Von der Organisationsentwicklung zur Gesellschaftsentwicklung

Von der Organisationsentwicklung zur Gesellschaftsentwicklung

Ein gedankliches Experiment

Organisationsentwickler*innen begleiten Organisationen in ihren Entwicklungsprozessen. Doch was, wenn es auch für die Gesellschaft ähnlich begleitete Prozesse gäbe? Was, wenn es Gesellschaftsentwickler*innen gäbe? 

Ich möchte uns zu einem Gedankenexperiment einladen.

Unsere Gesellschaft steht vor immensen Herausforderungen, dazu gehören Entwurzelung und ökonomische Ungleichgewichte, der Klimawandel, soziale Isolation und Corona, neben vielen weiteren. Dabei werden die notwendigen Entwicklungsprozesse jedoch in den wenigsten Fällen gezielt begleitet. Viel häufiger geschieht ein Ringen und Verhandeln vieler Akteur*innen aus Politik, Zivilgesellschaft, Wirtschaft usw., häufig mit viel Reibung. Selten kommt es vor, dass die Reibung konstruktiv in eine gemeinsame Entwicklung der involvierten Akteur*innen eingebettet wird. Könnte das nicht anders sein?

Prozessbegleitung der Gesellschaft

Ähnlich wie eine Organisation hat eine Gesellschaft viele Teil- und Subsysteme (nur weitaus komplexer). Dies können Organisationen sein, aber genauso der Wohnblock um die Ecke, ein Familiensystem, eine Metropole, einzelne Menschen, Bündnisnetzwerke oder ganze Staaten. Gesellschaftsentwickler*innen hätten die Möglichkeit, auf ganz unterschiedlichen Ebenen bzw. in unterschiedlichen Systemen anzusetzen und konzertierte Entwicklungsprozesse darin zu begleiten. 

Nehmen wir an, die Auseinandersetzung mit einem bedingungslosen Grundeinkommen würde als Gesellschaftsentwicklungsprozess aufgesetzt werden. Ausgangslage bzw. Beauftragung wäre die erfolgreiche Petition dazu vom Frühjahr 2020. Solch ein Prozess könnte etwa die Durchführung verschiedener facilitierter Austauschforen beinhalten, in denen Vertreter*innen unterschiedlicher Positionen sich menschlich begegnen können um gemeinsam Synthesen zu erarbeiten. Womöglich würde es sich anbieten, Bürger*innenräte dazu durchzuführen, sowie Prozesse mit Verwaltungen, Kommunen, privatwirtschaftlichen Unternehmen und/oder Branchenverbänden zu initiieren. Gesellschaftsentwickler*innen könnten hier zwischen den Systemen vermitteln, für Öffentlichkeit und Transparenz sorgen und zugleich die Vulnerabilität der Entwicklungsprozesse schützen und Ergebnisse zusammenführen. 

Gesellschaftsentwickler*innen bekämen durch die Arbeit in so unterschiedlichen Systemen ein ausgeprägtes Feingefühl, sich auf jeweilige Systemkulturen einzustellen und zwischen ihnen zu übersetzen – dies würde gleichzeitig ein größeres Generalist*innenwissen bzw. -erfahrung als in der Organisationsentwicklung erfordern. Ihre Stärke läge vor allem im Vermitteln und Halten von ganz unterschiedlichen, teilweise verschränkten Prozessen. Umso wirksamer könnten sie sein, wenn sie in einem Moment mit einer Behörde arbeiten, im nächsten mit dem Familiensystem der Behördenleiterin und im dritten mit dem Klientel der Behörde.

Aus den Erkenntnissen der OE schöpfen

Es gibt viele Fälle, in denen OE-ler*innen neben ihrer „klassischen“ Tätigkeit Bürger*innenforen facilitieren, parallel einer therapeutischen Tätigkeit nachgehen und in ihre Arbeit integrieren oder Nachbarschafts- und Kommunalentwicklung begleiten. Wenn wir in den Bereich der Unternehmensberatung schauen, ist es heutzutage Usus, dass Beratungsfirmen Politiker*innen, Ministerien, Staaten usw. beraten. Dabei bleiben die Beratungen jedoch oft im Hintergrund und sind für die Betroffenen der Beratungsinhalte wenig sichtbar. Eine transparente Prozessbegleitung auf gesellschaftlicher Ebene könnte diese Lücke schließen.

Das Potential, aus der Disziplin der Organisationsentwicklung zu schöpfen, ist groß. Es ist sieben Jahre her, dass Frederic Laloux‘ Reinventing Organizations erschien. In dieser kurzen Zeit sind progressive Organisationen bzw. Praktiken aus der Nische getreten und haben einen nicht zu übersehenden Trend erzeugt. Die Nachfrage nach mehr Resilienz, Partizipation, Authentizität, Selbstverantwortung, Herzlichkeit und gesellschaftlicher Verantwortung in Organisationen ist sprunghaft angestiegen (was sicher nicht nur Laloux zu verdanken ist, doch markiert sein Buch diese Trendwende). Dass der Gesellschaft vieles davon zugute kommen könnte, liegt nahe.

Verantwortung für eine schönere Welt

Aus meiner Perspektive betreiben Organisationsentwickler*innen schon vielfach Gesellschaftsentwicklung, sind sich dieser großen Verantwortung aber nicht zwangsläufig bewusst. Das ist bedauerlich. Mehr denn je braucht unsere Gesellschaft Lösungen, die uns aus bestehenden Paradigmen heraushelfen und dringende Entwicklungen voranbringen. Es gibt glücklicherweise schon eine Menge progressiver Lösungen, wenn wir nur anfangen, uns ein wenig umzuschauen. Für einen guten Rundumschlag empfehle ich Zukunft für alle vom Konzeptwerk neue Ökonomie und Utopia 2048 von Lino Zeddies

Um solchen Lösungen in die Welt zu helfen und weitere zu entwickeln, braucht es Gesellschaftsentwickler*innen, die neben Prozessbegleitung verheißungsvolle Impulse in die Gesellschaft bringen. Der systemische Blick und Einblick in ausstehende Entwicklungsschritte der Gesellschaft ermöglichen es, hier passende Impulse zu setzen. Beispiele für bisherige konzeptionelle Impulse sind etwa Bürger*innenräte, Reinventing Organizations, das bedingungslose Grundeinkommen, die Gemeinwohlökonomie oder (auf niedrigerer Flughöhe) die beiden eben genannten Publikationen. In unserer Zeit reicht es nicht aus, nur auf das, was sich entwickeln will zu warten. Wir brauchen Impulse, die aktiv in eine schönere Welt einladen. Diese zu setzen wäre ebenso eine genuine Aufgabe von Gesellschaftsentwickler*innen. Mit solch einer Verantwortung geht allerdings genauso ein Bedarf an Kompetenzen einher, wozu ich im nächsten Abschnitt einige Vorschläge vorstelle.

Gesellschaftsentwicklung als Disziplin

Was könnte es konkret bedeuten, Gesellschaftsentwickler*in (GE-ler*in) zu sein? Welche Kompetenzen brauchen Menschen, die solch einer verantwortungsvollen Aufgabe nachgehen? Fünf Bereiche möchte ich dazu vorschlagen, die aus meiner Sicht entscheidend sind.

  • Persönlichkeit entwickeln – Ähnlich wie bei der OE ist schon auf dem Weg zur Tätigkeit als Gesellschaftsentwickler*in eine tiefe Auseinandersetzung mit sich selbst, den eigenen Wurzeln und Verletzungen von großer Bedeutung. Um mit Menschen und Systemen in Resonanz gehen zu können, brauchen wir eine innere Geklärtheit und Reife. Wer ständig emotional von anderen aktiviert wird, also starke emotionale Reaktionen erlebt, kann nur schwer in eine fruchtbare Resonanz mit ihnen treten und gemeinsam Entwicklungspotentiale erforschen, respektive den Entwicklungsprozess begleiten. Unbewusst feuernde Ego-Anteile können hier stattdessen Schaden anrichten. Persönliche Entwicklung ist insofern eine Grundvoraussetzung, gerade weil so viel Gestaltungsmacht in den Händen von GE-ler*innen liegt.
  • Utopien entwerfen – Was lässt sich alles aus der derzeitigen Corona-Pandemie an Potentialen heben? GE-ler*innen verbinden sich zwar mit der Tragik einer Situation (Resonanz), gehen aber einen Schritt weiter und fokussieren ebenso auf entstehenden Möglichkeiten. Sie stellen sich regelmäßig die Frage „Was ist in diesem Moment das höchste Potential von … z.B. dem Gesundheitssystem?“ So ergründen sie Potentiale, zeigen sie auf und laden ein, Chancen zu ergreifen. Insofern gehört die Fähigkeiten, Potentiale zu erkennen und frei in verschiedene Möglichkeitsrichtungen zu denken zum Repertoire. Mit ihren Gedankenexperimenten treten sie als Musen auf, um Entwicklungen zu inspirieren. Dabei verbinden GE-ler*innen in scheinbarem Widerspruch stehende Elemente und bilden Proto-Synthesen. Es zählt nicht, welche Idee besser ist als die andere, sondern wie sich die Kerne kreativ zusammenfügen lassen, um etwas Größeres zu schaffen. (Das Konzept der Gesellschaftsentwicklung als Disziplin selbst ist eine Proto-Synthese vieler Einflüsse und Konzepte, die mir bisher begegnet sind – es wird sich zeigen, ob es eine hilfreiche Synthese ist und wie sie sich ggf. weiter entwickelt.)

Beziehungsgeflechte weben – Da es immer unmöglicher wird, von einer einzelnen Warte aus verantwortungsvoll zu intervenieren und mit der uns umgebenden Komplexität umzugehen, brauchen wir die Unterstützung und Perspektiven anderer. Mit fundierter Multiperspektivität können GE-ler*innen adäquat agieren. Zweitens sind Gesellschaften selbst zu großen Teilen ein hyperkomplexes Beziehungsgeflecht. Diese Beziehungen werden ständig aktualisiert und in ihrer Qualität verändert – entsprechend auch das gesamte Geflecht, also die Gesellschaft. Durch das bewusste Gestalten von Beziehungen und Beziehungsgeflechten, prägen GE-ler*innen  unmittelbar die Muster unserer Gesellschaft. Sie können entscheiden, wie engmaschig, bunt oder tragend Netze gewoben sind – darüber entwickeln sie Gesellschaft.

  • Veränderung vorleben – Um in ein anderes Miteinander unserer Gesellschaft zu treten, braucht es Pionier*innen, die durch eigenes Experimentieren und Vorleben Eindrücke dessen transportieren können, was alles möglich ist und wünschenswert sein kann. Als immanenter Teil der gesellschaftlichen Systeme sind wir gefragt, mit den denkbaren Grenzen zu spielen, das scheinbar Unmachbare zu testen und Wege zu begehen, die visionär, reizvoll und einladend sind. Das gilt für unsere individuelle Ebene (wie gestalten wir Freundschaften und Liebe, wie gehen wir mit unserer Nachbarschaft und unserer Umwelt um, wie gehen wir mit unserem Geld um etc.?), es gilt für unsere organisationalen Ebenen (nach welchen Prinzipien organisieren wir uns, wie werden hier Beziehungen gepflegt, welchen Umgang mit Zeit, Stress, Geld, Macht und Inspiration wollen wir hier leben?) und für die gesellschaftlichen Ebenen (wie bringen wir uns bei den großen Themen ein, welches Geschenk haben wir unseren Mitmenschen zu geben, was haben wir der Welt anzubieten?).
  • Prozesse begleiten – Entwicklungen vollziehen sich in Prozessen. Ähnlich wie Kinder Begleitung in ihrer Entwicklung brauchen, bis sie auf eigenen Beinen stehen, können auch Systeme Entwicklungsbegleitung gut gebrauchen. Gesellschaftsentwickler*innen begleiten Prozesse unterschiedlicher Systeme. Diese können einzelne Menschen sein, ein Team, eine Familie, eine Organisation, eine Institution, eine Gemeinde, eine Subkultur, ein organisationales Netzwerk, ein Staat, ein Staatenbund oder ein supranationales Netzwerk. Dabei achten sie auf Wechselwirkungen der Systeme und wechseln wo sinnvoll die Systemebene. GE-ler*innen halten einen Rahmen, in dem sich ein System entwickeln kann. Sie achten darauf, was das System selbst entwickeln möchte und machen in Resonanz damit entsprechende Angebote zum gemeinsamen Explorieren. Für die Prozessbegleitung brauchen sie den entsprechenden Methodenkoffer, der speziell für Gesellschaftsentwicklung teilweise noch zu entwickeln wäre.

Wenn ich Gesellschaftsentwickler*in wäre …

Unsere Welt braucht mehr denn je die Kraft aller, damit wir es hinbekommen, eine neue Geschichte der Verbundenheit statt der Trennung (das dominante Paradigma des 20. Jahrhunderts) zu schreiben. Durch die Komplexität unserer Welt brauchen wir gleichzeitig Menschen, die sich in vielen Bereichen auskennen und sich auf das Begleiten von Entwicklungsprozessen verstehen. Gesellschaftsentwicklung kann ein Weg sein, der es wert ist, weiter erforscht zu werden. Auf diesem Weg werden wir uns unserer schon vorhandenen Gestaltungsmacht bewusster und können sie entsprechend bewusster einsetzen. Fangen wir damit an, uns die Frage zu stellen: „Wenn ich Gesellschaftsentwickler*in wäre – was würde (s)ich ändern?“

Weiterführende Literatur

Über neue Formen gesellschaftlichen Wirkens

Eisenstein, Charles (2017): Die schönere Welt, die unser Herz kennt, ist möglich

Freinacht, Hanzi (2017; 2019): The Listening Society und Nordic Ideology

Dietrich, Wolfgang (2011): Variationen über die vielen Frieden Band 2: Elicitive Konflikttransformation und die transrationale Wende in der Friedenspolitik

Über konkrete Ideen, es anders zu machen

Konzeptwerk neue Ökonomie (2020): Zukunft für alle – Eine Vision für 2048

Zeddies, Lino (2020): Utopia 2048

Laloux, Frederic (2014): Reinventing Organizations

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Intervention: Werkstudent

Intervention: Werkstudent

Raphael Wankelmuth ist seit Sommer Werkstudent in einer größeren Entwicklungsbegleitung bei socius. Er genießt als Politologe sein Praxissemester noch bis Ende Januar und wird anschließend in Heidelberg sein Studium beenden. Neben seinem Studium absolviert er gegenwärtig eine Weiterbildung für systemische Therapie und Beratung.

SOCIUS ist sein erster praktischer Einblick in das tägliche Brot der Organisationsentwicklung. Sein Eindruck: “unter OE habe ich mir immer einzelne Berater*innen vorgestellt, die am Reißbrett die perfekte Lösung für alle Probleme entwerfen, die Organisationen so haben und dann der Geschäftsführung zuschieben. Hier bei Socius und im Projekt begegne ich aber tatsächlich… Menschen.“

SOCIUS genießt den Einfluss der nächsten Generation – siehe auch den Blog Beitrag zum Online Tools Labor. Wir freuen uns, dass Raphael den Aufwand des Umzugs zwischen Heidelberg und Berlin für diese überschaubare Zeit auf sich genommen hat und sind dankbar für sein Mitdenken und -tun im Team und Projekten. Ab Januar wird der Kontakt wieder entfernter: Raphael zieht wieder nach Heidelberg, um sich wieder stärker auf das Studium konzentrieren zu können. Der Kontakt bleibt online erhalten und wir freuen uns, wenn es auch über das Studium hinaus Berührungspunkte geben wird.

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Die Renaissance der Kollegialen Beratung

Die Renaissance der Kollegialen Beratung

Zugegeben: wirklich gestorben war sie nicht, die Methode der Kollegialen Beratung, die sowohl Teams als auch so genannte stranger labs so bereichern kann.
Dennoch: ein bisschen still geworden war es um sie in den letzten Jahren schon.

Im SOCIUS Team haben wir Kollegiale Beratungen untereinander immer sehr geschätzt, manchmal auch im Super-Schnell-Format von fünfzehn Minuten zu Dritt, aber längst haben wir sie nicht so häufig und ausgiebig genutzt wie wir es gewollt und uns vorgenommen haben.

Bereits 2018 hat es vom IAC (International Alumni Center) verschiedene Anfragen zur Einführung der Methode in unterschiedliche Alumnigruppen gegeben. Kollegiale Beratung für Frauen. Kollegiale Beratung für Männer. Und dann ein ganzes Projekt: „Auslandserfahrung bringt’s!“ – ein Kollegiales Beratungsprojekt für Personen, die in Entsendeorganisationen für Freiwilligendienste im Ausland, zuständig sind für die Alumniarbeit.

Die Ausgangsthese für das Projekt war: Kollegiale Beratung hat eine Tiefenwirkung auf die Qualität der Arbeit und erhöht die Kollaborationsfähigkeit, weil sie Vertrauen schafft.

Was ist Kollegiale Beratung?

Kollegiale Fallberatung ist eine Methode aus der systemischen Beratung, in der es darum geht, in einem Gruppenkontext die eigenen Anliegen einzubringen und Lösungen für Herausforderungen im Berufsalltag zu entwickeln. Dabei werden von den Beteiligten Lösungsmöglichkeiten für ein konkretes Problem, den so genannten „Fall“/„Case“ gesucht. Die Fallgeber*in erläutert den Berater*innen die Situation und wird von diesen anschließend einer bestimmten Choreografie folgend beraten.

Kollegiale Fallberatung ist deshalb eine wirksame Methode, weil sie zum einen einem effektiven und klaren Zeitplan folgt und zum anderen eine Fülle an neuen Lösungsmöglichkeiten  und Perspektiven bereitstellt, in dem sie das Expert*innenwissen der Gruppe anzapft und so die so genannte Schwarmintelligenz nutzt. . Dadurch findet gegenseitige Unterstützung sowie gemeinsames Lernen statt. Es ist wichtig zu betonen, dass kollegiale Fallberatung keine Methode ist, um Konflikte zwischen Beteiligten zu lösen.

Der Ablauf der kollegialen Beratung ist wie folgt:

  • Ankommen, Einchecken, Smalltalk, was geschah seit dem letzten Mal (15min)
  • Rollenklärung: Fallgebende, Moderation, Doku/Zeitwächter*in
  • Fallbeschreibung (10min)
  • Beratende reden über den Fall und ihre Wahrnehmung der fallgebenden Personen. Sie teilen Eindrücke, Assoziationen, Gefühle –   (10min)
  • Fallgebende Personen ergänzen (5min)
  • Beratende überlegen erste Schritte (5min)
  • Alle gemeinsam suchen nach Lösungen für das Anliegen (15min)
  • Fallgebende resümieren: Was nehme ich mit? (5min)
  • Alle anderen resümieren (5min)
  • Feedback: Gruppe – Moderation – Methode (5min)

Überprüfung der Hypothese & Ausblick

Auch wenn die meisten Beteiligten in dem Projekt „Auslandserfahrung bringt’s!“ die Methode der kollegialen Beratung in anderen Settings noch nicht angewandt haben, ist das Angebot auf große Resonanz gestoßen. Insbesondere die kollegiale Stimmung über die Organisationsgrenzen hinweg hat den Teilnehmer*innen gut gefallen. Die klare Zeitstruktur der Methode war zwar ungewohnt und wurde manchmal als ein bisschen störend empfunden, diente aber im Großen und Ganzen, genau wie die klare Rollenteilung einer guten Orientierung.

In einer kleinen Befragung zum Ende des ersten Jahres waren sich die Teilnehmenden einig, dass die Kollegiale Beratung motivierend für die eigene Arbeit war, nicht nur wenn man eigene Anliegen einbrachte. Die Vorbereitung und Weiterarbeit an den Fragestellungen wurde als interne Klausur für die eigene Arbeit angesehen und lud immer wieder zur Reflexion ein. Die regelmäßige Vernetzung mit Kolleg*innen anderer Entsendeorganisationen erwies sich als ausgesprochen positiv. Die Zeit und der Raum zum gemeinsamen Denken und der Abgleich der eigenen mit den Herangehensweisen der anderen an die aufgeworfenen  Fragen hat – nach Einschätzung der Beteiligten – die Qualität ihrer Arbeit erhöht. Insbesondere der lösungsorientierte Charakter der Methode führte dazu, dass sich konkrete und neue Handlungen abzeichneten.

Aus Sicht aller Beteiligten hat sich die Hypothese – Kollegiale Beratung hat eine Tiefenwirkung auf die Qualität der Arbeit und erhöht die Kollaborationsleistung in der Alumniarbeit von Freiwilligendiensten, weil sie Vertrauen schafft – bestätigt. Die Anwendung der Methode hat sich nachhaltig auf die Qualität der Arbeit ausgewirkt und die Kollaborationsleistung in der Alumniarbeit erhört, da sie unter den Teilnehmer*innen Offenheit und Vertrauen geschaffen hat.

 

Über den Tellerrand

Aber nicht nur das IAC hat seinen Teilnehmenden die Kollegiale Beratung als Methode zur Verfügung gestellt. Auch in drei Durchgängen einer internen Fortbildung bei der Diakonie Mitteldeutschland zum Thema „Arbeiten 4.0.“, die wir mit Gaby Schambach und Kolleg*innen von der swapwork uG, vierfältig und der reinblau eG begleitet haben, gab es intensive Einführung und Erprobung in die Methode, genauso wie ich im Rahmen meiner Vorstandsarbeit beim Bundesverband der Freien Alternativschulen (BFAS) Kollegiale Beratung für die Mitarbeitenden der Freien Schulen in Berlin und Brandenburg anbot.

In allen Runden der Kollegialen Beratung waren die Kolleg*innen begeistert über die Ergebnisse und Impulse die innerhalb von einer Stunde auf dem Tisch waren und mit denen die Fallgebenden jeweils weiterarbeiten konnten.

Insofern war es naheliegend, dass wir mit dem SOCIUS NextWerk im Frühjahr 2020 – im sogenannten ersten Lockdown – recht zügig ein Angebot für Kollegialen Austausch im Internet entwickelten und zum „pay-what-feels-right“ Tarif für alle anboten, die Interesse an Austausch und Impulsen von anderen haben. Dieses Angebot wollen wir in 2021 wieder beleben und hoffen auf reges Interesse. Die Methode ist deshalb so gut in den online Space zu übertragen, weil sie ohnehin einer stabilen Choreografie folgt.

In unserer eigenen Beratungspraxis nutzen wir die Methode sowohl zur internen Reflexion eigener Beratungsprozesse als auch als Methode, die wir in Teams und Organisationen einführen.

Im oben erwähnten 15-Minuten-Format bittet die Person mit dem Reflexionsanliegen zwei Kolleg*innen um 15 Minuten ihrer Zeit, sodann hat sie 5 Minuten Zeit ihr Anliegen/ihren Fall zu schildern und die beiden anderen haben im Anschluss 10 Minuten Zeit sich über die Person und ihr Anliegen auszutauschen, während diese zuhört. Aller meistens ergibt ist daraus ein Impuls zum weitermachen. Hilfreich ist hier sicherlich, wenn die Beteiligten sich kennen.

Probiert es mal aus!

 

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Socius change essentials

Entdeckt praxisnahe Tipps für selbstorganisiertes Arbeiten in unserem gratis Onlinekurs, den SOCIUS change essentials. Mit über 30 Videos bietet der Kurs hilfreiche Selbstorganisations-Tools wie Konsentmoderation und Rollenboard-Tutorial.

Meldet euch an und erhaltet zusätzlich den SOCIUS brief, unseren Newsletter mit spannenden Themen und Veranstaltungen.

SOCIUS Fundstück – empathy@work

SOCIUS Fundstück – empathy@work

Manchmal will gut Ding Weile haben und es dauert bis wir es schaffen, Euch an unseren Gedanken und unserer Arbeit teilhaben zu lassen.

Gerade sind uns zwei SOCIUS Fundstücke wieder begegnet, die schon seit Jahren auf ihre Veröffentlichung warten.

 

Ralph Piotrowski hat 2016 einen Vortrag zum Thema „Professionelle Nähe“ vor Mitarbeitenden einer Wohlfahrtsorganisation gehalten, den wir nun endlich als Audiodatei veröffentlichen. Er stellt darin unseren Führungskompass vor und erklärt warum es wichtig ist, sich auch in Arbeitskontexten emotional und verletzlich zu zeigen.

 

 

 

 

 

Schon 2015 hat Hendrike Schoof ihre Masterarbeit zum Thema „Gewaltfreie Kommunikation am Arbeitsplatz“ geschrieben. Im Zuge dessen hat sie Nicola Kriesel zu ihren Erfahrungen in der Praxis interviewt, sie nach Herausforderungen in Organisationen gefragt und wie sie mit Führungskräften mit gewaltfreier Kommunikation arbeitet.

 

 

 

Die Kompass-Sammlung “Arbeiten im digitalen Raum “

Die Kompass-Sammlung “Arbeiten im digitalen Raum “

Ich versuche den Kompass zu justieren, der verrückt gespielt hat, und das immer wieder tut. Es dauert, ist eine fast tägliche Praxis geworden: Mich sammeln, mich zentrieren, mich austauschen mit Menschen vor Bildschirmen. Viele, die ich kennen sprechen vom “new normal”, einer neuen Normalität, in der wir nun leben. Ausgelöst durch ein Virus, welches das Leben von Menschen in allen Ecken der Welt gleichzeitig aus den Angeln hebt. Diese Zeit wartet auf uns alle mit neuen Erfahrungen – egal ob als Berater*innen, Eltern, Partner*innen, Arbeitgeber*innen, Krankenpfleger*innen oder als Großeltern. Vieles, sehr vieles ist anders geworden in den letzten Wochen. Und das auf eine Dauer hin, die wir nicht wirklich absehen können.  

Geht es Euch ähnlich wie mir, dann wurdet ihr vielleicht einerseits mit einer Welle an digitalen Meetings überschwappt, die teilweise anders funktionieren als Besprechungen und Austausche in der anlogen Welt. Parallel sprießen Angebote digitaler Meet-Ups, Webinare oder Werkzeuge wie Pilze aus dem Boden, und der Überblick über vieles ging mir schnell verloren.

“You ride the wave between steering and being guided by the landscape” 

Als verlorene Navigatoren, “Lost Navigators”, beschreibt Andreas Knoth diejenigen, die in diesen Situationen forschen – im Inneren wie im Äußeren. Die die Situation annehmen, und zugeben, dass sie nicht genau wissen, wo sie sind. Sie reiten die Wellen wie sie kommen, steuern wo es geht und lassen sich leiten vom Wasser und der Landschaft, in der sie sich befinden. 

Die Sammlung

Dies ist der Versuch, eine lebendige Sammlung für Prozessbegleiter*innen im digitalen Raum zu teilen, die als eine Art Kompass fungieren kann. Ziel diese “lebendigen Dokuments” ist, einen digitalen Ort zu öffnen, der jeder und jedem zugänglich ist und eine Anlaufstelle für Ressourcen rund um das Arbeiten von Prozessbegleiter*innen im digitalen Raum bietet.

https://docs.google.com/document/d/1pEesPZ8-7LB2BMRunW-8e_r3rzxRmBBYcLEWvZsmaU4/edit?pli=1#

Festzuhalten ist auch: Ein Großteil der Ressourcen und bisher gesammelten Ansatzpunkte ist englischsprachig. Das spiegelt die Tatsache wider, dass sich im digitalen Raum vielfach Plattformen etabliert haben, die für die Zusammenarbeit über Sprachgrenzen hinweg, für internationale Teams oder Netzwerke entwickelt wurden, die im Ursprung englischsprachig sind.

Die Einladung: Macht mit und teilt

Die Sammlung lebt, wenn jede*r, der*die sie findet, ein oder zwei seiner bzw. ihrer liebsten Werkzeuge, Instrumente oder Artikel über das Arbeiten im digitalen Raum, hinzufügt. Denn wenn unser Wissen miteinander teilen, profitieren wir zusammen.

Danke

Die Sammlung freut sich auf all Eure Ergänzungen! Vermerkt gerne unter der letzten Tabelle auch Eure Namen, wenn ihr etwas hinzugefügt habt – dann wissen alle, die sie nun, wem sie zu Dank verpflichtet sind. 

Sinnvoll zusammenwirken in Krisenzeiten

Sinnvoll zusammenwirken in Krisenzeiten

Unsere Werkstattzyklen „gOe! – gemeinnützige Organisationen entwickeln“, „Bewegte Beratung – Embodiment Skills in der Beratung“ und „Macht. Führung. Sinn. – Eine Lernreise für Frauen*“ wollen wir trotz Corona nicht einfach ausfallen lassen oder nur verschieben, sondern haben schnell angefangen uns regelmäßig einmal in der Woche mit den Teilnehmenden für 1,5 Stunden online zu treffen, statt uns alle 4 bis 8 Wochen live für einige Tage zu sehen.

Alle  genießen die Treffen, weil in dieser Situation in der die VUCA Welt uns so ganz besonders reale neue Herausforderungen von Unbeständigkeit, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität vor die Tür stellt, es wichtig ist, Routinen zu entwickeln, die Orientierung bieten; sich neuen Aufgaben zunächst in einem vertrauten Kreis zu stellen, der ohnehin eine gemeinsame Lernverabredung hat. Auch der Draufblick aus der Metaebene scheint hilfreich zu sein.

In unseren Treffen versuchen wir einander zu stärken, Tipps zu geben, die das Arbeiten und isolierte Leben zu Hause angenehm machen und erleichtern, oder die aus dem social distancing das machen was eigentlich wichtig ist: physikalische Distanz halten.
Sozial dürfen wir gerne näher zusammenrücken.

Unser Austausch geht von Tipps zur Gestaltung von online Meetings über Empfehlungen von online Kursen, hin zu intellektueller Nahrung und lustigen Challenges für die Zeiten in den eigenen vier Wänden.

Wir sammeln was hilft um sinnvoll zusammen zu wirken, auch wenn wir nicht an einem Ort sein können:

Eine Kollegin von MitOst e.V. berichtete wie sie mit 45 Menschen einen Teamtag online gemacht haben, und wie das Vorbereitungsteam sich vor allem darum gekümmert hat, dass es möglich werden würde, emotionale Entlastung in diesem Stress zu bekommen im Kreise der Kolleg*innen, statt per business as usual Ergebnisse zu produzieren. Im Zoom Meeting haben sie verschiedene breakout-Sessions ermöglicht, in einer davon erfuhren mehrere Kolleg*innen voneinander, dass sie Ukulele spielen und ließen es sich nicht nehmen gemeinsam zu musizieren.

Im morgendlichen Check-in wird nicht nur gefragt: Wie geht es dir heute? Sondern Fragen, die im Arbeitskontext oft eher nicht gestellt werden, finden ihren Weg in den Raum: Was bedeutet Schönheit für dich? Welche Superkraft hättest du gerne?

​122 inspirierende Fragen gibt es bei unseren Kolleg*innen von VIERfältig aus Halle unter „Aktuelles“.

Andere Teams nutzen zum Teambuilding die Einblicke, die das online arbeiten in die privaten Gemächer bietet und stellen sich gegenseitig Gegenstände aus ihren Wohnung vor. Manchmal auch Partner*innen, Kinder und andere Mitbewohner*innen.

Auch das abendliche Check-in, insbesondere für Menschen die alleine leben, kann eine schöne Routine werden: wie war dein Tag?

 

Zivilgesellschaftliches und politisches Engagement geht auch online: unsere Kollegin Claudia Meimberg hatte für dieses Wochenende an der Organisation zu einem Konvent zum Bedingungslosen Grundeinkommen mitgearbeitet. Vor zwei Wochen hat sich die Gruppe kurzerhand entschlossen die Veranstaltung von Weimar ins Internet zu verlegen. Die Lernkurve für alle Beteiligten ist immens. Und die Reichweite wird natürlich auch größer: www.grundauskommen.de

Hannah Kalhorn aus Hamburg berichtete, dass sie einen Mini-Sketchnote-Kurs online gemacht hat: 5 Tage jeden Morgen für 30 Minuten visualisieren üben. Dieser ist nun leider vorbei. Im April gibt es einen vierwöchigen Kurs, der allerdings nicht mehr kostenlos ist: https://www.vizworks.de/sn4c-onlinekurs/

Online Spiele verbinden die meisten mit Zocken, EgoShootern, Ballerspielen und eher jungen Menschen die stunden- und nächtelang vor dem Bildschirm hängen, sich mit Energydrinks wachhalten und sich in virtuellen Welten gegenseitig abschießen. Das muss nicht sein. Der gute alte Spieleabend kann aller Isolation zum Trotz auch online stattfinden, dazu gibt es reichlich Webseiten und Apps, die mit dem Handy auf Videochat ein fast ganz echtes Gefühl für’s gemeinsame Spiel machen.  Ein paar erprobte Empfehlungen aus unserem Umfeld:

Intellektuelles Futter – eine Auswahl:

Was Menschen noch machen, um die Lebensgeister bei Laune zu halten:

  • Eine Challenge: Jeden Tag etwas anziehen, was man schon lange nicht mehr getragen hat und schauen was das macht.
  • rausgehen, sich bewegen, grün sehen
  • Da Spazieren gehen wo man wohnt, und nach Neuem Ausschau halten
  • 12 Sonnengrüße und 15 Minuten Tanzen
  • Meditieren

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Homeoffice und online-meetings – 4 Punkte, die uns wichtig erscheinen

Homeoffice und online-meetings – 4 Punkte, die uns wichtig erscheinen

Seit 2 Wochen findet die allermeiste Arbeit plötzlich online statt. Menschen bleiben zu Hause, klappen morgens ihren Laptop auf und fangen an zu arbeiten. Auch all jene, die sonst Gruppen moderieren, Schüler*innen oder Student*innen unterrichten, supervidieren, coachen oder andere Formen von Kontakt mit Klient*innen oder Kolleg*innen haben.

Pause machen

Uns bei SOCIUS geht es da nicht anders und wir tauschen uns sowohl untereinander als auch mit Kolleg*innen und Klient*innen darüber aus, was bei Online-Meetings besonders zu beachten ist:

  • Wir haben festgestellt dass Videomeetings nach spätestens 90 Minuten eine Pause brauchen. Im Entwurf zu diesem Artikel wollte ich schreiben, dass diese Pause mindestens 15 Minuten sein sollte. Die Autokorrektur oder mein Unterbewusstsein hat 115 Minuten geschrieben. Ich frage mich seit dem ob das vielleicht viel richtiger ist? Aber bleiben wir mal bei der Empfehlung: nach 90 Minuten mindestens 15 Minuten Pause – besser 20 bis 30 Minuten.
  • In dieser Pause gilt die dringende Empfehlung aufzustehen. Bewegt Euch! Macht nicht was anderes am Rechner (Mails checken/Facebook/Instragram) Steht auf! Reckt Euch, streckt euch. Trinkt was. Geht auf die Toilette. Ich hab letztens diese 20 Minuten genutzt um das Badezimmer zu putzen. Ihr könnt auch Blumen giessen. Irgendwie sowas.
  • Wenn du ein online meeting leitest/moderierst, dann kannst du die Teilnehmenden auch währenddessen aktiv einladen sich zu recken und zu strecken. Mit stummgeschalteten Mikros kann man auch gähnen und grummeln oder andere Töne von sich geben.
  • Außerdem ist es wie sonst auch hilfreich den Ablauf des Meetings zu visualisieren. Das kann man mit shared docs machen und der Möglichkeit Bildschirme freizugeben für die Teilnehmenden. Das bietet Orientierung.
  • Für Teams die gewohnt sind im Kreis zu sprechen, hat sich als hilfreich erwiesen dem Alphabet der Namen zu folgen, um eine vorhersehbare Kreisstruktur zu entwickeln.
  • In Check-in-Runden kann es schön sein, wenn die jeweils nächste Person von der die gerade gesprochen hat, gefragt wird: wie geht es dir? wie fühlst du dich? was beschäftigt dich?
  • Chat-Funktionen bei Videokonferenzen können genutzt werden zur Dokumentation der Ergebnisse. Oder es werden shared docs genutzt.
Arbeit definieren

Was uns auch hilfreich erscheint ist die folgenden Fragen zu klären:

  • was definieren wir als Arbeit?
  • Ist es nur Arbeit wenn ich am Rechner sitze und was schreibe oder mit Kolleg*innen/Kund*innen in Austausch bin?
  • Oder ist es auch Arbeit wenn ich auf dem Balkon stehe, die Blumen giesse und dabei über die neue Strategie für xy nachdenke?
  • Muss ich 8 Stunden am Tag erreichbar sein für meine Kolleg*innen?
  • Oder darf ich Stillarbeitszeit haben?
  • Müssen die 8 Stunden zwischen 8 und 17h sein?
  • Oder kann ich meine Arbeitszeit mit meinen heimischen Bedingungen anpassen?

 

 

Verbindung halten und Neues ausprobieren

Was wir bei SOCIUS sofort eingerichtet haben ist eine Daily Stand up Meeting. Wir treffen uns jeden Morgen für 30 Minuten zum Check-in. Dabei sind die die können. Es sind mindestens immer 5 Leute da. Wir sind alle mit Kaffee oder Tee ausgerüstet. Erzählen kurz reihum wie‘s geht, schauen ob es was organisatorisches für SOCIUS zu klären gibt, berichten von Tages-Vorhaben oder stellen zu klärende Fragen und wünschen uns einen guten Tag.
Das ist ermutigend, verbindend und bringt Struktur in Tagesanfang. Ich glaube Verbindung ist das wichtigste was wir gerade halten können.

Führungskräfte sind aktuell gefragt, emotionale Herausforderungen ihrer Mitarbeiter*innen zu begleiten.
Viele Kolleg*innen haben große Sorgen, dass sie ihre Wochenarbeitsstunden nicht voll bekommen mit der online-Konzept-Bildschirmarbeit und der Kinderbetreuung zu Hause. Sie wollen auch keine Minusstunden machen. Führungskräfte können hier für Entspannung sorgen, indem sie z.B. erlauben oder gar auffordern großzügig zu sein mit der Dokumentation von Arbeitsstunden,

Strukturhilfe

Im Homeoffice ist es wichtig für Bewegung zu sorgen. Ich nutze  z.B. einen Fokus-Timer, d.h. ich sortiere meine Tagesaufgaben morgens in 5-Minuten-Aufgaben und andere. Dann priorisiere ich die anderen und fange an zu arbeiten. 25 Minuten. Dann mache ich 5 Minuten Pause. Stehe auf. Geh auf die Toilette. Koche Tee. Tanze. Wasauchimmer. Dann wieder 25 Minuten. 5 Minuten Pause. Das Ganze noch 2 Mal. Dann 15 – 20 Minuten Pause. Wenn ich in einem 25 Minuten Turnus mit einer Aufgabe fertig werde, aber keine Lust/Zeit habe eine andere größere Aufgabe anzufangen, erledige ich eine der identifizierten 5-minuten Aufgaben.
Dieses Vorgehen hilft mir sehr.

Sicher gibt es noch sehr viel mehr Tipps und Empfehlungen für die Arbeit in diesen Zeiten. Diese Aufzählung hat selbstverständlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern ist als erste Sammlung von Eindrücken aus den ersten zwei Wochen Homeoffice für alle gedacht.

Weitere werden folgen.

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Die Avatare, die da sind, sind die richtigen!

Die Avatare, die da sind, sind die richtigen!

Erfahrungen einer Online Akademie mit Virtuellem Open Space

Als Second Life Anfang der 2000er Jahre online ging, traf die Online Plattform den Nerv der aufkommenden Web 2.0 Welle und wuchs in kaum 10 Jahren auf 36 Millionen User an. Vom social strolling über Kultur- und Konsumangebote bis hin zur virtuellen FDP Zentrale gab es hier schnell alles, was eine Nebenwelt so braucht und nicht braucht. Ökonomisch florierten vor allem e-Grundstücksgeschäfte, aber auch Online Casinos und andere Adult Entertainment Angebote. Schließlich endeckten Universitäten und HR Abteilungen Second Life und eröffneten Class- und Boardrooms, um e-learning Seminare und virtuelle Meetings durchzuführen. Für uns Trainer- und Berater*innen damals zumindest eine angehobene Augenbraue wert.

Mit dem Corona-Shut Down erleben virtuelle Welten eine neue Konjunktur. Für uns etwa im Rahmen der Suche nach einer Durchführungs-Alternative für die Frühjahrsakademie im Lektorenprogramm der Bosch Stiftung. Geplant war, Lektor*innen von 19 Unis in China, Thailand, Vietnam und Indonesien in Bangkok zu einer Woche Open Space, Projektwerkstatt und Seminaren zusammenzubringen. Wegen der eskalierenden Ein- und Ausreisebeschränkungen wird kurz vor der Akademie klar, dass eine Präsenzveranstaltung in Thailand nicht in Frage kommt. Was tun? Fünf Tage mit Skype oder Zoom sind ganz schön heftig. Außerdem: Wie macht man einen Open Space im virtuellen Raum?

Die Erinnerung an die hochgezogene Augenbraue kommt hoch – wir aktivieren unsere verstaubten Avatare und schauen uns um im Second Life Universum von 2020. Der erste Eindruck: trotz verbesserter Grafik ist das irgendwie trashig. Der Niedergang der letzten zehn Jahren ist deutlich sichtbar: Wer sich heute einloggt, bewegt sich in einer Geisterwelt. Ab und an huscht mal ein skurril dekoriertes Wesen mit koreanischem Label vorbei, vor allem aber stehen viele leblose Avatare in der Gegend herum. Die User Zahlen haben sich auf unter eine Million zurückentwickelt, Gamer haben mittlerweile interessantere Ufer entdeckt, mit der Bildungswelt hat‘s auch irgendwie nicht gefunkt – die SL Entwickler von Linden Lab haben irgendeinen Zug verpasst. So geht das also leider nicht. Dann fällt uns eine feine Alternative ins Auge: der 3D Learnspace des Online Bildungsanbieters WBS Akademie.

Der Learnspace ist ein virtuelles Akademiegebäude mit Auditorium, Konferenzräumen, Lounge und einer großzügigen Dachterrasse. Die Teilnehmer*innen können sich als Avatare selbständig durchs Haus bewegen und sich in Vorträge, Arbeitsgruppen und spontane Gespräche einklinken – oder sich auch mal mit jemandem in ihr persönliches Büro zurückziehen. In jedem Raum gibt es Medienwände, auf die Präsentationen, Filme oder andere Dokumente gebeamt werden können. Die Verbindung ist primär akustisch (Personen im selben Raum hören sich gegenseitig), zugleich erzeugt die Bewegung der Avatare und die rudimentäre Steuerung von Mimik und Gestik ein Gefühl von echter Begegnung im Raum. Der Zauber dieser Erfahrung nennt sich „Immersion“ – das Eintauchen in ein Medium, bei dem die Virtualität so weit in den Hintergrund tritt, dass eine physische und soziale Präsenz erlebt wird.

Nach ein paar Software-Installations-Hürden und leichtem Murren der Teilnehmenden, eine so ungewohnte Arbeitsform gewählt zu haben, stehen wir am Montag-Morgen vor der „Gruppe“. Das Moderieren im virtuellen Raum ist zunächst herausfordernd: Es fehlt an Resonanz. Wenn die Avatare schweigen, schweigen sie wirklich. Mit der Einladung, anders als bei Konferenzschaltungen üblich, die menschlichen Nebengeräusche des aktiven Zuhörens und emotionalen Verarbeitens (Zustimmung, Lachen, Zwischenrufe…) nicht zu „muten“ sondern bewusst in den Raum zu bringen, wirkt hier Wunder. Der spontane Rückkanal ergänzt die Dimension, die sonst so oft fehlt im virtuellen Arbeiten.

Der Open Space funktioniert dann weitgehend selbstorganisiert: Die Gruppe sammelt Themen auf einer virtuellen Pinnwand, diskutiert in Arbeitsgruppenräumen und teilt die Ergebnisse wie im realen Raum. Was bei Zoom und Skype sonst kaum zu machen ist, ist hier einfach: die Teilnehmenden navigieren durch die Themenlandschaft, stehen auf, wenn sie in der Gruppe nichts mehr mitnehmen oder beizutragen haben und wechseln in eine andere Gruppe oder auf die Terrasse zum Schmetterlingsgespräch.

Die neue Umgebung hat einen Zauber, der alle trotz der schwierigen Umstände 5 Stunden am Tag 5 Tage lang im Bann hält. Die Moderation in der Akademie muss trotzdem aktiver, strukturierender sein: Bei Runden alle mit Namen ansprechen; nachfragen, ob jeder hören, sehen und verstehen kann; Arbeitsaufträge zweimal sagen und dann noch schriftlich auf eine Medienwand beamen; auf Zeitdisziplin achten – nicht einfach prozessorientiert drauflosarbeiten (wenn sich jemand ausklinkt oder wegen technischer Probleme aus dem System fliegt, muss er/sie Orientierung und Anschluss finden). Aber man gewöhnt sich daran und mit der Zeit werden wir sicherer und experimentieren mit der Methodik – Aufstellungen, Rollenspiele, Fishbowls – all das geht tatsächlich auch im virtuellen Raum.

Am erstaunlichsten ist das schwindende Bedürfnis nach „echtem“ Bild: Im Learnspace lässt sich ein Webcam-Stream neben dem Namensschild überm Avatar einrichten. Am Anfang ist das für uns noch wichtig, um uns miteinander zu orientieren. Bei Vorträgen projizieren wir uns zudem lebensgroß auf die Videowalls im virtuellen Raum. Ab Tag 3 ist kaum noch eine Kamera in Betrieb und keiner vermisst das Live Bild. Es ist, als würde die Immersions-Erfahrung sogar besser funktionieren, wenn nicht dauernd die andere Realität der „echten“ Personen daneben gestellt wird.

Nach einer Woche ist der Spaß vorbei und wir tauchen auf aus der Avatar Welt. In der Abschlussrunde wird deutlich: Es war fordernd aber kurzweilig und spannend. Klar wäre es schöner gewesen, sich zu sehen. Aber unter den Umständen war dies ein ziemlich guter Ersatz. Vielleicht sind solche immersiven Formate ja nicht nur in Zeiten von Corona eine sinnvolle Alternative zum Konferenz Jet Set. Wir jedenfalls haben Lust auf mehr davon bekommen.

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Drittes Jahr STAR-E – Broschüren sind online

Drittes Jahr STAR-E – Broschüren sind online

Die Stärkung von Jugendlichen und Jugendorganisationen zu einer eigenen rassismuskritischen Haltung ist eine Herausforderung, die insbesondere angesichts jüngerer Entwicklungen in Deutschland, Europa und (vermutlich auch) der Welt wieder an Bedeutung gewinnt. Gerade während wir an die Befreiung von Auschwitz vor 75 Jahren stellvertretend für ein extrem menschenfeindliches und diskriminierendes Regime erinnern, müssen wir gleichzeitig feststellen, dass es weiterhin Strukturen und Mechanismen in unseren Gesellschaften gibt, die Mitmenschen aufgrund von Hautfarbe, Glaube oder anderer identitätsbildender Einstellungen und Merkmale abwerten, verletzen und ausgrenzen.

Die vergangenen drei Jahre hat das europäische Freiwilligennetzwerk ICYE (International Cultural Youth Exchange) sich intensiv mit diesen Fragen aus Organisationsperspektive auseinandergesetzt. Gefördert aus Mitteln von Erasmus+ konnten mehrere Austausch- und Trainingstermine zur Stärkung gegen rassistische Haltung und Äußerungen organisiert werden. Parallel wurde im Umkehrschluss ein positives Bild geprägt, unter der Frage: „Wie können wir Veränderungsprozesse unterstützen, wodurch unsere Organisationen mehr Diversität wagen?“ Wir von SOCIUS haben uns mit Freude gerade in dieser zweiten Projektsäule engagiert und zahlreiche lebendige Diskussionsrunden, methodische Übungen und Reflexionen mit verfolgt und uns in die inhaltliche Auseinandersetzung begeben.

Sichtbares Ergebnis dieser Arbeit sind zwei Broschüren, die parallel geschrieben wurden. Davon haben wir wir auch hier bei der zweiten Broschüre redaktionell mitgewirkt:

Standing Together Against Racism: A Training Handbook“ und „Managing organisational change: Tools and methods to become a diversity-sensitive NGO„. Beide können als Printversion bestellt oder online heruntergeladen werden. Beide Broschüren werden von den Partnerorganisationen Europaweit vorgestellt.

Die Termine in Deutschland, bei denen auch wir dabei sein werden:

Fachtag 1 „Standing Together Against Racism – Methoden für die Antirassismus-Arbeit und Empowermenttraining in der politischen Bildungsarbeit“ in der Braustube des Berlin Global Village am 20.02.2020 (13:00-17:00 Uhr)

Fachtag 2 „Tools for Change – diversitätsorientierte Veränderungsprozesse in NROs“ in der Braustube des Berlin Global Village am 12.03.2020 (13:00-17:00 Uhr)

Alle weiteren Informationen und Anmeldemöglichkeit hier:

https://star-e.icja.de/2020/01/28/conferences-for-multipliers-fachtage-fur-multiplikatorinnen-icja-berlin/

#star_e

 

 

Website des Projektes: https://star-e.icja.de

SOCIUS war Partner in diesem Projekt und vor allem Christian Baier, Joana Ebbinghaus und Simon Mohn waren am Gelingen beteiligt. 

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Facilitating rough waters

Facilitating rough waters

Jede Person, die Gruppen und Teams, egal welcher Größe begleitet, hat es schon mal erlebt: Es läuft nicht rund. Die Stimmung sinkt. Es gibt Widerstand. Es wird kein Fortschritt gemacht. Starke Emotionen werden sichtbar. Du wirst nervös und unsicher.

Was kannst du tun, wenn es im Prozess hakt? Wenn die Stimmung rau wird und die Wellen hoch schlagen.

Wir haben ein paar Ideen und Erfahrungen zusammengesammelt.

Währenddessen:

  • Clearing the air – eine Gesprächsrunde machen, in der alle die Möglichkeit haben zu sagen, wie sie sich gerade fühlen, wenn du spürst, dass die Stimmung kippt.
  • Eine Übung vorschlagen um sich wieder auf den Fokus des Treffens zu konzentrieren.
  • Wenn es eine Person ist, die besonders bedürftig ist, dafür sorgen, dass sie Unterstützung bekommt.
  • Pause machen.
  • Fragen was gebraucht wird.
  • Die Gefühle im Raum benennen.
  • Sich gegenseitig daran erinnern, was gut läuft.
  • Sich wieder auf das Thema konzentrieren.
  • Sich erinnern dass man immer Vorbild ist.
  • Container/Orte/Zeiten verabreden, wo die Schwierigkeiten besprochen werden können.
  • Methoden/Übungen nutzen mit denen du sehr vertraut bist.
  • Dem Prozess und dem System vertrauen.
  • Einen (neuen) Rahmen geben, alternative Interpretationen der Situation anbieten.
  • Practice what you preach – das machen was du sagst.
  • Schreib dir auf einen kleinen Zettel, was dich so beunruhigt und steck es in die Tasche.
  • Themenspeicher anbieten.
  • Benennen was jemand macht, mehr als wie es gemacht wird.

Prophylaktisch:

  • Nicht alleine moderieren.
  • Vorher klare Absprachen treffen.

 

Was fällt Euch noch ein? 

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Socius change essentials

Entdeckt praxisnahe Tipps für selbstorganisiertes Arbeiten in unserem gratis Onlinekurs, den SOCIUS change essentials. Mit über 30 Videos bietet der Kurs hilfreiche Selbstorganisations-Tools wie Konsentmoderation und Rollenboard-Tutorial.

Meldet euch an und erhaltet zusätzlich den SOCIUS brief, unseren Newsletter mit spannenden Themen und Veranstaltungen.

Lernräume entdecken: Reflektionen aus der Lernwerkstatt gOe!

Lernräume entdecken: Reflektionen aus der Lernwerkstatt gOe!

gOe! steht für „gemeinnützige Organisationen entwickeln!“ und versteht sich als Lernwerkstatt für interne Entwickler*innen und externe Prozessbegleiter*innen in gemeinnützigen Organisationen. Die Fortbildung besteht aus drei Modulen, die unter den Aspekten Kultur, Struktur und Strategie Veränderungsprozesse betrachten. Hier reflektieren Yi-Cong Lu, Projektleiter bei be able und Design Thinking Coach am Hasso Plattner Institut, und Julia Hoffmann, Programmleiterin bei MitOst, über ihre Teilnahme an dem SOCIUS Werkstattzyklus. 

Julia

Mein Weg zu gOe!

In den letzten zehn Jahren habe ich in verschiedensten Organisationen in Europa gewirkt, die Gutes in die Welt bringen wollen. Nach der Arbeit an Projekten und Initiativen treibt es mich um, tiefer zu verstehen, wie ich als Begleiterin gemeinnützige Organisationen so unterstützen kann, dass sie ihre Vision umsetzen, dabei lebendig bleiben und nachhaltig wirken.

Auf diesem Weg wende ich Ansätze, Praktiken und Modelle an, die gemeinnützige Organisationen und „ihre“ Menschen unterstützen können, um langfristig und erfolgreich ihre Ziele zu erreichen. So kam ich zu gOe!: Um weiter zu lernen, aus Erfahrungen zu schöpfen und um zu reflektieren.

Eintauchen in das Abenteuer Kultur

Was ist Kultur? Welche Rolle spielt sie für die Entwicklung von Organisationen? Mit welchen Ansätzen, Instrumenten und Haltungen kann man ihr begegnen; als Mitglied einer Organisation oder als Beraterin von außen? Welche innere Haltung unterstützt mich dabei mit der Kultur einer Organisation in Kontakt zu treten? Das sind die Fragen, die im ersten Fortbildungsmodul auf der Agenda stehen.

Für mich kann „Kultur“ vieles bedeuten.  Es ist ein Wort, das wie ein Sammelbecken erscheint – jede und jeder kann einmal darin fischen und für sich eine Bedeutung herausgreifen, was für sie oder ihn gemeint ist. Ursprünglich vom Lateinischen “colere” stammend, was so viel wie “bebauen”, “pflegen”, “urbar machen” und “ausbilden“ bedeutete, bezeichnet Kultur im weitesten Sinne alles was der Mensch selbst gestaltend hervorbringt. So zumindest steht es auf Wikipedia.  

Wie Ringe in einem Baumstamm – die Kultur von Organisationen wahrnehmen

Im engeren Sinne versteht die Organisationsentwicklung nach Edgar Schein (1985) unter Kultur geteilte Muster des Denkens, Fühlens und Handelns in Organisationen. Wie „Ringe in einem Baumstamm“ kann ich mich als Beraterin der Organisationskultur nähern, erklärt Joana Ebbinghaus :

Die Ebene der Artefakte bildet die äußersten Ringe des Baumstamms: Wie ist der physische Raum einer Organisation gestaltet? Wie wirken die Büros auf mich? Wie sind die Wände gestaltet? Sind die Türen der Büros offen oder geschlossen? Ist es laut, leise, gemischt oder wild chaotisch? Wenn das Bürogebäude der Organisation eine Seele hätten, was würde es über sie erzählen? Erste Eindrücke, die mir Hinweise darüber geben können, worauf in der Organisation wert gelegt wird, was wichtig oder unwichtig ist.  

Die bekundeten Werte der Organisation bilden die mittleren Ringe im Baumstamm-Modell und beziehen sich auf die Mission, der sich die Organisation verschrieben hat: Wie hat sie sich seit Gründung verändert? Was ist das Leitbild, das die Organisation trägt und antreibt? Was erfahre ich durch die Selbstdarstellung der Organisation über ihr Handeln, Denken und Fühlen?

Ganz im Inneren des Baumstamms finden sich die tief verwurzelten Glaubenssätze und Grundannahmen der Organisation. Selten auf den ersten Blick erkennbar, verstecken sich hier Prämissen auf deren Grundlage Menschen in einer Organisation arbeiten: Welche dieser Paradigmen sind bewusst? Welche sind unbewusst? Wie prägen sie die das Wirken der Organisation?

Das Modell ist eindringlich und klar und zeigt einen Weg auf, auf dem ich mich als Beraterin einer Organisationen und ihrer Kultur nähern kann. Die Fortbildung belässt es nicht allein beim Denken: An einem praktischen Fallbeispiel mit einer Stiftung und einem Verein  üben wir am zweiten Fortbildungstag den Erstbesuch bei einer Organisation samt Kulturanalyse. In zwei Gruppen traben wir los, fahren zu Besuch und Gespräch. Beobachten und Bestaunen die beiden besuchten Organisationen und „ihre“ Menschen. Zurück im Seminarraum folgt die Fallbesprechung samt Auswertung und Analyse. Theorie und erfahrungsbasiertes Lernen greifen hier  immer wieder ineinander.

Im Hier und Jetzt etwas entstehen lassen

Der folgende Tag ist ein grauer Berliner Novembernachmittag. Zu zwölft sitzen wir im Kreuzberger Seminarraum und tauchen weiter in Ansätze und Methoden ein, um die Kultur von Organisationen zu erfassen, zu erspüren. Währenddessen rattert die U-Bahn auf ihrer Hochbahn am Fenster vorbei. Fasziniert und auch verwundert tauchen wir in erste Grundlagen der Gestalt-Philosophie ein: Nach diesem Ansatz versteht sich die Beraterin und der Berater als Instrument und Resonanzkörper der Gruppe und beziehen neben dem Denken auch ihre Körperwahrnehmung in Beratungsprozesse mit ein. Der Gestalt-Ansatz basiert auf einem durchweg positiven Menschenbild, das davon ausgeht, dass wir alles, was wir zu einem erfüllten Leben brauchen, bereits in uns tragen. Vertrauen in die individuellen Selbstheilungskräfte von Menschen bildet eine der Grundannahmen des Ansatzes, der sich darauf fokussiert, im Hier und Jetzt Menschen in wahrhaftige Begegnung und Kontakt zu bringen.

Resonanz.

Körper.

Ich denke an ein Cello mit seinen wohligen Tönen und großen hölzern-geschwungenen Rundungen. Aber auch an ein Saxophon, welches ganz andere Töne hervorbringt. Oder ein Schlagzeug, das sich ausschließlich auf den Rhythmus fokussiert. Wie klingen sie, wenn sie gemeinsam spielen? Wie kann ich als Beraterin meinen Resonanzkörper kennenlernen, vertiefen und ihn für die Arbeit kultivieren?

Mit Zitaten zeichnen Christian und Joana dann die Eingangstür in das Wirkungsverständnis von Gestalt in unsere Mitte:

Der Mensch wird am Du zum Ich”  Martin Buber

„Kontakt findet immer an der Grenze statt.“ Gestalt-Grundsatz 

“Alles was ist, darf sein. Und was sein darf, kann sich verändern.”  Arnold Beisser

Neue Welten warten hinter der Tür, die einen handfesten Spalt geöffnet ist.

Neue Landkarten 

“Ist das eine Landkarte zu einem Land, in das ich hinein möchte?” fragt sich ein Teilnehmer in der abschließenden Reflektionsrunde. Im Stillen antworte ich mir selbst mit einem klaren Ja. Sowohl das Land als auch die Landkarten faszinieren mich. Der Blick auf Organisationen wie wir ihn an diesem Wochenende kennengelernt haben, macht mich neugierig und zeugt von dem Potential, das in Begleitungs- und Beratungsprozessen stecken kann. 

Drin in “Kultur” sind wir alle, die wir  zu Organisationen, Gruppen, Gesellschaften gehören. Ob wir es auch wollen, die Perspektive der Organisationsentwicklung einzunehmen, aus diesem Blick zu schauen, und aktiv in der Rolle als Begleiterin oder Begleiter unsere Organisationen zu gestalten, ist eine Entscheidung und Aufgabe. Inmitten der Vielzahl von Rollen und Vorhaben beim Ringen um eine gute Welt, ist das Begleiten von Organisationen eine unter vielen, die nicht besser oder wichtiger ist als andere. Sie ist eine spezifische, die das Lernen und Entwickeln von Organisationen in den Vordergrund stellt. Eine, die mich neugierig macht und ein neues berufliches Abenteuer ankündigt.

“Ich lerne, wie ich anders gucken kann” ist eine der Aussagen, die mir ebenso im Kopf bleibt. Mit welcher Klarheit diese gOe-Haltung in der Abschlussrunde im Raum steht, spricht für unsere Lernerfahrung an diesem Wochenende.  “gOe!” ist ein Lernraum, eine Erfahrung, ein Kennenlernen von mir im Kontakt mit der Welt, den Menschen und den Organisationen da draußen.

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Verweise

Schein, Edgar H. (1985): Organizational Culture and Leadership. San Francisco: Jossey-Bass Publishers.

Wikipedia (2019): Kultur. Zugriff am 29.12.2019: https://de.wikipedia.org/wiki/Kultur

Wikipedia (2020): VUCA. Zugriff am 02.01.2020: https://de.wikipedia.org/wiki/VUCA

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Einladung

SOCIUS Infoabend zu gOe! – gemeinnützige Organisationen entwickeln!

2. März 2020, 17 – 19 Uhr

 

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Schwarze Spiegel in Fernost

Schwarze Spiegel in Fernost

Ich sitze am Hangzhou International Airport nach einer Akademie-Woche an der Zhejiang University. Die 9 Millionen Metropole Hangzhou liegt 190 km südwestlich von Shanghai und gilt als eine der schönsten Städte Chinas. Wie überall im Land wird auch hier mit großer Entschlossenheit die bauliche und kulturelle Entwicklung der Stadt vorangetrieben. China wandelt sich in atemberaubendem Tempo.

Im Flieger die üblichen Sicherheits-Hinweise von aus dem Bildschirm lächelnden Stewardessen: nicht rauchen, Handys aus, anschnallen bitte. Der Film endet mit der freundlich intonierten Ermahnung: „Please be aware that violations are recorded on video and will be prosecuted and in severe case may result in imprisonment“. Der Satz bringt es auf den Punkt: 1. Hier sind sinnvolle Spielregeln, es wäre gut sich daran zu halten. 2. Nichts bleibt unentdeckt (die rund 180 Millionen Überwachungskameras im Land führen übrigens auch dazu, dass man sich in China auf eine Weise recht sicher fühlt – Wim Wenders’ „Ende der Gewalt“ lässt grüßen). Und 3: Im schlimmsten Fall ist da immer noch das Gewaltmonopol des Staates. Der gedankliche Blick schweift in die Nord-West Regionen des Landes.

Wie schön: Soziales Feedback!

Ich bin nicht der einzige, der hier oft an „Black Mirror“ denken muss. Ich sehe diese Serie düsterer Szenarien der nahen digitalen Zukunft mit einer Faszination, die Balint „Angst-Lust“ nennen würde. Social Fiction ist nun mal in der Regel dystopisch, warum also nicht gleich in die Vollen gehen? Dabei scheint mir immer öfter hier in China die Wirklichkeit der Fiktion bereits ein paar Schritte voraus. Als ich die Black Mirror Folge „Nosedive“ zum ersten Mal sah, schien mir die dort beschriebene soziale Verhaltenskontrolle als düstere Projektion. Das seit ein paar Jahren in der Erprobung befindliche System der Social Credit Points steht dem in nichts nach.

Es basiert auf einer Währung gesellschaftlicher Anerkennung, die durch Wohlverhalten aufgeladen und durch „Verfehlungen“ mit Abzügen belegt wird. Der Credit Score bestimmt den Zugang zu Rechten und Privilegien – von der Kreditwürdigkeit, Vergabe von Ausbildungsplätzen und öffentlichen Jobs bis hin zu schnellem Internet, dem Erwerb von Flugtickets oder dem Kauf von Autos. Als Wohlverhalten sind zum Beispiel soziales Engagement, gesundheitsförderlicher Lebenswandel, der Kauf inländischer Waren und weitere Akte einer „positiven Gesinnung“ eingestuft. Abzüge gibt es für Regelverstöße (von Ordnungswidrigkeiten bis hin zu falscher Mülltrennung) und politisch nicht-konformes Verhalten im öffentlichen Raum, zuvorderst in den Sozialen Medien. Bislang ist das ganze halbwegs freiwillig und spielt sich in Pilotregionen und auf der Bezahlplattform AliPay ab. Ab 2020 wird das System auf einem hochintegrierten digitalen Rückgrat flächig implementiert.

Was tut ein Spiegel? Er spiegelt!

Unverkennbar steckt ein Stück Konfuzius in diesem ausgeklügelten Modell der Micro Governance. Dennoch liegt die besondere Qualität des chinesischen Ansatzes eher in der perfektionierten Form als in einer unerhört neuen Zielstellung. Wie die Ausrichtung von Verhalten funktioniert, ist seit jeher eine Lieblingsfrage der angewandten Psychologie, auch und gerade im aufgeklärten Abendland. Punktesysteme kennt man ja bereits aus der Schule, wo es fürs Tafel-Abwischen Bienchen und fürs Stören Punktabzüge gibt (mir schien das immer eher unbeholfen, und irgendwie tun einem Lehrer*innen ja auch ein bisschen Leid). Die gepunktete Linie zieht sich ins Arbeitsleben in Form der Personalbeurteilung fort, die v.a. über monetäre Anreizsysteme Alignment und Leistung des *der einzelnen Mitarbeiter*in sichern soll. Das ist zwar alles oft noch etwas hölzern, aber die Digitalisierung kommt auch hier langsam um die Ecke. Das gerade erschienene Heft der Zeitschrift für Organisationsentwicklung preist die glorreichen Chancen der Big Data Analytik für Management und OE (übrigens ohne einen Funken kritischer Reflexion, was mit Daten sonst noch so alles angestellt werden kann. Shohana Zuboff hat den verstörenden Begriff des „Surveillance Capitalism“ geprägt – der ist hier noch nicht angekommen). Nicht zuletzt findet sich auch jede Menge Verhaltenssteuerung im institutionellen Alltag unserer schönen Demokratie: von den Punkten in Flensburg als nicht-monetäre Verkehrsdisziplinierung über die Bewertungs-Scores der Schufa bis zu den Bonuspunkten, mit denen meine Krankenkassenbeiträge sinken, wenn ich zum Sportverein oder zur regelmäßigen Zahnprophylaxe gehe. Das finde ich alles ganz ok. Man könnte sagen, China ist in diesem Punkt nicht moralisch hinterher, sondern lediglich technisch vorneweg. Wenn da nicht diese „letzte Konsequenz“ wäre.

Heiligt der Zweck auch diese Mittel?

Wir haben Flughöhe mit Kurs Berlin erreicht. Nüchternes Fazit in der Luft: Ich möchte unter einer zentral gesteuerten Verhaltensmodellierung ebenso wenig leben, wie im anschwellenden Micro-Targeting Dauerfeuer des Zuboff’schen Überwachungs-Kapitalismus oder der ökonomisierten Teilhabe, wie sie Jeremy Rifkin in „Access“ beschreibt. Wie bei allen (Sozial)Technologien lässt sich jeweils fragen, ob es die Formen oder die Ziele sind, die hier problematisch wirken? Und wie das überhaupt analytisch zu trennen ist?

Gedankenexperiment: Was, wenn all dies für einen ganz unzweifelhaft guten Zweck eingesetzt würde? Green Credit Points und Climate Analytica als Schnellwaschgang der Großen Transformation; Access-Steuerung als Policy Instrumentarium des Klimanotstands. Wäre das akzeptabel? Eigentlich nicht, aber „eigentlich“ frisst sich bekanntlich immer selbst… Schwarz-weiß ist das alles nicht – düster allemal.

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Andreas Knoth: The Lost Navigator

Andreas Knoth: The Lost Navigator

Andreas Knoth hat seit einigen Jahren ein spezielles Thema im Blick, das er „Facilitating Emergence“ nennt. Er hat hier ein besonderes Augenmerk auf das gelegt, was uns in Beratungs- und Begleitungsprozessen als ungeplante Eigendynamik von Entwicklung entgegentritt. Nicht nur die Organisationen, sondern auch wir als Begleitende müssen damit umgehen, und es möglichst elegant in die stattfindenden Prozesse integrieren.

Hierzu hat Andreas geforscht und beobachtet und angefangen seine Gedanken und Erkenntnisse zu teilen und zu diskutieren. Herauskommen soll ein Buch mit dem Titel „Self Organisation Development – Journeys into the Art of Facilitating Emergence. Eine erste Sammlung von Texten ist jetzt auf dem Blog The Lost Navigator zu finden.

 

Überschriften, die Andreas auf seinem Englisch-sprachigen Blog behandelt sind:

  • Facilitating Emergence
  • Evolutionary Strategy
  • Premiminary Order
  • Desire Path
  • The Wave of Alignment
  • Another Map: Layers of Organisations
  • Understanding System Dynamics
  • The Lost Navigator

In der Einleitung schreibt er: „Selbst-Organisations-Entwicklung ist eine Sammlung von Texten darüber, wie man Dinge geschehen lässt, ohne sie einfach nur geschehen zu lassen. Aus dem Blickwinkel meines Berufes, der Organisationsentwicklung, gehe ich der Frage nach, wie man die Dynamik eines sozialen Systems liest, surft und sanft dabei leitet, in einen eingespielten Rhythmus zu finden. Mich interessiert, wie wir uns in der Prozessbegleitung mehr auf Selbstorganisation und emergente Entwicklung verlassen können und was zu tun ist, wenn es auf diesem Weg holprig wird oder wir stecken bleiben. Die Texte sind Auszüge aus einem Buch, mit dem ich noch ringe. Sie sind weder perfekt noch vollständig, aber sie wollen raus. Ich freue mich über jeglichen Austausch zu den hier geteilten Ideen“.

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Einblicke in das SOCIUS Seminar Feministisch Führen

Einblicke in das SOCIUS Seminar Feministisch Führen

Am Freitag den 8.11.2019 fand bei Socius das Seminar „Feministisch führen“ mit meiner Kollegin Nicola Kriesel statt. Als ich morgens auf dem Fahrrad auf dem Weg zum Seminar war, schoss mir der Gedanke durch den Kopf, dass ich wahrscheinlich den ganzen Tag nur mit Frauen* verbringen würde. Als ich dann ein wenig gehetzt in den Seminarraum kam, nahm ich aus dem Augenwinkel eine der Personen im Raum als Mann wahr. Meine allererste innerliche Reaktion war „komisch, warum will er denn an so einem Seminar teilnehmen?“ Hier stelle ich mir selbst die Frage, warum ich davon ausgehe, bei solch einem Seminar ausschließlich auf Frauen zu treffen? Stelle ich damit in Frage, ob ein Mann überhaupt feministisch sein kann?

Zum Glück herrschte eine offene Stimmung in der Gruppe und ich habe diese Gedanken in einer Kennenlernrunde teilen können. Nach dem Kennenlernen haben wir uns darüber ausgetauscht, was Feminismus zum einen und Führung zum anderen für uns bedeutet. Ich selbst habe mich in den letzten Jahren immer ein wenig davor gescheut, mich als Feministin zu bezeichnen. Zwar habe ich mich mit feministischen Vorbildern auseinandergesetzt, wie beispielsweise der mexikanischen Künstlerin Frida Kahlo und der us-amerikanischen Philosophin Judith Butler oder habe mit Freund*innen intensiv über die Thematik gesprochen, jedoch bin ich immer ein wenig vor dem Label zurückgeschreckt.

Nach diesem Tag nun allerdings nicht mehr! Mir ist in diesem Rahmen klar geworden, dass die Aussage „das Private ist politisch“ überaus wichtig ist und das dies für mich als eine Person, die sich als eine Frau versteht und fühlt, einen Stellenwert haben muss. Darüber hinaus ist dies jedoch längst kein Thema nur für Frauen, sondern ein Thema für alle – egal welchem Geschlecht sie sich zugehörig fühlen. Was bedeutet nun feministisch Führen? Wir machten eine Sammlung von Assoziationen und Überzeugungen die wir zum Thema Feminismus haben und kamen zu dem Ergebnis, dass es beim Feminismus in der Hauptsache um Gleichberechtigung geht und den gerechten Zugang zu Ressourcen. Darüber hinaus fanden wir raus, dass es auch explizit zum die Förderung von Frauen geht, insbesondere wenn es um Führungs-Postionen geht. 
Im Anschluss befassten wir uns mit Erwartungen an Führung(skräfte) und stellten fest, dass das doch ziemlich viel ist.

In der Zusammenfassung einigten wir uns darauf – nach dem wir unsere Erkenntnisse mit unseren eigenen Lebensweg und seine Meilensteine in Sachen Führung und Feminismus abgeglichen hatten, dass feministisch Führen eine verantwortungsbewusste Haltung oder gar eine Fähigkeit ist, den Rahmen zu schaffen und zu halten, in dem Menschen gleichberechtigt arbeiten können. Es ist ein Zutrauen in Eigenverantwortung und das Zutrauen in andere. Dies beinhaltet beispielsweise ein Gespür für die Interessen und Bedürfnisse der diversen Mitglieder eines Teams, sowie Offenheit, Reflektionsfähigkeit und eine gelebte Fehlerfreundlichkeit unter Berücksichtigung gender*diverser Blickwinkel. Meiner Meinung nach divergiert dies kaum von einem grundsätzlichen zeitgemäßen Verständnis von Führung, der Zusatz feministisch führt lediglich vor Augen wie wichtig es ist, die Dinge beim Namen zu nennen und dass es uns alle etwas angeht.

SOCIUS Kaminabend mit Dami Charf

SOCIUS Kaminabend mit Dami Charf

Unsere Kaminabende bei SOCIUS sind feine Runden, die intime Einblick in die persönliche und professionelle Entwicklung von Menschen, die uns beeindruckt haben, gewähren. Am Montag, den 2. Dezember 2019 besuchte uns Dami Charf, die seit über 20 Jahren mit körperorientierte Psychotherapie arbeitet, sich intensiv mit Trauma beschäftigt, ihre eigene Methode der somatischen-emotionalen Integration – SEI© entwickelte und eine äußerst erfolgreiche Ausbildungs- und Selbsthilfe Plattform zur Heilung von Trauma betreibt (www.traumaheilung.de). Letztes Jahr erschien ihr Buch „Auch alte Wunden können heilen“, welches es auf Anhieb in die Spiegelbestsellerliste schaffte.

Eingeladen wurde Dami von unserer Kollegin Nicola Kriesel – die auf ihre wunderbar authentische Art durch den Kaminabend führte. Vor 28 Jahren besuchte Nicola ihren ersten Kurs bei Dami, bei dem es damals darum ging, wie Frauen für sich einstehen können: Selbstverteidigung war das Thema, recht handfest mit Wendo – den „Weg der Frauen“. Diese Kampfkunst zeigt effektive Möglichkeiten der Selbstbehauptung und Selbstverteidigung auf. Damis Arbeit blieb körperbezogen und ihr eigener Weg führte sie in die Welt der körperorientierten Psychotherapie, auf dem sie sich auf Traumaheilung spezialisierte. Und über zwanzig Jahre später schrieb sich Nicola wieder bei einem Kurs von Dami ein. Diesmal in Damis Ausbildung zur SEI Traumatherapeutin. Auch zwischendurch hatten die beiden immer mal wieder Kontakt.

Traumata – so Dami Charfs Überzeugung – liegen den meisten psychischen Krankheiten zugrunde. Trauma beeinträchtigt unsere grundlegenden Regulierungsfähigkeit, erschwert den Prozess der Homöostase, also die Fähigkeit unseres Organismus in den Gleichgewichtszustand zu kommen. Das Merkmal einer gesunden Selbstregulation ist der fluide Wechsel zwischen unterschiedlichen emotionalen und physiologischen Zuständen.

Traumatisierten Personen fällt dieser Wechsel nicht leicht. Sie erleben ihre Umwelt schnell als bedrohlich und der Körper verharrt in einem permanenten Zustand der Unter- oder Überregulierung. In dieser Schutzhaltung fällt Öffnung – und damit Verletzlichkeit – schwer. Wir bleiben verschlossen und erfahren uns mit der Welt wenig verbunden. Erst wenn wir Vertrauen entwickeln uns schützen oder mit unvermeidlichen Schmerzen umgehen zu können, fällt es uns leichter uns zu öffnen und Nähe und Verbundenheit zu lassen zu können.

Dami Charf besitzt die große Fähigkeit Zusammenhänge auf den Punkt zu bringen, und diese so zu benennen, dass sich neue Perspektiven eröffnen: Wie entstehen beispielsweise Gefühle und wie unschuldig – oder eben gerade nicht – sind unsere Gedanken? Im Alltag unserer Gesellschaft erleben wir Gefühle häufig als etwas, von außen Gemachtes. Im Sinne von: „Ich fühle mich schlecht, weil du nicht freundlich zu mir warst.“ Viele Methoden und Haltungen wie z. B. die Gewaltfreie Kommunikation legen nahe, dass Gefühle als etwas selbst Gemachtes zu verstehen seien: „Ich fühle mich, weil ich denke, dass…“. Verfechter*innen dieser Methoden weisen gerne darauf hin, dass man selber für seine Gefühle verantwortlich ist. Das klingt irgendwie gut, hinterlässt aber auch schnell den Eindruck, mal wieder versagt zu haben, wenn die eigene Regulation der Gefühle nicht wie gewünscht gelingt. Dami legt hier einen etwas anderen Schwerpunkt. Ihre Überzeugung ist: Emotionale Ansteckung ist natürlich und wir übernehmen automatisch Gefühle, die uns unsere Umwelt nahelegt. Dieser Mechanismus ist menschlich und evolutionär bedingt. Nicht bestimmte Gefühle zu vermeiden wird damit zum Ziel, sondern vor allem mitzubekommen, wenn Gefühle auf uns überspringen, die nicht primär unsere eigenen sind. Sobald wir diese Gefühlsübertragungen mitbekommen agieren wir diese Gefühle auch weniger aus und können sie besser modulieren.

Hilfreich ist auch ihre Sicht auf Empathie. Sie beschreibt Empathie als die Fähigkeit andere Menschen wahrzunehmen, ohne den Impuls zu verspüren, das Erlebte persönlich zu nehmen. „Ich fühle, was in dir ist, ohne es in Bezug auf mich selber zu setzen.“ In diesem Zustand sind wir sensibel für das Erleben des anderen. Dies ist übrigens eine ganz andere Sache als sensibel auf das zu reagieren, was uns in der Welt entgegentritt. Letzteres passiert insbesondere dann, wenn unser Nervengerüst durch traumatische Erfahrung ständig darauf getrimmt ist, die Umwelt nach potentiellen Gefahren abzuscannen.

Die Erzählungen von Dami Charf waren sehr persönlich. Die Beschreibung ihres Weges, ihre eigenen Schwierigkeiten, und ihre Einsicht, dass auch sie sich insbesondere dafür interessiert und das lehrt, was ihr ursprünglich selber schwergefallen ist. Sie berichte von ihrer Öffnung zu mehr Verletzlichkeit und Verbundenheit mit so einer Energie, dass wir am Ende alle erstaunt waren, wie schnell zwei Stunden verstreichen können.

 

 

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STAR E: Change Training für mehr Diversität in Organisationen

STAR E: Change Training für mehr Diversität in Organisationen

„Jetzt ist mir deutlich klarer, wie wir Veränderungsprozesse wirklich gestalten können. Das letzte Mal hatte ich eine Draufschau; jetzt verstehe ich es wirklich“, so einer der Teilnehmer des ICJA-Trainings vergangene Woche. 5 Tage kamen etwa 15 Kolleg*innen aus ganz Europa zum Training in der Begleitung von Veränderungsprozessen zusammen, hin zu einer rassismuskritischen und diversitätssensiblen Organisation. Angeleitet wurde das Training von Joana Ebbinghaus und Simon Mohn.

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SOCIUS Rückblick 2018 von Christian Baier

SOCIUS Rückblick 2018 von Christian Baier

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Christians Rückschau

Der Rückblick auf 2018 beginnt bereits 2017

Wenn ich auf die Entwicklungen von SOCIUS in 2018 zurück schaue, beginnt dieser Rückblick bereits Ende 2017. Schon seit längerem nehmen wir für uns in Anspruch, das „heroische Prinzip“ einer Führungskraft überwunden zu haben – Entscheidungen werden gemeinsam und gleichberechtigt getroffen. Das hat manchmal ein wenig gerüttelt und häufiger einige Kommunikationsschleifen gebraucht. Allerdings war es so möglich, den Übergang von einer mehrheitlich bzw. einzeln geführten Organisation zu einem gleichberechtigten System zu gestalten – ohne dass z.B. die Gründungsfigur, wie manchmal beschrieben, gehen musste. Wir waren also durchaus stolz auf uns, als die tatsächliche „Belastungsprobe“ dieses Zusammenwirkens Ende 2017 kräftig zuschlug. Hintergrund des Konflikts war die Frage nach dem eigenen Handlungs- und Entscheidungsspielraum im Konflikt mit dem gemeinsam verabredeten. Und – anders als vorher – hatte es eine Qualität, die auf die persönliche Ebene durchschlug und uns in dieser Manifestation durchaus überraschte. Rückblickend wurde deutlich, dass wir vielleicht doch – gemeinsam – noch stärker im heroischen Tun steckten, als wir uns zugeben wollten. Und dass dieses nun wirklich an seine Grenzen stieß.

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SOCIUS Rückblick 2018 von Rudi Piwko

SOCIUS Rückblick 2018 von Rudi Piwko

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Rudis Rückschau

Mein persönliches SOCIUS Jahr gliederte sich in vier „Jahreszeiten“:

Der Winter

Im Winter war für mich noch unklar, ob ich mich auch emotional würde aus meiner angestammten Rolle als Gründer von SOCIUS verabschieden können. Kognitiv war ja auch von mir die Umwandlung von SOCIUS aus einem eigentümergeführten Betrieb in ein von den Beteiligten selbst organisiertes System gewollt. Allein: Der Geist war zwar schon lange willig, aber das Fleisch war immer wieder schwach geworden (Markus 14,37).

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