und Handlungsorientierung stehen oft in scheinbarer Dissonanz: Strategie impliziert eine übergeordnete Position, einen Standpunkt, der enthoben von den Details des Alltags vorausblickt. Handlungsorientierung impliziert Bodennähe – eine geerdete Haltung, die vom Hier und Jetzt nach vorne orientiert. Anspruch des Strategy Pocket Labs ist es, zwischen diesen beiden Positionen einen fruchtbaren Wechsel zu gestalten.

Wer sollte teilnehmen?

Strategie braucht Perspektivenvielfalt. Sie sollte nicht in geschlossener Vorstands-Runde oder als einsame Führungsroutine entwickelt werden. Natürlich hat jedes Meeting eine optimale Teilnehmerzahl. Für das Strategy Pocket Lab sehen wir die ideale Gruppengröße bei 7-15 Personen, die die Perspektiven der gesamten Organisation repräsentieren (also etwa Programmmitarbeiter*innen, Teamleitungen, Management und Vorstandsmitglieder). Bei größeren Organisationen kann es sinnvoll sein, einen delegierten Strategiekreis zu bestimmen.

Schritte des Labs

Vorbereitung: Welches Feld braucht unsere Aufmerksamkeit?

In einem Abstimmungsprozess vor der Sitzung wird eine grobe Eingrenzung des zu bearbeitenden Felds vorgenommen. Die Strategieentwicklung erfolgt damit nicht für die Gesamtheit der Funktionsbereiche der Organisation, sondern fokussiert auf einen handhabbaren Teilaspekt: etwa die Formatentwicklung in einem Programm, der Ausbau von Personalakquise-Strategien oder die strategische Entwicklung von Partnerschaften in einem Handlungsfeld. Hinweise auf möglichen Handlungsbedarf geben dabei Spannungen und Themen, die wiederholt in Meetings und Arbeitsabläufen auftauchen und zu groß sind, um sie in der täglichen Routine zu bearbeiten. Es kann sinnvoll sein, bei der Identifikation von Fokusfeldern besonders Schnittstellen in den Fokus zu nehmen, in denen die Organisation in direktem Kontakt mit ihrer Umwelt steht. Für den Workshop wird in der Regel ein internes Moderationsteam bestimmt, das den Prozess methodisch anpasst und vorbereitet.

1. Review – Was ist und was könnte sein?

Die Sitzung beginnt mit einer Runde zu Perspektiven auf das fokussierte Feld: Warum braucht dieser Bereich gerade jetzt unsere Aufmerksamkeit? Was ist Ziel des Strategie-Treffens (ein bestimmtes Problem lösen, Prozesse koordinieren, eine Chance ergreifen, wieder in Schwung kommen…)? Im nächsten Schritt findet in Kleingruppen ein visionärer Austausch zum höchsten Potenzial des Feldes statt: Was ist die spannendste und inspirierendste Zukunft, die wir uns in Bezug auf diesen Bereich vorstellen können?

Beide Schritte fehlen in vielen Ansätzen der Strategie-Arbeit. Sowohl die Eingrenzung des Strategiefelds (die oft als unzulässige Trivialisierung und Zumutung für dem systemischen Blick empfunden wird) als auch das positive Framing bringen dabei eine besondere Qualität in den Prozess: eine fokussierte Handlungsenergie.

2. Systemische Analyse – Was sind die kritischen Unsicherheiten?

Der zweite Teil des Labs beginnt mit einem Brainstorming über Faktoren, die einen starken Einfluss auf das gewählte Entwicklungsfeld haben. Dabei werden neben organisationsinternen Faktoren Aspekte aus unterschiedlichen STEP-Kategorien einbezogen (sozio-kulturelle Faktoren, technologische Faktoren, ökonomische Faktoren und politische Faktoren). Die Faktoren sollten konkret, bodennah und nicht zu global gefasst werden.

Aus der Liste werden durch Punkteverfahren zwei Faktoren priorisiert, die zugleich besonders unvorhersehbar sind und einen hohen Einfluss auf die Arbeit im Fokusbereich haben (in der Sprache der Liberating Structures sind dies „Critical Uncertainties“). Die beiden Faktoren spannen die Achsen des nun zu bildenden Szenario Feldes auf, das in der Kombination der Ausprägung (z.B. hohe Regulierungsdichte vs. geringe Regulierungsdichte auf der einen Achse und steigendes Infektionsgeschehen vs. langsames Absinken des Infektionsgeschehens auf der anderen Achse) vier mögliche Szenarien abbildet. Die Gruppenmitglieder markieren schließlich mit Spielfiguren, wie sie die aktuelle Situation und die in 12-18 Monaten wahrscheinlichste Entwicklung im Szenario Feld einschätzen.

3. Erkundung der Szenarios – Was liegt vor uns?

In dritten Teil des Labs werden alle plausiblen Szenarien (also alle Szenarien, die im vorangegangenen Schritt als denkbar eingeschätzt wurden) weiter erkundet. Hierzu erörtern Kleingruppen zwei Fragenkomplexe:

  • Szenariobeschreibung: Wie sieht unser Feld in diesem Szenario aus? Was erleben wir und die Menschen, mit denen wir interagieren? Was wäre ein treffender Titel für das Szenario? (hier bieten sich z.B. Anklänge an Film- und Buchtitel an). Es ist wichtig, an dieser Stelle kein Schwarz-Weiß-Bild zu malen, auch wenn die Polaritäten der Faktoren manchmal Best-Case- und Worst-Case-Szenarien nahelegen. Es geht auch um Grauzonen, um das Gute im Schwierigen und das Schwierige Guten.
  • Strategische Optionen: Wie wirkt sich diese Realität auf unsere Arbeit aus und was können wir tun, um auf die Chancen und Risiken in diesem Szenario vorbereitet zu sein? Was müssen wir tun, um uns auf diese Zukunft einzustellen? Was können wir tun, um zu den positiven Aspekten in diesem Szenario beizutragen?

Die Szenariobeschreibungen und strategischen Optionen werden geteilt und mit Resonanz versehen. Den Abschluss dieses Teils bilden ein paar Minuten der stillen Reflexion, um sich persönlich mit dem Gehörten auseinanderzusetzen.

4. Strategisches Handeln – Was ist unser nächster Schritt?

In neu gemischten Gruppen werden nun mögliche strategische Schritte diskutiert, die in den verschiedenen Szenarien Sinn machen. Was sind die größten Risiken, gegen die wir uns absichern sollten? Welches sind die größten Chancen, auf die wir uns vorbereiten sollten? Was müssen wir tun, um diese Chancen besser nutzen zu können? Was ist unser nächster Schritt? Abschließend werden die Vorschläge im Plenum anhand von zwei „Währungen“ bewertet: Strategiepunkte zeigen an: „Diese Aktion halte ich im Lichte unseres strategischen Ziels für besonders sinnvoll“. Energiepunkte zeigen an: „Für diese Aktion bin ich persönlich bereit, Energie zu investieren“. Idealerweise sollten Vorhaben vereinbart werden, die in beiden Währungen Punkte erhalten haben, die also als sinnvoll und unterstützenswert eingestuft werden. Die Vereinbarung mündet in der Beauftragung einer Task Force, die die geplanten Aktivitäten ausarbeitet und ihre Umsetzung in die Wege leitet. 

Das Lab endet feierlich mit einer Runde von Toasts auf die Goldene Zukunft.

Das Strategy Pocket Lab (pdf zum Download) wurde von Mitgliedern des Civil Society Toolbox Core Teams in Zusammenarbeit von SOCIUS Organisationsberatung gGmbH und MitOst e.V. mit Unterstützung des IAC/Bosch Alumni Network entwickelt. Die Methode kann im Rahmen der Creative-Commons-Prinzipien genutzt und angepasst werden. Vorlagen für Miro sind über SOCIUS zugänglich.

 

Quellen

 

Sinnvoll zusammen wirken

Von der Organisationsentwicklung zur Gesellschaftsentwicklung

Von der Organisationsentwicklung zur Gesellschaftsentwicklung

Ein gedankliches Experiment

Organisationsentwickler*innen begleiten Organisationen in ihren Entwicklungsprozessen. Doch was, wenn es auch für die Gesellschaft ähnlich begleitete Prozesse gäbe? Was, wenn es Gesellschaftsentwickler*innen gäbe? 

Ich möchte uns zu einem Gedankenexperiment einladen.

Unsere Gesellschaft steht vor immensen Herausforderungen, dazu gehören Entwurzelung und ökonomische Ungleichgewichte, der Klimawandel, soziale Isolation und Corona, neben vielen weiteren. Dabei werden die notwendigen Entwicklungsprozesse jedoch in den wenigsten Fällen gezielt begleitet. Viel häufiger geschieht ein Ringen und Verhandeln vieler Akteur*innen aus Politik, Zivilgesellschaft, Wirtschaft usw., häufig mit viel Reibung. Selten kommt es vor, dass die Reibung konstruktiv in eine gemeinsame Entwicklung der involvierten Akteur*innen eingebettet wird. Könnte das nicht anders sein?

Prozessbegleitung der Gesellschaft

Ähnlich wie eine Organisation hat eine Gesellschaft viele Teil- und Subsysteme (nur weitaus komplexer). Dies können Organisationen sein, aber genauso der Wohnblock um die Ecke, ein Familiensystem, eine Metropole, einzelne Menschen, Bündnisnetzwerke oder ganze Staaten. Gesellschaftsentwickler*innen hätten die Möglichkeit, auf ganz unterschiedlichen Ebenen bzw. in unterschiedlichen Systemen anzusetzen und konzertierte Entwicklungsprozesse darin zu begleiten. 

Nehmen wir an, die Auseinandersetzung mit einem bedingungslosen Grundeinkommen würde als Gesellschaftsentwicklungsprozess aufgesetzt werden. Ausgangslage bzw. Beauftragung wäre die erfolgreiche Petition dazu vom Frühjahr 2020. Solch ein Prozess könnte etwa die Durchführung verschiedener facilitierter Austauschforen beinhalten, in denen Vertreter*innen unterschiedlicher Positionen sich menschlich begegnen können um gemeinsam Synthesen zu erarbeiten. Womöglich würde es sich anbieten, Bürger*innenräte dazu durchzuführen, sowie Prozesse mit Verwaltungen, Kommunen, privatwirtschaftlichen Unternehmen und/oder Branchenverbänden zu initiieren. Gesellschaftsentwickler*innen könnten hier zwischen den Systemen vermitteln, für Öffentlichkeit und Transparenz sorgen und zugleich die Vulnerabilität der Entwicklungsprozesse schützen und Ergebnisse zusammenführen. 

Gesellschaftsentwickler*innen bekämen durch die Arbeit in so unterschiedlichen Systemen ein ausgeprägtes Feingefühl, sich auf jeweilige Systemkulturen einzustellen und zwischen ihnen zu übersetzen – dies würde gleichzeitig ein größeres Generalist*innenwissen bzw. -erfahrung als in der Organisationsentwicklung erfordern. Ihre Stärke läge vor allem im Vermitteln und Halten von ganz unterschiedlichen, teilweise verschränkten Prozessen. Umso wirksamer könnten sie sein, wenn sie in einem Moment mit einer Behörde arbeiten, im nächsten mit dem Familiensystem der Behördenleiterin und im dritten mit dem Klientel der Behörde.

Aus den Erkenntnissen der OE schöpfen

Es gibt viele Fälle, in denen OE-ler*innen neben ihrer „klassischen“ Tätigkeit Bürger*innenforen facilitieren, parallel einer therapeutischen Tätigkeit nachgehen und in ihre Arbeit integrieren oder Nachbarschafts- und Kommunalentwicklung begleiten. Wenn wir in den Bereich der Unternehmensberatung schauen, ist es heutzutage Usus, dass Beratungsfirmen Politiker*innen, Ministerien, Staaten usw. beraten. Dabei bleiben die Beratungen jedoch oft im Hintergrund und sind für die Betroffenen der Beratungsinhalte wenig sichtbar. Eine transparente Prozessbegleitung auf gesellschaftlicher Ebene könnte diese Lücke schließen.

Das Potential, aus der Disziplin der Organisationsentwicklung zu schöpfen, ist groß. Es ist sieben Jahre her, dass Frederic Laloux‘ Reinventing Organizations erschien. In dieser kurzen Zeit sind progressive Organisationen bzw. Praktiken aus der Nische getreten und haben einen nicht zu übersehenden Trend erzeugt. Die Nachfrage nach mehr Resilienz, Partizipation, Authentizität, Selbstverantwortung, Herzlichkeit und gesellschaftlicher Verantwortung in Organisationen ist sprunghaft angestiegen (was sicher nicht nur Laloux zu verdanken ist, doch markiert sein Buch diese Trendwende). Dass der Gesellschaft vieles davon zugute kommen könnte, liegt nahe.

Verantwortung für eine schönere Welt

Aus meiner Perspektive betreiben Organisationsentwickler*innen schon vielfach Gesellschaftsentwicklung, sind sich dieser großen Verantwortung aber nicht zwangsläufig bewusst. Das ist bedauerlich. Mehr denn je braucht unsere Gesellschaft Lösungen, die uns aus bestehenden Paradigmen heraushelfen und dringende Entwicklungen voranbringen. Es gibt glücklicherweise schon eine Menge progressiver Lösungen, wenn wir nur anfangen, uns ein wenig umzuschauen. Für einen guten Rundumschlag empfehle ich Zukunft für alle vom Konzeptwerk neue Ökonomie und Utopia 2048 von Lino Zeddies

Um solchen Lösungen in die Welt zu helfen und weitere zu entwickeln, braucht es Gesellschaftsentwickler*innen, die neben Prozessbegleitung verheißungsvolle Impulse in die Gesellschaft bringen. Der systemische Blick und Einblick in ausstehende Entwicklungsschritte der Gesellschaft ermöglichen es, hier passende Impulse zu setzen. Beispiele für bisherige konzeptionelle Impulse sind etwa Bürger*innenräte, Reinventing Organizations, das bedingungslose Grundeinkommen, die Gemeinwohlökonomie oder (auf niedrigerer Flughöhe) die beiden eben genannten Publikationen. In unserer Zeit reicht es nicht aus, nur auf das, was sich entwickeln will zu warten. Wir brauchen Impulse, die aktiv in eine schönere Welt einladen. Diese zu setzen wäre ebenso eine genuine Aufgabe von Gesellschaftsentwickler*innen. Mit solch einer Verantwortung geht allerdings genauso ein Bedarf an Kompetenzen einher, wozu ich im nächsten Abschnitt einige Vorschläge vorstelle.

Gesellschaftsentwicklung als Disziplin

Was könnte es konkret bedeuten, Gesellschaftsentwickler*in (GE-ler*in) zu sein? Welche Kompetenzen brauchen Menschen, die solch einer verantwortungsvollen Aufgabe nachgehen? Fünf Bereiche möchte ich dazu vorschlagen, die aus meiner Sicht entscheidend sind.

  • Persönlichkeit entwickeln – Ähnlich wie bei der OE ist schon auf dem Weg zur Tätigkeit als Gesellschaftsentwickler*in eine tiefe Auseinandersetzung mit sich selbst, den eigenen Wurzeln und Verletzungen von großer Bedeutung. Um mit Menschen und Systemen in Resonanz gehen zu können, brauchen wir eine innere Geklärtheit und Reife. Wer ständig emotional von anderen aktiviert wird, also starke emotionale Reaktionen erlebt, kann nur schwer in eine fruchtbare Resonanz mit ihnen treten und gemeinsam Entwicklungspotentiale erforschen, respektive den Entwicklungsprozess begleiten. Unbewusst feuernde Ego-Anteile können hier stattdessen Schaden anrichten. Persönliche Entwicklung ist insofern eine Grundvoraussetzung, gerade weil so viel Gestaltungsmacht in den Händen von GE-ler*innen liegt.
  • Utopien entwerfen – Was lässt sich alles aus der derzeitigen Corona-Pandemie an Potentialen heben? GE-ler*innen verbinden sich zwar mit der Tragik einer Situation (Resonanz), gehen aber einen Schritt weiter und fokussieren ebenso auf entstehenden Möglichkeiten. Sie stellen sich regelmäßig die Frage „Was ist in diesem Moment das höchste Potential von … z.B. dem Gesundheitssystem?“ So ergründen sie Potentiale, zeigen sie auf und laden ein, Chancen zu ergreifen. Insofern gehört die Fähigkeiten, Potentiale zu erkennen und frei in verschiedene Möglichkeitsrichtungen zu denken zum Repertoire. Mit ihren Gedankenexperimenten treten sie als Musen auf, um Entwicklungen zu inspirieren. Dabei verbinden GE-ler*innen in scheinbarem Widerspruch stehende Elemente und bilden Proto-Synthesen. Es zählt nicht, welche Idee besser ist als die andere, sondern wie sich die Kerne kreativ zusammenfügen lassen, um etwas Größeres zu schaffen. (Das Konzept der Gesellschaftsentwicklung als Disziplin selbst ist eine Proto-Synthese vieler Einflüsse und Konzepte, die mir bisher begegnet sind – es wird sich zeigen, ob es eine hilfreiche Synthese ist und wie sie sich ggf. weiter entwickelt.)

Beziehungsgeflechte weben – Da es immer unmöglicher wird, von einer einzelnen Warte aus verantwortungsvoll zu intervenieren und mit der uns umgebenden Komplexität umzugehen, brauchen wir die Unterstützung und Perspektiven anderer. Mit fundierter Multiperspektivität können GE-ler*innen adäquat agieren. Zweitens sind Gesellschaften selbst zu großen Teilen ein hyperkomplexes Beziehungsgeflecht. Diese Beziehungen werden ständig aktualisiert und in ihrer Qualität verändert – entsprechend auch das gesamte Geflecht, also die Gesellschaft. Durch das bewusste Gestalten von Beziehungen und Beziehungsgeflechten, prägen GE-ler*innen  unmittelbar die Muster unserer Gesellschaft. Sie können entscheiden, wie engmaschig, bunt oder tragend Netze gewoben sind – darüber entwickeln sie Gesellschaft.

  • Veränderung vorleben – Um in ein anderes Miteinander unserer Gesellschaft zu treten, braucht es Pionier*innen, die durch eigenes Experimentieren und Vorleben Eindrücke dessen transportieren können, was alles möglich ist und wünschenswert sein kann. Als immanenter Teil der gesellschaftlichen Systeme sind wir gefragt, mit den denkbaren Grenzen zu spielen, das scheinbar Unmachbare zu testen und Wege zu begehen, die visionär, reizvoll und einladend sind. Das gilt für unsere individuelle Ebene (wie gestalten wir Freundschaften und Liebe, wie gehen wir mit unserer Nachbarschaft und unserer Umwelt um, wie gehen wir mit unserem Geld um etc.?), es gilt für unsere organisationalen Ebenen (nach welchen Prinzipien organisieren wir uns, wie werden hier Beziehungen gepflegt, welchen Umgang mit Zeit, Stress, Geld, Macht und Inspiration wollen wir hier leben?) und für die gesellschaftlichen Ebenen (wie bringen wir uns bei den großen Themen ein, welches Geschenk haben wir unseren Mitmenschen zu geben, was haben wir der Welt anzubieten?).
  • Prozesse begleiten – Entwicklungen vollziehen sich in Prozessen. Ähnlich wie Kinder Begleitung in ihrer Entwicklung brauchen, bis sie auf eigenen Beinen stehen, können auch Systeme Entwicklungsbegleitung gut gebrauchen. Gesellschaftsentwickler*innen begleiten Prozesse unterschiedlicher Systeme. Diese können einzelne Menschen sein, ein Team, eine Familie, eine Organisation, eine Institution, eine Gemeinde, eine Subkultur, ein organisationales Netzwerk, ein Staat, ein Staatenbund oder ein supranationales Netzwerk. Dabei achten sie auf Wechselwirkungen der Systeme und wechseln wo sinnvoll die Systemebene. GE-ler*innen halten einen Rahmen, in dem sich ein System entwickeln kann. Sie achten darauf, was das System selbst entwickeln möchte und machen in Resonanz damit entsprechende Angebote zum gemeinsamen Explorieren. Für die Prozessbegleitung brauchen sie den entsprechenden Methodenkoffer, der speziell für Gesellschaftsentwicklung teilweise noch zu entwickeln wäre.

Wenn ich Gesellschaftsentwickler*in wäre …

Unsere Welt braucht mehr denn je die Kraft aller, damit wir es hinbekommen, eine neue Geschichte der Verbundenheit statt der Trennung (das dominante Paradigma des 20. Jahrhunderts) zu schreiben. Durch die Komplexität unserer Welt brauchen wir gleichzeitig Menschen, die sich in vielen Bereichen auskennen und sich auf das Begleiten von Entwicklungsprozessen verstehen. Gesellschaftsentwicklung kann ein Weg sein, der es wert ist, weiter erforscht zu werden. Auf diesem Weg werden wir uns unserer schon vorhandenen Gestaltungsmacht bewusster und können sie entsprechend bewusster einsetzen. Fangen wir damit an, uns die Frage zu stellen: „Wenn ich Gesellschaftsentwickler*in wäre – was würde (s)ich ändern?“

Weiterführende Literatur

Über neue Formen gesellschaftlichen Wirkens

Eisenstein, Charles (2017): Die schönere Welt, die unser Herz kennt, ist möglich

Freinacht, Hanzi (2017; 2019): The Listening Society und Nordic Ideology

Dietrich, Wolfgang (2011): Variationen über die vielen Frieden Band 2: Elicitive Konflikttransformation und die transrationale Wende in der Friedenspolitik

Über konkrete Ideen, es anders zu machen

Konzeptwerk neue Ökonomie (2020): Zukunft für alle – Eine Vision für 2048

Zeddies, Lino (2020): Utopia 2048

Laloux, Frederic (2014): Reinventing Organizations

Sinnvoll zusammen wirken

Fortsätze des oe-tags Berlin 2020

Fortsätze des oe-tags Berlin 2020

Der oe-tag 2020 Berlin “oe-topia: Organisationsentwicklung für gesellschaftliche Veränderung” stand im Zeichen von Aufbruch und Ausprobieren ungewöhnlicher Gedanken zur Gestaltung unserer Zukunft. In Zeiten des zweiten Corona-Lockdowns wirkt es erstaunlich, dass wir uns im September 2020 mit fast 50 Personen an einem Ort getroffen haben. Wenn auch mit Maske und 1,5 Metern Abstand zwischen den Stühlen.

Drei Monate nach dem oe-tag haben wir bei denen, die dabei waren, nachgefragt, was sich aus den Inspirationen für sie weiter ergeben hat. Es ist selten, dass wir als Veranstalter*innen erfahren, was genau denn tatsächlich einen nachhaltigen Effekt hatte. Umso mehr freuen wir uns, dass Inspirationen hängen geblieben sind und wir ein paar Eindrücke davon hier teilen können. 

„Ich fand  es toll, dass eher die „jüngere Generation von Socius“ (sorry, wenn ich das mal so betitele) den OEtag gestaltet hat und präsent war – das fand ich schön und erfrischend.“

„der Satz „Was wäre das höchste Potential von …“ ist in meinem Alltag sehr präsent. DANKE, eine echte Bereicherung gerade in diesen verrückten Zeiten.“

„für mich war der Workshop von Tobi Rosswog inspirierend, auch wenn ich das Thema nicht weiter verfolgt habe.“

 

„also bei mir hängt noch: natürlich der Utopian Charge. Der klingt weiter und ich denke oft daran und denke oft darüber nach, wie man ihn einbauen kann in Prozesse und Rück- und Ausblicke und und und. Sehr simpel und sehr überzeugend.“ 

 

„was mir ist am stärksten in Erinnerung geblieben ist: Dass ich in einem Workshop zur Selbstorganisation selbst erleben konnte, wie das mit improvisierten Musikinstrumenten funktionierte und sich nach kurzer Zeit autopoietisch ein gemeinsamer Rhythmus einstellte, obwohl es keinerlei Vorgaben und Anleitung dazu gab. Das war wirklich beeindruckend, obwohl ich durchaus vorher schon gut funktionierende Selbstorganisation erlebt habe. Aber dass sich diese Erfahrung so einfach in einem Workshop vermitteln ließ, hätte ich mir nicht vorstellen können.“

„ich finde die Bilder, die entstanden sind, wirklich toll – tolle Fotografin! :)“

„ich habe mir auf Inspiration von Carolin Gebel die Karten für Erfolgsmuster in Gruppen www.groupworksdeck.org bestellt. Jetzt bin ich schon sehr gespannt, sie bald in der Praxis erproben zu können.“

 

 

„Das Buch Utopia 2048 von Lino habe ich schon fast durchgelesen und finde es sehr empfehlenswert!“

„Mir bleibt auch hängen, dass das alles Corona zum trotz ganz live und in Farbe stattgefunden hat. Wenn man will, geht so einiges… und eure schöne Energie, nicht zuletzt am Vorabend im Blue Nile.“

„Insgesamt bin ich sehr froh und dankbar, dass Ihr diesen Austausch unter den doch schwierigen Bedingungen ermöglicht habt und bin schon gespannt auf nächstes Jahr!“

Organisationsentwicklung in der Zukunft

Wir danken allen noch einmal ganz herzlich, die zum Gelingen des oe-tags beigetragen haben. Auch uns hat das Thema über das Jahr hinweg und über den oe-tag hinaus beschäftigt (hier spricht nun vor allem das Kern-Orga-Team – Jana Hornberger, Lino Zeddies und Simon Mohn). Drei konkrete Fortsätze wollen wir hier teilen:

  1. Utopian Charge – es ist mittlerweile eine vielfach verwendete Methode für unsere Vorhaben und Projekte geworden, diese mit einer utopischen Aufladung zu versehen. Der Frage “was ist das höchste Potential von…” methodisch nachzugehen hat etwas Magisches und bewährt sich auch in Kund*innenprojekten.

     

  2. OE und GE – die Disziplin der Organisationsentwicklung wird sich weiterentwickeln und auch wir stellen uns regelmäßig die Frage, in welche Richtung das geht. Ein möglicher Weg wurde am oe-tag ständig mitdiskutiert, wenn auch nicht so explizit ausgedrückt. Wie wäre es, wenn wir Gesellschaftsentwicklung zur Disziplin erheben? In diesem Artikel gibt es dazu weitere Gedanken.

3. Gründung Institut – dass persönliche, organisationale und gesellschaftliche Entwicklung einen harmonischen und vor allem wirkungsvollen Akkord beschreiben, ist kein Geheimnis mehr. Dennoch wird das selten konsequent zusammengedacht. Zwei von uns (Simon und Lino) gründen derzeit mit ein paar weiteren Menschen ein Institut, dass sich utopischen Gesellschaftsvisionen und dem Weg dahin in diesem Sinne annehmen wird. Stay tuned.

Sinnvoll zusammen wirken

SOCIUS Fundstück – empathy@work

SOCIUS Fundstück – empathy@work

Manchmal will gut Ding Weile haben und es dauert bis wir es schaffen, Euch an unseren Gedanken und unserer Arbeit teilhaben zu lassen.

Gerade sind uns zwei SOCIUS Fundstücke wieder begegnet, die schon seit Jahren auf ihre Veröffentlichung warten.

 

Ralph Piotrowski hat 2016 einen Vortrag zum Thema „Professionelle Nähe“ vor Mitarbeitenden einer Wohlfahrtsorganisation gehalten, den wir nun endlich als Audiodatei veröffentlichen. Er stellt darin unseren Führungskompass vor und erklärt warum es wichtig ist, sich auch in Arbeitskontexten emotional und verletzlich zu zeigen.

 

 

 

 

 

Schon 2015 hat Hendrike Schoof ihre Masterarbeit zum Thema „Gewaltfreie Kommunikation am Arbeitsplatz“ geschrieben. Im Zuge dessen hat sie Nicola Kriesel zu ihren Erfahrungen in der Praxis interviewt, sie nach Herausforderungen in Organisationen gefragt und wie sie mit Führungskräften mit gewaltfreier Kommunikation arbeitet.

 

 

 

Lernräume entdecken: Reflektionen aus der Lernwerkstatt gOe!

Lernräume entdecken: Reflektionen aus der Lernwerkstatt gOe!

gOe! steht für „gemeinnützige Organisationen entwickeln!“ und versteht sich als Lernwerkstatt für interne Entwickler*innen und externe Prozessbegleiter*innen in gemeinnützigen Organisationen. Die Fortbildung besteht aus drei Modulen, die unter den Aspekten Kultur, Struktur und Strategie Veränderungsprozesse betrachten. Hier reflektieren Yi-Cong Lu, Projektleiter bei be able und Design Thinking Coach am Hasso Plattner Institut, und Julia Hoffmann, Programmleiterin bei MitOst, über ihre Teilnahme an dem SOCIUS Werkstattzyklus. 

Julia

Mein Weg zu gOe!

In den letzten zehn Jahren habe ich in verschiedensten Organisationen in Europa gewirkt, die Gutes in die Welt bringen wollen. Nach der Arbeit an Projekten und Initiativen treibt es mich um, tiefer zu verstehen, wie ich als Begleiterin gemeinnützige Organisationen so unterstützen kann, dass sie ihre Vision umsetzen, dabei lebendig bleiben und nachhaltig wirken.

Auf diesem Weg wende ich Ansätze, Praktiken und Modelle an, die gemeinnützige Organisationen und „ihre“ Menschen unterstützen können, um langfristig und erfolgreich ihre Ziele zu erreichen. So kam ich zu gOe!: Um weiter zu lernen, aus Erfahrungen zu schöpfen und um zu reflektieren.

Eintauchen in das Abenteuer Kultur

Was ist Kultur? Welche Rolle spielt sie für die Entwicklung von Organisationen? Mit welchen Ansätzen, Instrumenten und Haltungen kann man ihr begegnen; als Mitglied einer Organisation oder als Beraterin von außen? Welche innere Haltung unterstützt mich dabei mit der Kultur einer Organisation in Kontakt zu treten? Das sind die Fragen, die im ersten Fortbildungsmodul auf der Agenda stehen.

Für mich kann „Kultur“ vieles bedeuten.  Es ist ein Wort, das wie ein Sammelbecken erscheint – jede und jeder kann einmal darin fischen und für sich eine Bedeutung herausgreifen, was für sie oder ihn gemeint ist. Ursprünglich vom Lateinischen “colere” stammend, was so viel wie “bebauen”, “pflegen”, “urbar machen” und “ausbilden“ bedeutete, bezeichnet Kultur im weitesten Sinne alles was der Mensch selbst gestaltend hervorbringt. So zumindest steht es auf Wikipedia.  

Wie Ringe in einem Baumstamm – die Kultur von Organisationen wahrnehmen

Im engeren Sinne versteht die Organisationsentwicklung nach Edgar Schein (1985) unter Kultur geteilte Muster des Denkens, Fühlens und Handelns in Organisationen. Wie „Ringe in einem Baumstamm“ kann ich mich als Beraterin der Organisationskultur nähern, erklärt Joana Ebbinghaus :

Die Ebene der Artefakte bildet die äußersten Ringe des Baumstamms: Wie ist der physische Raum einer Organisation gestaltet? Wie wirken die Büros auf mich? Wie sind die Wände gestaltet? Sind die Türen der Büros offen oder geschlossen? Ist es laut, leise, gemischt oder wild chaotisch? Wenn das Bürogebäude der Organisation eine Seele hätten, was würde es über sie erzählen? Erste Eindrücke, die mir Hinweise darüber geben können, worauf in der Organisation wert gelegt wird, was wichtig oder unwichtig ist.  

Die bekundeten Werte der Organisation bilden die mittleren Ringe im Baumstamm-Modell und beziehen sich auf die Mission, der sich die Organisation verschrieben hat: Wie hat sie sich seit Gründung verändert? Was ist das Leitbild, das die Organisation trägt und antreibt? Was erfahre ich durch die Selbstdarstellung der Organisation über ihr Handeln, Denken und Fühlen?

Ganz im Inneren des Baumstamms finden sich die tief verwurzelten Glaubenssätze und Grundannahmen der Organisation. Selten auf den ersten Blick erkennbar, verstecken sich hier Prämissen auf deren Grundlage Menschen in einer Organisation arbeiten: Welche dieser Paradigmen sind bewusst? Welche sind unbewusst? Wie prägen sie die das Wirken der Organisation?

Das Modell ist eindringlich und klar und zeigt einen Weg auf, auf dem ich mich als Beraterin einer Organisationen und ihrer Kultur nähern kann. Die Fortbildung belässt es nicht allein beim Denken: An einem praktischen Fallbeispiel mit einer Stiftung und einem Verein  üben wir am zweiten Fortbildungstag den Erstbesuch bei einer Organisation samt Kulturanalyse. In zwei Gruppen traben wir los, fahren zu Besuch und Gespräch. Beobachten und Bestaunen die beiden besuchten Organisationen und „ihre“ Menschen. Zurück im Seminarraum folgt die Fallbesprechung samt Auswertung und Analyse. Theorie und erfahrungsbasiertes Lernen greifen hier  immer wieder ineinander.

Im Hier und Jetzt etwas entstehen lassen

Der folgende Tag ist ein grauer Berliner Novembernachmittag. Zu zwölft sitzen wir im Kreuzberger Seminarraum und tauchen weiter in Ansätze und Methoden ein, um die Kultur von Organisationen zu erfassen, zu erspüren. Währenddessen rattert die U-Bahn auf ihrer Hochbahn am Fenster vorbei. Fasziniert und auch verwundert tauchen wir in erste Grundlagen der Gestalt-Philosophie ein: Nach diesem Ansatz versteht sich die Beraterin und der Berater als Instrument und Resonanzkörper der Gruppe und beziehen neben dem Denken auch ihre Körperwahrnehmung in Beratungsprozesse mit ein. Der Gestalt-Ansatz basiert auf einem durchweg positiven Menschenbild, das davon ausgeht, dass wir alles, was wir zu einem erfüllten Leben brauchen, bereits in uns tragen. Vertrauen in die individuellen Selbstheilungskräfte von Menschen bildet eine der Grundannahmen des Ansatzes, der sich darauf fokussiert, im Hier und Jetzt Menschen in wahrhaftige Begegnung und Kontakt zu bringen.

Resonanz.

Körper.

Ich denke an ein Cello mit seinen wohligen Tönen und großen hölzern-geschwungenen Rundungen. Aber auch an ein Saxophon, welches ganz andere Töne hervorbringt. Oder ein Schlagzeug, das sich ausschließlich auf den Rhythmus fokussiert. Wie klingen sie, wenn sie gemeinsam spielen? Wie kann ich als Beraterin meinen Resonanzkörper kennenlernen, vertiefen und ihn für die Arbeit kultivieren?

Mit Zitaten zeichnen Christian und Joana dann die Eingangstür in das Wirkungsverständnis von Gestalt in unsere Mitte:

Der Mensch wird am Du zum Ich”  Martin Buber

„Kontakt findet immer an der Grenze statt.“ Gestalt-Grundsatz 

“Alles was ist, darf sein. Und was sein darf, kann sich verändern.”  Arnold Beisser

Neue Welten warten hinter der Tür, die einen handfesten Spalt geöffnet ist.

Neue Landkarten 

“Ist das eine Landkarte zu einem Land, in das ich hinein möchte?” fragt sich ein Teilnehmer in der abschließenden Reflektionsrunde. Im Stillen antworte ich mir selbst mit einem klaren Ja. Sowohl das Land als auch die Landkarten faszinieren mich. Der Blick auf Organisationen wie wir ihn an diesem Wochenende kennengelernt haben, macht mich neugierig und zeugt von dem Potential, das in Begleitungs- und Beratungsprozessen stecken kann. 

Drin in “Kultur” sind wir alle, die wir  zu Organisationen, Gruppen, Gesellschaften gehören. Ob wir es auch wollen, die Perspektive der Organisationsentwicklung einzunehmen, aus diesem Blick zu schauen, und aktiv in der Rolle als Begleiterin oder Begleiter unsere Organisationen zu gestalten, ist eine Entscheidung und Aufgabe. Inmitten der Vielzahl von Rollen und Vorhaben beim Ringen um eine gute Welt, ist das Begleiten von Organisationen eine unter vielen, die nicht besser oder wichtiger ist als andere. Sie ist eine spezifische, die das Lernen und Entwickeln von Organisationen in den Vordergrund stellt. Eine, die mich neugierig macht und ein neues berufliches Abenteuer ankündigt.

“Ich lerne, wie ich anders gucken kann” ist eine der Aussagen, die mir ebenso im Kopf bleibt. Mit welcher Klarheit diese gOe-Haltung in der Abschlussrunde im Raum steht, spricht für unsere Lernerfahrung an diesem Wochenende.  “gOe!” ist ein Lernraum, eine Erfahrung, ein Kennenlernen von mir im Kontakt mit der Welt, den Menschen und den Organisationen da draußen.

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Verweise

Schein, Edgar H. (1985): Organizational Culture and Leadership. San Francisco: Jossey-Bass Publishers.

Wikipedia (2019): Kultur. Zugriff am 29.12.2019: https://de.wikipedia.org/wiki/Kultur

Wikipedia (2020): VUCA. Zugriff am 02.01.2020: https://de.wikipedia.org/wiki/VUCA

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Einladung

SOCIUS Infoabend zu gOe! – gemeinnützige Organisationen entwickeln!

2. März 2020, 17 – 19 Uhr

 

Sinnvoll zusammen wirken

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