Kann Trauer chronisch krank machen? 

Kann Trauer chronisch krank machen? 

In unserem letzten SOCIUS salon “Gesunde Kranke” berichtete eine teilnehmende Person, dass ihr Sohn vor sechs Jahren gestorben sei und sprach von Trauer als chronischer Erkrankung. Als Trauerbegleiterin und Mitinitiatorin unserer SOCIUS salons rund um das Thema von chronischen Erkrankungen und Arbeit hatte ich genau darüber auch schon nachgedacht. 

Trauer ist eine der tiefsten und komplexesten menschlichen Erfahrungen. Wir alle werden im Laufe unseres Lebens mit Verlust konfrontiert, und jede:r von uns trauert auf eine ganz eigene Weise. Dennoch gibt es auch ein ähnliches Erleben von Trauernden, nicht umsonst sind Trauergruppen Orte, in denen trotz so unterschiedlicher Verluste Verbundenheit entsteht. 

Doch was, wenn Trauer nicht nur ein vorübergehendes Gefühl ist? Was, wenn sie sich zu einem langanhaltenden, chronischen Zustand entwickelt?

Trauer als andauernde Begleiterin

Seit einigen Jahren gibt es auch eine offizielle Diagnose: Die Anhaltende Trauerstörung (Prolonged Grief Disorder, PGD).  

Laut International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems (ICD-11), also der internationalen Klassifikation psychischer Störungen, kann die anhaltende Trauerstörung bereits nach einem halben Jahr Trauer diagnostiziert werden. Allerding gehören hier noch weitere Beschwerden hinzu wie die ausgeprägte Sehnsucht nach der verstorbenen Person, welche begleitet wird durch starke emotionale Schmerzen wie z. B. Traurigkeit, Schuldgefühle, Wut, Verleugnung, Schwierigkeiten, den Tod anzunehmen, das Gefühl, einen Teil des eigenen Selbst verloren zu haben, die Unfähigkeit, eine positive Stimmung zu erleben, emotionale Taubheit, Schwierigkeiten bei der Beschäftigung mit sozialen und anderen Aktivitäten. Und die Trauerreaktion übersteigt die erwarteten sozialen, kulturellen oder religiösen Normen für die Kultur und den Kontext des Einzelnen. (Quelle: Deutscher Kinderhospizverein e.V.)

Laut Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen (DSM-5) wird die anhaltende Trauerstörung erst nach über einem Jahr anhaltender Trauer diagnostiziert, auch hier muss sie einher gehen mit starkem Verlangen nach der verstorbenen Person und eine Art Obsession auf die verstorbenen Person mit sich bringt, die zu starkem Leid und Funktionseinschränkungen einhergeht.

Die Diagnosemöglichkeiten sind nicht unumstritten. Einerseits können sie Zugang zu professioneller Hilfe erleichtern und eine Kostenübernahme durch die Krankenkassen absichern, andererseits bergen sie das Risiko weiterer Stigmatisierungen von Trauernden. 

Erfahrene Trauerbegleiter:innen wissen ebenso wie Betroffene, dass Trauerprozesse oft sehr viel länger als ein Jahr dauern, manchmal ein Leben lang und sich vor allem die Art, wie wir damit umgehen, verändert. (Siehe auch Gute Trauer – Aeternitas e.V.)

Wir wissen also, dass Trauer in Wellen kommt und auch diese verändern sich. Der Frage “Trauerst du immer noch?” kann ganz ohne Diagnose mit “Ja, meine Person ist ja auch immer noch tot.” beantwortet werden und lässt, den einen oder die andere durch die innewohnende Wahrheit vielleicht etwas zusammen zucken. 

Wenn Trauer der Preis für Liebe ist, und Liebe bleibt, dann bleibt auch Trauer. Ganz ohne zur Krankheit zu werden, sondern zu einer integrierten Lebensrealität. 

Andere offizielle Diagnosen, die auf chronische Erkrankungen im Zusammenhang mit Trauer hinweisen, sind die Anpassungsstörung, die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) und Depressionen. 

Trauer kann natürlich auch körperliche Symptome auslösen, wie z. B. Erschöpfung, Schlafstörungen, chronische Schmerzen oder Verdauungsprobleme. Diese Symptome können langfristig bestehen und einer chronischen Erkrankung ähneln.

Neurobiologische Studien zeigen, dass Trauer das Gehirn ähnlich beeinflussen kann wie chronischer Stress oder Depressionen. Insbesondere das limbische System (verantwortlich für Emotionen) und das Belohnungssystem werden durch Trauerprozesse stark beansprucht, was zu einer Art neurologischer „Erschöpfung“ führen kann. Hier könnt Ihr einen interessanten Artikel dazu lesen, bzw. Podcast hören.

Trauer in Arbeitskontexten und Organisationen 

Menschen jedoch, die anhaltende Trauer erleben, stoßen oft auf Schwierigkeiten in der Arbeitswelt, insbesondere wenn keine unterstützenden Strukturen vorhanden sind. Viele berichten von Leistungsabfall, kognitiven Einschränkungen oder dem Gefühl, sich nicht wieder vollständig einfügen zu können. In manchen Fällen kann sich das in einer Art „Dauer-Ausgrenzung“ äußern, ganz ähnlich wie bei anderen chronischen Erkrankungen.

Es gibt Betroffene, die ihre Trauer als „lebenslange Krankheit“ beschreiben und die nicht einfach „geheilt“ werden kann; ganz ohne eine ICD-11 Diagnose zu haben, oder eine Störung. Und ähnlich wie bei chronischen Erkrankungen kann Trauer auch unsichtbar sein oder werden, es gibt gute und schlechte Phasen, und soziale Unterstützung sowie Anpassungen im Arbeits- und Lebensumfeld spielen eine große Rolle bei der Bewältigung.

Nicht nur in unserer Kultur gibt es oft wenig Raum für Trauer. Nach einer gewissen Zeit wird erwartet, dass Menschen wieder „funktionieren“. Diese Erwartungshaltung kann Druck auf Trauernde ausüben, ihre Gefühle zu verdrängen, anstatt sie in ihren Alltag zu integrieren.

Trauer ist aber nicht linear. Ihr wellenartiger Charakter ist mal sanft, mal donnert er mit der Wucht eines Tsunamis über die Trauernden hinweg. Es gibt keine „richtige“ oder „falsche“ Art zu trauern, und es gibt keinen Zeitplan, dem man folgen muss.

Akzeptanz als Schlüssel

Sowohl chronische Erkrankungen als auch Trauer haben etwas mit Akzeptanz zu tun. Es geht nicht darum, sie „loszuwerden“, sondern zu lernen, mit ihnen zu leben, sie zu integrieren und ihnen Raum zu geben.

Ein sanfterer Blick auf die Welt

In einer Welt, die oft von Härte und Polarisierung geprägt ist, brauchen wir mehr denn je einen sanfteren, akzeptierenderen Blick – auf Trauer, auf Krankheit, auf all das, was nicht einfach verschwindet, sondern mit uns weitergeht.

Wie können wir sanfter werden?

Sanftheit und Akzeptanz entstehen in den kleinen, alltäglichen Begegnungen. In der Art, wie wir einander zuhören. Wie wir Trauer oder Schmerz und Krankheit nicht sofort „wegmachen“ wollen, sondern “einfach” aushalten. 

Genau dafür gibt es unsere SOCIUS salons – als Orte für Begegnung, Austausch und Zuhören. 

Autorin Nicola Kriesel

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Führung braucht Rituale

Führung braucht Rituale

Hast du dich schon einmal gefragt, warum Rituale eine so kraftvolle Rolle in unserem Leben spielen? In einer Welt, die sich immer schneller dreht, bieten sie dir die Möglichkeit, innezuhalten, Altes loszulassen und Neues willkommen zu heißen. Rituale sind ein Gefäß, das dir hilft, Übergänge bewusst zu gestalten und dich wieder mit deiner Essenz zu verbinden.

„Ohne Rituale wird die Seele eines Menschen nicht wachsen.“ – Malidoma Patrice Somé

Was macht Rituale so besonders?

Rituale sind weit mehr als wiederkehrende Handlungen. Sie sind Momente der Verwandlung. Sie helfen dir, dich von alten Gewohnheiten zu lösen und dich für einen größeren Lebenszusammenhang zu öffnen. Es geht nicht darum, Bestehendes zu festigen, sondern darum, das Unbekannte zu umarmen und nach einer tiefgreifenden Erfahrung gewandelt in den Alltag zurückzukehren.

„Rituale helfen uns, die Welt in uns zu ordnen und neu zu gestalten. Sie sind das Medium, durch das wir unsere Visionen ins Leben bringen.“ – adrienne maree brown

Qualität und Ethik: Rituale mit Verantwortung gestalten

Rituale sind weit mehr als Relikte alter Zeiten oder esoterische Spielereien – sie sind tief in unserer menschlichen Kultur verwurzelt. Sie strukturieren Übergänge, geben Halt und schaffen Identität. Dass sie eine transformative Kraft besitzen, ist längst auch wissenschaftlich anerkannt. In der Managementforschung beispielsweise wird seit Jahren untersucht, wie Rituale Führung, Zusammenarbeit und Veränderungsprozesse unterstützen können – das Buch Führung braucht Rituale“ (Vahlen, 2011) ist nur eines von vielen Beispielen, die zeigen, dass sie als wirksame Werkzeuge in der modernen Welt eine Rolle spielen.

Doch Rituale sind nicht per se gut oder heilsam – sie sind Räume der Transformation, in denen Sinn entsteht, aber auch vereinnahmt werden kann. Gerade in Deutschland haben wir die historische Verantwortung, Rituale kritisch zu betrachten. Im Nationalsozialismus wurden rituelle Bräuche gezielt eingesetzt, um Massen zu manipulieren, Gehorsam zu fördern und eine Ideologie zu verankern, die unermessliches Leid brachte. Rituale sind nicht neutral – ihre Wirkung hängt davon ab, wie und wofür sie gestaltet werden.

Gerade deshalb ist es uns wichtig, das ARLINA-Ritual weder dogmatisch noch ideologisch zu betrachten. Unser Zugang ist bewusst reflektiert, offen und zeitkritisch. Wir glauben, dass in einer Zeit der Polykrise – mit multiplen, sich überlagernden Krisen wie Klimawandel, gesellschaftlicher Spaltung, geopolitischen Konflikten und der wachsenden Erschöpfung vieler Menschen – eine bewusste, verantwortungsvolle Praxis von Ritualen eine essenzielle Ressource sein kann. Sie können helfen, mit Unsicherheit umzugehen, Sinn zu stiften und neue Formen des Miteinanders zu entwickeln.

Was uns fehlt – individuell wie gesellschaftlich – ist nicht noch mehr Kontrolle oder Perfektion, sondern eine lebendige Praxis des Wandels. Rituale bieten uns Räume, in denen Veränderung nicht nur gedacht, sondern auch erlebt wird. Sie ermöglichen Übergänge, stärken Resilienz und eröffnen neue Perspektiven. Nicht als starre Vorgaben, sondern als dynamische Prozesse, die uns helfen, eine Zukunft zu gestalten, die nicht von Angst, sondern von Bewusstheit, Verbundenheit und Gestaltungswillen geprägt ist.

Unser Anspruch ist es, Rituale mit Verantwortung zu gestalten: mit Bewusstsein für ihre Wirkung, mit Offenheit für unterschiedliche Zugänge und mit Respekt für die individuelle Erfahrung jedes Einzelnen. Rituale sind kein Selbstzweck – sie sind Werkzeuge für das, was wir gemeinsam schaffen wollen. 

Was dich erwartet: Rituale als Weg zur Transformation

Unsere Rituale sind bewusst gestaltet, um dich ganzheitlich anzusprechen – körperlich, geistig und seelisch. Hier bekommst du einen Einblick, was dich erwartet:

Körperorientiertes Arbeiten

Alles beginnt mit der Verbindung zu deinem eigenen Körper. Erforsche, was dich nährt, und entdecke eine liebevolle Beziehung zu dir selbst. Rituale schaffen Raum, um in dich hineinzuspüren und deine innere Weisheit wiederzuentdecken.

Feiern im Dunkeln

Was hält dich zurück, dein Licht strahlen zu lassen? Rituale laden dich ein, deine inneren Schatten zu erforschen, Kraftquellen zu entdecken und deine Visionen klarer zu sehen. Was möchtest du loslassen? Was braucht Raum, um zu wachsen?

Kreative Prozesse 

Unsere Kreativität ist ein Teil von uns, und Rituale helfen dir, sie neu zu beleben. Ob biografische Collagen, Storytelling, Tanz oder Musik – lass deiner Kreativität freien Lauf und finde deinen authentischen Ausdruck.

Integration in den Alltag

Das Besondere an unseren Ritualen ist ihre nachhaltige Wirkung. Mit Reflexion, Coaching und praktischen Übungen unterstützen wir dich dabei, die Veränderungen in deinen Alltag zu integrieren.

Mit allen Sinnen genießen 

Gemeinsam kochen, essen und feiern – regional, vegan-vegetarisch und mit viel Liebe und Genuss. Es geht nicht nur darum, deinen Körper zu nähren, sondern auch um eine bewusste Verbindung zu deinem Essen und zur Gemeinschaft.

Warum jetzt?

Rituale sind universell – sie begleiten uns Menschen seit jeher. Sie stärken uns, schaffen Gemeinschaft und helfen uns, die großen Fragen des Lebens zu beantworten. In unserer modernen Welt, die oft von Trennung und Geschwindigkeit geprägt ist, bieten Rituale dir die Chance, dich neu zu erden und mit deiner Essenz in Verbindung zu treten.

„Rituale schaffen Räume, in denen wir mit uns selbst, der Gemeinschaft und dem Universum im Dialog stehen.“ – adrienne maree brown

Bist du bereit, dein altes Selbst loszulassen und Raum für das Neue zu schaffen? 

Autorinnen Julia Hoffmann und Christa Cocciole

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Förderung für INQA Coaching

Förderung für INQA Coaching

Die Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA) ist ein Bundesprogramm für die Förderung kleiner und mittelständischer Unternehmen sowie von Non-Profit-Organisationen. Mit dem INQA Coaching hat ganz aktuell das Nachfolgeprogramm von Unternehmenswert:Mensch gestartet, in dem auch einige Teammitglieder von SOCIUS akkreditiert waren und insgesamt in den vergangenen 5 Jahren um die 80 geförderte Organisationsentwicklungsprozesse begleitet haben.
Für das neue Programm INQA Coaching haben sich Hannah Kalhorn, Joana Ebbinghaus, Andreas Knoth, Nicola Kriesel und Christian Baier als INQA Coach* autorisieren lassen und können ab sofort für von INQA geförderte Prozesse angefragt werden.
Beim INQA Coaching geht es um Agilität und Digitalisierung, Partizipation von Mitarbeitenden und zukunftssichere Personalpolitik.

Für die Autorisierung mussten wir Zeugnisse einreichen, Nachweise über Weiterbildungen zu Agilität und Prozessberatung sowie zahlreiche Referenzen für die unterschiedlichen Gestaltungsfelder des Programms einreichen und zu guter Letzt noch einen Online-Test absolvieren. Die Gestaltungsfelder des Programms sind – immer im Kontext Digitalisierung:

  • Personalpolitik, Beschäftigung & Qualifizierung
  • Sozialbeziehungen & Kultur
  • Führung, berufliche Entwicklung & Karriere
  • Arbeitsplatz der Zukunft, Arbeitszeit- & Leistungspolitik
  • Neue Geschäftsmodele & Innovationsstrategien
  • Produktionsmodelle & Arbeitsorganisation

Bis zu 80% der Beratungskosten können durch das Programm übernommen werden. Dafür ist es notwendig, dass Ihr Euch an eine INQA-Beratungsstelle wendet für ein Erstgespräch, dort wird die Förderfähigkeit geprüft und dann entsprechend ein INQA Coaching Scheck ausgestellt. Hierbei solltet Ihr in Eurem Anliegen auf jeden Fall erwähnen, dass es auch um Digitalisierung Eurer Arbeitsabläufe geht. Das kann auch sehr niedrigschwellig sein.
Das INQA Coaching folgt je nach Größe Eurer Organisation einem gut durchdachten Prozess im Wechsel mit Führung, Prozessgruppe und Mitarbeitenden. Insgesamt sollte er nicht länger als 7 Monate dauern.
Um förderfähig zu sein, muss es mindestens eine sozialversicherungspflichtige Person bei Euch geben und Ihr müsst seit mindestens 2 Jahren als Organisation bestehen.

Wenn Ihr Interesse an der Förderung und unserer Begleitung habt, könnt Ihr Euch auch gerne vor dem Gang zur Erstberatungsstelle schon mit uns in Verbindung setzen.

Wir freuen uns.

🔗 INQA Coaching Flyer

 

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Socius change essentials

Entdecke praxisnahe Tipps für selbstorganisiertes Arbeiten in unserem gratis Onlinekurs, den SOCIUS change essentials. Mit über 30 Videos bietet der Kurs hilfreiche Selbstorganisations-Tools wie Konsentmoderation und Rollenboard-Tutorial.

Melde dich an und erhalte zusätzlich den SOCIUS brief, unseren Newsletter mit spannenden Themen und Veranstaltungen.

Reflexionen im Schaum

Reflexionen im Schaum

Intense Period Debriefs als Entwicklungsrahmen in Aktions- und Hilfesystemen

 

Krisen – auch die furchtbaren und schmerzhaften – bringen Neues hervor. In der Organisationswelt schlägt sich das in struktureller Arrangements nieder, die zugleich Rahmen und Ausdruck von Entwicklung sind. Zwei Typen solcher transformativen Strukturen sind „Blasen“ und „Schäume“ (eine tiefere Betrachtung dieser von Peter Sloterdijk auf die Bühne gehobenen Phänomene findet sich hier).

Während in der Covid Krise das Phänomen der Blase dominant war, bilden sich in Reaktion auf den Krieg in der Ukraine aktuell vielfach zivilgesellschaftliche Schaumstrukturen aus. Sie sind die Bugwelle einer systemischen Krisenintervention, deren evolutive Dynamik sich wie folgt nachzeichnen lässt:

Die erste organisierte Antwort auf den Krieg kommt wie so oft bei Krisen aus der Community: Betroffene und Engagierte nehmen Dinge in die Hand, Initiativen und Bündnisse bringen in spontanen Aktionsformen erste Lösungen und Unterstützungsangebote auf die Straße. In dieser ersten Welle formieren sich die Aktionsblasen zu Schäumen, die teilweise redundant und improvisiert, in der Regel aber in beeindruckender Weise funktional sind.

In der zweiten Welle klinken sich die professionellen Hilfsorganisationen und Stiftungen ein, die anhand einer Sichtung des Feldes nach Best Practices und Hebelstellen suchen. In konzertierten Aktionen bauen sie neben ihren eigenen operativen Programmen vielversprechende Arrangements der ersten Stunde aus und vernetzen sie weiter. Diese zweite Welle ist das Adapterstück zwischen den Schäumen und der institutionalisierten Ordnung.

Als Drittes treten staatliche Akteure ins Feld, die beim Aufbau langfristiger Programme wirkungsvolle Modelle integrieren, verstetigen und skalieren und sie in einen systemischen Rahmen einbinden.

Die Dynamik lässt sich wie folgt auf den Punkt bringen: „Der Schaum innoviert, das System repliziert und skaliert auf ein effektives Niveau“. Allerdings zeigen sich in diesem Prozess mehrere Problemzonen:

Auf individueller Ebene ist die Wucht der Begegnung mit der Krise vor allem in Anbetracht der fehlenden strukturellen Unterstützungsarrangements im Schaum oft überwältigend: Engagierte treffen auf Menschen in extremen Problemlagen und arbeiten dabei unter Bedingungen extremer Unzulänglichkeit. Für nachhaltiges Engagement ist es notwendig, Support und Verarbeitungsräume zu schaffen und die Fähigkeiten und gefühlte Legitimation zur Selbstsorge und Selbststeuerung zu stärken.

• Auf Ebene der Schaum-Konstellation ist der Modus der emergenten Evolution zwar effektiv, aber in Anbetracht des großen Handlungsdrucks vielfach zu langsam. Die starke Aktionsorientierung im Schaum verhindert oftmals die bewusste Verbesserung von Abläufen und Konfigurationen. Um möglichst schnell zu guten Lösungen zu kommen, müssen die Akteure regelmäßige Routinen zur kollektiven Selbstbeobachtung und Prozessreflexion ausbilden.

• Auf Ebene der Systemischen Skalierung ist die Identifikation wirkungsvoller Modelle problematisch: Hier müssen funktionierende und wirkungsvolle Schaum-Konstellationen aufgespürt, ihr Modellgehalt entschlüsselt und daraus Templates für weitere Interventionen abgeleitet werden. Oft werden dabei vor allem solche Modelle als Best Practice identifiziert, die in ihrer Interventionsgrammatik kompatibel mit der jeweils eigenen Handlungslogik der Systemakteur:innen erscheinen. Viele wertvolle Modelle – vor allem die, die im Kleinen innovative Ansätze entwickelt haben – werden übersehen.

Ein Tool, das alle drei Problemzonen adressieren kann, ist das Intense Period Debrief (IPD). Im Rahmen von IPDs werden im Anschluss an dichte Aktionssequenzen in kurzen Team-Reflexionen von Beteiligten Wirkungsbeobachtungen sowie Erlebnisse und Erkenntnisse über den Aktionsprozess abgefragt. IPDs kommen v.a. im Rahmen von Kampagnen im Advocacy Bereich zum Einsatz, werden aber auch in der Katastrophenhilfe genutzt und sind den After Action Reviews aus dem militärischen Kontext verwandt.

Das folgende IPD Format ist als Teil einer systematischen Reflexions- und Begleitstruktur für Engagement in Hilfskontexten konzipiert. Es kann in moderierten Team-Interviews eingesetzt werden (45 Minuten, 3-5 Personen, online oder live) und hat drei Ebenen:

  1. Zentrale Ebene: Identifikation von Lessons Learned und Verbesserungspotentialen im Interventionsgeschehen

Was waren Erfolge und Magic Moments, wie kam es dazu und welches Potential zeigt sich in ihnen? Wo sind Reibungen – was kann in Ansatz und Abläufen schnell und konkret verbessert werden?

  1. Verweis auf individuelle Ebene: Austausch und Check zu individuellen Belastungssituationen und Unterstützungs-Bedarfen (von hier ggf. Referral zu individuellen  psychologisch fundierten Unterstützungsangeboten

Wie geht es Dir in diesem Moment? Und wie geht es Dir übermorgen, wenn es so weitergeht? Was brauchst Du, um gesund zu bleiben?

  1. Verweis auf System-Ebene: Identifikation wirkungsvoller Lösungen für zentrale Problemstellungen (ggf. Einspeisen in eine Best Practice Modell-Sammlung)

 Was waren Eure größten Herausforderungen? Welche Antworten habt Ihr darauf gefunden, die auch andere interessieren könnten?

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Die transformative Kraft von Schaum

Die transformative Kraft von Schaum

(Auszug aus „On the Transformative Power of Foam”, Actors of Urban Change 2021)

Transformation ist langfristig, tiefgreifend und prozessbasiert, was in dieser Kombination bereits eine gewisse Zumutung ist: Wenn alles Prozess ist, ein ständiges Wandeln, ein dauernder Fluss kreativer Zerstörung und Erneuerung, laufen wir Gefahr, die Orientierung zu verlieren. Als wären die Welt nicht schon dynamisch, komplex und krisenhaft genug, unternehmen wir als Protagonis:innen gesellschaftlicher Transformation auch noch eine Ozean-Querung, deren anderes Ufer zwar besungen aber noch nicht kartiert wurde. Wo es keine Homebase gibt, keinen Schutzraum, in den man sich zurückziehen kann, wird die Welt da draußen zur ständigen Dehnungsarena, in extremen Fällen zu einer Panikzone.

Eine nicht ganz unwesentliche Frage ist also: Was ist ein überzeugender „stabiler Körper“ für die transformative Reise? Wie strukturieren wir Gefäße, die uns vor Krisen und dem Schüttelfrost dauernder Anpassung schützen und uns und die Welt um uns zugleich transformieren? Ist die gute alte „Organisation“ immer noch die beste Antwort? Haben klassische Institutionen die transformative Kraft, die wir brauchen, um unsere „Wicked  Problems“ zu bewältigen? Von der anderen Seite gefragt: Können offene Gemeinschaften und soziale Bewegungen die stabilen Zonen bieten, die wir brauchen, um uns in all dem Wandel zu orientieren und zu regenerieren?

Der strukturelle Aspekt von Transformation ist noch nicht umfassend ausgeleuchtet, aber die Zeiten sind günstig für ein wenig Feldreflexion. Was sonst in vielen Farben schillert, wird in der Krise holzschnittartig überhöht. In der Betrachtung des Covid-Universums stechen zwei transformative Konfigurationen hervor – mit Sloterdijk könnte man sie als „Blasen“ und „Schäume“ bezeichnen. (Die folgenden Überlegungen geben Sloterdijks ursprünglichen Gedankengang zu diesen Kategorien nicht vollständig wieder. Wer daran interessiert ist, dem sei die 2500 Seiten umfassende Sphären-Trilogie empfohlen).

Die „Blase“ folgt der Idee eines geschlossenen Systems, einer Sphäre, die ihr Inneres vor den Stürmen der Welt schützt. Ihre Membran ist darauf ausgelegt, Komplexität zu reduzieren und Impulse von und in die Außenwelt zu begrenzen. Sie ist resilient, nicht weil sie sich anpasst, sondern weil sie sich einkapselt. Die Blase ist ein Raum fokussierter Beziehungen. Ideelle Gemeinschaften und Kollektive haben die Qualität von Blasen – sie werden als Gegenwelten, als „Islands of Sanity“ (Meg Wheatley) errichtet – im besten Fall werden sie zu Orten der Selbstentfaltung und utopischen Inkubation.

Im Gegensatz zu Guerilla-Gardening-Interventionen, die im öffentlichen Raum aufgepflanzt werden und von dort – allen Wettern ausgesetzt – in ihr Umfeld ausstrahlen, ist die Blase ein Gewächshaus für neue Mikrosysteme, dessen transformative Wirkung erst dann realisiert wird, wenn sie in das übergeordnete „Mutter-System“ zurückschwappt. Bis dahin ist ihre Transformation vor allem Selbsttransformation. Viele Initiativen und Organisationen haben in der anhaltenden COVID Brandung die Decke über den Kopf gezogen und in ihren Blasen überwintert. Einige von ihnen kommen mit der Zeit verändert heraus, mit neuen Ideen und Schwung für sozialen Wandel. Andere sind zu Echokammern und selbstreferentiellen Systemen geworden. Blasen haben transformatives Potential, aber nicht jede Blase ist am Ende transformativ.

Der „Schaum“ wiederum gründet auf Verbundenheit und Bewegung. Er setzt sich aus vielen kleineren Blasen zusammen, die sich organisch entwickelnde Konstellationen bilden. Ein Schaum ist ein offenes System. In organisatorischer Hinsicht ist er lockerer als ein Netzwerk, das in strenger Definition einen gemeinsamen Zweck und ein kollektives Handlungsstreben voraussetzt. Jede Blase in einem Schaum bleibt ihre eigene souveräne Einheit und folgt ihrer eigenen Logik. Dennoch ist ein Schaum mehr als nur ein zufälliger Haufen: Er ist eine plurale Sphäre von sich gemeinsam entwickelnden Einheiten, zwischen denen ein gemeinsamer Zweck entstehen kann. In diesem Sinne ist er eher ein Feld als eine Struktur.

Wie die Blase erweist sich auch der Schaum in Krisenzeiten als äußerst widerstandsfähig. Das Geheimnis seiner Resilienz liegt im Unterschied zwischen statischer und dynamischer Stabilität. Während die klassische Vorstellung von Stabilität mit fester Kopplung verbunden ist (die Dinge sind so fest miteinander verbunden, dass sie jedem Sturm trotzen), gibt es eine zweite Art von Stabilität, die mit der Fähigkeit verbunden ist, zu biegen, anstatt zu brechen (Schilfrohr ist zum Beispiel dynamisch stabil). In sozialen Systemen wird dynamische Stabilität durch die Lose Kopplung von Einheiten ermöglicht. Lose Kopplung bedeutet, dass die Teilsysteme nicht durch Weisung und Kontrolle, sondern durch laterale Koordination und Aushandlung miteinander verbunden sind. Anstelle von statischen Regeln und Vorschriften werden sie durch Prinzipien oder kulturelle Normen koordiniert. Wenn eine Organisation oder ein Netzwerk stark konfliktäre Stakeholder-Beziehungen austarieren muss oder sehr turbulenten Umgebungen ausgesetzt ist, hilft lose Kopplung, ihre adaptive Integration zu gewährleisten. Sie verhindert auch Domino Effekte in Krisen, da lokale Auseinandersetzungen und Lösungen zu Lernfeldern für das gesamte System werden und es so unter Stress stärker machen (eine Eigenschaft, die Nicholas Taleb als „Antifragilität“ bezeichnet). Netzwerke sind lose gekoppelt. Schäume sind ultra-lose gekoppelt

Schaum-Strukturen finden sich in organisationalen Ökosystemen und vernetzten Communities. Wo sich ihr gemeinsamer Zweck herauskristallisiert, wird ihre transformative Natur offensichtlicher – aber das ist nur die halbe Wahrheit: Es ist die absichtslose Natur des Schaums, die innovative Lösungen ermöglicht: Schäume verändern ihre Gestalt und passen ihre Konfigurationen in einer Reihe von Evolutionsschritten kontinuierlich an: Blasen treten ein, Blasen treten aus, Blasen verschmelzen und teilen sich, Beziehungen und kollektive Handlungsmuster ändern sich mit der internen und externen Dynamik. Jeder Schaumzustand ähnelt einer „vorläufigen Ordnung“ – einer Anordnung, die endgültig sein könnte, aber auch im nächsten Moment neu konfiguriert werden kann.  Auch wenn es Schlüsselakteure gibt, die den Prozess vorantreiben, kann die Entwicklung nicht auf individuelle Handlungen zurückgeführt werden – sie ist kollektiv und emergent. Und obwohl Schaum von Natur aus vergänglich ist, liegt seine transformative Kraft in genau dieser dynamischen Prototyping-Qualität begründet. Sobald eine Schaumkonstellation sich in Bezug auf eine Problemstellung als „funktionierend“ erwiesen hat, wird sie zur Blaupause für die weitere Entwicklung des Systems. Die beteiligten Blasen (Initiativen, Organisationen, Communities) müssen nicht unbedingt den langfristigen Betrieb der Funktion übernehmen. Sie produzieren lediglich ein Arbeitsmodell, das von etablierten gesellschaftlichen Institutionen kopiert und übernommen werden kann. In evolutionären Begriffen: Der Schaum innoviert, das System repliziert und skaliert auf ein effektives Niveau.

Das Bedürfnis nach Solidarität und gegenseitiger Unterstützung, die offensichtliche Komplexität der globalen Herausforderungen, die Erkundung neuer Kooperationsstrategien und die explosionsartige Zunahme der virtuellen Zusammenarbeit haben während der Corona Pandemie zu Schaum-Bildung im gemeinschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Sektor beigetragen. Die transformative Wirkung dieser Entwicklung, die Einwaage der „TransFOAMation“ ist bereits sichtbar, ihre Nachhaltigkeit muss noch weiter beobachtet werden.

Die Blase und der Schaum sind nur zwei mögliche transformative Konstellationen. Für den sozialen Wandel sind viele unterschiedliche Strukturen erforderlich – einige, die der Reform oder auch die Revolte gegen das etablierte Systems Form geben. Einige, die sich auf die Erschaffung und Freisetzung neuer alternativer Mikrosysteme beziehen. Und schließlich einige, die als Container der Selbsttransformation fungieren. Keine von ihnen wird für sich allein erfolgreich sein, alle sind notwendig, um einen nachhaltigen Wandel mitzugestalten. Forschen wir also weiter!

„Ich entschied: Ich engagiere mich im Prozess.“

„Ich entschied: Ich engagiere mich im Prozess.“

Dokumentation des OE-Prozesses bei pro familia Landesverband Berlin e.V.

 

„Nicht alle haben sich an den Gruppenprozessen, die dann zu den Entscheidungen führten, beteiligt, aber ein relevanter Teil. Von dem anderen Teil gab es die Erlaubnis, die Entscheidungen zu treffen.“ (2018)

„Die Probleme sind teilweise gelöst.“ (2019)

„Wir sind gerade dran … Bereich Digitalisierung. Mit allem anderen bin ich rund zufrieden.“ (2021) –

So lauten einige Stellungnahmen von Prozessbeteiligten für diese Dokumentation. Eine Dokumentation, die zugleich eine Evaluation darstellt und aufzeigt, was die Beteiligten als gelungen und als schwierig beurteilen.

Der Anlass

Große Unzufriedenheit, vielfältige Konflikte bis hin zu Mobbingvorwürfen und Arbeitsgerichtsprozessen und schließlich ein hoher Krankenstand unter den Mitarbeitenden – das war die Ausgangslage, als Rudi Piwko und ich für den OE-Prozess engagiert wurden. Der Prozess, teilweise gefördert von unternehmens-wert:Mensch, begann 2017 und endete mit einer Überprüfung 2019. 2021 erfolgte ein kurzer Rückblick seitens der Geschäftsführung.

Es war ein schwieriger, alle Beteiligte herausfordernder Prozess, der von Beginn an stark auf Partizipation und Gestaltung durch die Mitarbeitenden setzte. Sämtliche Beschäftigte inklusive der Leitungskräfte sowie der komplette ehrenamtliche Vorstand waren eingebunden. Nicht alle konnten dem Prozess und dem Ergebnis etwas abgewinnen; aber die große Mehrheit nutzte die Möglichkeiten und engagierte sich bei der Entwicklung einer neuen Leitungs- und Kommunikationsstruktur. Am Ende entschieden sich die Beteiligten deutlich für das Modell von Shared Leadership und verlagerten die zentralen Entscheidungskompetenzen in eine Steuerungsgruppe. Die Geschäftsführung ist fester Bestandteil der Steuerungsgruppe, die übrigen Mitglieder können wechseln und repräsentieren verschiedene Bereiche der Organisation, die ebenfalls wechseln können. Das Modell lebt vom Engagement der Beschäftigten, ihrer Kompetenz im Aushandeln auch schwieriger Fragen und Situationen sowie ihrer Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen.

Die Leitungsebene

Besonders viel abverlangt wurde den vormaligen Leitungskräften: Die mittlere Leitungsebene wurde komplett abgeschafft und zahlreiche alleinige Entscheidungsbefugnisse der Geschäftsführung eingeschränkt. Das bedeutete Macht- und Einflussverlust, zum Teil auch Statusverlust gegenüber Außenstehenden. Aber auch andere Machtpositionen, die sich einzelne im informellen Rahmen erobert hatten, wurden durch das neue Modell in Frage gestellt bzw. minimiert. Und schließlich können und mögen sich nicht alle Mitarbeitenden bei der internen Organisation engagieren oder Verantwortung dafür übernehmen. Während des gesamten Prozesses gab es daher immer wieder Widerstand und Rückzug, offen oder verdeckt. Dieser Widerstand, auch Rückzüge, konnten manchmal aufgelöst, manchmal aber auch schlicht nur akzeptiert werden.

Erfolgsfaktoren

Insgesamt war der Prozess erfolgreich. Folgende Faktoren haben wesentlich dazu beigetragen:

* Geschäftsführung und ehrenamtlicher Vorstand unterstützten den Prozess über den gesamten Zeitraum, die Vorständ*innen nahmen an allen wesentlichen Klausuren und Gruppentreffen teil, sofern es ihnen beruflich möglich war. Auch gegenwärtig ist jemand vom Vorstand an der Steuerungsgruppe beteiligt, wenn es beruflich machbar ist.

* Wir Berater*innen arbeiteten zu zweit und gemischtgeschlechtlich, verfügten dadurch über viel Kraft und boten den Beteiligten durch unsere verschiedenen Persönlichkeiten und manchmal auch differierenden Herangehensweisen unterschiedliche Andockflächen.

* Der Leidensdruck der Beschäftigten einerseits und die Bereitschaft zur Mitgestaltung andererseits war so hoch, dass von Beginn an wesentliche Teile der Beschäftigten ein großes Engagement zeigten.

* Die Beteiligten erarbeiteten sich das neue Leitungs- und Kommunikationsmodell selbst und entschieden sich dafür im Konsentverfahren – dadurch besteht eine hohe Identifikation mit dem Modell.

* Die meisten Beteiligten verfügen über das Bewusstsein, dass das gewählte Modell immer wieder zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen ist.

* Und schließlich nimmt die Geschäftsführung Supervision in Anspruch, wenn sie eine distanzierende Reflexion benötigt.

Die gesamte Dokumentation

Wer mehr über den Prozess mit seinen Höhen und Tiefen erfahren und mehr über die verschiedenen Einschätzungen der Befragten wissen möchte, kann hier die gesamte autorisierte Dokumentation lesen.

Für mich und meinen Kollegen Rudi Piwko war es jedenfalls ein spannender und sehr lehrreicher Prozess, der uns so manches Mal Kopfschmerzen bereitete, aber auch immer wieder große Freude.

Kerstin Engelhardt

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Strategische Schachzüge in unsicheren Zeiten

Strategische Schachzüge in unsicheren Zeiten

Strategy Pocket Lab

Komplexität ist nicht erst gestern in die Welt gekommen: Soziale Systeme sind ja quasi per Definition vielschichtig und dynamisch, also komplex. Die Grenzerfahrung zwischen Dynamik und Chaos im Corona-Universum macht allerdings das, was im zeitgenössischen Managementdiskurs als „VUCA Welt“ besungen wird (Volatility, Uncertainty, Complexity, Ambiguity), aktuell sehr greifbar. Das Erleben von Unsicherheit löst dabei widersprüchliche Reaktionen aus – auf der einen Seite Kontrollwahn, auf der anderen Schicksalsergebenheit. Beides scheint in der derzeitigen Situation nicht besonders hilfreich: Wir müssen offen nach vorne schauen, und zugleich leidenschaftlich die Zukunft gestalten. Wir müssen einen Plan haben, aber radikal offen dafür sein, ihn anzupassen. Insbesondere zivilgesellschaftliche Organisationen sind in diesem Spagat gefragt, ihre Prioritäten und Handlungsformen auf die neuen Herausforderungen hin zu kalibrieren.

Das Strategy Pocket Lab stellt ein kompaktes Strategieformat vor, das Elemente der Liberating Structures (K. McCandless und H. Lipmanowicz), der Transformativen Scenario Planung (A. Kahane) und der Chancenorientierten Entwicklung (P. Skat-Rørdam) kombiniert. In einem halbtägigen Workshop werden Entwicklungsbedarfe umrissen, kritische Unsicherheiten und relevante Umweltszenarien untersucht und der nächste strategische „Schachzug“ abgeleitet. Das Lab kann als Live-Workshop oder als Online-Sitzung durchgeführt werden.

Der Ansatz baut auf drei Grundgedanken auf:

1. Strategische Schritte statt Masterplan

Das Lab ist bewusst nicht als einmaliger Bauplatz für den Großen Strategischen Wurf  konzipiert, sondern als wiederkehrendes Element eines kontinuierlichen Strategie-Prozesses  („Strategizing“). In Anlehnung an den agilen Strategieansatz stellt jede Lab-Sitzung (die quartalsmäßig oder häufiger durchgeführt werden) eine Bewegung hin zu einer günstigeren strategischen Position dar. Es geht um ein Herantasten, nicht um ein langfristiges  Vorausplanen. Ein gemeinsamer Kompass – eine Vision oder ein Purpose Statement-  ist dabei Voraussetzung, um agiles „Mission Drift“ zu vermeiden, also das opportunistische Wegdriften vom übergeordneten Daseinszweck. Was dieser Kompass nicht festlegt, ist die Roadmap, also die Wegführung der großen Strategischen Linien. Wie bei einer Schachpartie orientieren sich die strategischen Züge am übergeordneten Sinn, werden aber im Abgleich mit internen und externen Entwicklungen geführt. Das strategische Gesamtbild entwickelt sich erst als dynamisches Muster in der Abfolge der Züge. Dem Ansatz legt damit das Prinzip zugrunde, das Henry Mintzberg in seiner post-funktionalistischen Strategie-Definition beschreibt: „Strategy is a pattern in a stream of decisions“.

2. Adaption und Transformation

Traditionell erforscht die Szenarioplanung mögliche zukünftige Entwicklungen unter der Fragestellung, wie wir uns erfolgreich an diese unterschiedlichen Zukünfte anpassen können. Adaptive Planung ist zweifelsohne zeitgemäßer als ein „Long Range Plan“ alter Schule; sie vernachlässigt jedoch die Möglichkeit, die Zukunft aktiv zu beeinflussen und damit zu verändern. In Anlehnung an Adam Kahanes Ideen zur transformativen Szenarioplanung stellt das Strategy Pocket Lab die Frage, wie wir die Faktoren, die die Szenarien hervorbringen, beeinflussen und so zu einer möglichst positiven Zukunft beitragen können. Da ein transformativer Ansatz Zeit braucht und mit der Entwicklung unserer eigenen Haltung und Beziehungsweisen beginnt, scheint ein Taschenformat für den Anspruch kaum angemessen. Die transformative Haltung muss mithin im gesamten Strategieansatz zum Tragen kommen: Wenn sie neben der adaptiven Fragestellung ihren Platz findet und das strategische Handeln insgesamt mit prägt, wird sie ihre Kraft entfalten. Konkret bedeutet dies, auch die Dinge, die wir für gesetzt halten, in der Strategiearbeit grundsätzlich als gestaltbar zu denken: Ob wir es dann mit unserer Organisation alleine schaffen, sie zu verändern oder nur in breiten Allianzen, ob wir die Rahmen verschieben können oder nur einen kleinen Beitrag dazu leisten, das sie sich weiten, muss sich zeigen.

3. Chancen- und Aktionsorientierung

Der Lab-Prozess umfasst mehrere schnelle Zyklen von Erkundung (Divergenz) und Zuspitzung (Konvergenz) und ist auf ein Commitment zum gemeinsamen Handeln ausgerichtet. Jede Sitzung endet mit einer klaren Entscheidung über den nächsten strategischen Schritt innerhalb eines definierten Fokusbereichs. Der Kern des Labs baut dabei auf der Critical Uncertainties-Methode aus dem Liberating Structures Ansatz auf. Dabei wurde vor alle die oft nicht ganz einfache Verbindung zwischen Szenario-Erkundung und strategischem Handeln im Sinne des chancenorientierten Ansatzes weiterentwickelt: Leitende Fragen sind hier: Welche Chancen bieten sich im Lichte der Szenarien? Welche Handlungsfenster sehen wir, in denen wir Gelegenheiten im Sinne unserer strategischen Ziele ergreifen können? Strategisches Denken und Handlungsorientierung stehen oft in scheinbarer Dissonanz: Strategie impliziert eine übergeordnete Position, einen Standpunkt, der enthoben von den Details des Alltags vorausblickt. Handlungsorientierung impliziert Bodennähe – eine geerdete Haltung, die vom Hier und Jetzt nach vorne orientiert. Anspruch des Strategy Pocket Labs ist es, zwischen diesen beiden Positionen einen fruchtbaren Wechsel zu gestalten.

Wer sollte teilnehmen?

Strategie braucht Perspektivenvielfalt. Sie sollte nicht in geschlossener Vorstands-Runde oder als einsame Führungsroutine entwickelt werden. Natürlich hat jedes Meeting eine optimale Teilnehmerzahl. Für das Strategy Pocket Lab sehen wir die ideale Gruppengröße bei 7-15 Personen, die die Perspektiven der gesamten Organisation repräsentieren (also etwa Programmmitarbeiter*innen, Teamleitungen, Management und Vorstandsmitglieder). Bei größeren Organisationen kann es sinnvoll sein, einen delegierten Strategiekreis zu bestimmen.

Schritte des Labs

Vorbereitung: Welches Feld braucht unsere Aufmerksamkeit?

In einem Abstimmungsprozess vor der Sitzung wird eine grobe Eingrenzung des zu bearbeitenden Felds vorgenommen. Die Strategieentwicklung erfolgt damit nicht für die Gesamtheit der Funktionsbereiche der Organisation, sondern fokussiert auf einen handhabbaren Teilaspekt: etwa die Formatentwicklung in einem Programm, der Ausbau von Personalakquise-Strategien oder die strategische Entwicklung von Partnerschaften in einem Handlungsfeld. Hinweise auf möglichen Handlungsbedarf geben dabei Spannungen und Themen, die wiederholt in Meetings und Arbeitsabläufen auftauchen und zu groß sind, um sie in der täglichen Routine zu bearbeiten. Es kann sinnvoll sein, bei der Identifikation von Fokusfeldern besonders Schnittstellen in den Fokus zu nehmen, in denen die Organisation in direktem Kontakt mit ihrer Umwelt steht. Für den Workshop wird in der Regel ein internes Moderationsteam bestimmt, das den Prozess methodisch anpasst und vorbereitet.

1. Review – Was ist und was könnte sein?

Die Sitzung beginnt mit einer Runde zu Perspektiven auf das fokussierte Feld: Warum braucht dieser Bereich gerade jetzt unsere Aufmerksamkeit? Was ist Ziel des Strategie-Treffens (ein bestimmtes Problem lösen, Prozesse koordinieren, eine Chance ergreifen, wieder in Schwung kommen…)? Im nächsten Schritt findet in Kleingruppen ein visionärer Austausch zum höchsten Potenzial des Feldes statt: Was ist die spannendste und inspirierendste Zukunft, die wir uns in Bezug auf diesen Bereich vorstellen können?

Beide Schritte fehlen in vielen Ansätzen der Strategie-Arbeit. Sowohl die Eingrenzung des Strategiefelds (die oft als unzulässige Trivialisierung und Zumutung für dem systemischen Blick empfunden wird) als auch das positive Framing bringen dabei eine besondere Qualität in den Prozess: eine fokussierte Handlungsenergie.

2. Systemische Analyse – Was sind die kritischen Unsicherheiten?

Der zweite Teil des Labs beginnt mit einem Brainstorming über Faktoren, die einen starken Einfluss auf das gewählte Entwicklungsfeld haben. Dabei werden neben organisationsinternen Faktoren Aspekte aus unterschiedlichen STEP-Kategorien einbezogen (sozio-kulturelle Faktoren, technologische Faktoren, ökonomische Faktoren und politische Faktoren). Die Faktoren sollten konkret, bodennah und nicht zu global gefasst werden.

Aus der Liste werden durch Punkteverfahren zwei Faktoren priorisiert, die zugleich besonders unvorhersehbar sind und einen hohen Einfluss auf die Arbeit im Fokusbereich haben (in der Sprache der Liberating Structures sind dies „Critical Uncertainties“). Die beiden Faktoren spannen die Achsen des nun zu bildenden Szenario Feldes auf, das in der Kombination der Ausprägung (z.B. hohe Regulierungsdichte vs. geringe Regulierungsdichte auf der einen Achse und steigendes Infektionsgeschehen vs. langsames Absinken des Infektionsgeschehens auf der anderen Achse) vier mögliche Szenarien abbildet. Die Gruppenmitglieder markieren schließlich mit Spielfiguren, wie sie die aktuelle Situation und die in 12-18 Monaten wahrscheinlichste Entwicklung im Szenario Feld einschätzen.

3. Erkundung der Szenarios – Was liegt vor uns?

In dritten Teil des Labs werden alle plausiblen Szenarien (also alle Szenarien, die im vorangegangenen Schritt als denkbar eingeschätzt wurden) weiter erkundet. Hierzu erörtern Kleingruppen zwei Fragenkomplexe:

  • Szenariobeschreibung: Wie sieht unser Feld in diesem Szenario aus? Was erleben wir und die Menschen, mit denen wir interagieren? Was wäre ein treffender Titel für das Szenario? (hier bieten sich z.B. Anklänge an Film- und Buchtitel an). Es ist wichtig, an dieser Stelle kein Schwarz-Weiß-Bild zu malen, auch wenn die Polaritäten der Faktoren manchmal Best-Case- und Worst-Case-Szenarien nahelegen. Es geht auch um Grauzonen, um das Gute im Schwierigen und das Schwierige Guten.
  • Strategische Optionen: Wie wirkt sich diese Realität auf unsere Arbeit aus und was können wir tun, um auf die Chancen und Risiken in diesem Szenario vorbereitet zu sein? Was müssen wir tun, um uns auf diese Zukunft einzustellen? Was können wir tun, um zu den positiven Aspekten in diesem Szenario beizutragen?

Die Szenariobeschreibungen und strategischen Optionen werden geteilt und mit Resonanz versehen. Den Abschluss dieses Teils bilden ein paar Minuten der stillen Reflexion, um sich persönlich mit dem Gehörten auseinanderzusetzen.

4. Strategisches Handeln – Was ist unser nächster Schritt?

In neu gemischten Gruppen werden nun mögliche strategische Schritte diskutiert, die in den verschiedenen Szenarien Sinn machen. Was sind die größten Risiken, gegen die wir uns absichern sollten? Welches sind die größten Chancen, auf die wir uns vorbereiten sollten? Was müssen wir tun, um diese Chancen besser nutzen zu können? Was ist unser nächster Schritt? Abschließend werden die Vorschläge im Plenum anhand von zwei „Währungen“ bewertet: Strategiepunkte zeigen an: „Diese Aktion halte ich im Lichte unseres strategischen Ziels für besonders sinnvoll“. Energiepunkte zeigen an: „Für diese Aktion bin ich persönlich bereit, Energie zu investieren“. Idealerweise sollten Vorhaben vereinbart werden, die in beiden Währungen Punkte erhalten haben, die also als sinnvoll und unterstützenswert eingestuft werden. Die Vereinbarung mündet in der Beauftragung einer Task Force, die die geplanten Aktivitäten ausarbeitet und ihre Umsetzung in die Wege leitet. 

Das Lab endet feierlich mit einer Runde von Toasts auf die Goldene Zukunft.

Das Strategy Pocket Lab (pdf zum Download) wurde von Mitgliedern des Civil Society Toolbox Core Teams in Zusammenarbeit von SOCIUS Organisationsberatung gGmbH und MitOst e.V. mit Unterstützung des IAC/Bosch Alumni Network entwickelt. Die Methode kann im Rahmen der Creative-Commons-Prinzipien genutzt und angepasst werden. Vorlagen für Miro sind über SOCIUS zugänglich.

 

Quellen

 

Sinnvoll zusammen wirken

oe-tag 2019 – Emotionale Transformation. Feelings@work

oe-tag 2019 – Emotionale Transformation. Feelings@work

Emotionen als Energie – Emotionen als Kunst – Emotionen als Klänge – Emotionen als Rhythmus und Welle – Emotionen als Geschichten, die wir uns erzählen. Der diesjährige oe-tag wählte unterschiedliche Zugriffe, um sich einem Thema zu nähern, das uns sehr nahe ist und oftmals trotzdem schwer zu fassen ist: Emotionen sind Teil unseres Seins, auch in der Arbeitswelt. Gefühle beeinflussen uns täglich und sind Teil unseres Erlebens, der uns manchmal befähigt und manchmal hemmt.  Wie können wir bewusster mit ihnen umgehen, welche erlernbaren Kompetenzen gibt es und was können wir tun um unsere Gefühle und damit uns besser verstehen?

In der traditionellen Arbeitswelt spielen Emotionen kaum eine Rolle – die Beschäftigung mit ihnen erfolgte überwiegend aus einem instrumentellen Interesse. Sei es, um Kaufentscheidungen zu beeinflussen oder Mitarbeiter*innen zu motivieren. Ansonsten sollten sie in einem rational-organisiertem Wertschöpfungsprozess so wenig wie möglich im Wege stehen. Der oe-tag 2019 beleuchtete die Rolle von Emotionen in einer neuen Arbeitswelt, in der Organisationen zu Orten werden sollen, die Menschen stärken, sich Menschen mit ihrer ganzen Persönlichkeit einbringen und dadurch im besten Falle gemeinsam besser durch die komplexen Herausforderungen unser Zeit navigieren können.

Nicola Kriesel und Christa Cocciole eröffneten den oe-tag mit Bewegung zu Musik, die es alle einlud sich im Raum zu verkörpern. Die Keynote von Ralph Piotrowski beschrieb, warum der bewusste Umgang mit Emotionen in einer neuen Arbeitswelt an Bedeutung gewinnt, wie uns unser emotionaler Rucksack in den Weg kommt und welche Ansätze bestehen, Emotionen in der Organisationsentwicklung aufzugreifen. Interaktive Mini-Lectures boten den Teilnehmer*innen kurze Einblicke in die Themen, die in zweistündigen Workshops vertieft wurden.

Andreas Knoth und Christa Cocciole führten dabei durch die Welle der 5-Rythmen und dem menschlichen Pulsieren zwischen Komfortzone und Herausforderung. Josephine Ulrich und Golnar Tabib Zadeh verwandelten mit Art-Journaling besorgte Gesichter (oh mein Gott, ich „kann nicht malen“) in eine entspannte kindliche Freude („oh wie schön! Und was hast du gemalt?“). Rudi Piwko und Annette Piwko-Löffler arbeiteten mit allen Sinnen (von Klang bis Geschmack). Sie ermöglichten Begegnungen, wiesen neue Perspektiven auf, öffneten Augen und berührten Herzen. Ralph und Anne Piotrowski griffen die in der Pause gemachten Erfahrungen auf („Wie ging es mir? War ich allein, fühlte ich mich willkommen?) und vertieften das Thema, wie wir unseren emotionalen Rucksack auf die Schliche kommen und damit umgehen können. Und Bea Schramm sensibilisierte dafür, wie uns das Thema Ost-West noch immer bewegt, in dem sie alle im Raum bewegte. Mini-Lectures ermöglichen ein tolles Gruppengefühl, indem vieles auf verschiedenen Ebenen (Körper, Geist, Intellekt …) angeklungen und gemeinsam erlebt wird.

Dieses Gruppengefühl wurde von Thomas Kriegbaum und Christiane Gebhard mit einem „TaKeTiNa-Espresso“ zu einer gemeinsamen musikalischen Erfahrung vertieft. Unterstützt von Trommeln, Gesang und gemeinsamem Rhythmus konnte jede Person, eigene Lust, Grenze und Widerstände ausloten, sich mit einem größeren Rahmen zu synchronisieren und sich mit dem eigenen gelingenden und misslingenden Taktgefühl auseinandersetzen.

Das Ganze fand in der bezaubernden Atmosphäre der Old Smithy’s Dizzle statt, das durch die liebevolle Betreuung und detailorientierte Gestaltung, ein sehr geborgener Ort ist und erlaubt in einem sicheren Setting mit den eigenen Emotionen sein zu können.

Die Ergebnisse der Konferenz und das Harvesting, von Simon Mohn und Nicola Kriesel moderiert, wurde zudem von Robin Hotz in einem großen Graphic Facilitation Bild festgehalten, das Erkenntnisse und Begebenheiten zusammenfasste. Der Frage, wie wir einen gewinnbringenden Umgang mit Emotionen in Organisationen kultivieren, welche Strukturen hilfreich sind, um die hierfür notwendigen inneren Kompetenzen zu entwickeln, wird SOCIUS auch nach der Konferenz weiter beschäftigen und vielleicht zu einem neuen Schwerpunkt unserer Arbeit werden.

Gehaltene Räume & Facilitation (1/2)

Gehaltene Räume & Facilitation (1/2)

Wie entstehen Settings für kreative Öffnung und Transformation?

In der Begleitung von Gruppenprozessen ist es etabliert, in den Entwicklungsprozessen von Organisationen gewinnt es zunehmend an Bedeutung – das Konzept der „Gehaltenen Räume“. Ein gehaltener Raum ist schwer fassbar, ihn macht eine unsichtbare Qualität aus, vorstellbar als sozial konstruierte Blase, die Entwicklungs- und Veränderungsmöglichkeiten eröffnen und begehbar machen kann. Das Verständnis darüber, was einen gehaltenen Raum ausmacht, ist ebenso breit gefächert, wie die Vielfalt seiner Erscheinungsformen, die mit dem Zweck variieren: Der Raum für einen Kreativprozess im Team mag sich von dem einer Konfliktklärung stark unterscheiden, der Raum für gemeinsame Lernprozesse fühlt sich wieder ganz anders an. (mehr …)

STAR E: Change Training für mehr Diversität in Organisationen

STAR E: Change Training für mehr Diversität in Organisationen

„Jetzt ist mir deutlich klarer, wie wir Veränderungsprozesse wirklich gestalten können. Das letzte Mal hatte ich eine Draufschau; jetzt verstehe ich es wirklich“, so einer der Teilnehmer des ICJA-Trainings vergangene Woche. 5 Tage kamen etwa 15 Kolleg*innen aus ganz Europa zum Training in der Begleitung von Veränderungsprozessen zusammen, hin zu einer rassismuskritischen und diversitätssensiblen Organisation. Angeleitet wurde das Training von Joana Ebbinghaus und Simon Mohn.

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SOCIUS als Projektpartner bei STAR E – Standing together against Racism in Europe

SOCIUS als Projektpartner bei STAR E – Standing together against Racism in Europe

Seit 2017 ist SOCIUS Organisationsberatung einer der Projektpartner bei STAR E – Standing together against Racism in Europe. STAR E ist ein durch die Leitaktion 2 des EU Programms Erasmus+ gefördertes europäisches Partnerschaftsprojekt zur „Entwicklung von Innovation“.

STAR E wurde durch ICJA Freiwilligenaustausch weltweit im Auftrag eines Konsortiums von insgesamt 8 Partnerorganisationen aus 8 EU-Ländern initiiert. Die Umsetzung erfolgt von August 2017 bis Juli 2020.

Die glaubwürdige, ganzheitliche Bekämpfung von Rassismus auf allen Ebenen der Arbeit im Partnerverbund ist zentrales Leitmotiv dieses Projekts. Das gewaltfreie Engagement für Gerechtigkeit und Frieden in einer gemeinsamen Welt ist Kernanliegen. Alle Partner sind angetreten, um rassismuskritische Einstellung in Europa zu unterstützen.
Das Projekt soll durch mehrere europäische Workshops die Möglichkeit bieten, gemeinsam darauf zu schauen, wie sich rassistische Diskriminierung in Programmen und Strukturen zeigt und was getan werden kann, um Rassismus in unseren Haltungen und Handlungen zu erkennen und anzugehen. Beabsichtigte Ergebnisse dieses Prozesses sind zum einen Methoden und Konzepte für die rassismuskritische und –sensible Jugendarbeit, die gemeinsam erarbeitet und in der jeweiligen Arbeitspraxis erprobt werden sollen. Zum anderen soll die rassismuskritische Organisationsentwicklung der teilnehmenden Jugend- und Freiwilligendienstorganisationen ermöglicht und angeregt werden.

Für jeden dieser beiden Schwerpunkte entsteht im Lauf der 3 Jahre eine Publikation mit Methoden, Tools und Materialien, die gegen Ende der Projektlaufzeit anderen Organisationen und Netzwerken in den teilnehmenden Ländern sowie auf europäischer Ebene zur Verfügung gestellt werden.

Folgende europäische Partner sind beteiligt:

  • Dansk ICYE, Dänemark
  • SOCIUS, Deutschland
  • Maailmanvaihto, Finnland
  • Jeunesse et Reconstruction, Frankreich
  • AUS, Island
  • UNITED for Intercultural Action, European Network against nationalism, racism, fascism and in support of migrants and refugees / FSV, Ungarn
  • ICYE UK, Vereinigtes Königreich
  • KERIC, Slowakische Republik

Für SOCIUS sind Nicola Kriesel, Joana Ebbinghaus und Christian Baier für das Projekt verantwortlich. SOCIUS tritt mit der spezifischen Aufgabe an, Wissen und Expertise um die Themenfelder Veränderungsprozesse, Organisationsentwicklung und Inklusion in das Projekt zu bringen. Ziel ist an der Stelle eine höhere Sensibilität zu dem Thema bei allen Projektpartnern und Handlungskompetenzen sichtbar zu machen, wie daraus resultierende Fragen oder Prozesse besprechbar und gestaltbar gemacht werden können.

Vom 11.-13. April 2108 findet das nächste Treffen in Helsinki statt, weitere Treffen sind für 2019 und 2020 geplant. Wir freuen uns auf die gemeinsame Entwicklung von Ideen zur Unterstützung von Veränderungsprozessen in Freiwilligenorganisationen.

Über aktuelle Entwicklungen im Projekt können Sie sich direkt auf der STAR E Website informieren.

Rahmen basteln oder wie interkulturelle Teilhabe gelingt

Kathrin Schrader (Citizen Journalist, Berlin) spricht mit Christian Baier über das erfolgreiche Überwinden von engen Kästchen.

Als ich mich mit Christian Baier für das Interview verabredete, fragte er mich, über welches seiner Arbeitsthemen wir reden möchten. Er begann aufzuzählen. Meine Notizen nach diesem Telefonat füllten ein Blatt in meinem Notizbuch. Da ging es um Stadtteilentwicklung, eine Zukunftswerkstatt, das Quartiersmanagement in Schöneberg, in dem Socius ab 2014 einen Prozess begleiten wird, um Organisationsentwicklung und um Entwicklungszusammenarbeit, das Jahr in Mali als Entwicklungsstipendiat des Deutschen Entwicklungsdienstes, nicht zuletzt auch um die Musik, den Chor. Ich fand das alles spannend und konnte mich nicht entscheiden. Christian ging es genauso.

Meine erste Frage, als wir uns dann trafen, war, wie ein Mensch diese vielen Themen in eine Vita bringt.

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Teams ohne (formale) Führung

Autorin: Barbara Thimm

Ein typisches Organisationsschema im gemeinnützigen Bereich: die Hierarchien sind flach oder formal nicht vorhanden, der Anspruch besteht gemeinsam zu entscheiden, möglichst alle sollen beteiligt sein – und dennoch soll der Laden laufen, jede_r wissen was zu tun ist, die Stimmung im Team gut sein.
Die Realität sieht meist anders aus: Mitarbeitende leiden unter unklaren Machtstrukturen, sind unsicher, weil nicht klar ist wer was entscheidet, es wird viel, viel geredet ohne dass verbindliche Entscheidungen das Vorankommen erleichtern. Konflikte können eskalieren… Beratung von außen soll helfen! Was sagt die Theorie zu sich selbstorganisierenden Gruppen und Organisationen? Lesen Sie hier …

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