Diversity is not about them. It’s about you!

Diversity is not about them. It’s about you!

Diversitäts-und Diskriminierungsensibilität muss Hand in Hand gehen mit einem machtkritischen Diskurs in Organisation. Darin waren sich die 15 Teilnehmenden des Socius labor online am 16.9.21 weitestgehend einig. Gleichzeitig wurde in der vorwiegend weiß geprägten Bildungsgruppe deutlich, daß der Wunsch nach machtkritischem Umgang für diversität-und diskriminierungsensibles Verhalten immer bei uns selbst anfängt.

So hatte unsere Laborgästin Hannah Gedamu auch die Überschrift: „Diversity is not about them. It’s about you!“ gewählt um von vornherein deutlich zu machen, daß es in diesem Labor nicht um „die anderen“ geht, sondern wir mit uns selbst arbeiten.

Projekt zur diversitätsorientierten Personalarbeit

Hannah Gedamu arbeitet in Berlin bei einem Verein der die berufliche Teilhabe von Menschen mit (familiärer) Migrationsgeschichte und/oder Diskriminierungserfahrungen fördert und Organisationen im öffentlichen und privaten Sektor dabei unterstützt sich diversitätsorientiert auszurichten. Das Projekt „Diversitätsorientierte Personalarbeit in der Berliner Verwaltung und Unternehmen“, in dem sie arbeitet, hat das übergeordnete Ziel, den Anteil von Menschen mit Migrationsgeschichte und Menschen, die von Rassismus betroffen sind in Berliner Verwaltung und Unternehmen zu erhöhen. Hannah und ihr Team unterstützen vier ausgewählte Berliner Behörden und Unternehmen dabei, ihre Kompetenzen im Hinblick auf die neuen Aufgaben und Herausforderungen im Kontext von Vielfalt zu erweitern sowie ihre gesetzlichen Aufträge zu erfüllen. Die Beratung wird im Rahmen der Zusammenarbeit und auf den Bedarf der jeweiligen Organisation abgestimmt und ausgestaltet. Sie umfasst die Beratung und Begleitung der Entwicklung von Verfahren und Strukturen (insbesondere im Bereich Personalarbeit) zur Erhöhung des Anteils von Menschen mit Migrationsgeschichte in den Organisationen, Schulungen, Workshops und Einzelcoachings zu unterschiedlichen Aspekten von diversitätsorientierter Organisationsentwicklung für Führungskräfte und Beschäftigte, und die Vernetzung mit Migrant:innenorganisationen. Die Beratung erfolgt in enger Zusammenarbeit mit Steuerungsgruppen in den einzelnen Behörden, die jeweils für das Projekt gegründet wurden.  

Die Notwendigkeit ihrer Arbeit unterlegte Hannah mit Zahlen: laut repräsentativer Befragung, haben nur 12 Prozent der Beschäftigten in der Bundesverwaltung einen Migrationshintergrund; laut einer Piloterhebung sind in der Berliner Verwaltung nur 3 Prozent der Beschäftigten in Führungsebenen People of Color. Schnell wurde uns klar welche Mammutaufgabe in Sachen Entwicklung und Veränderung noch vor uns liegt.

In ihrem Input wies sie vor allem darauf hin, daß es in ihrer Arbeit nicht so sehr um die Beschäftigung mit der Sensibilisierung einzelner geht, wenn auch ihr Team als Teil der Beratung punktuell und wo notwendig critical-whiteness Schulungen durchführt, sondern um die Verhinderung und Beseitigung von Diskriminierung und die Förderung einer Kultur der Wertschätzung von Vielfalt als durchgängiges Leitprinzip bei ausgewählten Maßnahmen in den vier Behörden. Hannah berichtete von Beratungsprozessen, die z.B. die Verankerung von Diversitätskompetenzen in Anforderungsprofilen und Personalentwicklungsmaßnahmen für Führungskräfte als Schwerpunkte haben, um die sich ständig wiederholende Kreisläufe von “das System reproduziert sich selbst” (weiß, cis, able-bodied,) zu durchbrechen. In dem Zusammenhang nannte sie auch eine Reihe von anderen Maßnahmen, wie zum Beispiel die “Candidate Journey”, die anhand von beispielhaft ausgewählten Stellen den Weg einer Bewerber:in vom ersten Kontaktpunkt mit einer Organisation bis hin zu Abschluss des Bewerbungsverfahrens analysiert und nachfolgend Gutachten erstellt und Empfehlungen ausspricht. Diese Bestandsaufnahme inkludiert die Analyse von Stellenausschreibungen, Anforderungsprofilen, internen Leitfäden zur Stellenbesetungsverfahren, Leitfäden für Auswahlinstrumente und Korrespondenzen mit den Bewerber:innen.  

Allyship

Nachdem wir uns hier mit Fragen und Antworten der Materie genähert hatten, wendeten wir uns dem so genannten „Allyship“ zu: den Allianzen, die Menschen mit mehr Privilegien als Verbündete eingehen können mit Menschen mit weniger Privilegien.

Hierbei ist es vor allem wichtig sich immer bewußt zu bleiben darüber, daß Allyship eine Entscheidung ist, die ich als privilegierte Person auch wieder aufgeben kann (also ist „Ally sein“ an sich schon ein Privileg), während ich wenn ich eine Person bin, die das Ziel von Diskriminierung ist, keine Entscheidung habe, wann ich mich innerhalb der „Diversitätsdimensionen“ bewege. 

Im Labor haben wir uns in Breakoutsession vor allem mit drei Fragen zum Allyship beschäftigt: 

  • Auf welche inneren Widerstände triffst du, wenn du Ally sein willst?
  • welche Entwicklungen hast du gemacht für dein Allyship und was hat dir geholfen?
  • Was können wir tun (um Verbündete zu sein)?

Abschlussrunde

Nach dieser umfangreichen Sammlung war die Zeit im Labor schon fast vorbei und uns blieb glücklicherweise noch ausreichend Zeit für eine Abschlussrunde, in der wir wieder vier Fragen stellten: 

  • Was nimmst du mit?
  • Welche Idee ist heute in dir gekeimt?
  • Wofür setzt du dich in deinem Arbeitskontext ein?
  • Was willst du noch lernen?

Besonderes Highlight hier war der durchgehende Wunsch sich weiter auszutauschen und gemeinsame Treffen zu initiieren, um sich über das was heute gereift ist weiter auszutauschen. Dazu werden wir im November gerne einladen. 

Wir haben uns gefreut, dass alle anwesenden Personen sich so engagiert selbstkritisch weiter begegnen wollen. 

 

sinnvoll zusammen wirken

Erkundungsreise – Was haben wir Neues über uns entdeckt?

Erkundungsreise – Was haben wir Neues über uns entdeckt?

Am 19. August kam eine feine kleine Gruppe zusammen, um sich auf drei Ebenen mit den Wirkungen der Pandemie auf das eigene Leben zu befassen: der Ebene des Individuums, der Ebene der Organisation und schließlich der Ebene der Gesellschaft. Der Ansatz war ressourcenorientiert. Im Fokus standen dabei folgende Fragestellungen:

  • Was hat sich verändert?
  • Welche Erkenntnisse haben wir über uns selbst in unseren privaten und beruflichen Kontexten sowie in Hinblick auf gesellschaftliche Veränderung gewonnen?
  • Welche gesundheitlichen, mentalen und emotionalen Ressourcen haben wir durch die Erfahrungen der Pandemie für uns neu entdeckt oder gestärkt?
  • Was heißt das für unser weiteres Handeln?

Die Reflektionen waren eingebettet in unterschiedliche Methoden aus der Körperarbeit, der Stressbewältigung und der Resilienzforschung. Jana Hornberger und Kerstin Engelhardt als intergenerationelles SOCIUS-Team leiteten das Labor an.

Der Einstieg erfolgte über die Aufgabe: „Nenne ein Erlebnis aus den vergangenen zwei Monaten, für das du dankbar ist“. Anschließend erläuterten Jana Hornberger und Kerstin Engelhardt ihre Perspektiven, in welche sie die Labor-Fragestellungen einordneten. Den größeren Kontext bildeten dabei die schnellen gesellschaftlichen Veränderungen durch Globalisierung, technologische Entwicklungen und Digitalisierung. Den konkreteren, aktuellen Kontext bildeten die Pandemie und der Klimawandel mit ihren Anfragen an das menschliche Handeln.

Weiter ging es mit einer paarweisen Körperübung mit jeweils 1,50 Meter langen schmalen Holzstäben zum Thema: „Einlassen und Kontakt – Nähe und Distanz / Nähe mit Distanz?“ Die Holzstäbe bildeten dabei eine Art Verlängerung der Arme. Die Paare hielten die Stäbe gemeinsam so über ihre Finger, dass zwischen ihnen eine feste Verbindung bestand, und bewegten sich dann im Raum, nonverbal (mit Corona-Abständen). Wie sie das taten und wer jeweils das Tempo und die Figuren vorgab, blieb ihnen überlassen.

Nach dieser Interaktion auf der Paarebene und einer kleinen Reflektion wechselten die Teilnehmenden auf die Individualebene. Nun beschäftigten sie sich einzeln mit der Frage: „Die Pandemie und ich: Wie ging es mir in der Pandemie?“ Dafür erhielten sie jeweils zwei kleine Pappschachteln sowie Papier, beides in zwei unterschiedlichen Farben, ferner jeweils eine Schere. Die Aufgabe lautete, die Schachteln mit Zetteln zu folgenden Fragen zu füllen (pro Zettel ein Aspekt):

  • Was war schwierig / belastend?
  • Was war gut? Und was war mein Beitrag dazu?

Anschließend teilten die Teilnehmenden Aspekte, Eindrücke oder entstandene Fragen der Runde mit. Hier zeigte sich eine große Bandbreite an Erfahrungen sowie Bewertungen der Erfahrungen. Das Spektrum reichte von (sinngemäß) „Ich habe mein Berufsfeld in der Pandemie komplett verloren und es ist unklar, ob es sich wieder aufbauen lässt“ bis „Meine Familie und ich sind dann nach einer ersten schwierigen Phase sehr gut damit klargekommen; wir waren nicht einmal krank und ich stehe sowieso nicht auf so viel körperliche Nähe und Enge – mir gefallen die Abstandsregeln und ich werde auch weiterhin Maske tragen“.

Diskutiert wurde sodann, welche Erkenntnisse und Strategien sich aus den je eigenen Umgangsweisen mit der Pandemie ableiten lassen. Besprochene Aspekte waren hier u. a.: Unsicherheit und Nicht-Planbarkeit erfordern ein hohes Maß an Anpassungsfähigkeit, Flexibilität und Pragmatismus – es ist wie es ist, und irgendwie müssen wir damit umgehen. Hilfreich können, je nach Situation, auch Risikobereitschaft und Mut zur Investition sein, auch und gerade in sich selbst, ganz nach dem Motto: Wenn nicht jetzt, wann dann?

Die Schachteln mit ihrer Pandemie-Bilanz behielten die Teilnehmenden und nahmen sie am Ende mit nach Hause – was ihnen sichtlich Freude bereitete.

Der nächste Schritt vollzog den Übergang zwischen den Ebenen Individuum und Organisation. Die Teilnehmenden befassten sich anhand der Methode „Energietanker“ (s. Abbildung) mit den Kräften, die jeweils Energie ziehen, und den Kräften, die jeweils Energie für das eigene Leben spenden. Bezogen auf die Ebene Gesellschaft – Beruf, Ehrenamt, zivilgesellschaftliches/ politisches Engagement – erarbeiteten die Teilnehmenden schließlich Antworten zu folgenden Fragen:

  • Was ist zurzeit mein größter Einflussbereich?
  • Wieso gerade dieser?
  • Wie übe ich den Einfluss aus?
  • Wo hätte ich gern mehr Einfluss?

Die Einzelnen stellten ihre Ergebnisse in der Runde vor. Wer wollte, erhielt von den anderen Anwesenden eine Resonanz. Alle wollten und es entspannten sich schöne, unterstützende Gespräche.

Die Rückmeldungen der Teilnehmenden zu dem Labor fielen sehr positiv aus, alle äußerten sich motiviert, die erarbeiteten nächsten Schritte in die Praxis umzusetzen. Es hätte noch ein bisschen mehr Körperarbeit sein dürfen, so eine weitere Aussage – hier, so reflektierten Jana Hornberger und Kerstin Engelhardt anschließend, zeigte sich bei ihnen (noch) eine Unsicherheit, welche und wieviel Körperarbeit mit Gruppen in geschlossenen Räumen angesichts der Pandemiesituation schon möglich und sinnvoll ist.

sinnvoll zusammen wirken

Bindung und Verbindung – Wie unsere Bindungsmuster unsere Arbeitsbeziehungen beeinflussen

Bindung und Verbindung – Wie unsere Bindungsmuster unsere Arbeitsbeziehungen beeinflussen

Die Bindungstheorie ist eine der am meisten erforschten psychologischen Theorien. Sie erklärt, wie wir als soziale Wesen miteinander in Kontakt und Beziehung treten – auf der Basis dessen, wie wir -meist in frühester Kindheit – Sicherheit erlebt haben in unseren engen emotionalen Beziehungen. In der Arbeit mit Kleinkindern gehören Erkenntnisse aus der Bindungsforschung zum Standard. In ihrer Relevanz für die Zusammenarbeit von Menschen in Organisationen hat sie bisher wenig Anwendung und Aufmerksamkeit erhalten. So lädt uns die Organisationspsychologin Bea Schramm am Nachmittag des 17. Juni ein, eben diese Zusammenhänge gemeinsam zu erforschen.

Die meisten der Teilnehmenden dieses SOCIUS labor haben sich bereits in persönlichen Kontexten mit der Bindungstheorie auseinandergesetzt und sind neugierig, wie die Übertragung auf Arbeitskontexte aussehen könnte und wie wir in unseren unterschiedlichen Rollen als Supervisor:innen oder Projektleiter:innen auch andere für die Wirkmächtigkeit dieser frühen Beziehungserfahrungen in unserem Handeln als Erwachsene sensibilisieren können.

Die Bindungstheorie, die ab den späten 40er Jahren vor allem von dem britischen Psychiater und Analytiker John Bowlby begründet und bis in die Gegenwart kontinuierlich weiterentwickelt wird, geht davon aus, dass Kinder ein angeborenes Bedürfnis haben, enge emotionale Beziehungen mit ihren Bezugspersonen einzugehen. Die Verlässlichkeit dieser Beziehung, in Situationen von Stress, Trennung und Angst Schutz und Trost zu finden

Forschungsgeschichte und Referenzen

John Bowlby gilt als der Vater der Bindungsforschung. Er übernahm in den 40er Jahren die Abteilung „Kinder und Eltern an der Tavistock Clinic in London und legte die theoretischen Grundlagen. Vor allem Mary Ainsworth, aber auch James Robertson reicherten die Theorie in den folgenden Jahrzehnten mit vielfältigen empirischen Forschungen zur Eltern-Kind Bindung an. Unter anderem führten sie auch Studien in Uganda durch und ließen sich von der Primatenforschung und den Forschungen von Konrad Lorenz inspirieren. Bowlby und Ainsworth entwickelten die Bindungsforschung bis in die späten 70er und frühen 80er Jahren hinein. Mit der Entwicklung der adult attachment interviews in den 80er Jahren lassen sich Bindungsstile bei Erwachsenen diagnostizieren. Seit den 90er Jahren wird die Bindungsforschung kontinuierlich weiterentwickelt und mündete in der Entwicklung der Bindungstherapie. Im deutschsprachigen Raum sind Hanus und Mechthild Papoušek sowie Karl Heinz Brisch an der Universität München und Karin und Klaus Grossmann an der Universität Regensburg führende Vertreter:innen. Diese führten z.T. Langzeitforschungen von der Geburt bis zum 22. Lebensjahr durch. Neuere Forschungsschwerpunkte erkunden die Übertragbarkeit der Bindungsforschung auf den schulischen Kontext oder das Verhältnis zwischen Mensch und Tier (z.B. Kurz Kotrschla).

prägen grundlegende Bindungsmuster, die sich in unterschiedlichem Bindungsverhalten, aber auch in biochemischen Reaktionen, wie zum Beispiel dem Cortisolspiegel im Körper, ausdrücken. Für die Entwicklung einer sicheren Bindung ist es nötig, dass die jeweilige Bindungsperson, die Signale des Kindes wahrnimmt, richtig interpretiert und angemessen auf die Bedürfnisse des Kindes reagiert.

Bei Kindern werden die folgenden vier Bindungstypen mit jeweils unterschiedlichen Verhaltens- und Reaktionsmustern in Stresssituationen unterschieden:

Bindungsstil

Bindungsverhalten

Sichere Bindung

Angemessener Umgang mit Stresssituationen: Gefühlen von Angst oder Stress wird nachvollziehbar Ausdruck verliehen, steigender Cortisolspiegel, bei gutem Kontakt mit Bezugsperson schnelle Beruhigung, Ausschüttung von Oxytozin und Abbau von Cortisol

Unsicher-vermeidende Bindung

Keine offen zur Schau gestellten Gefühle, Pseudo-Unabhängigkeit und Kontaktvermeidung mit Bezugsperson als Stress Kompensation, langanhaltend hoher Cortisolspiegel

Unsicher-ambivalente Bindung

Widersprüchliches Handeln gegenüber Bezugsperson, Hin- und Hergerissenheit zwischen Nähe und Distanz, anhänglich, aber sehr schwer zu beruhigen, über Stunden erhöhter Cortisolspiegel

Desorganisierte Bindung

Fehlen von Strategien des Umgangs mit Stresssituationen, Bezugspersonen zumeist als Quelle von Angst erlebt. Reaktionen: Emotionslosigkeit, Erstarrung, Lähmung oder Schaukeln und im Kreise drehen; dauerhaft erhöhter Cortisolspiegel.

Die Forschung zeigt, dass Bindungsstile zu großen Teilen in den ersten zwei Lebensjahren geprägt werden. Hier formt sich unser Abbild, sogenannte inner working models, mit welchen Erwartungen und Reaktionsmustern wir uns in zwischenmenschliche Beziehungen begeben, sozusagen auf der Suche nach Bestätigung unserer erlernten Grundannahmen. Inzwischen ist auch die transgenerationale Wirkung von Bindungsstilen gut untersucht: In 50% der untersuchten Fälle gibt es einen direkten Zusammenhang zwischen dem Bindungsstil der Großmutter und eigenen Bindungsmustern.

An dieser Stelle macht sich eine deutliche Schwere bemerkbar im virtuellen Labor-Raum und die Teilnehmenden fragen sich: Sind wir wirklich so vollständig determiniert in unserem Bindungsstil und -vermögen und der eigenen Geschichte sowie der unserer wichtigsten Bezugspersonen gegenüber ausgeliefert? Oder ist hier auch ein Nachheilen und Nachlernen möglich? Die Bindungstherapie geht davon aus, dass die erworbenen Bindungsmuster, die auch mit Strukturveränderungen im Gehirn einhergehen, möglich sind durch neue verlässliche Bindungserfahrungen, aber in der Regel unter großem Aufwand. Bea bietet uns an dieser Stelle ein anderes Bild an: Wir können auch aktiv und selbstverantwortlich das Skript unseres Lebens um dasjenige, das uns biographisch mit auf den Weg gegeben ist, herum schreiben. Statt gegen die eigenen Muster anzukämpfen, können wir uns die Frage stellen: „Wofür ist mein Bindungsstil gut, wann ist er hilfreich und wo schafft er eher Schwierigkeiten? Und wie kann ich mit dem, was ist, bestmöglich umgehen?“. Das Verständnis für die Ursachen von Bindungsschwierigkeiten, kann für uns selbst, aber auch für andere entlastend sein.

Genau diese Einsicht ist es, die dann den Übergang bildet zu der Diskussion über beobachtbares Bindungsverhalten im Arbeitskontext. Wir tragen typische Eigenschaften der unterschiedlichen Bindungstypen zusammen: So zeigen unsicher-vermeidende Bindungstypen im Arbeitskontext zumeist einen hohen Grad an Autonomie, fragen seltener nach, wenn es Unklarheiten gibt. Sie können sich zuweilen kratzbürstig, abweisend oder aufmüpfig geben. Der unsicher-ambivalente Bindungstyp hingegen zeigt sich oft ängstlich und unsicher, fordert viel Aufmerksamkeit und Kommunikation ein, um mit eigenen Unsicherheiten umzugehen.

Den Perspektivwechsel wagen wir nun gleich zweifach. Zunächst die Frage: Was macht andererseits diese Bindungsstile besonders wertvoll in Teams? Die autonomen Vermeider:innen erweisen sich wiederum in Krisensituation als handlungsfähig, während die ambivalenten Unsicheren oft zu wichtigen Resonanzkörpern und Seismographen in Organisationen werden, die sensibel auf Veränderungen und Gefahren reagieren. Und in einem nächsten Schritt versuchen wir, in kleinen Rollenspielen in unterschiedliche Bindungstypen hineinzuschlüpfen -wie fühlt es sich an, mit so einer Brille auf die Welt zu schauen? Das Fazit der Teilnehmenden: Es ist gar nicht einfach, sich in eine Rolle mit abweichendem Bindungsstil zu begeben, aber es hat definitiv für mehr Empathie gesorgt, denn unsichere Bindungsmuster sind in erster Linie ganz schön anstrengend!

Die Ernüchterung der Einstiegsphase hat sich am Ende des Labors verflüchtigt. Der Blick ist stattdessen gerichtet auf unterschiedliche Möglichkeiten eines stärkenorientierten Umgangs mit verschiedenen Bindungsstilen in Teams; und auf die Chance, welche die Bindungstheorie bietet als Orientierung und Folie für Teamentwicklung.

 

sinnvoll zusammen wirken

Zukunft gestalten – Ansätze zur Realisierung von Utopien

Zukunft gestalten – Ansätze zur Realisierung von Utopien

Utopien sind en vogue. In letzter Zeit kommen immer mehr Utopie-Erzählungen auf den Büchermarkt. In den Medien spielen Utopien eine bedeutsamere Rolle und werden von Personen wie Richard David Precht, Maja Göpel oder Harald Welzer der breiten Öffentlichkeit schmackhaft gemacht. Das ist nicht verwunderlich, da wir einerseits die multiplen Krisen immer mehr zu spüren bekommen und viele Dinge auf den Prüfstand stellen, und andererseits ein erzählerisches Vakuum existiert, wie sich unsere Gesellschaft weiterentwickeln könnte. Worauf wollen wir uns als Gesellschaft zubewegen? Utopien helfen, darauf Antworten zu finden.

Das SOCIUS labor zur Thematik lud dazu ein, sowohl eine eigene gesellschaftliche Utopie zu entwerfen, als auch einen ersten konkreten Schritt in Richtung ihrer Realisierung zu machen. Stella Schaller, Mitbegründerin von Reinventing Society – Zentrum für Realutopien führte gemeinsam mit Simon Mohn, Organisationsentwickler bei SOCIUS und ebenso Mitbegründer von Reinventing Society durch diesen experimentellen Raum.

Upstating – utopisch Denken hat Voraussetzungen

Kann jede:r einfach eine Utopie entwerfen? Ja, doch es braucht eine gewissen inneren Zustand oder „State“. Sind unsere Köpfe voll oder unser Körper unangenehm angespannt, funktioniert das Entwerfen von Utopien erfahrungsgemäß nicht. Es kann sogar als Kränkung wahrgenommen werden, wenn das Phantasieren über utopische, großartige Welten und Lösungen zu sehr von der derzeitigen inneren Verfassung abweicht.

Im Labor bedienten wir uns einer vereinfachenden Skala des inneren Zustands, die visualisiert, dass wir uns möglicherweise zunächst “hochschrauben” müssen, um überhaupt Utopien entwerfen zu können (Zustand „State“ erhöhen = upstating). Schlussendlich versucht das Werkzeug in Situationen des Alltags zu ermöglichen, dass wir uns aus eigener Kraft von einem unangenehmen Seins-Zustand in einen angenehmeren verhelfen können.

Was ist deine Utopie? – Thomas Morus lässt grüßen

Zu Beginn des 16. Jahrhunderts entwarf Thomas Morus, englischer Staatsbürger und Lordkanzler einen fiktiven Inselstaat „Utopia“ als Gegenentwurf zum damaligen englischen Staatssystem. Damit begründete er mitunter die utopische Erzählung als literarische Gattung und inspiriert seit 500 Jahren Menschen, Visionen einer für sie schöneren Welt zu beschreiben. So sehr das Konzept der Utopie auch im letzten Jahrhundert von links und rechts missbraucht wurde, erlebt es gerade eine Renaissance, um Gesellschaftsentwürfe zu verbreiten, die nach einer geglückten sozial-ökologischen Wende angesiedelt sind.

Eigener Gesellschaftsentwurf mit Methode

Entlang der neu entwickelten Methode „Mikroversum“ experimentierten wir mit dem Entwerfen von Utopien durch die Teilnehmenden. Ausgangspunkt für die Utopien waren Werte und Wirkungshebel für eine bessere Welt der jeweiligen Organisationen, die durch die Teilnehmenden vertreten wurden. Die Methode ermöglicht, sowohl individuelle als auch organisationale Utopien zu erstellen.

Ausgehend von individuell handlungsleitenden Prinzipien begaben sich alle Teilnehmenden in einen kreativen Prozess. Angelehnt an Morus‘ Insel,erarbeiteten sie Stück für Stück Facetten einer etwas abseits gelegenen Insel, auf der Menschen sich um diese Prinzipien herum eine Realutopie aufgebaut haben. Fragen nach Festen, Ritualen, Mobilität, politischer Willensbildung, Wohnformen, Versorgung, Bildung usw. leiteten durch einen Prozess, aus dem die Beschreibung einer kleinen gesellschaftlichen Utopie resultierte – ein Mikroversum. Somit hatten wir in kurzer Zeit über 10 Utopieentwürfe hervorgebracht.

Utopie auf mehreren Ebenen

Utopien zu entwerfen hat das große Potential, Menschen vor Augen zu führen, in welcher Welt sie eigentlich leben möchten und so zu gesellschaftspolitischem Engagement und Verantwortungsübernahme zu inspirieren. Dafür entscheidend ist die eigene Verortung im „Nicht-Ort“, die sinngemäße Bedeutung von Utopie. Das gilt sowohl individuell als auch organisational. Wenn die Welt so ist, wie wir sie uns wünschen würden – welchen Aktivitäten würden wir nachgehen? Welchen Aktivitäten würde unsere Organisation nachgehen, wenn sie ihr gesellschaftliches Ziel womöglich schon realisiert hätte?

Genauso stellt sich aber auch die Frage, wie wir dorthin gelangen. Der Weg in die Utopie kann zunächst unklar und unrealistisch erscheinen, er braucht Wegweiser. Entsprechend gibt es zwei entscheidende Bausteine, damit die Utopie nicht nur ein Luftschloss bleibt, sondern tatsächlich handlungsleitend wird. Das ist einerseits Ebenenkongruenz, andererseits Pfadkongruenz

Ebenenkongruenz

Bleibt eine Utopie auf der gesellschaftlichen Ebene und beschreibt ausschließlich die Verfasstheit einer optimalen Gesellschaft aus der jeweiligen Betrachter:innenperspektive, verschenkt sie wertvolles Potential. Um mit ihr zu arbeiten, müssen sich Organisationen die Fragen stellen „Wie würden wir in dieser Utopie arbeiten? Wie sähe es aus, wenn wir diese Utopie in unserem Innern bereits umsetzen würden?“ Genauso betrifft das auch die individuelle Ebene: „Wer wäre ich in dieser Utopie? Wie sähe es aus, wenn ich sie jetzt schon leben würde?“ Diese Übersetzungsleistung schafft Kongruenz zwischen den drei Ebenen und dadurch ein umso effektiveres Handeln.

Durch den Fokus auf die eigene Rolle werden plötzlich Lösungen zum Beitrag zu einer solchen Gesellschaft sichtbar. So können Individuen und Organisationen sich ausrichten und ihren Teil zur Lösung heutiger Herausforderungen umsetzen und selbst zu kraftvollen Impulsgeber:innen werden. Die Wirksamkeit, bereits in der Gegenwart die Lösung gesellschaftlicher Probleme zu sein, ist nicht zu unterschätzen.

Pfadkongruenz

In der Musik heißt es zuweilen, dass in der Ouvertüre – der Eröffnung – schon das gesamte Stück im Kern enthalten und zu erahnen ist. Ähnlich lässt sich diese Aussage für den Weg in die Realutopie treffen. Der Weg in die Realutopie bedarf selbst Mitteln, die in sich die Logik der angestrebten Utopie bergen. Das heißt, dass die Wahl der Methoden und Instrumente für den Pfad der eigenen Veränderung kongruent mit der eigenen Utopievorstellung sein sollte. Wir müssen uns also die Frage stellen: “Passen die gewählten Mittel zur angestrebten Utopie und bergen in sich bereits deren Prinzipien?”

Von der Utopie zur Realutopie

Eine der mit am häufigsten gestellten Fragen bei der Arbeit mit Utopien ist: „Und was mache ich jetzt mit der Utopie? Wie komme ich dahin?“ Der Entwurf einer Utopie markiert einen Anfang, die Gewahrwerdung dessen, in welcher Welt wir leben möchten. Der tatsächliche Weg beginnt erst. Um im Labor sofort ins Handeln zu kommen, experimentierten wir mit utopischem Prototyping. Diese aus Otto Scharmers Theorie U inspirierte und abgewandelte Methode zum Erstellen eines Prototypen der beschriebenen Utopie, bringt diese in eine erste Form und Umsetzung.

Utopisches Prototyping

Beim Prototyping ist es entscheidend, sofort in die Umsetzung zu kommen und erste Ergebnisse zu produzieren. Nicht lange überlegen – machen! Bereichert von der eigenen Utopie, überlegten die Teilnehmenden sich einen Prototypen, der daraus etwas Handfestes machte. Das konnte beispielsweise ein eigener Blogbeitrag sein, ein Podcast, ein neues Meeting(-format) im Team, ein neues Produkt der Organisation, ein Beteiligungsprozess, ein Beet in der Straße, eine Vereinfachung einer Regelung bei der Arbeit und und und.

Nach einer kurzen Zeit hatten die Teilnehmenden Skizzen, Grafiken und sogar einen Entwurf aus LEGO®-Steinen erstellt. In Breakout-Rooms wurden die Prototypen anschließend einander vorgestellt. Anhand einiger Leitfragen wurden die Entwürfe auf den Utopiegehalt überprüft, mit Ideen zur Umsetzung angereichert und auf Ebenenkongruenz getestet. So hielten die Teilnehmenden am Ende des Labors nicht nur eine eigene Utopie, sondern auch einen ersten Prototypen derselben in der Hand.

Mit utopischem Mindset in die Veränderung

Ein Prototyp ist ein erster kleiner Schritt und das Labor endete an dieser Stelle. Doch um im weiteren Verlauf konkreter Veränderungen auf Kurs zu bleiben und neue utopische Wege zu entdecken, ist es entscheidend, sich ein utopisches Mindset zu erarbeiten. Das bedeutet:

  • Upstating einüben: in den Momenten, in denen der eigene innere Zustand sich unangenehm anfühlt, sich zunächst um sich selbst zu kümmern, statt sich auf die nächste Aufgabe zu stürzen.
  • Potentiale sehen lernen: bewusst die utopische Brille aufsetzen und sich zu all dem, was uns im Alltag begegnet die Frage stellen “was ist das höchste Potential davon?” und so das utopische Denken kultivieren.
  • Experimentieren: wer überall Potentiale sieht, hat auch viele Ideen zu kleinen Verbesserungsschritten. Die Utopie wird spürbarer, wenn wir beginnen, unsere Ideen auszuprobieren und uns der Veränderung des Status quo spielerisch nähern.
  • Inspirieren lassen: die Welt ist schon voller Ansätze und Lösungen, die mit nächst besseren Logiken aufwarten. Wenn wir uns umfassender mit progressiven Lösungen beschäftigen, kommen wir in einen inspirierten Zustand und tragen die Lösungen unweigerlich auch in unsere eigenen Kontexte.

Die Utopie am Horizont

Der Weg zur Realutopie ist maximal transformierend. Er beinhaltet nicht nur die Hinbewegung zu einem schöneren Äußeren, sondern die profunde Wandlung des Inneren, sowohl individuell auch auch organisational. Dafür ist die kontinuierliche Rückbesinnung auf und Weiterentwicklung des Utopienarrativs entscheidend. Solch ein Wandel braucht Besonnenheit, Pioniergeist und Geduld. Dafür verspricht er eines: Freude bei der Transformation und am Ergebnis. Utopien haben mitunter die stärkste positive Veränderungskraft, die Hinbewegung auf einen neuen Zustand zu stützen. Wir stehen vermutlich erst am Anfang, das Potential von Utopien zu begreifen.

Quellenangaben Grafiken und Bilder

KÖLN UTOPIA 2048, BY AERROSCAPE, CREATIVE COMMONS LIZENZ: CC BY-NC-SA

Isola di Utopia Moro, Marcok at it.wikipedia, Public domain, via Wikimedia Commons

Sir Thomas More, Hans Holbein, Public domain, via Wikimedia Commons

sinnvoll zusammen wirken

Selbstorganisation in der Praxis – das Rollenboard

Selbstorganisation in der Praxis – das Rollenboard

Selbstorganisation ist bekanntlich ein Prozess und kein Modell von der Stange. Umso schöner, dass es Tools und Formate gibt, die selbstorganisiertes Arbeiten in Teams griffig und erlebbar machen. Das Rollenboard sticht hier hervor: es bietet als Mischung aus kollektiver To Do Liste und fluidem Organigramm einen Rahmen zur dynamischen Verteilung von Verantwortlichkeiten. Für uns bei SOCIUS ist es nicht nur fester Teil des Beratungsrepertoires, sondern seit rund drei Jahren als Tool und Praktik treuer Begleiter auf unserer eigenen Reise zur Selbstorganisation. Warum also dieses schöne Tool nicht einmal in die Mitte legen und mit Gleichgesinnten daran laborieren?

Den Reagenzraum halten diesmal Ralph Piotrowski und Andreas Knoth. Das Interesse am Thema ist groß – innerhalb von Minuten nach der ersten Ankündigung trudeln Anmeldungen ein: Viele in der Runde haben eigene Erfahrungen in der Arbeit mit Rollenboards, andere wollen herausfinden, ob es etwas für sie ist. Irgendetwas Darunterliegendes fühlt sich sehr verbunden an – vielleicht die gemeinsame Haltung zum geteilten Verantwortung. Bei 25 Personen ziehen wir den Strich – im virtuellen geht ja eigentlich mehr, aber jenseits der 5×5 Bildkacheln, die auf eine Zoom Seite passen, ist eine kritische Grenze virtueller Gruppendynamik überschritten: Wir möchten in den Laboren gerne gewährleisten, dass wir uns zumindest alle in die Augen schauen können.

Am Anfang stehen wie oft in den Laboren Fragen aus der Runde: 

  • Wie können wir in einer wachsenden Organisation mehr Klarheit und Verantwortung bekommen?
  • Wie motiviere ich Menschen, die schon sehr lange in anderen Fahrwassern arbeiten und wie gebe ich Verantwortung ab?
  • Wie können wir als Team die Potentiale von Selbstorganisation und eigenem Gestaltungsspielraum nutzen und dennoch Verantwortung da klar verorten und einfordern, wo sie „hingehört“.

Am größten ist das Cluster an Fragen zu Übergängen: Wie kommen wir von hier nach da? Und wie verhindern wir dass der Stein wieder zurückrollt? 

Wir folgen Ralph in die Rahmung von Selbstorganisation im Zusammenfließen der Diskurse um Complex Systems Theory, Soziokratie/Holokratie , Reinventing Organisations und Agilität. In allen Kontexten schwenkt das Scheinwerferlicht letztendlich von der Struktur zur Haltung: Mit dem Wegfall äußerer Regulierung braucht es inneres Gerüst und Rüstzeug.  Hier winkt die Erkenntnis, dass das Rollenboard nicht nur Werkzeug, sondern auch Übungsraum ist – ein  Trimm-Dich-Pfad, auf dem die Mühen der Selbstorganisation spürbar und die entsprechenden „Muskeln“ nach und nach in der Praxis gestärkt werden: (Selbst)Verantwortung, Ownership & Agency, Loslassen & Vertrauen, Selbstregulierung, Transparenz sowie Feedback und Kontakt. Die Einführung des Rollenboards markiert schließlich oft einen Kultur- und Musterwechsel. 

Andreas gibt einen Blick in die Praxis von SOCIUS: Wie funktioniert das „Rollenboard“ überhaupt bei uns? Und – noch davor: Wie ist in diesem Zusammenhang das Konzept der „Rolle“ definiert? Eine Rolle ist eine temporäre Funktion einer Person im Organisationsgeschehen. Sie wird beschrieben durch ein Set von Zusammengehörenden Aufgaben (tasks:  „Was ist zu tun?“), Befugnissen (authority: Was kann eigenständig entschieden werden?) und Verantwortlichkeiten (accountabilities: Was soll erreicht/ abgeliefert werden?).  

Das Board bildet diese Funktionen (entweder analog oder digital – etwa auf Trello) in einer Reihe von „Schwimmbahnen“ ab: Jedes Teammitglied hat eine eigene Bahn, auf der seine langfristigen/wiederkehrenden und einmaligen Aufgaben als Kärtchen repräsentiert sind.  Je nach Spielart werden dabei nur Gemeinschaftsaufgaben oder alle Rollen-Verantwortlichkeiten der Person abgebildet. (Noch) nicht vergebene Aufgaben sind in einer eigenen Bahn gesammelt und werden von dort verteilt. Erledigte Aufgaben werden feierlich in den Müll-Eimer überführt. Zu jeder Rollenkarte entsteht im Idealfall eine kurze Gebrauchsanweisung mit den wichtigsten Informationen zur erfolgreichen Ausführung der Rolle.

Die kollektive Praxis des Rollenboards spielt sich in den regelmäßigen Reviews ab  – kurze Runden im Rahmen von Teamsitzungen, auf denen Reibungen und Absprachenbedarfe zu den einzelnen Rollen geklärt werden. 

Soweit so gut? Wer mehr wissen will, kann sich einlesen in der neuen SOCIUS Reihe New Work Essentials – einem kleinen Kanon von Tutorials, der es Organisationen und Teams ermöglicht, eigenständig in Richtung Selbstorganisation zu reisen.  https://newwork.socius.de/

Wer Interesse an einer Fortführung oder Wiederauflage des Labors hat, der melde sich unter fortbildung@socius.de! Bei ausreichender Nachfrage legen wir das Labor gerne wieder auf.

Sinnvoll zusammen wirken

SOCIUS labor Bericht:  Online Aufstellung – im Coaching für Führungskräfte und Teams

SOCIUS labor Bericht: Online Aufstellung – im Coaching für Führungskräfte und Teams

Aufstellungsarbeit ist weit verbreitet und wird in der Arbeit in und mit gemeinnützigen Organisationen sehr verschieden durchgeführt – je nach den Zielen und konzeptionellen Hintergründen. Im Labor stellten wir uns die Frage, wie Aufstellungen im virtuellen Raum machbar sind, wenn die einzelnen Akteure sich in unterschiedlichen Räumlichkeiten befinden, einander nicht berühren können und die Wahrnehmung von bestimmten Körperreaktionen (trotz technischer Hilfsmittel, wie Bildschirm, Lautsprecher, …) nur eingeschränkt möglich ist.

Gábor Vozári, unser Trainer des Nachmittags betonte zunächst, dass der Begriff „Aufstellung“ viel breiter aufgefasst werden kann als das, was viele darunter verstehen. Selbstverständlich kann eine Aufstellung durch Personen (Repräsentant*innen), oder durch Figuren auf einem sogenannten Systembrett erfolgen. Wir können aber genauso mit Hilfe unserer Hände (durch systemische Gestik), durch die Bewegung unserer Finger auf einem Blatt Papier, oder durch die Positionierung von bestimmten Gegenständen (Bodenanker) im Raum Aufstellungen durchführen. Diese sind verschiedene Arten der Abbildung von Strukturen, verschiedene Wege für die Bildung eines Modellsystems. Unabhängig von der Art der Abbildung gibt es zentrale Kriterien, die ihre Qualität beeinflussen: ob wir das System des Anliegens achtsam definieren, ob wir die Elemente des Systems bewusst bilden, ob wir unseren Fokus (also das Anliegen) auf die „Bezogenheiten“ zwischen diesen Elementen richten und ob wir über das Kognitive hinaus unseren ganzen Körper in die Wahrnehmungsprozesse einbeziehen.

Gábor bezog sich im Labor spezifisch auf die systemischen Strukturaufstellungen, eine Form der Aufstellungsarbeit, die von Insa Sparrer und von Prof. Dr. Matthias Varga von Kibéd am Münchener SySt®-Institut begründet wurde und erforscht wird. Die Grammatik der bei SySt verwendeten „transverbalen Sprache“ ermöglicht, dass grundsätzlich alles aufgestellt werden kann: Es werden nicht die Systeme selbst aufgestellt, sondern ihre Strukturen, also die Bezüge der einzelnen Elemente zueinander, die aus dem Anliegen des*r Klienten*in entstehen.

So ermöglichen systemische Strukturaufstellungen eine Externalisierung und eine räumliche Darstellung von Zusammenhängen. Parallel zu diesem Blick „von außen“, die die Klient*in durch das Aufstellungsbild gewinnt, berichten die Repräsentant*innen über ihre eigenen Empfindungen, die sie während ihrer Repräsentation wahrnehmen – und die sich durchaus von denen der Klient*innen unterscheiden können. Diese Unterschiedsempfindungen treten auch in dem Fall auf, wenn die Repräsentant*innen gar nichts über die Inhalte der Aufstellung (oder über das, was sie gerade repräsentieren) wissen. Diese „repräsentierende Wahrnehmung“ ist ein zentrales Phänomen bei Aufstellungen; sie kann auch online erzeugt werden. Wenn als abschließender Schritt die Klient*in selbst in ihr Aufstellungsbild eintritt, (meist dann, wenn das Bild bereits einen Lösungszustand aufweist) entsteht auch bei ihr eine Wahrnehmung bezüglich ihres Anliegens (und potenziell darüber hinaus), die auch Körperempfindungen einbezieht, über das Sagbare hinaus geht und so breitere Perspektiven als nur die kognitiven Eindrücke aktiviert.

Die Übungen, die wir im Labor mit Gábor durchgeführt haben, zeigten Aspekte, die dazu beitragen können, die repräsentierende Wahrnehmung auch online zu erzeugen oder zu erleben. Diese Übungen sind Teile des sogenannten „SySt®-Raums“, der über die Aufstellungsarbeit hinaus dazu beitragen soll, die Qualität und Tiefe unserer Begegnungen auch in der virtuellen Welt zu ermöglichen.

Es zeigte sich bereits mit dieser kurzen Einführung im Labor, dass ein ganzer Kosmos hinter den Strukturaufstellungen liegt. Sie finden sich auch in online-Versionen der Aufstellungsarbeit. Einige Aspekte und Elemente dieses Kosmos lassen sich (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) folgendermaßen beschreiben: 

  • Bei der Beschreibung des Anliegensystems ist es wichtig zu definieren, was überhaupt thematisiert werden soll. Darüber hinaus haben die Detailtiefe und die Art der Beschreibung eine große Bedeutung. Das gleiche Objekt oder Phänomen kann anliegenbezogen detailliert oder einfach beschrieben werden. So können z.B. die Hände einer Person nur als Pegelstände oder Standpunkte in einem gegebenen Raum gesehen werden. Auf diese Weise verzichten wir auf alle Details, die eine Hand aufweist und sie wirkt nur als einfache Markierung. Die Hände können aber auch im Detail betrachtet werden in Hinblick auf Form, Beschaffenheit, Größe oder die Beziehung der Finger zueinander. Durch einfache Übungen wurde für uns schnell erlebbar, dass es eine große Auswirkung hat, ob wir etwas (anliegenbezogen) als einfaches Element, oder als zusammengesetztes, komplexes System betrachten. 
  • Auch online lässt sich Nähe erzeugen. Eine Übung, die wir gemacht haben: Eine*n andere*n Teilnehmer*in als „Großaufnahme“ im Bildschirm darzustellen (bei Zoom ist es die Funktion: pinnen), egal, wer das Gegenüber ist. In dieser Großaufnahme dann sehen und gesehen werden (angeleitet durch eine gute und sensible Moderation) zulassen: Details des Gesichtes und der verschiedenen Gesichtspartien; der Hintergrund, einer möglichen Veränderung meiner Wahrnehmung, wenn ich zwischen Figur und Hintergrund wechsele. 

Neben allem anderen die Wirkung auf unsere Gruppendynamik: trotz des digitalen Zugangs hat sich ein anderes Gefühl von miteinander, Austausch und Nähe ergeben, war der Austausch anschließend an diese Übung intensiver als vorher. 

  • Die Überwindung der Distanz und das Gefühl der unmittelbaren Begegnung lässt sich noch weiter entwickeln. Über ein Blatt Papier – mit einer als Norden definierten Ausrichtung – lassen sich mit Klebezetteln oder anderen Möglichkeiten – Situationen auf Papier stellen. Aufgrund der gemeinsamen „Einordung“, können andere die Aufstellung auf ihren Papieren nachempfinden; Durch die Einrichtung eines Koordinatensystems wie auf Landkarten lassen sich Bewegungen sogar genau nachverfolgen. Das klingt „technisch“; wird diese technische Bezogenheit jedoch überwunden, kann die Arbeit eine Tiefe haben, die dem gemeinsamen Sensemaking in einem Raum nicht nachsteht. 
  • Diese Ansätze weiter gedacht, können sogar Personen online gestellt werden. Mit Hilfe von Kamera, Moderation und gemeinsamer Achtsamkeit, kann das Erleben von Berührung nachempfunden werden. Somit können Personen in ihre Repräsentation „eingerollt“, sowie in das Aufstellungsfeld eingeführt werden.
  • Für die räumliche Orientierung während der Aufstellung wird unter anderem durch sorgfältig getroffenen Vereinbarungen gesorgt, wie die Festlegung, dass die Kamera die jeweiligen Aufstellungsfelder bei jeden Beteiligten aus dem gleichen Blickwinkel („vom Süden“) zeigt. 

Stellt man im virtuellen Raum auf, wird die Erzeugung der repräsentierenden Wahrnehmung durch die Resonanz von bis zu sechs verschiedenen, parallelen Aufstellungen sichergestellt. Hierzu gehören die systemische Gestik, die Aufstellung auf Papier mit (sogenannten kataleptischen) Fingern, die Aufstellung mit Bodenankern durch den Klienten, die Aufstellung mit Platzmarkierungen bei den Repräsentanten, die Abbildung der Aufstellung aus der Vogelperspektive, die für ein gemeinsames Bild bei allen Beteiligten sorgt, sowie die Aufstellung im virtuellen Raum über (z.B.) Zoom. Eine Übersicht findet Ihr auch in der folgenden Grafik:

Natürlich braucht man nicht bei jeder Aufstellung alle dieser sechs Ebenen. Man hat sie aber als Möglichkeitsraum, worauf man bei Bedarf zugreifen kann. Im Labor hat uns Gábor diverse Varianten vorgestellt, wie man die einzelnen Aufstellungsformen durchführen und miteinander kombinieren kann.

Wesentliche Erkenntnisse aus dem Abend

Natürlich braucht es für die Moderation von Aufstellungen ein gerüttelt Maß an Kenntnis und vor allem auch praktischer Erfahrung. Feinheiten wie Stimmfärbung, Haltung der Hände, Sensibilität für Rückmeldungen, technische Fähigkeiten wie „Ein- und Ausrollen“ waren einige praktische Beispiele der komplexen Herausforderungen, Aufstellungen moderierend zu begleiten. Welche Möglichkeiten in einem sytematischen Zugang zu dieser Arbeit steckten, zeigten verschiedene Rückmeldung am Ende des Labors:

  • Es war beeindruckend, wie es mit Hilfe der Aufstellungsarbeit gelungen ist, angepasst zwischen strukturellen Zusammenhängen und dem systemischen „Draufblick“ und ihren Auswirkungen und persönlichen Eindrücken und Empfindungen im Detail hin und herzuwechseln und beide Perspektiven miteinander zu verbinden und zu befruchten. 
  • Es war neu und erfahrungsreich, wie intensiv die Arbeit online umgesetzt werden kann und hier auch die persönliche und emotionale bzw. intuitive Ebene erkennbar gemacht werden. Dabei half es – fast schon paradox – nicht nur die technischen Begebenheiten als gegebene Faktor zu akzeptieren, sich jedoch nicht zu sehr drauf zu fixieren. 
  • Der „Tanz“ zwischen Komplexitätsreduktion und Anreicherung im Detail hat die Arbeit sehr lebendig gemacht. 
  • Die Räume für „repräsentative Wahrnehmung“, die verbindende Aufstellungsarbeit auch über die digitalen Grenzen ermöglichen und so den Protagonist*innen unterstützen, Handlungsspielraum in ihrer Situation zu entwickeln. 

Sinnvoll zusammen wirken

SOCIUS labor Bericht: Positioniert im Dialog

SOCIUS labor Bericht: Positioniert im Dialog

Dilemmata zeichnen sich dadurch aus, dass sie eigentlich nicht sauber entscheidbar sind. Auch da wo sich griffige Formeln in scheinbarer Synthese finden („Wollen Sie schlanke Beteiligungsprozesse“?), wütet das Dilemma unter der Decke meist fröhlich weiter. Kein Wunder also, dass eine dilemmatische Themen-Aufhängung auch ein wenig Dehnungsschmerz hervorruft. Und welchen besseren Rahmen gäbe es dafür als ein SOCIUS labor, eine gemeinsame Forschungsreise, moderiert von einer kundigen Themengeber:in – hier Britta Loschke in der Frage: Wie können wir als Facilitator:innen Offenheit im Dialog befördern und zugleich klare Grenzen an Positionen ziehen, die uns wichtig sind?

​Die Herleitung des Themas beginnt mit einer irritierenden Erfahrung: mit Verweis auf Echokammern – überschneidungsfreien Räumen, in denen Milieus in ihrem eigenen kommunikativen Saft schmoren  – wird die Notwendigkeit abgeleitet, alle inneren Wahrheiten (Werte, Überzeugungen) fluide zu machen, die einer Offenheit für das andere Ende des Meinungsspektrums im Wege stehen. Der Bogen dieser Eröffnung spannt sich bis zur Frage, welche gesellschaftlichen Polarisierungen eigentlich problematisiert werden, welche nicht und wer davon was hat.

Von hier aus geht es daran, im  Austausch eine eigene dilemmahafte Fragestellung, eine „Wicked Question“, zu formulieren und weiter zuzuspitzen. Die geteilten Fragen sind ein besonderer Schatz dieses Nachmittags. Jede einzelne von ihnen öffnet eine Tür in ein spezielles Spiel- und Spannungsfeld des Dialogs. Etwa:

  • Wie kann ich mit jemand in ein konstruktiv wirksames Gespräch kommen, mit dem ich keine gemeinsame Realität und damit keine „Bausteine“ für eine Konstruktion (eine konkrete Lösung) habe?
  • Wie kann ich damit umgehen, dass rechte/konservative Gruppen linke Strategien und emanzipatorische Forderungen kapern und dabei gleichzeitig Entsolidarisierung herausfordern?
  • Inwiefern bedeutet, dass ich einer mir inakzeptablen / menschenverachtenden Position zuhöre, bereits eine Anerkennung derselben?

Während der erste Teil des Labors Loschke’esk wohlstrukturiert in den Schritten der „Liberating Structures“ abläuft, geht es im zweiten Teil der Wanderung ins offene Feld, in einen dialogischen Austausch zur Frage,„Welche Wege, Inspirationen und Ansätze  begegnen uns, die eine Antwort auf die Dilemmata darstellen könnten?“.  Hier wird deutlich, wie weit und offen die Fragestellung tatsächlich ist: Es fällt schwer, die vielfältigen Stränge und Erfahrungen im Thema stringent zu verknüpfen. Zwischen den Zeilen ist ein Unbehagen spürbar: Von welcher Richtung nähern wir uns dem Ding?

Wieder zwängen sich die zwei Seiten auf: Auf der einen Seite lautet die Frage: Wie können wir eine klare Haltung praktizieren , obwohl  unsere Rolle die der „allparteilichen“ Dialoghüter:in ist? Wo und wie setzen wir Grenzen? Wie gehen wir als Moderation souverän mit einem „Klops“ um, wenn der plötzlich in der Mitte liegt?

Im Laufe des Gesprächs entstehen erste Antworten:  Früh klare Signale , die problematisches Verhalten (nicht Personen an sich) in die Grenzen weisen. In der Rahmung von Dialogprozessen kann  der Bezug auf einen Wertekonsens, nicht zuletzt die Menschenrechte, hilfreich sein. Vielleicht gibt es auch eine Begleitungsrolle, die über die der Dialog-Hüter:in hinaus geht. Der Verweis auf Konzepte wie Intersektionalität lenkt den gemeinsamen Blick auf die  Komplexität und Existenz gesellschaftlicher Strukturen über das Individuum hinaus.

Von der anderen Seite fragt es sich: Wie können wir im Dialog bleiben obwohl wir eigene und vielleicht auch grundlegend konträre Positionen haben? Hier lautet das Schlüsselwort der Diskussion: Empathiefähigkeit. Die „Erweiterung der Empathiehorizonts“ läßt sich von buddhistischen Praktiken über die „Suspension“ der Dialogpraxis nach Bohm und Isaacs bis hin zur Bedürfniserkundung der Gewaltfreien Kommunikation nachvollziehen. Der Fokus auf die persönliche Ebene kann dabei ein Weg aus der Polarisierung in vorgefertigten Positionen sein, der auch seine Tücken hat. Im Sinne der Intersektionalität sitzt jede:r teils auf der einen und teils auf der anderen Seite der Mehrheitsgrenze – aber die Achsen haben bei weitem nicht alle die gleiche Durchschlagskraft. Bei der Diskussion um Charles Eisensteins Artikel zur Symmetrie der psychologischen Untergründe der Mainstream-Entfremdung am linken und rechten Rand der US Amerikanischen Gesellschaft und der quasi nebenbei-Übertragung in der deutschen Kontext stockt kaum spürbar die Luft im virtuellen Raum.  Manchen fällt das gar nicht auf, manche schlucken eine kleine Kröte hinunter.

Es wird deutlich, dass das Thema in einem offenen Dialog an genau die Grenzen gerät, die es zu bearbeiten sucht. Im Nachgang ist uns klar: hier wäre eine Suspensions-Ebene spannend, eine Metaebene im Dialog: was passiert gerade mit uns? Welche Kontexte sprechen mit? Wo sind wir gefangen in Imperativ des Dialog oder in der Abgrenzung?

Und schließlich: Wie geht es uns mit den Widersprüchen darin?

Es bleiben einige Knoten im Kopf. Also: Mehr davon! Wir bleiben dran.

Sinnvoll zusammen wirken

SOCIUS labor Bericht: Tools – moderieren, visualisieren, beteiligen – Das Remake

SOCIUS labor Bericht: Tools – moderieren, visualisieren, beteiligen – Das Remake

Warum denn der Zusatz „das Remake“? Nun, es gab im November bereits ein gleich lautendes Labor. Mehr dazu hier. Das war zwar sehr intensiv, aber auch ziemlich chaotisch. Uns war klar: das geht auch besser. Also, zack – Remake. Vom Inhalt wollen wir nicht zu viel verraten, das Feedback teilen wir aber natürlich wieder mit euch.

Als Ergebnis fielen in der Abschlussrunde die folgenden Stichworte:

Spielfreude, Menschlichkeit / habe Zuversicht gewonnen, bin nie allein gewesen / Fehlerfreundlichkeit war gut – Roter Faden hätte besser sein können/ Schön eine Atmosphäre der Offenheit , Miro war zu komplex – das hindert/ wenn ich ein Tool nicht beherrsche, lerne ich schlecht (miro) / Stress, bin erschöpft / keine Routine – Zeit ist schnell vergangen / Inspiration des Ausprobierens.

Nicht nur, dass die beiden Labore zu digitaler Gruppen – Kommunikation sehr viel Freude und gemeinsames Lernen gebracht haben. Zudem haben wir beide Male wieder neue Ideen gehabt, was wir nun verbessern können. Dazu kam, dass das Interesse sehr groß ist und wir einen Tag nach der Ausschreibung schon eine Warteliste hatten. Daher haben wir uns entschlossen eine weitere Entwicklungsrunde zu starten. Diesmal nicht mehr wie das Labor, sondern am 24. Februar von 14.00 bis 18.00 Uhr als experimentelle Fortbildung mit hohen Eigenanteilen.

Nah sein im Netz – eine digitalanaloge Erlebnisreise

So wird Ein Abend mit Unbekannten und Unbekanntem,
Durch das Bekennen zum Kontakt,
Zu einem Treffen von Bekannten.
Im Spannungsfeld  von Herausforderung und Frustration.

….Können wir uns online näher sein, als in Präsenz?

Tools: Zoom, Miro, Mentimeter

Menschen: eine Überraschung für uns und euch

Methoden: eine Überraschung für euch

Sinnvoll zusammen wirken

SOCIUS labor Bericht: Gemeinsam wissen – The Art of Harvesting

SOCIUS labor Bericht: Gemeinsam wissen – The Art of Harvesting

In sicheren Räumen mit zugewandten Menschen zu experimentieren, ist ein Luxus, den wir uns regelmäßig in den Laboren gönnen. So war auch beim Labor im Dezember die Ziele und Hintergründe vielfältig: Julia Hoffmann und ich wollten zusammen Arbeitserfahrung sammeln und teilen – speziell im Hinblick auf den Arbeitsansatz des „Art of Hosting and Harvesting“, in dem Julia  bereits intensiv Erfahrungen gesammelt hat, ich mich als „bescheidenen Anfänger“ bezeichnen würde.

Wie kam es zum Labor?

Wie wahrscheinlich viele empfanden wir das Jahr 2020 als Herausforderung. Unsere Lebens- und Arbeitszusammenhänge haben sich massiv verändert und für viele zu weitreichenden Fragen ihrer Lebensgestaltung, ihrer Tagesabläufe, ihrer Gestaltung der persönlichen und Arbeitsprozesse geführt. Nicht wenige waren mit existenziellen Momenten konfrontiert, deren Tragweite von außen nur schwer nachvollzogen werden kann. Ebenso gab es – vielleicht ungleich verteilt – Momente gemeinsamen Lernens (online und offline), die Entwicklung neuer beruflicher Kompetenzen und reges Experimentieren im beruflichen und privaten Zusammenkommen unter besonderen Situationen.

Gerade angesichts der Unsicherheiten wie selten zuvor, sollten Möglichkeiten der gemeinsamen Reflexion, des Austausches und des Lernens stattfinden. Interessant war hier, wie oft während des Check-Ins bei unserem Labor geäußert wurde, wie selten dieser Rückblick stattfand und wie notwendig ihn auch viele Teilnehmer*innen waren. Die Gründe dafür sind spekulativ: wenig Zeit – auch dieses Jahr stand ein Weihnachten zu organisieren (wenn auch anders) vor der Tür; auch 2020 war das Jahresende besonders „aktiv“ und mussten Projekte abgeschlossen werden; aber vielleicht auch, weil wir uns auch hier noch in neuen Formen einüben müssen?  

Der Arbeitsansatz der „Art of Hosting and Harvesting“ bietet viele kreative Möglichkeiten des Rückblicks, des Austausches und der Reflexion – einander zugewandt und in geteilter Verantwortung. Moderator*innen werden als Gastgeber*innen genannt („Hosts“ oder „Stewards“); es ist nicht nur ein semantisches Ornament, sondern ein Schlaglicht auf das Selbstverständnis von „Art of Hosting“. Gesucht wird das Unbekannte, das entsteht, wenn Menschen in gemeinsamen Austausch darüber treten. Gastgeber*innen sind Beteiligte in dem Kreis und Mitsuchende im Austausch. Es geht um Raum schaffen, gemeinsames Explorieren und tiefes Zuhören und Nachvollziehen und gemeinsames Verstehen als ein gemeinsam verantwortetes „Projekt“.

Was – glauben wir – war anders als üblich?

Bewusst begannen wir mit einem dreiteiligen Check-In – ungewollt hatten wir da bereits unsere Zeitplanung überschritten. Unsere drei Schritte des Einstiegs:

  • Körperliches Ankommen – kurzes eigenes Massieren des Gesichtes (wahlweise bei aus- oder angeschalteter Kamera) und bewusstes mehrfaches Ein- und Ausatmen.
  • Persönliche Vorstellung („Wer bin ich?“, „Was bringt mich hier her?“).
  • Gedicht: „Winternacht“ von Eichendorff mit Resonanzen

Die „Entschleunigung“ verlief deutlich intensiver als gedacht. Die persönliche Vorstellung hatte eine Tiefe, die wir zumindest so nicht erwartet hatten. Deutlich wurden hier schon die teilweise existenziellen Herausforderungen, vor denen wir im letzten Jahr standen. Deutlich wurde hier auch der Wunsch nach tiefen Gesprächen über das, was war; das Nutzen des Jahreswechsels, um in ein eigenes Narrativ des Jahres zu kommen, ein eigenes Verstehen dessen was passiert ist.

Damit waren aber auch unsere Zeitpolster unerwartet aufgebraucht. Wir standen in dem Dilemma, den Austausch zu ermöglichen und zu unterstützen – das war ja auch unser Ziel des Labors – und dem geplanten Verlauf voranzutreiben und diesen Raum eigentlich in den später gedachten Triaden zu erhalten. Ein Thema, bei dem ich merke, wieviel schwieriger „Zeitmanagement“ online einzuhalten ist als offline. Insbesondere wenn der Container genutzt wird, ist seine Reduktion später deutlich schwieriger als in Treffen vor Ort.

Gleichzeitig konnten wir entspannt bleiben, denn wir hatten die vier Stunden (ein Labor geht in der Regel von 16-20 Uhr) nicht ausgeplant. So konnten wir mit überschaubarem Aufwand nachsteuern, gleichzeitig war das eine hilfreiche Lernerfahrung für uns beide.

Die anschließenden Triaden waren für uns das „Herzstück“ des Abends. In Kleingruppen à 3 Personen luden wir die Teilnehmer*innen ein, von ihrem Jahr 2020 zu erzählen. Fragestellung war: „Was hatte für mich im ausgehenden Jahr 2020 Bedeutung und was davon will ich „in die künft’ge Frühlingszeit?“ mitnehmen?“. Triaden sind Gesprächsformate in klar verabredeten Rollen. Durch die Fokussierung auf eine*n Erzähler*in können substantiellere Reflexionsebenen erreicht werden, als in einem „freien Gespräch“. Die Rollen im Einzelnen:

  • Ein*e Erzählerin erzählt und berichtet von eigenen Resonanzen zur Fragestellung. Ihre Assoziationen, Erkenntnisse und Eindrücke sind die richten – es gibt keine „falsche Erzählung“.
  • Ein*e Gesprächspartner*in unterstützt die Erzählung durch zugewandte Rückfragen und empathische Reaktionen. Sie bleibt dabei in der Geschichte des*r Erzähler*in, und kommt nicht in die eigene. Manchmal ist es hilfreich, dass die Gesprächspartner*in die Erzählung sehr aktiv durch unterstützt, manchmal eher in ruhiger Präsenz.
  • Eine*r oder mehrere (wenn es in 3er Runden nicht aufgeht) Zeug*innen hören empathisch dem Nachhall des Gespräches. Diesen Nachhall können sie im Anschluss als die „verborgenen Schätze“ mit dem*der Erzähler*in teilen. Möglichkeiten sind eigene lebendige emotionale Reaktionen auf das Erzählte, Gesten oder andere Eindrücke während der Erzählung, oder Worte, die besonders auf lebendige Aufmerksamkeit gefallen sind. Ihre Resonanz sind für den*die Erzähler*in häufig eine weitere Perspektive und ergänzender Blickwinkel der eigenen Erzählung.

Ein gut vorher definierter Zeitplan unterstützt dieses Setting. In abschließenden fünf Minuten konnten die Kleingruppen ihre Erfahrungen reflektieren.

Rückmeldungen waren vielfältig. Die Zeug*innenschaft wurde als hilfreich und unterstützend erwähnt, ebenso die Möglichkeit, vertieft in eine Geschichte einzudringen und auch das damit manchmal verbundene Schweigen gemeinsam zu erfahren – und nicht eine Vielzahl an Geschichten aufzumachen, die nebeneinander stehen.

In einer Plenumsrunde haben wir nach diesen Erfahrungen nach einer Aussicht für 2020 gefragt: „Wie können wir das nächste Jahr- einzeln oder in Gruppen – mit Zuversicht gestalten?“ Hier sind wir im Plenum zusammen geblieben und haben in sehr ruhigem Tempo zu Assoziationen und Resonanz eingeladen.

Die Fragestellung wurde als sperrig wahrgenommen, vielleicht war sie auch in der ganzen Entschleunigung zu „aktivistisch“. Es ginge eher um „Hoffnung“ statt „Zuversicht“ und das „gestalten“ wäre noch gar nicht dran – so lauteten einige Reaktionen. In Abgrenzung und Zustimmung auf diese Frage kamen aber viele Reaktionen – das Gedicht ist eine Zusammenfassung

Sonnenaufgang in hässlicher Gartenlandschaft

 

2020 ein wesentliches Jahr und hinterher ist nichts mehr wie vorher.

 

es hat für alle gereicht um ordentlich erschöpft zu sein

 

Ich muss Halt bei mir suchen und von dort aus losgehen

 

Wo ist mein Urvertrauen

sei mal ganz still und hör dir mal zu: Zuversicht ist nicht so groß wie Hoffnung

 

Da ist ein Grummeln;

Ist die Frage nicht eher, wie kann ich jeden Tag die Zuversicht nähren?

 

Zuversicht ist die Dinge ein Stück weit laufen zu lassen und mich drauf ein zu lassen

 

Wie kann ich mich und andere mit Zuversicht ausstatten?

 

Die Zuversicht durch das Wir – wir können das zusammen machen

die passive Form der Zuversicht: den Rahmen halten  auch wenn man grad nicht so da ist

 

drei Supervisionen vor Weihnachten weiß ich: Zum Gestalten hört auch Lücken lassen

ein atmender Prozess

ein

und

aus

 

Vielleicht will gar nicht richtig gestalten – drauf vertrauen, dass ich nicht untergehen werde

Ein Jahr lässt sich nicht gestalten – Momente lassen sich gestalten: Welche Entscheidungen treffen wir?

 

Sie werden doch nicht als erstes die Sozialleistungen kürzen – doch. Sie wollen

Und wir werden ihnen beibringen, dass sie das nicht tun.

Als Netzwerk etwas ganz besonderes tun und uns das zurück kämpfen.

 

Wir können versuchen unsere Gegenüber als Sonnenaufgang betrachten

und uns überraschen lassen von Menschen und Situationen

 

Ich möchte mit dem Gestalten in eine neue Beziehung treten

ausatmen dürfen, loslassen können

 

Loslassen

leichter werden: es nimmt sich gerade Raum in mir

 

Wie kann ich, können wir in unsere Momente die Zuversicht einladen? und nicht aus Angst handeln, und Entscheidungen aus Zuversicht treffen damit wir wirklich gestalten und füreinander sorgen?

Was haben wir gelernt?

Leider war zum Ende nicht mehr viel Zeit für methodische Auswertung. Ein paar Stichworte dessen, was ich gelernt habe und welche Erfahrung sich bestätigt hat als pragmatisches Ende.

  • Die „richtige“ Frage gibt es einerseits nicht, sie herauszufinden ist aber doch Teil des Erfolges. Ebensowenig gibt es selten eine komplett falsche Frage, aber es gibt immer das Risiko, die Dynamik deutlich zu verändern.
  • Wenn ein Team / eine Teilnehmer*innengruppe erstmal entschleunigt ist, folgt sie auch hier dem Gesetz der Trägheit: gesteigertes Tempo braucht gesteigerte Energie.
  • „You never host alone“ – „Du kannst nicht einzelner Gastgeber sein“, lautet eine Grundregel im Art of Hosting. Das hat sich für mich erschlossen, nicht nur wegen der besonderen online-Situation. Bei der gewünschten Tiefe offener Gespräche und zuhören auf die leisen Zwischentöne, ist es hilfreich zu zweit zu sein. Das gilt auch und insbesondere schon für die Vorbereitung.

„Art of Hosting“ hat viele Praktiken integriert. So sind die Triaden vielleicht auch aus anderen Zusammenhängen bekannt. Mich reizt hier das konsequente Eindampfen zu Essenzen. Vielleicht haben wir im Experiment übertrieben, aber aufeinander folgende Check-Ins, Kleingruppen, mit deren Essenz in anderen Kleingruppen oder im Plenum weiter gearbeitet wird. Ein Gedicht als Harvesting, das die anderen Sinne anspricht. Der deutliche Fokus auf kollaborative Verantwortung. Das sind die Elemente, die Anregung bringen und weitere Möglichkeiten aufzeigen.

Sally Denham-Vaughan hat 2005 eine Dialektik von „Will“ – der gezielten und geplanten Aktion und Sitzung – und „Grace“ – dem gemeinsam emergent und dialogisch entstehenden – herausgearbeitet. Während das Zielgerichtete angestrebt werden kann, ist „Grace“ etwas fluid entstehendes, das nicht vorgeplant werden kann. Ich denke, dass Ansätze von „The Art of Hosting and Harvesting“ in Wertschätzung für diese Dialektik noch einen Schritt weiter gehen können, „Grace“ zu erreichen.

Literatur: Will and Grace: An Integrative Dialectic Central to Gestalt Psychotherapy. Sally Denham-Vaughan, erschienen im British Gestalt Journal, 14,1, 2005.

Sinnvoll zusammen wirken

SOCIUS labor Bericht: Virtuelle Tools – moderieren, visualisieren, beteiligen

SOCIUS labor Bericht: Virtuelle Tools – moderieren, visualisieren, beteiligen

Kurz zusammengefasst: Von den sicher zwei Dutzend Laboren, an denen ich, Rudi Piwko, mit von der Partie war, war es das Labor bei dem mit Abstand am meisten schiefging. Eigentlich eine einzige Katastrophe und eine maximale Geduldsprobe für die Beteiligten. Und gleichzeitig: Fast alle hielten durch, wir haben miteinander aus den strategischen Fehlern, den didaktischen Missgriffen und den technischen Unzulänglichkeiten extrem viel gelernt – es war eben ein Labor mit Ausprobiereffekt und einer hohen Solidarität und Fehlerfreundlichkeit. Raphael Wankelmuth hat einmal zusammengestellt was hätte sein sollen und was es dann wirklich war und warum. Und natürlich ein schöner Einblick: Raphaels Video Clip zum Desaster!

Wir wollen uns belohnen und wiederholen die Übung im Januar. Natürlich wollen wir die Lehren aus dem Katastrophenfall berücksichtigen (und werden vielleicht neue Fallen entdecken).

Als ein Dreischritt wurde das Labor angekündigt (moderieren, visualisieren, beteiligen). Als ein Dreischritt soll hier die Auswertung erfolgen:

(1) Wie das Labor hätte ablaufen sollen
(2) Wie es tatsächlich ablief und was wir daraus gelernt haben
(3) Wie das Labor aussähe, wenn wir es noch einmal durchführten

 

Wie das Labor hätte ablaufen sollen: 6 Phasen, 1 Labor

Phase 1 – Einstimmung aufs Labor

Jeder*m Teilnehmer*in bekommt Post zu sich nach Hause, ganz analog. Der Briefumschlag enthält wiederum mehrere Umschläge, darf erst zu Beginn der Laborzeit geöffnet werden und weckt Lust nach mehr.

 

Phase 2 – Start des Online-Labors auf wonder.me

Wonder.me ist ein browserbasiertes Videokonferenztool. Das Besondere dabei ist: jede*r Teilnehmer*in wird durch ein kreisförmiges Foto symbolisiert, mit dem auf einer Oberfläche hin- und her navigiert werden kann. In einer Videokonferenz ist man immer nur mit den Personen/Fotos, die direkt neben einem steht, in Verbindung. Perfekt für ein Kugellager zum Kennenlernen, und für das Öffnen des ersten Umschlags.

 

Phase 3 – Zoom

In Zoom wird der zweite Umschlag geöffnet: ein Luftballon und Augen zum aufkleben. Die Teilnehmer*innen bereiten sich in Duos in Break-Out Rooms auf das reihum wechselnde Vorspielen einer Impro-Theater-Szene vor: Typische Momente aus dem Video Chat

 

 

Phase 4: Miro + Unsplash

Miro ist ein digitales Whiteboard mit integrierter Videofunktion – Auf Unsplash finden sich unzählige Copyrightfreie Bilder zu jedem Thema, die kostenlos heruntergeladen werden können. Um die Verbindung der beiden Tools zu erproben, erstellen sich die Teilnehmer*innen Pinnwände auf Miro mit Fotos aus Unsplash. Unser geplantes Thema für’s Labor:

Meine Sorge – meine Hoffnung

 

Phase 5: Bastelmaterialien

Das Tool „Bastelmaterialien“ ist analog und ergänzt trotzdem (oder gerade deshalb?) perfekt die digitale Welt der Videokonferenzen. Ausgestattet mit Glitzerpapier, Pfeifenputzern und weiteren schönen Utensilien des dritten Umschlags erstellt jede*r eine Auslegeordnung mit dem Thema „Mein Corona Hintergrund – warum arbeite ich so?“

 

Phase 6: Walk and Talk

Eine bewegte Pause – nicht allein, sondern zu zweit. Alle klappen den Laptop zu, gehen nach draußen und kommen, ausgestattet mit Handy und Headset, in Tandems miteinander in Kontakt.

 

 

Phase 7:  Planspiel in Gather.Town

Gather.Town sieht aus wie ein Videospiel aus den 80ern und funktioniert nach demselben Prinzip wie wonder.me (und der echten Welt): bist du den Leuten nah, hörst und siehst du sie. Wenn nicht, dann nicht. Zusätzlich kann man aber nicht nur personalisierte Maps erstellen, sondern auch interaktive (Whiteboards, Google docs, Online Spiele) und nicht interaktive Gegenstände (Fotos, Möbel,….) auf der Karte hinterlegen. Das perfekte Tool für ein virtuelles Planspiel.

 

Phase 8: Auswertung mit Mentimeter

Mentimeter ist ein Onlinetool für Live-Abstimmungen. Eigentlich wurde Mentimeter konzipiert, um bei Veranstaltungen die Ergebnisse über den Beamer allen sichtbar zu machen und Abstimmungen einen größeren Event-Charakter zu verleihen. Im digitalen Raum fungiert die Bildschirmfreigabe per Zoom als „Beamer“.

 

Wie es tatsächlich ablief und was wir daraus gelernt haben

Beim tatsächlichen Experimentieren ging einiges schief:

  1. Technische Probleme auf wonder.me – nur die Hälfte der Teilnehmer*innen konnte sich sehen/hören.  -> Trotzdem sind wir erst nach 30min auf Zoom gewechselt – im Nachhinein betrachtet 25min zu spät
  2. Nicht alle kamen mit den Pinnwänden auf dem digitalen Whiteboard miro zu recht + wir machten Bekanntschaft mit der nur dürftig funktionierenden Videofunktion bei miro
  3. Mehrmals wurde Teilnehmer*innen im Warteraum bei Zoom „vergessen“

Unsere lessons learned:

  1. Immer auf einer „sicheren“ Plattform starten (z.b. Zoom)
  2. Verliebe dich nicht in die Tools – alles was nicht funktioniert wird gestrichen oder auf für alle zugängliche Software angepasst
  3. Plane genügend Zeit für Technik-Checks und Einführungen in die Tools ein
  4. Trenne wenn möglich die Rollen „Inhaltliche Moderation“ und „technischer Host“.
  5. Im digitalen Raum gibt es nicht nur zwei, sondern drei Ebenen des Gelingens: Neben der Vorbereitung und Moderation ist hier auch die Technik entscheidend. Funktioniert das Mikro nicht, kann das z.B. nicht durch noch lauteres Sprechen ausgeglichen werden.

Aber trotz allem, die wichtigste lesson learned war für uns folgende:

Auch Online ist es möglich miteinander in Kontakt zu kommen. Die Annäherung mit allen Sinnen war – wären die technischen Herausforderungen nicht gewesen – hilfreich und anregend.

Der ideale, neue Workshop

…wie der Workshop aussehen würde, wenn wir ihn noch einmal durchführen würden? Das verraten wir hier nicht, aber kommt doch einfach zum Socius labor am 28. Januar 2021:
„SOCIUS labor online: Virtuelle Tools – moderieren, visualisieren, beteiligen – das Remake“

Sinnvoll zusammen wirken

SOCIUS labor Bericht: Zukunft von Arbeit und Organisationen

SOCIUS labor Bericht: Zukunft von Arbeit und Organisationen

Was bringt die Zukunft?

Welche Zukunft wünschen wir uns? Und was können wir tun, um dahin zu kommen?

Wie die Faust aufs Auge passte das schon länger geplante Labor von Lino Zeddies. Ohne eine Ahnung von Corona & co zu haben, hatten wir zu Beginn des Jahres ein Thema ins Auge gefasst, dass mit den dann kommenden Veränderungen der grassierenden Pandemie umso mehr an Relevanz gewann. Seit dem 2. Weltkrieg habe es keine so gravierenden Eingriffe in das öffentliche und private Leben mehr gegeben, schreiben die Zeitungen zu den Maßnahmen. Immer deutlicher zeigt sich, dass damit auch langfristige Veränderungen einhergehen, die wir jetzt noch nicht absehen können. Doch wir können vermuten, ahnen und vor allem: gestalten.

Die weitgreifenden Veränderungspotentiale einer Krise sind gewaltig, schreibt Matthias Horx, Zukunftsforscher, in seinem Buch des Wandels. Doch es gibt immer zwei Richtungen, in die wir gehen können: Regression oder Evolution. Weiter schreibt er „Krise bedeutet einen besonderen Energieaufwand, in dem die Variabilität des Organismus erhöht wird. In größeren Krisen müssen wir uns ‚verpuppen‘, um uns von allzu vielen Außenreizen abzuschirmen.“ (Horx 2011, 120).

Derzeit ist ein Fenster geöffnet um kurzfristige Veränderungen zu testen und in Folge ggf. zu verstetigen. Das gilt sowohl für positiv-utopische Schritte als auch für negativ-dystopische. Doch auch nach der Krisenzeit werden sich Umstände verändert haben und neue Möglichkeiten eröffnen. Ist es da nicht klug, sich jetzt darüber Gedanken zu machen, was auf uns zukommen könnte, welche Chancen sich uns eröffnen und diese zu ergreifen? Wir alle schaffen gesellschaftliche Realität, wenn wir beginnen, Updates von etwas Altem vorzunehmen und Neues zu verwirklichen. Das gelingt uns umso besser, je klarer wir eine Vision einer anzustrebenden Zukunft mit den Chancen der Gegenwart verknüpfen.

Die Zukunft unserer Arbeit unter Laborbedingungen

In Lino Zeddies’ SOCIUS online labor beschäftigten wir uns konkret mit den Möglichkeiten neuer Arbeits- und Organisationsformen. Mit 12 Teilnehmenden im online space gingen wir den Fragen nach, welche Corona-induzierten Veränderungen wir bisher beobachten, welche Utopie unserer eigenen Arbeit wir eigentlich haben, in welche Richtungen sich die derzeitigen Veränderungen (nicht nur die Corona-induzierten) weiterentwickeln könnten und welche Trends wir beobachten. Dabei schauten wir auch explizit auf die schönsten aller Möglichkeiten und auf die wirklich verstörendsten Szenarien.

Gemäß dem Motto „Die Zukunft der Arbeit“ veranstalteten wir passend das erste online-Labor (in dem Fall natürlich den derzeitigen Beschränkungen geschuldet) aus einer Verbindung aus Konferenzsoftware und digitalem Whiteboard.

Zu Beginn unseres Austausches haben wir uns über die Auswirkungen der aktuellen Situation bezogen auf unsere Arbeit unterhalten: Dabei wurden die neuen Möglichkeiten der online-Kommunikation positiv wahrgenommen, etwa durch die freie Gestaltung des Arbeitsortes und verbundenen Naturerlebnissen, und ebenso der erhöhten Reichweite (einige Teilnehmerinnen hätten sonst gar nicht an unserem Labor teilnehmen können). Auf der anderen Seite wurden schwierige Zugänglichkeit mancher Berufsgruppen, erschwerte Konfliktbearbeitung und die Anstrengungen durch die vielen online-Calls als schwierige Begleiterscheinungen aufgezählt.

Als Beraterkollegen und Freund von SOCIUS luden wir Lino Zeddies ein, das Labor für uns zu gestalten. Dabei ist Beratung allerdings nur ein kleiner Teil der Vielfältigkeit seines Wirkens. Als studierter Ökonom hat er sich viel mit alternativen Wirtschaftsmodellen beschäftigt und hält Vorträge und Workshops zum Thema Geld und der Finanzwirtschaft. Ebenso hat er sich mit Psychologie und Persönlichkeitsentwicklung beschäftigt und dadurch mitunter als Heilpraktiker und Coach gearbeitet. Unabhängig vom Thema, mit dem er sich beschäftigt, fallen bei Lino immer wieder die gleichen Querschnittsfragen: Wie könnte es in 20, 30 Jahren darum stehen? Was wäre das Beste, was sich daraus entwickeln ließe? Wie lässt sich das heute schon umsetzen? Als neuestes Projekt hat er seine gesammelten Bausteine einer schönen Zukunft in ein Buch gegossen: Utopia 2048, das just wenige Tage vor dem Labor fertig wurde. Darin beschreibt er erzählerisch eine inspirierende Welt, wie sie in knapp 30 Jahren aussehen könnte und was rückblickend nötig war, um diese Utopie Wirklichkeit werden zu lassen.

In Kleingruppen beschäftigten wir uns folgend mit unseren persönlichen Visionen unserer Arbeit, wo unter anderem sinnhaftes Tätigsein und eine Reduktion von Pflichtarbeitszeit im Vordergrund stand. Dies ging mit vielfach genannter Entkopplung von Einkommen und Tätigsein einher. Hier wurde deutlich, dass es einen großen Wunsch nach gesellschaftlicher Anerkennung aller Tätigkeiten gibt, auch derer, die bisher wenig unter dem Gesichtspunkt von Lohnarbeit betrachtet wurden. Hier wurde gleichzeitig eine stattfindende Veränderung deutlich, da die so genannte Care-Arbeit im öffentlichen Diskurs momentan als sehr systemrelevant erkannt wird.

 

Was bringt die Zukunft?

Als inspirierendes Bonbon erhielten wir an dieser Stelle eine Leseprobe aus Lino Zeddies’ Buch „Utopia 2048“. Darin hatte sich VW zum erfolgreichen Hersteller von Drohnen avanciert, die in dieser Zukunft einfache Aufgaben und Botengänge erledigten und den Menschen vielerlei hilfreiche Tätigkeiten abnahmen. Menschen beschäftigten sich dafür mit anregenden, sie erfüllenden Arbeiten, wobei der Begriff „Arbeit“ eher der Vergangenheit angehörte, da er so viele negative Assoziationen weckte. Folglich wurde auch das Arbeitsamt in „Berufungsamt“ umgetauft, welches die Bevölkerung beim Finden ihrer Berufung behilflich war. Durch die Absicherung eines bedingungslosen Grundeinkommens gab es in dieser utopischen Welt keinen Wegbruch von Sicherheiten zu befürchten. Im vorgelesenen Abschnitt wurde die Sinnlosigkeit der Erhebung von Arbeitslosigkeit von den Protagonist*innen diskutiert. Ebenso sprachen sie darüber, dass eine Abwicklung überholter Industrien und Einstellung der staatlichen Unterstützung sozial und ökologisch schädlicher Unternehmen finanziell für das Grundeinkommen aufgekommen war. Das Grundeinkommen unterstütze und die Menschen fortan beim Nachgehen ihrer Wunschberufe

Mit diesem mindset ging es dann richtig los mit dem Visionieren, als wir unseren kühnsten Phantasien – Utopie wie Dystopie – freien Lauf ließen. Hier einige der gesammelten Ideen:

Utopie 

  • Sowohl das Sein mit sich selbst als auch das Miteinander würde in der Zukunft anders sein. Die Menschen wüssten mehr, was ihnen eigentlich liegt und würden dem nachgehen. Arbeit würde individuell Sinn erzeugen und ggf. sogar tauschlogikfrei sein, also nicht an ein direktes Entgelt gebunden sein. So würde auch die Selbstoptimierungslogik der Vergangenheit angehören und Leistung käme aus einer Quelle der Inspiration und weniger aus Wettbewerbsängsten. Die Mitarbeiter*innen stünden in tiefen, authentischen Verbindungen miteinander.
  • Unternehmen und Organisationen wären eher klein bis mittelgroß und würden eine attraktive und inklusive Vielfalt abdecken. Die Arbeitsumgebungen wären so gestaltet, dass sie eine Wohlfühlatmosphäre verbreiten würden und vielerlei, teilweise naturverbundene Arbeitsplätze ermöglichen.
  • All jene, die von Entscheidungen in Unternehmen/Organisationen betroffen sind, würden in den Entscheidungsprozess eingebunden, genannt wurden hier Kreisorganisationen, entlehnt aus der Soziokratie.
  • Schulen wurden als eigene Organisationsform als Schutzräume des Experimentierens genannt, in denen neue Ideen entstehen und ausprobiert werden könnten.
  • Die Menschen wären in ihrem Leben nicht mehr an einen oder vielleicht zwei Berufe gebunden, sondern hätten größere Flexibilität der beruflichen Freizügigkeit. Dabei würde sich auch die Arbeitszeit verkürzen – Teilzeit wäre das neue Normal.

 

Dystopie

  • Die Messung und Bewertung all dessen, was Menschen beruflich und privat tun, würde zunehmen und als permanentes Damoklesschwert über ihren beruflichen Existenzsicherungen hängen. Ähnlich wie es in China bereits gehandhabt wird, wären social scoring Systeme verbreitet und eine Atmosphäre von Missgunst und Misstrauen würde die Menschen in zunehmend heftigeren Wettbewerb und Selbstausbeutung treiben.
  • Arbeit würde nur noch von einigen wenigen, monopolistischen Konzernen ermöglicht werden, deren Bosse sich in steilen Hierarchiepyramiden ausschließlich um Gewinne scherten. Produziert würden schlussendlich nur noch ausbeuterische und ungesunde Produkte. Die Arbeit selbst wäre monoton und fremdbestimmt.
  • Ein Rückgang an Sozialstaat und nationalistische Tendenzen würden den non-profit Sektor austrocknen, im Zuge dessen auch Care-Arbeit zum Erliegen käme. Diese würde wiederum von automatisierten Systemen übernommen, die in Kindergärten und anderen Einrichtungen die Betreuung aller Fürsorgebedürftigen mechanisch übernähmen.
  • Errungenschaften der Gleichberechtigung würden zurückgehen und soziale Ungleichheit würde massiv zunehmen.
  • Der Trend zur Verbindung von Arbeit mit Spiritualität und Persönlichkeitsentwicklung würde entweder wieder gekappt und ausgetrocknet oder so ausgehöhlt, sodass sogar diese intime Bastion der Menschen der Selbstvermarktungslogik zum Opfer fallen würde.

Es war bemerkenswert, welche Spanne von schönen und abschreckenden Szenarien sich unsere Gehirne gemeinsam ausdenken konnten und das wiederum schaffte eine interessante Gleichzeitigkeit von Verheißung und Abstoßung. Es verdeutlichte uns als Gruppe außerdem die Lust aber auch Notwendigkeit eines beherzten Zupackens, um unsere Welt im Sinne der utopischen Möglichkeiten zu gestalten.

Wo setzen wir unseren Fokus?

Abschließend kamen wir darauf zu sprechen, welche derzeitigen Trends die zuvor skizzierten Möglichkeiten unterstützten und teilten sie nach Chancen und Gefahren. Erstaunlicherweise kamen in dieser Diskussion etwa zehn identifizierte Chancen entgegen nur einer Gefahr zusammen. In einer Reflexion über diese Disproportionalität wurden wir umso mehr gewahr, wie sehr eine schöne Zukunft für uns als Gruppe Zugkraft hatte. Dies brachte aber zugleich das Risiko mit sich, die Gefahren zu übersehen oder zu trivialisieren.

Es ist eine vermutlich individuell zu beantwortende Frage, inwieweit wir uns Gefahren oder Chancen zuwenden möchten. Implikationen hat es allemal, sowohl gesellschaftlich als auch für die eigene Lebensgestaltung. Ich zog für mich den Schluss, meine Offenheit gegenüber verheißungsvollen und realisierbaren Modellen einer schöneren Arbeits- und Organisationswelt zu vergrößern, Gefahren dabei aber weder zu ignorieren noch ihnen zu viel Raum einzuräumen.

Trotz der Distanz via online-Labor, entstand ein gemeinsames Verheißungsgefühl und löste bei einigen den Wunsch nach mehr Austausch über die Zukunft der Arbeit und Organisationen aus. Angeregt teilten wir am Ende noch einige Ressourcen zur Thematik.

Vielen Dank an Lino für die kurzweiligen Stunden und die vielen neuen Ideen einer lebenswerten Zukunft!

Wer dazu eine umfassende und schön eingebettete Sammlung an progressiven Ideen lesen möchte, kann sich auf Lino Zeddies’ Website näher über das Buch, die Ideen und Bestellmöglichkeiten informieren.

Literatur

Horx, Matthias, 2011: Das Buch des Wandels – Wie Menschen Zukunft gestalten. Erschienen im Pantheon Verlag

Zeddies, Lino, 2020: Utopia 2048. Erschienen im Selbstverlag bei Books on Demand

Sinnvoll zusammen wirken

SOCIUS labor Bericht: Liberating Structures

SOCIUS labor Bericht: Liberating Structures

Liberating Structures – die Wortkombination von „Strukturierung“ und „Befreiung“ ist schon eine kleine Zumutung, aber eine schöne: Strukturen sind ja nur dann Gefängnisse, wenn sie Entfaltung verhindern. Wo sie sie ermöglichen, können sie im doppelten Sinne befreiend wirken – befreiend von der Stagnation überregulierten Formgeschehens und vom Dschungel unterregulierter Gruppendynamik. Und doch gelingt dieses Spagat so oft nicht – was ist das Geheimnis? Willkommen in der Welt der „Wicked Questions“, der Nr. 1 im Menü der Liberating Strcutures.

Britta Loschke ist für SOCIUS durch langjährige Zusammenarbeit und gemeinsame Geschichte ein Very Special Guest. Sie ist im besten Sinne ein Strukturfreak (muss man sein, wenn man mit Großgruppen beteiligungsorientiert arbeiten will). Damit knüpft dieses Labor auch an unseren langjährigen „Battle“ an über die Frage, wieviel Struktur und wieviel Emergenz Prozesse vertragen.

Der Einstieg zum Labor bildet das „Impromptu Networking“: wechselnde 4-minütige Zufalls-Begegnungen zu den Fragen „Was erhoffst Du Dir von diesem Labor? Und was bringst Du in ein?“. Und wie dieser Austausch einen kompakt-intensiven ersten Kontakt unter den 15 Labor-Teilnehmenden ermöglicht, geht es im Programm auch weiter: Die Gruppenerfahrung und das gemeinsame Interesse an Beteiligungsprozessen bilden dabei immer die Plattform, über die Methoden miteinander in Austausch zu kommen.

Was macht die Liberating Structures aus?

Die Structures (auch liebevoll „LS“ genannt) sind ein Repertoire von sogenannten „Mikro-Strukturen“, Abläufen zur Gestaltung von Gruppenprozessen und Workshops. Die erste Sammlung wurde von Keith McCandless und Henri Lipmanovicz vom Plexus Institute zusammengestellt. Sie umfasst bisher 33 Methoden – einige alt-bekannt (etwa der Open Space oder die Appreciative Inquiry Interviews), andere neu erdacht und pointiert aufbereitet. Auch wenn der Modus und die Spielregeln der Weiterentwicklung in der LS Community nicht abschließend geklärt ist (übrigens mal ein hochinteressantes Thema für eine Forschungsarbeit), kommen neue Methoden laufend hinzu.

Gemein ist den Strukturen, dass sie zu jedem Zeitpunkt die größtmögliche Aktivierung der Gruppe unterstützen (Vorträge und lange Vorstellungsrunden gehören daher nicht zum Repertoire der Structures), und dass sie Vielfalt und Komplexität produktiv nutzen anstatt sie zu simplifizieren oder zu ignorieren. Die Haltungen dahinter sind in 10 Prinzipien niedergeschrieben, die als loses Manifest der Liberating Structures im Labor-Raum verteilt hängen – auch mit der Einladung dazu, Resonanz und Reibung mit einzelnen der Prinzipien zu erkunden.

 

Wie in jeder guten Methodensammlung sind die Structures anhand eines einheitlichen Rasters beschrieben: die Zeiteinteilung, die Verteilung von Teilhabe und Mitwirkung, die „Einladung“ (oder auch Spielanleitung), die Zusammensetzung der Gruppe(n) und die Anordnung des Raumes.

Arbeit mit Widersprüchen und beängstigenden Unsicherheiten

Nach einigen Einführungen zum Wesen und zu den Prinzipien der Liberating Structures geht es im Labor mit den „Wicked Questions“ weiter: Wir schreiben auf, was für uns wesentliche Wahrheiten und Prinzipien unserer Arbeit in und mit Gruppen sind und wo diese besonders miteinander in Reibung stehen. Die Wicked Question wird im Format notiert: „Wie kann es sein, dass … und gleichzeitig…“. Das von Britta als Beispiel eingeführte Spannungsfeld  „Struktur“ und „Emergenz“ lässt sich hier gut bearbeiten. In paarweisen Austauschen werden die Widersprüche geschärft und weiter herausgearbeitet. Es ist eine interessante Erfahrung, dem Reflex zu widerstehen, Widersprüche sofort aufzulösen und zu spüren, welche Kraft in der Spannung scheinbar unvereinbarer Prinzipien liegt. Die Timebox schließt sich auch hier wieder mit dem Ping des Klangstabs – ein kompakter Moment Reflexion und weiter. Auch das ist Struktur.

Als letzte Structure erkunden wir die „Tiny Demons“ – eine neuere LS Übung zur spielerischen Arbeit mit Befürchtungen. Die Übung hat drei Schritte:

  1. Zeichne auf einem Blatt in vier Quadranten je eine Krakellinie (oben rechts eine dynamische Linie, oben links eine geschlossene Figur, unten rechts ein eckiges Gebilde, unten rechts irgendwas). Ergänze die Formen jeweils zu einem Monster, indem Du Zähne, Haare, Flügel, Klauen dazu zeichnest.
  2. Mache auf der Rückseite eine Liste Deiner Befürchtungen in Bezug auf die zu bearbeitende Fragestellung – im Labor widmen wir uns der Frage: Was macht Dir Sorge in der Anwendung der Liberating Structures?
  3. Wähle die vier größten Befürchtungen aus. Welches Monster passt zu welcher deiner Befürchtungen? Gib den Dämonen einen Namen und stelle sie jemandem vor (hier lassen sich auch szenische Dialoge mit den Dämonen anschließen).

So ungewohnt die Übung beginnt, die Gespräche am Ende sind tief und leicht zugleich. Eine schöne, kreative Methode, die auch bei den Fortbildungs-Junkies unter den Labor-Besucher*innen noch den Nerv des Unbekannten trifft.

In der Abschlussbetrachtung schwingt Erfülltheit von den vielen intensiven Austauschen, inspirierte Nachdenklichkeit zum noch teilweise nebligen LS Überbau, Dankbarkeit für die praktischen und schnell anwendbaren Methodeneinblicke und Respekt für die integre und souveräne Begleitung von Britta durch diesen Ritt.

Und natürlich gibt es wie immer im Nachklang der Labore eine leckere Suppe von Denise und Drinks am Kamin.

weitere Infos

Die Liberating Structures findet man als Sammlung im Netz (https://www.liberatingstructures.de), als Buch (The Surprising Power of Liberating Structures: Simple Rules to Unleash A Culture of Innovation, 2014), als Kartenspiel und mittlerweile auch als kostenlose App.

Zum tieferen Einstieg in die Welt der Structures gibt es verschiedenste Möglichkeiten: Virtuell tauscht sich die globale LS Community auf Slack (http://bit.ly/libstrucslack) und in den Social Media Kanälen (#LiberatingStructures) aus. Wer mehr auf live Interaktion steht, finden auf https://www.liberatingstructures.de/community/ eine Übersicht über lokale und regionale LS Gruppen. Workshops zu den Liberating Structures werden in Deutschland u.a. vom Liberating Network (z.B. Berlin 19./20.3.) von Holisticon (Hamburg) und von der Facilitation Academy (Berlin) angeboten.

Sinnvoll zusammen wirken

SOCIUS labor Bericht: Lasst uns Zukunft spielen!

SOCIUS labor Bericht: Lasst uns Zukunft spielen!

Die ganze Welt spricht von Disruptionen. Dystopische Zukunftsbilder werden allenthalben gemalt und es gibt quasi niemanden mehr, der oder die nicht gewiss ist dass die Zukunft ungewiss ist.

Und dann kommt Christian Schoon – Zukunftsforscher bei der Stadt Köln. Ein gut gelaunter Geist aus einer kleinen Fakultät, der sich ganz professionell mit Zukunft befasst. Zusammen mit Josephine Ulrich, einer langjährigen Kollegin und Freundin von SOCIUS haben die beiden am 16. Januar 2020 das SOCIUS labor „Zukunftsforschung und Foresight – im Spannungsfeld zwischen Seriösität und Absurdität“ angeboten.

Die beiden haben sich in der Stadtteilarbeit in Berlin Neukölln kennengelernt und gemeinsam Projekte verwirklicht, bevor es den einen nach Köln und die andere nach Rostock zog. Den Raum den SOCIUS mit den Laboren stellt für gemeinsames Experimentieren und Forschen, haben die beiden an dem Nachmittag mit acht Teilnehmenden, genutzt um sich dem gemeinsamen Thema zu widmen und mit dem was ihnen aus anderen Kontexten schon vertraut ist, neue Erfahrungen in einem so genannten „Stranger Lab“ zu machen.

„There are known knowns; there are things we know we know. We also know there are known unknowns; that is to say we know there are some things we do not know. But there are also unknown unknowns – there are things we do not know we don’t know.“ (Donald Rumsfeld, 2002)

Weniger Vorhersage als Spekulation

Zunächst hat Christian Schoon uns einige Einblicke in seine Profession gegeben – wie erforscht man die Zukunft? Etwas was noch gar nicht da ist? Was gibt es daran heute schon zu verstehen?

Das Feld der Zukunftsforschung trennt sich von der Tradition der Vorhersage. Es geht davon aus, dass es immer mehrere Zukünfte gibt – eine plausible, eine wahrscheinliche, eine mögliche und eine wünschbare. Und in der Zukunftsforschung geht es darum ein Thema in die Zukunft zu spinnen. Als Angestellter der Stadt Köln hat Christian Schoon viel Erfahrung damit das vor allem in Verwaltungskontexten zu machen, sieht aber keine Schwierigkeiten die Prinzipien der „Spinnerei“ auf (Groß-)Organisationen zu übertragen.

Bevor er städtischer Zukunftsforscher wurde, arbeitete er bei „Future Impacts“, einer Beratungsfirma die „Foresight Consulting“ anbietet und der er immer noch verbunden ist. In diesem Rahmen haben er und seine Kolleg*innen u.a. auch das britische Militär beraten, bei einem Zukunftsprojekt.

Das Forschen bei Zukunftsforscher*innen gleicht eher einem spekulieren, experimentieren und gestalten, da der „Gegenstand“ der Erforschung ja noch nicht existent ist. Hier zu nutzen sie:

  • Gespräche mit Expert*innen
  • Gaming
  • Delphi-Befragungen
  • Szenariotechnik
  • Simulationen

Sie befinden sich dabei immer in dem Bewusstsein, das so genannte „wild cards“, wie zum Beispiel die Anschläge auf das Worldtrade Center am 11. September 2001 in New York, nicht vorhersehbar sind, und dass sie so genannte „weak signals“ auch manchmal übersehen können.

Serious Gaming

Serious Gaming eignet sich immer dann, wenn es um Strategie, Innovation, Planung und – Zukunftsdenke geht. Sein Ursprung liegt im „Wargaming“. Heute boomt es in der Wirtschaft und in öffentlichen Einrichtungen. Es fördert kreatives Denken, führt zu neuen Erkenntnissen, hebelt Denkverbote und Denkbarrieren aus, ermöglicht neue Perspektiven, erhöht die Teamzusammenarbeit und -verständigung und macht Spaß. Bekannt ist es vor allem durch Lego Serious Play oder die Scenario Exploration Systems der Europäischen Kommission.

Christian Schoon erzählt, dass in den Niederlanden, vor allem in Den Haag, der Bürgermeister regelmäßig mit seinen Mitarbeitenden spielt, sobald ein Problem, eine Herausforderung oder etwas Neues ansteht.

Und das machen wir jetzt auch. Die Idee ist ganz einfach: Von einem zufällig zusammengesetzten Zukunftsszenario aus wird die Frage gestellt: Was ist passiert? Wie kam es dazu?

Christian Schoon und Josephine Ulrich begleiten zwei Spielgruppen im von Future Impact entwickelten „Disruptions Game“. Wir spielen die Variante für die Verwaltung. Hier gibt es sechs verschiedene Perspektiven von denen wir aus die Zukunft denken können: Mitarbeitende, Führung, Organisationsform, Kommunikation, „Typen“ (Mentalität) und Führungsstil. Innerhalb dieser Perspektiven gibt es wiederum sechs verschiedene Aspekte. Außerdem gibt es fünf verschiedene Denkrichtungen: „Gibt es nicht mehr“, „wird weniger“, „wird mehr“, „verändert seinen Charakter“, „Joker“. Nun wird gewürfelt – ein Buchstaben und ein Zahlenwürfel verraten uns aus welcher Perspektive mit welchem Aspekt wir denken, der beherzte Zufallsgriff in den Kartenstapel gibt uns die Denkrichtung vor.

„Während der Zukunftsforscher an die heutige Realität anknüpfen muss, sein Zukunftsraum durch absehbare Trendentwicklungen, fest vorgegebene Faktoren (»Givens«) eingeschränkt wird und selbst Wild Cards nicht aus dem blauen Himmel fallen, sondern plausible Anknüpfungspunkte benötigen,“ schalten und walten Spieler frei in ihrer Welt. (Steinmüller, 2016)

Storytelling inklusive!

„B4 wird mehr“: B = Kommunikation/ 4 = Echtzeittools (Werkzeuge mit denen wir in unmittelbarer Interaktion sind, wie z.B. messenger wie Signal, Telegram, WhatsApp u.a.; Arbeitsplattformen wie trello, Slack, basecamp u.a.; shared docs an denen gleichzeitig gearbeitet werden kann) – wir sind in der Zukunft – was ist passiert dass es nun mehr Echtzeittools gibt? Die Person die gewürfelt hat, hat 3 Minuten Zeit auf dem Zettel ihr Szenario aufzuschreiben, während die anderen überlegen können, was ihnen dazu einfällt, was passiert sein könnte, dass es nun mehr Echtzeittools gibt. Diese werden dann alle im Anschluss miteinander geteilt. Nicht selten passiert es, dass wir uns gegenseitig zu phantastischen Assoziationen anstacheln und sehr nachvollziehbare Geschichten erzählen, wieso nun entweder alle nur noch Echtzeittools verwenden, Teilzeit das neue „normal“ ist, die Führungskraft ihren Charakter verändert hat, oder warum es zukünftig keine Netzwerk-Organisation mehr gibt.

Nachdem beide Spielgruppen diverse Szenarien für die Zukunft entwickelt hat und jedenfalls die eine Gruppe das auf Belohnung ausgelegte Chipssystem für „gute Szenarien“ mit einem Chips-Grundeinkommen fürs Mitspielen ersetzt hat, kamen wir alle wieder zusammen, berichteten kurz und wählten vier Szenarien aus, mit denen wir uns jeweils in Duos weiter befassten unter der Fragestellung: Was bedeutet dieses Szenario für die Führung? Welche Veränderungen werden damit einher gehen? Und welche Kompetenzen müssen Führungskräfte für dieses Szenario entwickeln?

Und was heißt das für die Zukunft?

Es trat jeweils ganz erstaunliches zu Tage und alle Beteiligten spürten die Kraft dieses Spieles für die Entwicklungen der Gegenwart in die Zukunft:

  • Wenn „Teilzeitbeschäftigung“ z.B. das zukünftig „normale“ ist, dann bedeutet das für Führungskräfte, dass sie Aufgaben und Verantwortungen teilen müssen. Die klassische Führungsrolle muss verlassen werden, Umsichtigkeit ist gefragt, die sich an Inhalten und menschlichen Bedarfen orientiert. Gleichzeitig braucht es mehr Absprachen und Koordnination, weil die gleiche Arbeit jetzt ja von mehr Menschen erledigt wird. Die Ansprüche an Verlässlichkeit und Verbindlichkeit steigen ebenso wie die an Selbstführung für alle.
  • Wenn mehr Echtzeittools genutzt werden, weil die „Digital Natives“ quasi ganz natürlich eben genauso kommunizieren, dann bedeutet das für Führungskräfte, dass sie dafür sorgen müssen, eine Balance zu schaffen zwischen der Möglichkeit ungestört zu arbeiten und schneller Interaktion. Außerdem müssen „Konventionen“ für die Nutzung der Tools im Rahmen des Datenschutzes nicht nur erarbeitet sondern auch durchgesetzt werden. Führungskräfte müssen hierfür Medienkompetent, Organisationskompetenz und emotionale Intelligenz bewusst entwickeln und einsetzen.

Alles in allem war es ein sehr inspirierender Nachmittag und die Teilnehmenden haben im Anschluss noch eine ganze Weile bei Suppe und guten Getränken miteinander über die Zukunft geplaudert und das Netzwerk erweitert.

Habt großen Dank, Christian und Josephine, für diese Erfahrung!

Sinnvoll zusammen wirken

SOCIUS labor Bericht: Emotionen im Projektmanagement

SOCIUS labor Bericht: Emotionen im Projektmanagement

Die Herausforderung wurde gleich zu Beginn sichtbar: Projektmanagement verbinden die Teilnehmer*innen mit Planung, Struktur und Ratio. Emotionen haben bei den meisten entwickelten Instrumenten – sehen wir von Grenzbereichen wie der Führungskräfte- und Teamentwicklung ab – nichts verloren. Dem aber widerspricht die Erfahrung: Wie an anderen Stellen zeigen sich auch in Abläufen des Projektmanagements Emotionen als zentraler Einflussfaktor für Prozesse und Entscheidungen und letztlich auch über ihren Erfolg oder Scheitern. Wie also können diese beiden Elemente expliziter verbunden werden als mit den gängigen Mitteln möglich?

Die fünf Wirkkräfte (Holz, Feuer, Erde, Metall, Wasser), entnommen als Beobachtungen und Metaphern aus stattfindenden Naturprozessen, hat Pao Siermann (https://www.wu-de.com) auf Kontexte des Coachings und der Organisationsentwicklung übertragen.

Einblicke aus der Natur

Der Wu-De-Prozess („Wu-De“ kommt aus dem Chinesischen und steht für: Fünf Wirkkräfte) greift zurück auf vor über 2.500 Jahren formulierte evolutionäre Prozesse und Qualitäten der Natur. Es wurden diese fünf Wirkkräfte identifiziert, die den Gesamtprozess von Entstehen und Vergehen beschreiben: „Holz“ (grün) steht für Wachstum, (Neu-)beginn, dynamische Entwicklung; „Feuer“ (rot) für Begeisterung, Kommunikation, Wärme; „Erde“ (gelb) für Reifung und Kontinuität, Miteinander; „Metall“ (weiß) für Fertigstellung, Ernte und Reflexion, Verabschiedung; „Wasser“ (blau) für Ruhe und Ausruhen sowie Speicherung und Erholung. Wie in vielen Modellen werden allen Wirkkräften hilfreiche Qualitäten und hinderliche Pathologien zugeschrieben.

Im Kreis ist ein evolutionäres Wachstums- und Regressionsmodell erkennbar: Aus der Knospe entwickelt sich die Blüte, die Frucht, die als neuer Samen zur Erde fällt (Trennung im Herbst, Metall) und in diesem Schutz (Rückzug) Kraft für den nächsten Frühling sammelt; der Prozess wiederholt sich. Nachvollzogen wurde das Modell auch in gesellschaftshistorischen Prozessen (Ablösungsprozesse fernöstlicher Herrschaftsdynastien, historisch verfolgt vor über 2.000 Jahren). Im Verlauf wurden diesen Wirkkräften weitere unterschiedliche Qualitäten zugeordnet. Beispielsweise wird assoziiert: mit Holz Wachstum, Neuentwicklung aber auch Wut und Mut; mit Feuer Erregung und Energie, Bewusstheit für das Ganze, mit Erde die Reflexion und Kontinuität, Wahrnehmung von Verantwortlichkeit; mit Metall der Abschied und die Kritik, sowie das Lernen und mit Wasser die Pause, das Expertentum, aber auch ein Kontrollbedürfnis und Ängstlichkeit.

Diesem evolutionären Modell steht ein disruptives Modell gegenüber, dass sich aus den Pfeilverbindungen innerhalb des Kreises nachvollziehen lässt: Wasser Löscht Feuer; Feuer biegt Metall; Holz wird zu Erde usw. Das konnte vor allem metaphorisch in gesellschaftlichen Veränderungsprozessen nachvollzogen werden. Interessant ist hier: Aufgrund der ungeraden Zahl an Wirkkräften, bleibt es – unabhängig von einem idealtypischen Verlauf – ein dynamischer Prozess und nicht nur, wie bei vier Qualitäten, ein sich wiederholender Kreislauf.

Praxisbeispiel: Soziogramm nach Wu-De

Wo finden sich nun Anwendungsmöglichkeiten des Modells in der Praxis? Verschiedene Assoziationen zu anderen Modellen liegen auf der Hand und können hier eine hilfreiche Ergänzung erfahren. Anklänge finden sich beispielsweise bei der Teamuhr von Tuckman, aber auch der Gestaltzyklus kann nach meinem Eindruck wieder gespiegelt werden sowie die OE-Phasen von Glas finden eine Entsprechung. Hier könnte man diese oder andere gängige Vorgehensweisen analogisch betrachten und kombinieren.

Wir haben beispielhaft eine konflikthafte Projektsituation durchgesprochen und eine Auslegungsordnung gelegt und die vorherrschenden Wirkkräfte integriert.

Neben den Farben, die dem beschriebenen Modell folgen, haben auch die Formen hier eine Bedeutung: Die Kreise symbolisieren wesentliche beteiligte Personen / Funktionen; die Rechtecke Zuständigkeiten / Prozesse und die Sechsecke Störungen. 

Das Vorgehen selbst hatte eine Vergleichbarkeit mit anderen Konstellationen. Auch hier stand im Vordergrund der Eindruck der Fallgeberin, ihre Bewertung und ihre „Einordnung“ in die jeweiligen Wirkkräfte. Der Fokus auf diese Perspektiven ermöglicht eine interessante Blickweiterung: durch die Wirkkräfte können mit den Prozessen verbundene Emotionen beschrieben und zugeordnet werden. Da in diesem Zugang nicht – wie im westlich geprägten Denken – zwischen emotionalen und gedanklichen Prozessen unterschieden wird („denken“, oder das, was diesem Begriff sprachlich am nächsten kommt, wird mit der erdigen Wirkkraft des Stoffwechsels, der Umwandlungsprozesse im Ackerboden assoziiert), ist eine Reflexion möglich, die Intuition, Kognition und Emotion miteinander verbindet. Diese Möglichkeit eines ganzheitlichen reflektierten Zugangs lässt sich auf andere Kontexte übertragen: Dynamiken und Phasen in Teamprozessen; Anteile und Qualitäten auf persönlicher Ebene; Moderation von Entscheidungsprozessen usw.

Mein Lernen im Labor

  • Mehr und mehr wird deutlich, dass der im westlichen Denken geprägte Spalt zwischen Kognition und anderen Erfahrungswelten hinderlich ist, zunehmende Komplexität zu überwinden. „Ratio“ wird in der chinesischen Denkweise beschrieben als „der Natur folgend“ und bietet damit auch konzeptionell eine Möglichkeit der Integration vermeintlich widersprechender Elemente.
  • Das Modell der fünf Wirkkräfte und ihre Verbindung zu emotionalen, kognitiven und intuitiven Perspektiven bietet als Anreicherung für gängige Modelle ein Potential auf dessen weitere Erschließung ich sehr neugierig geworden bin.
  • Die fünf Wirkkräfte als praktische Anreicherung in Auslegungen bietet der methodischen Darstellung eine neue Qualität und vertiefte Wahrnehmung. Vergleichbare tiefere Zugänge könnte der konsequente Blick auf die inneren Emotionen; körperliche Wahrnehmungen oder anderer Ausdrucksformen sein. Auch hier erschließt sich ein breites Tableau weiterer Möglichkeiten.

Literatur: François Jullien: Über die Wirksamkeit. Übersetzt von Gabriele Ricke und Ronald Voullié. Merve Verlag, Berlin 1999. ISBN: 978-3-88396-156-9.

Sinnvoll zusammen wirken

SOCIUS labor Bericht: Improvisation in der Organisationsentwicklung

SOCIUS labor Bericht: Improvisation in der Organisationsentwicklung

Ein erwachsenes Kinderspiel

Das SOCIUS labor mit Hannah Hummel war mit sechs Teilnehmenden ein intensives Labor, was die Improvisationen zu einem sehr persönlichen Erlebnis machte. Hannah Hummel ist Sozialpädagogin und spielt seit über 20 Jahren Improvisationstheater. Ihre Arbeit und ihre Leidenschaft lassen sich gut verknüpfen, denn auch in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ist Improvisation eine hilfreiche Kompetenz.

Im Labor hat uns Hannah Hummel mitgenommen in die Welt des Improvisationstheaters. Nicht umsonst wird Improvisationstheater hin und wieder Theatersport genannt. Neben dem körperliche Einsatz war auch geistiges Training Teil unserer Arbeit als wir den fünf Grundregeln des Impro-Theaters folgten:

  • positiv annehmen was angeboten wird
  • die Kolleg*innen retten, wenn sie nicht weiter wissen und vertrauen, dass genau das passiert
  • heiter scheitern – Fehlerfreundlichkeit und Annahme
  • auf Beziehung bedacht sein und mit klarer Rolle agieren
  • präsent sein in der Situation und gemeinsam agieren

Schon hier wird deutlich wieviel Impro-Theater, das Arbeiten in Teams und New Work gemeinsam haben. In der agilen Gestaltung unserer Arbeitswelt können wir uns von der Praxis und den Erkenntnissen des Impro-Theaters mehr als nur inspirieren lassen. Wir können Improvisation nutzen, um beispielsweise von der peniblen Planung der prä-VUCA-Welt zu einer zeitgemäßen Form des Planens zu kommen, in der sense-and-respond, also bewussteres Wahrnehmen und spontaneres Reagieren erfolgsversprechende Herangehensweisen sind.

In unseren Arbeitskontexten nennen wir das, was im Impro-Theater Spiel heißt, oft „Übung“, aus der Überzeugung, dass Arbeit ja schließlich kein Spiel sei, dass wir aber unerlässlich Übung bräuchten, um noch besser (zusammen) arbeiten zu können. So wurde einmal mehr deutlich wie sehr die Anerkennung dessen was wir tun, vom Kontext abhängig ist, in dem wir es tun.

Es läuft nichts nach Plan, aber ohne Plan läuft nichts

Hannah Hummel verdeutlichte uns mit ihrer Arbeit, das Zusammenspiel von geplantem und intuitivem Handeln. Einerseits war sie sehr gut vorbereitet und folgte einem (inneren) Plan. Sie brachte Experimente mit, mit denen wir uns in diesem Labor beschäftigen würden. Und sie improvisierte gleichzeitig mit denen die da waren quasi vor der weißen Leinwand und vertraute ihrer aus Erfahrung gespeisten Intuition, indem sie als Labor-Leitung den oben genannten Prinzipien folgte.

In der systemischen Gedankenwelt würde sich hier auf Luhmanns Begriff der Kontingenz berufen werden: dass etwas sowohl nicht notwendig als auch nicht unmöglich ist. Kurz: Es könnte auch alles anders sein.

Neben all der Übung im Präsent-sein, Ja-Sagen und den eigenen Körper als Instrument zu nutzen, erfuhren die Labor-Teilnehmenden auch etwas über einflussreiche Impro-Theater-Macher*innen. Allen voran Augusto Boal, der mit seinem Theater der Unterdrückten eine von der UNESCO anerkannte „Method of social change“ entwickelte. Darüber hinaus erzählte Hannah uns noch etwas über Viola Spolin und Keith Johnstone als jene die sie selbst besonders beeindruckten. Allerdings war wir Teilnehmenden so sehr in Spiellaune, dass wir lieber noch mehr spielen wollten.

Die vier Stunden „Impro-Training“ vergingen wie im Fluge und wir hatten einen vergnügten erkenntnisreichen Nachmittag mit herzlichen Lachern und großem Staunen über die verborgenen Talente, die in uns stecken.

Das exzellente Süppchen in der anschließenden Lounge stärkte uns, am Kaminfeuer weilten wir noch eine ganze Zeit und genossen den Austausch und die Reflexion des Erlebten.

Für mich persönlich bleibt die Erinnerung an eine Erkenntnis, die ich mit dem Kollegen Ralph Piotrowski schon immer mal in einen Blog gießen wollte: Allet eens!

Sprich: all die verschiedenen Ansätze, Philosophien, Methoden und Werkzeuge, die wir so gerne klar voneinander trennen würden, dienen mit einer ähnlichen Haltung demselben Ziel: sinnvollem zusammenwirken!

SOCIUS labor Bericht: Digital Storytelling – Persona-Entwicklung

SOCIUS labor Bericht: Digital Storytelling – Persona-Entwicklung

Storytelling ist in aller Munde. Im vergangenen Jahr haben wir unseren Jubiläums oe-tag dem Thema gewidmet und dort u.a. auch Olaf Bryan Wielk erleben dürfen, der die Software hinter der Plattform BeemGee entwickelt hat, mit der Menschen, die Interesse daran haben Geschichten zu schreiben sowohl Persona als auch Storyboard entwickeln können.

Nach dem oe-tag 2018 waren wir neugierig auf ein Experiment: Würde sich Beemgee auch dafür eignen Organisationsgeschichten zu erzählen? Und könnte die Plattform hilfreich sein bei der Entwicklung von Persona für die Arbeit in Organisationen? Kann Entwicklung anhand des Narrativ gesehen werden? Oder vielleicht sogar die Richtung in der die Organisation sich entwickeln will?

Olaf war genauso neugierig wie wir und so luden wir ihn in unsere Expermentierstübchen „SOCIUS labor“ ein.

Am 15. August 2019 waren wir neun Teilnehmende im SOCIUS labor und Olaf führte uns mit faszinierendem Detailwissen über den Aufbau von Geschichten in die Grundideen der Persona-Entwicklung und des Storytellings ein.

Immer wieder zeigte er uns anhand von Beispielen aus allseits bekannten Filmen und Büchern wie Harry Potter, Indiana Jones und ähnlichen die Konstruktion hinter der Geschichte. Immer geht es um Konflikte – um Protagonist*innen und Antagonist*innen. Und wir wollten uns um die  so genannte Outline der Story kümmern. Ein Satz der sich mir eingeprägt hat, war: „Stories are structures in words“, um augenöffnend zu erkennen, dass die Geschichte immer fragt. „Was erzählst du?“ (Struktur) und „Wie erzählst du?“ (Text).

Für die Entwicklung von Personae (oder Figuren) ist es wesentlich, ihre Motivation zu kennen, d.h. was unterscheidet sie voneinander und was treibt sie an, wie können wir sie verstehen. Dafür ist es sinnvoll den Kontext zu kennen in der die Figur sich bewegt.

Eine Story sieht in ihrer Struktur so aus:

Für die Entwicklung von Persona in einer Organisationsgeschichte legten wir den Fokus auf die Figuren und ihre Beziehungen.

In einer Kleingruppenübung beschäftigen wir uns zunächst mit Motivationskarten, die es in 4 Felder zu sortieren galt:

  • das Notwendige für die Person, was ihre innere Transformation sichtbar macht
  • das Notwendige für die Handlung – den Plot
  • so genannte Optionale Plottreiber und
  • so genannter Ballast, der für die Story interessant sein kann, aber dramaturgisch nicht relevant ist.

Schließlich stellte uns Olaf die Möglichkeiten von BeemGee vor und wir untersuchten anhand eines Falles aus unserer Mitte die Möglichkeiten der Software für die gemeinsame Entwicklung eines Organisationsnarrativs.

Hier wurde recht deutlich, dass diese gemeinsame Arbeit an einer Geschichte, die nur eine Person erzählt auch mit Hilfe der Software nicht zu einem spannenden Gruppenprozess wird. BeemGee stellt hier viele Möglichkeiten zur Verfügung und stellt viele Fragen zur Entwicklung der Figuren und ihrem Zusammenspiel. Ich kann mir den Einsatz gut für bestehende Teams vorstellen, die ihre Firmengeschichte aufschreiben wollen, mit einem Fokus auf die Menschen, die daran beteiligt waren und ihr jeweiliges Zusammenspiel.

In der Abschlussrunde wurde deutlich, dass die Teilnehmenden noch mehr Möglichkeiten sehen, sich mit Hilfe der Software an diese Form des digitalen Storytellings heran zu wagen: In New Work Settings zum Beispiel könnten als Figuren keine Menschen sondern Rollen und Funktionen genutzt werden, um diese genau zu beschreiben. Außerdem könnte die Software genutzt werden um nach Befragung der Beteiligten in der Organisation eine Geschichte für die Zukunft zu schreiben.

Nachdenklich stimmte uns die Frage, wessen Geschichte eigentlich erzählt würde, wenn man die Software gemeinsam als Team nutzt und ob es wirklich immer einen Konflikt oder einen critical incident braucht, um eine spannende Geschichte zu erzählen.

Im Raum waren drei Teilnehmende, die aktuell an Büchern schreiben und alle zurückmeldeten, dass sie im SOCIUS labor wertvolle Anregung für ihre weitere Arbeit erhalten haben.

Als Fazit kann man wohl sagen: BeemGee eignet sich gut zum StoryWriting und hilft Autor*innen mit konstruktiven weiterführenden Fragen. Fürs Storytelling in der Gruppe allerdings eignet sich das Tool nicht so sehr. Darin waren sich alle einig.

Das traditionelle Süppchen von Denise Nörenberg gezaubert, genossen im Anschluss in der SOCIUS lounge dann alle zusammen.

SOCIUS labor Bericht: Design Thinking – Mit den Händen denken

SOCIUS labor Bericht: Design Thinking – Mit den Händen denken

Design Thinking als Herangehensweise, kreative und innovative Produkte und Prozesse zu entwickeln, war Mittelpunkt des Labors mit Yi-Cong Lu von be able. Cong hat diesen Arbeitsansatz mit Kolleg*innen u.a. in Arbeitsfeldern mit Menschen mit verschiedenen Beeinträchtigungen oder Personen im Strafvollzug angewendet. Ungefähr 12 Teilnehmer*innen waren bei dem sehr anregenden Labor dabei. (mehr …)

SOCIUS labor Bericht: Schutzkonzepte – Lebendige Strukturen für respektvolle Grenzsetzung

SOCIUS labor Bericht: Schutzkonzepte – Lebendige Strukturen für respektvolle Grenzsetzung

Mit 10 Teilnehmenden war unser Labor am 9.5. gut besucht. Marek Spitczok von Brisinski war bereits das dritte mal als Laborleitung für die Experimente in diesem monatlichen Raum dabei. Diesmal ging es um Schutzkonzepte für Organisationen in denen es strukturelle Machtungleichgewichte gibt – also fast alle. Marek ist Dipl.-Soziologe, Diverstiy Trainer, Mediator, Traumafachberater und Organisationsentwickler. Er ist seit 2014 Beauftragter zu Fragen von sexualisierter Gewalt im Jesuitenorden. (mehr …)

Visit Us On LinkedinVisit Us On FacebookVisit Us On InstagramVisit Us On Youtube